Beiträge von Leserin

    Hallo Thopas und Jaqui,


    schön, dass ihr euch so viele Gedanken zu meiner Frage macht. Die Schwierigkeit besteht nicht nur darin, dass für sich und die anderen "richtige" Buch zu finden. ( "Der Sturm" und die "Ilias" sind auf jeden Fall Kandidaten, die nicht fehlen dürfen) Im Ernstfall würde es sicher keine Absprachen geben. Man würde also nicht wissen, welches Buch schon "vergeben" ist, sondern wäre auf Mutmaßungen angewiesen. Man müßte entscheiden, mit welchem und für welches Buch man selbst zukünftig leben will, als wenn es das einzige noch existierende Buch wäre. Man muß es verkörpern, muß den Geist des Buches und den Geist seines Autors verinnerlichen und transportieren. Es reicht nicht, das Buch nur auswendig zu lernen. Man muß sein Vermittler werden, von seiner Faszination künden, die Buchstaben lebendig werden lassen. Der Weg führt vom Rezipienten zum reproduzierenden Künstler. Eine in jedem Fall verantwortungsvolle Aufgabe.

    Viele Grüße


    Die Leserin

    Ich bin wirklich (negativ) überrascht, dass Dickens von euch nicht geschätzt wird.
    Aber es stimmt natürlich auch nicht, dass man nur zu einem alten Buch greifen muss, um eine Offenbarung zu erleben. So als könnten andere es einem abnehmen, selbst über die Qualität eines Buches entscheiden zu müssen. Nein, auch hier ist der eigene Kopf gefragt.
    Und hört bitte nicht auf (das geht besonders in Zolas Richtung), euch auf die Suche nach übersehenen und vergessenen Autoren und Büchern zu begeben (in der Vergangenheit und in der Gegenwart), es gibt so viele Kostbarkeiten zu entdecken.


    Die Leserin

    Hallo uis,


    bei diesem Thema kann ich einfach nicht ruhig bleiben. Wie kann man die Würde des Täters während der Tat, mit der würde des Opfers während der Tat vergleichen? Wie kann jemand Würde haben, der sich unter unschuldigen Tieren seine Opfer sucht und beim Töten über den Sinn seiner eigenen kleinen Existenz nachgrübelt? Mir wird übel dabei. Anderen Schmerz zufügen, um an die eigene Schmerzgrenze zu kommen, wie erbärmlich ist das denn?
    Man lese dazu "Das Leben der Tiere" von J.M.Coetzee (und gleich auch alle seine anderen Bücher)


    Die Leserin

    Seit wann schützt Bildung vor Dummschwätzerei?
    Früher war gar nichts besser, heute ist gar nichts besser. Es ist immer alles so gut oder so schlecht, wie es nun einmal ist. " Nichts gibt uns einen besseren Eindruck von der Unendlichkeit, als die Dummheit." (vielleicht nicht ganz wortwörtliches Ödon von Horvath-Zitat)


    Die Leserin

    Hallo Jaqui,


    eines steht doch sicher außer Frage: Die Menschheit braucht Bücher, Geschichten über Herkunft und Identitätsbildung, Erzählungen von unseren Hoffnungen, Träumen, von unserem Wahnsinn, unserem Scheitern, die von unseren (verpassten) Möglichkeiten sprechen, von unserer (grausamen) Wirklichkeit, von unserer Suche nach Wahrheit, von allem, was uns ausmacht.
    Ja, aber welches Buch ist es, das du durch Verinnerlichung zu deinem machen willst, um es hinüberzuretten, in eine bücherlose Welt?
    Um diese Frage geht es bei diesem Spiel. Nun, wie lautet deine Antwort? (Ist tatsächlich die Bibel, das Buch, das uns am meisten von uns selbst erzählt?)


    Viele Grüße und ein erfülltes neues Jahr
    wünscht


    Die Leserin

    Hallo Sir Thomas,


    die Amerikaner sind sowieso meine Favoriten. Auch Faulkner kann ich nur als Gegengift zu Hemingway empfehlen. Vor einiger Zeit habe ich mal wieder "Licht im August " gelesen und es hat mich erneut umgehauen. McCarthy gehört zum Besten, was die Gegenwartsliteratur zu bieten hat: beunruhigend, dunkel, tiefgründig und bewegend.
    Doch nun zurück zu Conrad, Melville und Lowry:
    Von Conrad empfehle ich dir zunächst "Der Geheimagent", klingt wie ein Krimi, ist aber viel mehr (oder eben was ein Krimi sein sollte, einfach ein meisterhaftes Buch). Es gibt darin sogar etwas, was man bei Conrad sonst nur sehr selten findet, nämlich eine interessante Frauengestalt.
    Von Melville solltest du dir für den Anfang "Billy Budd" und "Bartleby der Schreiber" vornehmen.
    Und dann nimm dir möglichst lange Urlaub von allem, was dich vom Lesen abhalten könnte, und stürze dich in "Unter dem Vulkan" von Malcolm Lowry.


    Viel Vergnügen bei diesem Abenteuer wünscht dir


    Die Leserin

    Hallo Sir Thomas,


    ob die Beurteilung von Literatur wirklich nur Geschmacksache ist, darüber ließe sich sicher trefflich streiten.


    Doch wie schön, dass "Moby Dick" zu deinen Favoriten zählt, aber Melville ist mehr als nur der Schöpfer dieses wahrhaft homerischen Meisterwerkes.
    Hoffentlich hast du auch alles andere gelesen, was er geschrieben hat. Wenn nicht, dann lies und staune.


    Auch was Joseph Conrad betrifft, kann ich dir nur raten, alles zu lesen, was dieser "tätige Pessimist" (André Maurois) uns hinterlassen hat.
    Die Langeweile, die du beim Lesen von "Lord Jim" empfunden hast, kann ich nicht verstehen. Conrad zeigt uns hier einen Menschen, der durch einen einzigen versäumten Augenblick, den Boden unter den Füßen verliert, und der wie besessen darum kämpft, seinem Leben durch richtiges Handeln einen neuen Sinn zu geben.
    Es heißt in "Lord Jim": "Dem Traum folgen und nochmals dem Traum folgen und so - bis zum Ende -."
    Ein schönes Lebensmotto, wie ich finde.


    Dass du noch nichts von Malcolm Lowry gelesen hast, darum beneide ich dich fast, denn es steht dir ein enormes Leseglück bevor.


    Wenn du diese drei Giganten gründlich studiert hast, garantiere ich dir, dass du den Hemingway da einordnen wirst, wo er hingehört.


    Viele Grüße und ein gesundes auserlesenes neues Jahr



    Die Leserin

    Hallo Thopas,


    "Der Sturm" ist eine ausgezeichnete Wahl. Es ist wohl das persönlichste Stück Shakespeares, mit den meisten autobiographischen Verweisen, und ein absolut unverzichtbares Werk.
    Zu deiner Frage nach der Schwierigkeit bei der Auswahl des zu rettenden Buches habe ich mir folgendes überlegt:


    1. Rette ein Buch, das gerettet werden muss, weil die Menschheit es braucht.
    2. Rette ein Buch, das gerettet werden muss, weil du es brauchst.
    3. Rette ein Buch, das du retten musst, weil es eventuell kein anderer rettet.


    Ich denke, dies ist das Dilemma, vor dem man steht, wenn man sich entscheiden muss. Auch wenn es sich hierbei nur um ein Gedankenspiel handelt, kann man dabei doch für sich selbst überprüfen, welche Bedeutung Bücher für uns persönlich haben.


    Übrigens, von Moers habe ich bisher noch nichts gelesen. Was du schreibst, klingt ja sehr interessant. Lohnt sich die Beschäftigung mit Moers?


    Viele Grüße


    Die Leserin

    Hallo Sandhofer,


    von Elisabeth Gaskell kenne ich bisher nur "Cranford", ein humorvolles, intelligentes und liebenswertes Buch, das ich nur empfehlen kann.


    Grüße von der Leserin

    Hallo Maria,


    danke, dass du an Elisabeth Borchers erinnerst. Sie hat wirklich wunderbare Gedichte geschrieben (ganz besonders liebe ich "Schöner Schnee") und wird leider oft unterschätzt.
    Auch für dich ein gesundes und erlesenes Jahr 2008.


    Die Leserin

    Sicher kennen viele von euch Ray Bradburys "Fahrenheit 451", vielleicht auch den wundervollen Truffaut - Film mit dem begnadeten Oskar Werner in der Hauptrolle. Zur Erinnerung: Die Geschichte spielt in einer Gesellschaft, in der Bücher verboten sind. Oskar Werner spielt einen Feuerwehrmann, der die Aufgabe hat, alle Bücher zu verbrennen. Eines Tages jedoch nimmt er ein Buch an sich und beginnt es zu lesen. Es ist ein Roman von Charles Dickens, "David Copperfield". Das Lesen verändert das Leben des Feuerwehrmannes, er geht auf die andere Seite, in den Widerstand, den Untergrund, zu den Lesenden. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Bücher vor dem Vergessen zu retten, indem sie für ein Werk die Verantwortung übernehmen. Sie lernen es auswendig, repräsentieren es, künden von ihm, werden zum lebenden Buch. Wenn sie alt werden, geben sie die Erinnerung an ihr Buch Wort für Wort an ein Kind weiter. Sie sichern die Zukunft des Werkes und sichern zugleich einem Kind den Zugang in die Vergangenheit.


    Ich würde nun gern von euch wissen, wenn ihr euer Leben dem Überleben eines Buches widmen solltet, welches Buch würdet ihr euch aussuchen?


    Die Leserin

    Meiner Erfahrung nach kann man Kinder noch heute für "klassische" Kinderbücher begeistern. Jules Verne, Erich Kästner und Frances Hodgson Burnett ("Der geheime Garten") z.B. kommen auch heute noch an. Auch für gute Kinder und Jugendbücher gilt doch, dass es nicht auf den jeweiligen Zeitgeist ankommt, sondern auf den Geist der Zeitlosigkeit als Qualitätskriterium.
    Obwohl ich als Kind eine noch viel schlimmere Allesfresserin war als heute, habe ich die Bücher von Astrid Lindgren, den "Urgroßvater und ich" von James Krüss und "Mary Poppins" (alle Bände) besonders geliebt.


    Die Leserin

    Für mich zählt Hemingway zu den allergrößten Irrtümern der Literaturgeschichte. Seine Bücher sind ( Der alte Mann und das Meer, Inseln im Strom etc.) larmoyant, lächerlich pathetisch, blutrünstig, armselig männlich, einfach grauenvoll.
    Wer wahrhaftige Literatur erleben will, soll doch bitte Joseph Conrad, Malcolm Lowry und Herman Melville lesen!


    Die Leserin

    Bei den Amerikanern gibt es ja eine große Auswahl an preiswürdigen Kandidaten: von A wie Auster bis S wie Salter. Doch spontan gefragt, ist Per Olov Enquist meine Nr.1, weil er immer bis an die Schmerzgrenze geht und dann noch ein Stück darüber hinaus, auch wenn man längst "Halt!" gerufen hat. Erhalten müßte den Nobelpreis zunächst aber der Tscheche Arnost Lustig, Jahrgang 1926, Überlebender von Theresienstadt und Auschwitz, seine Bücher befinden sich vom ersten Wort an bereits jenseits der Schmerzgrenze.
    Im übrigen bin ich enttäuscht über die geringe Resonanz in dieser Frage. Bei über 700 Mitgliedern dieses Forums habe ich einfach mehr Vorschläge erwartet. Schade!
    Die Leserin

    Hallo Zwergerl,


    auch von mir ein herzliches Willkommen und einen schönen Aufenthalt unter Bücherfreunden.
    Wer schätzt "Die Wahlverwandtschaften" nicht? Das können nur Ignoranten sein.


    Liebe Grüße


    Die Leserin

    So wird es ja in der Regel auch gehandhabt, liebe Gantenbeinin (und Eco ist eben ein Gentleman).
    Alfred Nobel war eine vielschichtige Persönlichkeit. Erfinder des Dynamits und glühender Pazifist. Er interessierte sich sehr für Literatur, schrieb auch selber Gedichte und Theaterstücke. Den Literaturnobelpreis sollte seiner Überzeugung nach derjenige erhalten, "der in der Literatur das Vorzüglichste in idealer Richtung geschaffen hat." Das eröffnet einen großen Interpretationsspielraum. In den letzten Jahren war ich bis auf einige Ausnahmen sehr zufrieden mit den Entscheidungen des Komitees, weil viele meiner "Lieblinge" bedacht wurden: Saramago, Kertész, Jelinek, Coetzee und Pamuk. Andere habe ich durch den Preis erst entdeckt, wie Walcott und Heaney.
    Ich würde es sehr spannend finden, zu erfahren, wer euer Favorit für dieses Jahr gewesen wäre? Könnte man nicht eine Umfrage starten und abwarten, ob einer von den genannten nächstes Jahr dabei ist?
    Mit interessierten Grüßen
    Die Leserin

    Hallo Gantenbeinin,


    da bin ich wohl offensichtlich auf ein Minenfeld geraten. So viel Erbitterung habe ich nicht mal für meine spezielle Galerie persönlicher literarischer Lieblingsfeinde: Günther Grass (Meister der ungepflegten Langeweile), Martin Walser (Meister der sprachlichen Ungereimtheiten und Ausrutscher), Bernhard Schlink (unverzeihlicher Fehler der jüngsten Literaturgeschichte) und Paulo Coelho (Gipfel des Grauens).
    Doch Umberto Eco bleibt für mich ein liebenswürdiger Gelehrter, dessen Bücher mir Freude machen. Gelehrsamkeit ist doch eine im Aussterben begriffene Tugend und Eco macht seine Leser ganz bestimmt nicht dümmer.
    Wenn übrigens die Professoren keine Romane schreiben dürften oder könnten, würden wir doch beispielsweise die kleine Alice und das weiße Kaninchen gar nicht kennen, was doch unendlich schade wäre, oder etwa nicht?
    Was den Begriff "Seelenkitsch" betrifft, ist er eine Fehlbildung, denn Kitsch definiert sich gerade durch seine Seelenlosigkeit. Als seelenlos würde ich Bieris Bücher zwar nicht bezeichnen ("Perlmanns Schweigen" ist sogar sehr amüsant), aber gelungen sind sie eben gerade nicht. Aber daß er keine guten Romane schreiben kann, hat nichts damit zu tun, daß er Philosoph ist, sondern liegt vielmehr daran, daß er auch als Philiosoph nicht viel zu sagen hat. Meiner Überzeugung nach braucht ein Philosoph das Talent zur Prosa, sowie ein Schriftsteller sein Denken an der Philosophie schulen sollte. Dadurch erst kommt es zu einer Übereinstimmung von Inhalt und Form, sowohl in der Philosophie als auch in der Dichtung.
    Vielleicht begegnen wir uns ja bald einmal wieder in den Gefilden des Forums und entdecken dabei gemeinsame Vorlieben. Es sollte mich freuen. Eine Gemeinsamkeit habe ich schon gefunden, dein Interesse an Schopenhauer ( nicht nur ein unverzichtbarer Denker, sondern auch ein großer Prosaist).
    Mit sehr entspannten Grüßen
    Die Leserin