Beiträge von Leserin

    Na, meinen alten Englischlehrer wird es freuen, denn er ist ein großer Fan von ihr. Doch ich finde ihre Bücher soo langweilig. Wenn schon Engländer, warum dann nicht Ackroyd, Amis, Berger oder Ishiguro?
    Die Preisträger der letzten Jahre haben mir entschieden besser gefallen. Ich schätze die diesjährige Entscheidung war eine bloße politisch korrekte Pflichtübung. Und Enquist, Gustafsson und Kadaré werden inzwischen unausgezeichnet wieder ein Jahr älter.
    Grüße von der Leserin

    Hallo Sandhofer,
    Entschuldigung, zunächst mal eine Verständnisfrage, ich weiß nicht, was *ggg* bedeutet?
    Doch jetzt zur Debatte: Es schreiben doch längst nicht alle Professoren präzise und technisch gekonnte Bücher, weder Romane noch Fachliteratur. Und wenn sie es tun, sind sie deswegen zwangsläufig pedantisch? Es scheint mir von Vorteil zu sein, wenn man von der Sache, die man tut, auch etwas versteht. Gibt es denn ein Verdikt, das es Professoren verbietet, Romane zu schreiben und Erfolg damit zu haben? Für Pascal Mercier (Peter Bieri) im Besonderen könnte ich es ja noch verstehen, aber ganz allgemein?
    Gewiß, Eco ist kein Peter Esterhazy oder Jonathan Safran Foer, kein Getriebener, kein Zerrissener, doch berechenbar und langweilig sind seine Bücher nicht. Er versteht sich auf das Handwerk des Schreibens und hat uns eine Menge zu sagen, auch als Romancier.
    Aber vielleicht wäre es an dieser Stelle interessant, darüber zu diskutieren, was wir von der Literatur erwarten? Was macht für uns persönlich die Qualität eines Buches aus? Was läßt uns sagen, dieses Buch mußte ich gelesen haben? Doch vielleicht gibt es dieses Thema bereits im Forum und ich habe es bisher nur noch nicht entdeckt.
    Grüße von der Leserin

    Ja. Professorenliteratur. Genauestens berechnet - von einem, der präzise wusste, was die Theorie (literarisch, semiotisch, historisch etc. etc.) verlangte. :zwinker:


    Gibt es daran etwas auszusetzen, wenn Professoren intelligente Romane schreiben?
    Ecos "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana" ist auch ein überaus lesenwertes und wunderbar illustriertes Buch. Ein schwerkranker sechzig Jahre alter Mann tritt die innere Rückkehr in die Welt seiner Kindheit an. Ein Lehrstück in Sachen Erinnerungsarbeit.
    Gruß von der Leserin

    Wie unterscheidet man gute Bücher denn von Schund, wenn man sie nicht miteinander vergleicht?


    Hallo Bonaventura,
    Nichts für ungut, aber Schund erkennt man in der Regel an ganz bestimmten Merkmalen: am Verlag, am Cover, an der Qualität der Sprache (oft sogar am ersten Satz). Zur Beurteilung von Schund ist es nicht erforderlich, andere Bücher zum Vergleich heranzuziehen. Schund funktioniert gewissermaßen selbsterklärend.
    Grüße von der Leserin

    Hallo Josmar,
    bitte unbedingt [i]Das Echolot Abgesang 1945. Ein kollektives Tagebuch[i] lesen. Kempowskis Verdienste zur Bewahrung des kollektiven Gedächtnisses sind nicht hoch genug einzuschätzen. Wir haben mit Walter Kempowski ein ganzes Zeitalter verloren.


    LG


    Die Leserin

    hallo alpha,


    ich glaube nicht, daß man eine besondere Eignung braucht, um Eco zu lesen. Die Sache mit dem Mörder ist ganz einfach. Wenn man den großen argentinischen Dichter Jorge Luis Borges (1899-1986) kennt, im Alter von 5o Jahren erblindet und langjähriger Leiter der argentischen Nationalbibliothek ( einer seiner schönsten Texte heißt [i]Die Bibliothek von Babel[i]), kommt man beim Auftauchen des blinden Bibliothekars Jorge von Burgos nicht umhin, zu vermuten, daß es sich bei ihm um den Täter handelt und das Eco sich hier einen literarischen Scherz erlauben wollte.
    Wenn man sich nicht für die Auseinandersetzung zwischen Kirche, Politik und Religion interessiert und auch keine Kriminalgeschichten mag, ist das zwar schade, man kann aber immer noch die fabelhafte Prosa Ecos genießen.
    Noch eine Frage: Welchen Sinn soll es haben gute Bücher mit Schund zu vergleichen? Zwar werden die guten Bücher dadurch nicht schlechter, der Schund aber auch nicht besser.
    Die Lektüre vieler guter Bücher wünscht dir


    Die Leserin

    Hallo Leibgeber,


    der Gehülfe war das Buch von Walser, das ich vor vielen Jahren zuerst gelesen habe. Es ging mir damit ähnlich, wie dir. Nur kam es mir dazu auch noch
    seltsam, sogar stellenweise langweilig vor. Später las ich die Geschwister Tanner, die mir besser gefielen. Doch das Befremden blieb. Heute kann ich
    Walser nicht lesen, ohne an seine Lebensgeschichte zu denken.
    Er ist für mich Hölderlins kleiner Bruder ( bezogen auf sein Leben, nicht auf die Dichtung). Ich stelle mir vor, wie er sich nach und nach immer mehr in sich selbst zurückgezogen hat. Diese reduzierte, verwaltete Existenz. Verwahrung, die das Überleben ermöglicht hat. Was ist ihm geblieben? Was hat er gefühlt? Er, der die Natur und die Freiheit so geliebt hat, doch auch so große Sehnsucht nach Schutz hatte.
    Als er mit der Feder nicht mehr schreiben konnte, entdeckte und bewohnte er sein winziges Bleistiftgebiet. Bestimmt hat er nicht geahnt, das später jemand seine Mikrogramme in mühevoller jahrelanger Entzifferungsarbeit freilegen würde. Das wir ihn heute lesen, ist auch der Traum von der Wiedergutmachung eines zerbrochenen Lebens.


    LG
    Die Leserin

    Hallo Lena,


    wie schön, das ich dich neugierig auf Hofmann machen konnte. Ja, Hofmann hat nur großartige Sachen geschrieben, getriebene, atemlose.
    Um dir und allen anderen, die sich vielleicht doch mal mit ihm beschäftigen wollen, Appetit auf ihn zu machen, hier ein Zitat aus seiner Novelle Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein:


    "Da er mich nicht ruhig ansehen kann, kann ich ihn auch nicht ruhig ansehen.


    Das ist aber sein Porträt.


    Ein hagerer Fünfziger in einem braunen Anzug und mit einem fast eckigen Kopf. Wegen seiner hastig und billig und stellenweise rücksichtslos dicht am Schädel hin geschnittenen, also verschnittenen Haare. Hohlwangig, mit steiler, vielleicht etwas verquerer Nase. Das Kinn gespalten, als sei mit einem schweren, leicht angespitzten Gerät von unten her wiederholt in dieselbe Kerbe geschlagen worden. Und als ich ihm in der von Küchenschwaden durchzogenen Dunkelheit die Hand hinhalte, macht er, ehe er einschlägt, mit den Händen eine hilflose und, so habe ich mir das sofort zurechtgelegt, sich für den Anblick, den er bietet, gleichsam entschuldigende Bewegung.


    Ich habe sofort den Eindruck gehabt, daß sich in dem Menschen etwas Unheilvolles, vielleicht eine heimliche Tragödie abspielt, aber das habe ich nicht gesagt."


    Viele Grüße und vielleicht bis bald


    Die Leserin

    Allen, die sich für Walser interessieren, möchte ich die Novelle Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein von Gert Hofmann (1931-1993) empfehlen. Erschienen ist sie in seinem wunderbaren Novellenband Gespräch über Balzacs Pferd. Gert Hofmann gehört zu den leider fast schon vergessenen Autoren, ohne jemals zu der Bekanntheit gekommen zu sein, die sein Werk verdient. Wenn ihr großartige Bücher lesen wollt, dann lest: Auf dem Turm, Die Fistelstimme, Veilchenfeld oder alle anderen Werke von Gert Hofmann. Es würde mich freuen, unter euch jemanden zu finden, der diesen Autoren so sehr schätzt, wie ich.


    Die Leserin

    Eine Umbero Eco- Kennerin bin ich nicht. Ich lese nur gerne seine Bücher, obwohl er ein Bestseller-Autor ist, was ja nicht zwangsläufig eine Schande bedeutet. Ich halte ihn für einen geistreichen, hochgebildeten und grandiosen Erzähler. Er vermag es den Historiker, Philosophen und Schriftsteller in sich zu vereinen, um glänzende Bücher zu schreiben. In "Der Name der Rose" geht es um eine spannend ( obwohl man beim Auftauchen des blinden Bibliothekars [Jorge Luis Borges)] sofort den Mörder kennt) und lehrreich verpackte sehr ernsthafte Auseinandersetzung mit Kirche und Religion.
    Außerdem ist Eco ein integerer, couragierter, politischer Kopf. Rundum ein gelungener Zeitgenosse also, von denen es nicht allzu viele gibt. Je mehr Leser er findet, umso besser. Es gibt ganze Deponien von Schund auf dem Buchmarkt. Wer Umberto Ecos Bücher damit vergleicht, hat etwas falsch verstanden. Dies ist die ganz persönliche Meinung


    der Leserin

    Zu der hier aufgeworfenen Frage, wie Robert Walsers Werke zu interpretieren seien, wenn man seinen Krankheitsprozeß berücksichtigt, denke ich:


    Sobald man nicht nur die Bücher eines Autoren liest, sondern auch anfängt sich für seine Biographie zu interessieren, findet man in seinen Texten jede Menge Bezüge zu dessen Leben. Das Urteil über die Literatur wird durch dieses Wissen eingefärbt, je nachdem, in welches Licht die biographischen Bezüge den Autor rücken, ist man entweder angerührt von seiner Lebensgeschichte oder von seiner Persönlichkeit abgestoßen. Man kommt nicht umhin, so zu verfahren, trotz vieler Versuche der Literaturwissenschaft, Textinterpretationen "rein" zu halten vom viel geschmähten Biographismus, gelingt es nicht diesen subjektiven Beurteilungsfaktor aus der Analyse heraus zu halten. Und das ist auch ganz gut so, denn man ist immer in dem, was man schreibt, ganz und gar selbst enthalten, mit allem Lebensgepäck.
    So rühren uns Texte von Robert Walser, die vom Wandern, vom Schnee, vom Verzweifeltsein handeln, ganz besonders, da wir sein Schicksal kennen. So lesen wir alle seine Bücher im Hinblick auf seinen letzten Weg.
    So lesen wir auch andere Autoren, indem wir liebevoll (Hölderlin,Proust, Kafka, Virginia Woolf, Camus, Bernhard, Brodkey,Kertesz etc.), mit gemischten Gefühlen (Goethe, Stifter, Fontane, Thomas Mann, Canetti, Hamsun, Benn, Brecht, Doderer etc.) oder mit Abscheu (Ernst Jünger, Heidegger etc.) an sie denken. Die Auflistung ist genauso subjektiv, wie unvollständig.
    So wenig auf die Schnelle dazu.


    Die Leserin

    Dear Sir Thomas,


    ja, es hört sich sehr nach Walsers Lebensmotto an, aber jetzt fand ich dieses frühe Gedicht, das ihn, wie ich glaube, noch treffender charakterisiert, anrührend einfach:


    Beiseit


    Ich mache meinen Gang;
    der führt ein Stückchen weit
    und heim; dann ohne Klang
    und Wort bin ich beiseit.




    Besser sagen, kann man es nicht, scheint mir.


    Viele Grüße


    Die Leserin





    Liebe Lena,


    wie sich das trifft. Ich bereite auch gerade eine Walser-Lesung für Oktober vor, weiß aber schon jetzt, dass sie bestimmt eher traurig als komisch wird, zumindest wird das Traurige überwiegen. Wenn man die Menschen zum Lächeln bringt, befinden sie sich genau in der Mitte zwischen Lachen und Weinen.
    Bei meiner jetzigen Beschäftigung mit Walser, kam mir zuerst "Der Spaziergang" in die Hand. War nicht sein ganzes Leben ein solcher Spaziergang?


    Viele Grüße


    Die Leserin

    Lieber Sir Thomas,


    natürlich ist Robert Walser viel interessanter als Hermann Hesse. Die Zeiten, in denen ich, altersbedingt begeistert, Hesse gelesen habe, sind längst vorbei. Doch mich beschäftigt das tatsächlich Befremdende an Walsers Texten, das Zwiespältige, wie du sagst, das ungute Gefühl, das einen mitunter bei der Lektüre überkommt, wenn es um die Unterordnung, das sich selber Kleinmachen und Wegducken, so gut wie Unsichtbarwerden, sich in Sicherheit bringen, Schutz suchen, geht.
    Im Roman-Fragment "Tobold" fand ich diese anrührende Stelle: " Gibt es doch Menschen, die das helle Licht für ihre Person weniger lieben als den dämmernden Schatten, den sie als äußerst wohlwollend empfinden, und in welchem sie sich auf Grund einer tiefen Neigung, die zurück in die schon vor der Geburt für uns existierenden Länder führt, aufs beste aufgehoben und treulichst beschützt fühlen. Stets betrachtete ich mit großer Lust die Pracht und den Glanz; mich selbst jedoch wünschte ich von jeher in einen ruhigen, bescheidenheitreichen Hintergrund zurückgestellt, um von hier aus in das helle Leuchten mit frohen Augen hinein - und hinaufzuschauen."
    Außerdem entdecke ich gerade den Lyriker Robert Walser, viel Zartes und Trauriges.
    Vielleicht auf bald


    Die Leserin

    Vielen Dank für eure Beiträge,


    Lieber Sir Thomas,


    danke für die phantastischen Zitate. Natürlich passen sie perfekt in unsere Service-Gesellschaft mit ihren klar definierten Grenzen zwischen Oben und Unten (Gunten). Walser hat sich ja für den Sozialismus interessiert, seine Sozialkritik äußert sich allerdings sehr subtil.
    Er besuchte auch tatsächlich eine Dienerschule, strebte den Beruf eines Dieners an und übte ihn sogar einige Monate aus. Überhaupt war er immer nur in untergeordneten Stellungen tätig. Es zeigt sich im Jakob von Gunten, im Gehülfen und auch in anderen Texten immer wieder ein ambivalentes Verhältnis zur Macht. Einerseits belächelt und verspottet er diejenigen, die sich über andere erheben, andererseits zeigt sich bei ihm ein oft seltsam befremdliches Bedürfnis nach Unterordnung. Vielleicht hat dieses Befremden auch mit dazu geführt, dass ihm die Anerkennung versagt blieb. Ein offen anklagendes Buch, wie beispielsweise Unterm Rad von Hermann Hesse (nicht dass ich es deswegen höher werte), wäre von den Lesern sicher schneller verstanden und akzeptiert worden. Ich würde gern deine Meinung dazu erfahren.


    Liebe/Lieber? Holkenäs


    das mit der Leserunde habe ich mir auch überlegt, nur sind mir die Planungen dafür einfach zu langfristig. Sollte sich jemand spontan entscheiden, mit mir etwas von Robert Walser zu lesen, bin ich gerne dabei. Zur Zeit lese ich den Spaziergang und kleinere Prosa, danach will ich Der Räuber zum ersten Mal und Geschwister Tanner und Jakob von Gunten noch einmal lesen, sowie auch die eindringlichen Wanderungen mit Robert Walser von Carl Seelig. Auch ich finde viele Stellen bei Walser sehr berührend. Man hat das Gefühl, hier setzt sich jemand ganz und gar aus. Bezeichnend dabei ist, wie fast zwingend der bei ihm oft vorherrschende euphorische Ton in sein Gegenteil umschlägt. Die Euphorie wird dann zur Verzweiflung.
    Vielleicht kommen wir ja noch weiter über Walser ins Gespräch, was mich freuen sollte. ( Darf man übrigens erfahren, woraus dein Zitat stammt, oder soll es ein Rätsel bleiben, dem man selber auf die Spur kommen muß?)


    Viele Grüße an euch beide


    Die Leserin

    Ihr lieben Lesenden,


    in den nächsten Wochen muß und will ich mich wieder einmal intensiver mit Robert Walser beschäftigen.
    Dabei wäre ich froh über alle Anregungen, Ansichten, Einsichten, Gedanken und Hinweise von euch.


    Die Leserin


    (Ein Spaziergang ist immer voller sehenswerter und fühlenswerter bedeutender Erscheinungen, Robert Walser)

    Hallo Robinson,


    vielen Dank für die freundlichen Worte. Einen Gruß auf die Insel ( mit Kafka im Gepäck fühlt man sich ja fast überall gut aufgehoben) sendet


    die Leserin



    Hallo Giesbert,


    Eltern können sich doch irren, aber sicher ist Leserin eher die Bezeichnung einer Lebenseinstellung, als ein Name.


    Deine Worte zum Einstand kennzeichnen übrigens den Arno Schmidt-Verehrer (Synonym für seltsame Spezies) voll und ganz.


    Ich muß bekennen, dass ich nicht weiß, was 8-) bedeutet. (Ich nehme mal an, etwas Nettes)


    Einen netten Gruß


    die Leserin

    Hallo,


    wer sich für Stifter interessiert, sollte unbedingt auch folgende Bücher von Wolfgang Matz zum Thema Stifter lesen:


    -Adalbert Stifter oder Diese fürchterliche Wendung der Dinge


    -Gewalt des Gewordenen. Zum Werk Adalbert Stifters


    die Leserin