Beiträge von Leserin

    Lieber Sir Thomas,


    zum Thema "verrückte Liebesgeschichten" (ist ja sowieso ein Pleonasmus) fallen mir spontan sofort ein:



    Goethe:Wahlverwandtschaften/Werther (zeitlos schön)
    Yukio Mishima: Schnee im Frühling (sehr außergewöhnlich)
    Victor Hugo: Die Arbeiter des Meeres (gigantisch)
    José Saramago: Das Memorial (die schönste Liebesgeschichte überhaupt)
    Madeleine Bourdouxhe: Gilles Frau (sehr berührend)
    Julien Greene: Adrienne Mesurat (vollkommen wahnsinnig)


    Wenn ich noch länger darüber nachdenke, kommen bestimmt noch einige hinzu.


    Viele Grüße


    Die Leserin


    P.S.: Wo ich jetzt Vults Beitrag lese, natürlich Fontanes "Irrungen-Wirrungen".


    Übrgens Vult, jetzt also doch Thomas Mann?

    Hallo Maria,
    obwohl ich Hörbücher gar nicht mag, denn Bücher sind, finde ich, zum Lesen da, gehören Michael Heltau und Peter Matic ( er liest die "Recherche" unvergleichlich) wirklichen zu den allerbesten Sprechern.


    Viele Grüße


    Die Leserin

    Lieber Sir Thomas,


    darin stimme ich nun gar nicht mit dir überein, denn ich mag "Das Parfum" überhaupt nicht. Auch gegen das Analysieren von Texten habe ich nichts, ganz im Gegenteil sogar, man sollte nur etwas davon verstehen, was bei den meisten Lehrern (Ausnahmen bestätigen die Regel) jedoch nicht der Fall ist. Mit Kafka ist es doch überhaupt so wie mit Mozart, Bach, Shakespeare, sie setzen sich einfach gegen jeden Unsinn, jede falsche Interpretation durch. Man muss sich um sie keine Sorgen machen. Sie sind das Licht des Geistes.


    (Übrigens schätze ich Enzensberger natürlich als Begründer der "anderen Bibbliothek", wie viele großartige Werke wären ohne sie in Vergessenheit versunken)


    Viele Grüße
    Die Leserin

    Hallo Sir Thomas,


    wie sehr du mir aus dem Herzen sprichst. Mir ging es so mit Brecht, Dürrenmatt und Frisch. Brecht kann ich inzwischen wieder lesen, aber mit Dürrenmatt und Frisch ist es bei mir endgültig vorbei. Und bis heute müssen arme Schüler diese Langweiler lesen, nur weil den Lehrern jede Phantasie fehlt.


    Solidarische Grüße von der
    Leserin

    Lieber Vult,


    Lieber Vult,


    was du schreibst, kann ich gut verstehen, man kann Thomas Mann nicht so lieben wie Joseph Roth. Er war gewiß kein sympathischer Mensch; und das ist ja oft das Problem, wenn man zu viel über einen Schriftsteller liest, wenn man zu viel von ihm weiß, mag man nichts mehr von ihm lesen. Dem Menschen hinter dem Schriftsteller sollte man vielleicht nicht zu nahe kommen (bei Stifter ist es mir so gegangen - eine tiefe Enttäuschung, bei Canetti ebenso- er hat mir heute nichts mehr zu sagen). Darum lese ich auch nicht gerne Biographien. Doch bei Thomas Mann gibt es Stellen, besonders im "Zauberberg" und im "Doktor Faustus", die für vieles entschädigen.
    In diesem Sinne viele Grüße von der
    Leserin

    Wie schön, lieber Vult, auch ich liebe Joseph Roth über alles; schon seit ich die Kinderbücher verlassen habe, ist er mein Begleiter. Man sollte ihn nicht gegen Thomas Mann ausspielen, sie sind viel zu verschieden. Thomas Mann war zum Beispiel unfähig zur Zärtlichkeit, die das Werk von Joseph Roth durchzieht. Dafür konnte er so tief in die Verzweiflung vorstoßen, dass es einen schaudert. Beide haben ihren Platz, es gibt gar keinen Grund, daran zu zweifeln. Wenn du Leuten begegnest, die nur Thomas Mann gelten lassen wollen, sind sie einfach nur bedauernswert. Er selbst war in dieser Hinsicht viel toleranter, schätzte so dieses und jenes, vielleicht auch nur, weil er sich selbst sowieso für den Größten hielt, aber das muss man ihm, denke ich, nicht übel nehmen, denn diese Überzeugung findet man auch bei anderen, auf die es weniger zutrifft, als auf ihn. Wenn es überhaupt Ähnlichkeiten zwischen dem getriebenen Heiligen Trinker und dem Zauberer gibt, dann, dass sie sich beide gequält haben und beide unverzichtbare Autoren sind.
    Martin Walser (den ich überhaupt nicht lesen kann) ist übrigens gar kein Freund von Thomas Mann, was seine ewigen Kontroversen mit Reich-Ranicki zu diesem Thema belegen. Er hat ein interessantes kleines Buch über die Ironie bei Thomas Mann. die ihn abstößt, und die Ironie bei Robert Walser, der er bewundert, geschrieben.
    Und du lies einfach weiterhin (natürlich) Joseph Roth, aber auch Thomas Mann, Robert Walser und all die anderen.
    Das wünscht dir


    die Leserin

    Hallo Sir Thomas und Vult,


    weil ich mich freue, dass euch meine Hinweise zur ungarischen Literatur interessieren, hier noch einige Ergänzungen zu den genannten Autoren:


    -von Laszlo Darvasi kann ich die "Legende von den Tränengauklern" empfehlen, eine Variation der Vorstellung von den 36 Gerechten
    -von Péter Esterházy kann ich nur sagen, dass seine "Harmonia Caelestis" (dazu muss man unbedingt anschließend sein Buch "Verbesserte Auflage" lesen) ein ungeheures Meisterwerk ist, eine unvergleichliche Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte, atemberaubend, beklemmend, bewundernswert
    -von Péter Nádas hat mich besonders "Ende eines Familienromans" beeindruckt
    - auch Miklósz Vámos ist mit seinem "Buch der Väter" eine eindrucksvolle Familienchronik gelungen
    -Imre Kertész ist ein Solitär, ein Ausnahmeautor, ein begnadeter Mensch. Man braucht nur ein Buch des 20. Jahrhunderts zu lesen, um zu verstehen, dass es nichts zu verstehen gibt: "Roman eines Schicksallosen" von Imre Kertesz


    Hoffentlich könnt ihr mit meinen Empfehlungen etwas anfangen.


    (Das Buch von Kàroly Pap habe ich auf meinen, wie ihr immer sagt, SUB gelegt, der bei mir aber ein B(Berg)UB ist.


    Viele Grüße


    Die Leserin

    Hallo Finsbury


    Werfel hat keine nicht-religiösen Bücher geschrieben, denn er war ein glühender Katholik mit jüdischen Wurzeln, was in seinem ganzen Werk zu spüren ist. Eine brisante, aber für seine Zeit nicht ungewöhnliche Mischung. Er ist auch immer da am stärksten, wo er sich dezidiert mit der Religion oder mit Antisemitismus und Verfolgung auseinandersetzt. "Der veruntreute Himmel" ist die beeindruckende Studie eines Menschen, der sein ganzes Leben über auf die Religion gesetzt hat und am Ende schwer enttäuscht wird. Eine in jedem Fall lohnende Lektüre, vor der man sich nicht fürchten muss.


    Viele Grüße


    Die Leserin

    Hallo Sir Thomas,


    Dann kennst du ja Peter Esterhazy (genial), Laszlo Darvisi, Peter Nadas, Miklos Vamos und vor allen anderen Imre Kertész nicht, der zwei der bedeutendsten Bücher des 20. Jahrhunderts ("Kaddisch für ein nicht geborenes Kind"/"Roman eines Schicksallosen": Bücher für die Ewigkeit) geschrieben hat. Da hast du noch eine Menge Lampen zu verglühen.


    Viel Freude dabei wünscht


    die Leserin

    Mit Enzensberger bin ich nie warm geworden, halte ihn eigentlich für überschätzt, wie den allergrößten Teil der deutschsprachigen Literatur nach 1945.
    Aber vielleicht könnt ihr mir etwas Herausragendes von ihm empfehlen?


    Viele Grüße


    Die Leserin

    "Der Verrückte des Zaren" ist ein wirkliches gutes Buch. Gut, dass du es dir bestellt hast. Geht ihr alle eigentlich gar nicht mehr in die Buchhandlung?


    Viele Grüße


    Die Leserin

    Eine zu schwere Sprache gibt es überhaupt nicht. Es gibt nur falsche Töne und misslungene Satzkonstruktionen (und sonst noch allerlei, was man beim Schreiben falsch machen kann). Aber Markus Werner werde ich mir nochmal ansehen.


    Viele Grüße


    Die Leserin

    Werfel habe ich als Teenager gelesen, in meiner Hesse-Phase, immer positiv werde ich "Cella", "Der veruntreute Himmel" und natürlich "Die 40 Tage des Musa Dagh" ( das erschütterndste Zeugnis über die Pogrome an den Armeniern, ein von der Literatur ansonsten vollkommen vernachlässigtes Thema) in Erinnerung behalten. Ein großer Lyriker ist er aber wahrlich nicht gewesen.


    Viele Grüße


    Die Leserin

    Richtig viel Spaß macht das Buch "Die Wahrheit über den Fall D." von Fruttero & Lucentini. Es findet sich darin der letzte, unvollendete, unglaublich spannendende Roman "Das Geheimnis des Edwin Drood" von Dickens, daneben handelt es von einem fiktiven Dickens-Kongreß, auf dem u. a. Sherlock Holmes, Hercule Poirot, Philip Marlowe und Maigret über verschiedene Thesen des von Dickens geplanten Buchendes diskutieren.


    Um nochmals auf Raabe zurückzukommen: Ich glaube nicht, jemanden, was die Debatte um sein Früh-und Spätwerk betrifft, missverstanden zu haben ( sie ist ja nicht neu), sondern ich finde nur, das sich bereits in seinen frühen Werken abzeichnet, was im Spätwerk dann so ungeheuer ausgereift ans Licht tritt. Raabe, der ja fast schon zu den Vergessenen gehört, was ein Skandal ist, hat es verdient, dass wir sein Gesamtwerk in seiner Entwicklung betrachten und ehren, ohne seine frühen Bücher leichthin abzuwerten und seine späten Werke gönnerhaft hervorzuheben. Dass er selbst sein frühes Schaffen mit viel Skepsis in Augenschein genommen hat, ehrt ihn um so mehr, gibt uns aber noch keine Veranlassung es ihm gleichzutun.

    Die Leserin

    Ich habe mich vor längerer Zeit, als viel von Markus Werners "Am Hang" die Rede war, an diesem Buch versucht, aber nach einigen Seiten abgebrochen, weil es mir so banal und verkrampft vorkam. Vielleicht habe ich zu früh aufgegeben? Habe ich nur die den Schweizern eigene Betulichichkeit nicht ausgehalten und hätte geduldiger sein müssen? Wie ist eure Meinung?
    Die Leserin

    Hallo Dostoevskij,
    dieser Roman ist wirklich ein erstaunliches Werk, besonders wenn man sich mit Leben und Schicksal des Menschen Wassilij Grossman beschäftigt. Sein Mut ist einfach nur bewundernswert. Dieses Buch gehörte zu den Lieblingsbüchern des großen Emmanuel Lévinas. Dies allein ist schon ein Ritterschlag.
    Viel Kraft bei der Lektüre, wenn du das Buch noch nicht kennst,
    wünscht dir
    die Leserin

    Was Dickens betrifft, habt ihr mich ja etwas beruhigen können. Aber dafür habt ihr mich mit eurer Einschätzung von Raabe in Entsetzen gestürzt. Raabe gehört zu meinem innersten Bestand. Das ist für mich so, als würdet ihr Büchner und Kleist herabsetzen. Leider wird Raabe viel zu selten gelesen. "Die Akten des Vogelsangs" und "Altershausen" (die bestürzendste Studie über das Altern) gehören zu den wichtigsten Zeugnissen der deutschen Literatur. Raabe ist eben nicht sentimental, sondern er zeigt in seinen Texten in erschütternder Weise die Krisenhaftigkeit der Existenz auf. In seiner Anklage verwandt mit Dickens (ohne die tiefgreifende Sozialkritik und seinen Humor), in seiner Trauer vergleichbar mit Stifter, in seiner psychologischen Durchdringung vergleichbar mit Thomas Mann, wenn dieser seiner ätzende Ironie aufgibt und zum Wesentlichen vordringt. Raabe liebt die Menschen, aber er verzweifelt an ihnen. Die Abgründe, die Ausweglosigkeit in seinen Texten machen seine Modernität aus. Er gehört zu den wahrhaftigen Autoren und ihm gebührt meine größte Hochachtung.


    Die Leserin

    Hallo ihr alle,


    was gibt es Schöneres, als ein wunderbares neues Buch oder einen großartigen Autor für sich zu entdecken?
    Darum möchte ich gerne von euch wissen, welche Neuentdeckungen habt ihr im letzten Jahr gemacht?


    Mit neugierigen Grüßen


    Die Leserin