Beiträge von Leserin

    Natürlich ist es etwas Schönes, wenn ein guter Schauspieler ein Buch vorliest. Aber es nur zu hören und nicht selbst zu lesen, reicht nicht, um ein Buch wirklich zu erfahren. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Wenn ich in eine Lesung gehe, dann nicht wegen des Textes, sondern wegen des Schauspielers. Die meisten Autoren sind auch keine guten Sprecher, aber es ist allemal interessant, sie zu hören. Der Schauspieler als Vermittler steht immer zwischen dem Text und mir. Einem wirklich guten Schauspieler gelingt es, durch seinen Ausdruck, seine Interpretation, einen Text zu verbessern. Umgekehrt kann ein unzureichender Interpret einen Text völlig zerstören. Will ich mich also wirklich mit einem Buch auseinandersetzen, muss ich dies ganz alleine tun. Ich weiß nicht, welcher Schauspieler "The Road" im Original liest. Ich weiß nur, dass Christian Brückner nicht der Sprecher ist, von dem ich mir gerne etwas vorlesen lasse.


    Die Leserin

    Hallo Steffi,


    wenn du schreibst, "gehört", meinst du etwa, du hast "Die Straße" nur gehört ( gelesen von dem Oberraunzer und Knarzer Christian Brückner?), nicht selbst gelesen? Das wär schade.
    Über dieses Buch ist schon so viel geschrieben worden (ganz wunderbar von Ulrich Greiner in der "Zeit"), darum möchte ich nur noch sagen, dass ich es für ein begnadetes Buch halte, eines von denen, die man weiter in sich trägt. Das hoffnungsvollste Buch, das ich seit vielen Jahren gelesen habe ( er hat es ja schließlich auch für seinen Sohn geschrieben). Ein erschütterndes Alterswerk, das von den großen Themen der Menschheit handelt, von Liebe, Abschied und Tod, von dem was vergeht und von dem was bleibt. Eine Liebeserklärung an das (so zerbrechliche) Leben.


    Die Leserin

    Franzen halte ich für überschätzt (wie auch De Lillo und Thomas Pynchon), seine "Korrekturen" kenne ich nicht, aber "Die 27ste Straße" und "Schweres Beben" haben in mir keinen Eindruck hinterlassen. William Gaddis schätze ich sehr, besonders "Die Erlöser". Überhaupt sind die englischsprachigen Autoren, was die Gegenwartsliteratur angeht, meine absoluten Favoriten (diese Meinung habe ich im Forum wohl schon mehrmals geäußert, aber man kann für seine "Lieblinge" ja nie genug werben.)


    Gruß von der Leserin

    Die von mir Genannten sind alle 20.Jahrhundert (sorry). Die Diskussion über die Französische Literatur hatte sich zum Zeitpunkt meiner Einmischung schon zu der Frage hin entwickelt, was in Frankreich heute gelesen wird (außer Houellebecq und Littell); dabei brachte ich meine Hoffnung zum Ausdruck, es mögen meine "Lieblinge" dabei sein (eben die o.g. Bernanos, Claudel, Giono und Butor).


    Lieber Sir Thomas


    Es freut mich, dass du dir "Die Sonne Satans" vornehmen willst. (Es gehört zu Handkes Lieblingsbüchern, wie ich kürzlich erfuhr. Ich weiß natürlich nicht, ob das in deinen Augen eine Empfehlung ist.) Ich hoffe du wirst dir auch die Lektüre von Butor und Giono (seine Bücher sind von Homer, Stendhal und Melville beeinflußt, sein "Der Husar auf dem Dach" ist ein gigantischer Roman). Was Claudel betrifft, habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt, ich empfehle die Lektüre seiner Stücke ganz ausdrücklich. Man muss ja nicht alles lieben, was man bewundert. Aber dabei kommt etwas zum Tragen, was Sandhofer mit anderen Worten (ich weiß gerade nicht, an welcher Stelle) problematisiert.Wie kann ich mir Bücher von Menschen, die ich überhaupt nicht kenne, empfehlen lassen? Denn in der Regel ist es doch umgekehrt: Ich lerne Menschen kennen, wenn ich weiß, was (und wie) sie lesen. Ich lerne also nicht durch Menschen Bücher kennen, sondern durch Bücher Menschen.
    Es interessiert mich, welchen Eindruck du von Bernanos hast.


    Die Leserin

    Hallo Thopas,


    natürlich ist E.M. Forster ein literarisches Schwergewicht. "Howard`s End" ist ein Meisterwerk.


    Eines meiner Lieblingsbücher beginnt nach dem Vorwort so: "Komm", sagte er.
    Könnt ihr erraten, was es ist? Ich wette, ihr kennt es nicht.


    Die Leserin

    Die fast einhellige Verteufelung dieses in Frankreich umjubelten Buches hat mich nachdenklich gemacht. Immerhin gehören Jorge Semprun und Klaus Theweleit zu seinen Bewunderern, sogar Claude Lanzman findet das Buch wichtig (dieser Ritterschlag genügte mir, um das Buch zu lesen). Mein Fazit: Man sollte den Deutschen dieses Buch auf Rezept verordnen. Da ich schon länger nicht mehr ins Forum geschaut habe, wundere ich mich, dass "Die Wohlgesinnten" hier nicht breiter diskutiert werden. Die Einrichtung des Reading Rooms der FAZ finde ich sehr gelungen, ein Blick hinein ist empfehlenswert.


    Die Leserin

    Hallo Maria,
    wahrscheinlich hast du dir längst eine Aufnahme der "vier letzten Lieder" besorgt. Mit Jessye Norman kann man ja nichts falsch machen. Aber in diesem speziellen Fall gibt es für mich nur die Einspielung von Georg Solti mit Kiri te Kanawa.
    Viele Grüße
    Die Leserin

    Hallo Sir Thomas,


    ich war ewig lange nicht mehr hier, möchte dir aber jetzt verspätet antworten (obwohl du jetzt wahrscheinlich gerade ganz andere Sachen liest).
    Georges Bernanos ist das Beste, was einem passieren kann, wenn man Literatur sucht, die über die Schmerzgrenze hinaus geht (und warum wohl sonst liest man überhaupt?). Man muss ihn einfach lieben. "Die Sonne Satans" gehört in mein Universum der unverzichtbaren Bücher.
    Auch Paul Claudel schlägt sich, genau wie Bernanos es getan hat, mit seinem Glauben herum. Er schrieb, wie du schon angemerkt hast, überwiegend Dramen, die hierzulande so gut wie nie aufgeführt wurden oder werden, aus dem guten Grund, weil sie nahezu unaufführbar und eine Zumutung sind. Claudel muss man einfach schrecklich und grandios zugleich finden. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes, was der Titel eines seiner Stücke besagt,"Hartes Brot", und furchterregender als der von dir geschätzte wahnwitzige Julien Green (auch ein Gottesfürchtiger). In seiner "Adrienne Mesurat" geht er am rasantesten zur Sache, nur hat er leider auch sehr schwache Bücher geschrieben.
    Michel Butor ist ein Fachmann auf dem Gebiet des ausgeklügelten Romans. Seine Bücher sind ein intellektueller Hochgenuß. "Der Zeitplan" ist sein Meisterstück und unübertroffen an Intelligenz und Raffinement. Vergleichbar am ehesten mit Nabokov und Georges Perec (ebenfalls von mir sehr verehrte Könner).
    Jean Giono schließlich ist ein "tagheller Mystiker", um ein Wort vom großen Musil in den Mund zu nehmen. Giono ist ein Poet in Prosa, seine Bücher machen einfach nur glücklich.
    Der von dir erwähnte Mauriac ist kein schlechter Autor, kann sich mit den o.g. Riesen aber nicht messen.
    So, hoffentlich kannst du mit meinen kurzen Anmerkungen etwas anfangen. Würde mich freuen wieder von dir zu hören.


    Viele Grüße von der Leserin

    Hallo Sir Thomas,


    Hier liegt aber wirklich ein sträflicher Irrtum vor, Zola war der einzige, der sich mutig für Dreyfuß eingesetzt hat, wodurch schließlich auch dessen Freilassung und Rehabilitierung bewirkt werden konnte. Zola ist ein Mann, auf den die Franzosen stolz sein können und es meines Wissens auch sind!
    Jetzt noch etwas zur Literatur : Ich bin nicht auf dem Laufenden, was in Frankreich momentan gelesen wird, hoffe aber es sind meine hierzulande wenig bekannten oder vergessenen "Lieblinge" Georges Bernanos, Michel Butor, Paul Claudel und Jean Giono. Um Hugo, Proust, Camus & Co mache ich mir keine Sorgen, die sind doch längst im Olymp.


    Mit etwas irritierten Grüßen


    Die Leserin

    Hallo Sir Thomas,


    du hast natürlich recht, nichts geht über ein gelungenes Live-Erlebnis, man kann allerdings böse Überraschungen erleben, die beim Hören einer CD ausgeschlossen sind. Ich kann davon ein Lied singen, denn ich lebe in Berlin mit 3 Opernhäusern, die alle (mit Recht) ihr Renommee haben und trotzdem ist man vor langweiligen, schrecklichen, absurden Aufführungen nicht gefeit. Eine Schule des Hörens ist dort wirklich nicht garantiert und die Freude an der Oper kann nachhaltig eingeschränkt werden.Deshalb lautet meine Empfehlung, sich zuerst an den besten Aufnahmen, die der Markt zu bieten, schulen, und dann erst, den Fuß in das Opernhaus setzen. Auf die Gefahr hin, dass man von der Qualität der Aufnahme verwöhnt, eine Enttäuschung erleben wird. Es sei denn, man betrachtet die Oper als ein gesellschaftliches Ereignis. Dann heißt es: Die Musik ist tot, es lebe die Oper!


    Viel Musik wünscht dir


    die Leserin

    Hallo Maria,


    schön, dass dich meine Anregungen ansprechen. Bei meiner Auflistung habe ich den wunderbaren Simon Rattle vergessen. Aber mein Absolutum ist und bleibt Claudio Abbado, obwohl ich das Hören bei Solti gelernt habe, und der Gesang von Dietrich Fischer-Dieskau wird mich sowieso mein Leben lang begleiten. Ich bin überzeugt davon, dass du Richard Strauss lieben wirst, wenn du dich in ihn eingehört hast. Vielleicht solltest du mit seinen " vier letzten Liedern" und mit dem "Rosenkavalier" beginnen. "Le nozze di Figaro" ist meine Lieblingsoper und bei Harnoncourt ist sie bestens aufgehoben (nur Abbado kann alles noch besser, aber deswegen ist er ja auch das Maß aller Musik).
    Noch viel Freude in der Welt der Töne wünscht dir


    die Leserin

    Hallo Maria,


    wo soll man da anfangen? Ich würde sagen, erstmal alle Einspielungen von Solti, Boulez, Abbado, auch von Gardiner und Harnancourt. Die Interpreten sind natürlich mindestens genauso wichtig (für Pavarotti habe ich nicht so viel übrig). Meine Favoriten sind Domingo, Hampson, Matti Salminen, Bryn Terfel, der frühe René Kollo, der unsterbliche Fischer-Dieskau natürlich, Jessye Norman, Maria Callas (versteht sich ja von selbst).
    Da hast du ja einen ganzen Kosmos zu entdecken!
    Hör dir, wenn du Richard Strauß liebst, die "Arabella" von Wolfgang Sawallisch mit Julia Varady und Fischer-Dieskau an. Möchtest du in die Wagner-Welt eintauchen, besorge dir den "Ring" von Pierre Boulez mit Gwyneth Jones und Matti Salminen.
    Wenn Mozart deine Sonne ist, kaufe dir die "Die Zauberflöte", dirigiert von Nicolaus Harnancourt.
    Ich sehe, du hast viel vor, alles Gute dabei, wünscht dir


    Die Leserin

    Hallo Maria


    Mc Carthy gehört wirklich zu den ganz Großen, lies unbedingt alles von ihm, was du in die Finger bekommst. Die Amerikaner liegen sowieso an der Spitze der Gegenwartsliteraur (sie sind einfach hartes Brot), kein deutschsprachiger Gegenwartsautor kann ihnen auch nur das Wasser reichen, schon gar nicht ein Günter Grass.


    Viele Grüße und viel Kraft beim Lesen


    Die Leserin

    Wer mehr über den depressivsten und destruktivsten Märchendichter aller Zeiten erfahren will, sollte die Hans Christian Andersen-Biographie von Jens Andersen lesen. Wer außerdem auch noch Gegenwartsliteratur auf allerhöchstem Klassikerniveau lesen möchte, dem sei das Theaterstück "Aus dem Leben der Regenwürmer" über Hans Christian Andersen von Per Olov Enquist empfohlen.


    Viele Grüße


    Die Leserin

    Als ehemalige West-Berlinerin konnte ich erleben, wie viele Bilder, die ich früher im Dahlemer Museum, in der Neuen Nationalgalerie und in der Orangerie in Charlottenburg besucht habe, umgesiedelt wurden. Für mich etwas gewöhnungsbedürftig, wie so vieles im neuen Berlin. An meiner besonderen Liebe zu Caspar David Friedrich und Adolph Menzel, die ich jetzt in der Alten Nationagalerie besuche, hat sich dadurch aber nichts geändert.


    Museale Grüße


    von der Leserin

    Den Hinweis von Steffi und Aldawen möchte ich noch einmal vertiefen:


    Orhan Pamuks Roman "Das schwarze Buch" ist eine Liebeserklärung an Istanbul und den Beruf des Journalisten, darüber hinaus ein komplex verschachtelter Krimi, eine Liebesgeschichte und eine historisch-politische Abhandlung. Fünf Bücher in einem. Was will man mehr?


    Hier ein kleiner Appetitmacher:


    " Er holte einen Bogen hervor und begann ohne lange Überlegung zu schreiben:


    "Wo Rüya zu finden sein könnte. Die Wohnung ihres ehemaligen Mannes. Die Wohnung ihres Onkels. Banus Wohnung. Eine politische Wohnung. Eine mehr oder weniger politische Wohnung. Eine Wohnung, wo man über Lyrik spricht. Eine Wohnung, wo man über alles spricht. Eine andere Wohnung in Nisantas. Irgendeine Wohnung. Eine Wohnung." Er fand, beim Schreiben könne er nicht gut denken, und legte den Stift beiseite. Als er ihn wieder zur Hand nahm, strich er alles aus bis auf "Die Wohnung ihres ehemaligen Mannes" und schrieb folgendes: "Wo Rüya und Celal zu finden sein könnten. Rüya und Celal in einer von Celals Wohnungen.Rüya und Celal in einem Hotelzimmer. Rüya und Celal gehen ins Kino. Rüya und Celal? Rüya und Celal?"

    Während er das Papier beschrieb, verglich er sich selbst mit den Helden der Kriminalromane, die seine Phantasie erfand, und so fühlte er, dass er zur Schwelle eines Tores kam, das zu Rüya führen würde, zu dem neuen Menschen, der er sein wollte, und in eine neue Welt."

    Hallo zusammen,


    gegen Meyrink habe ich gar nichts, ihm ist es schließlich zu verdanken, dass die Legende vom Überleben der Juden, vielen überhaupt bekannt ist. Aber wenn ihr mal was wirklich Schauerliches (grandios/meisterhaft schauerlich) lesen wollt, nehmt euch mal den "Golem von Limehouse" von Peter Ackroyd ( sowieso immer lohnenswert ihn zu lesen) vor.


    Viele Grüße


    Die Leserin