Gert Hofmann

  • Allen, die sich für Walser interessieren, möchte ich die Novelle Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein von Gert Hofmann (1931-1993) empfehlen. Erschienen ist sie in seinem wunderbaren Novellenband Gespräch über Balzacs Pferd. Gert Hofmann gehört zu den leider fast schon vergessenen Autoren, ohne jemals zu der Bekanntheit gekommen zu sein, die sein Werk verdient. Wenn ihr großartige Bücher lesen wollt, dann lest: Auf dem Turm, Die Fistelstimme, Veilchenfeld oder alle anderen Werke von Gert Hofmann. Es würde mich freuen, unter euch jemanden zu finden, der diesen Autoren so sehr schätzt, wie ich.


    Die Leserin

  • Ein sehr interessanter Hinweis liebe Leserin,


    habe grad, von Dir neugierig gemacht, in der "Literaturkritik" nachgesehen und entdeckt, daß Gert Hofmann auch viele Hörspiele geschrieben hat. Unter anderem 1983 "Die Brautschau des Dichters Robert Walser im Hof der Anstaltswäscherei von Belladay, Kanton Bern". Habe es vor Jahren im Radio gehört (es ist großartig!), wußte aber inzwischen Titel und Autor nicht mehr; jetzt, dank Deines Beitrags, kann ich mich auf die Suche machen...
    KLASSE!


    Liebe Grüße & Dank, lena

  • Hallo Lena,


    wie schön, das ich dich neugierig auf Hofmann machen konnte. Ja, Hofmann hat nur großartige Sachen geschrieben, getriebene, atemlose.
    Um dir und allen anderen, die sich vielleicht doch mal mit ihm beschäftigen wollen, Appetit auf ihn zu machen, hier ein Zitat aus seiner Novelle Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein:


    "Da er mich nicht ruhig ansehen kann, kann ich ihn auch nicht ruhig ansehen.


    Das ist aber sein Porträt.


    Ein hagerer Fünfziger in einem braunen Anzug und mit einem fast eckigen Kopf. Wegen seiner hastig und billig und stellenweise rücksichtslos dicht am Schädel hin geschnittenen, also verschnittenen Haare. Hohlwangig, mit steiler, vielleicht etwas verquerer Nase. Das Kinn gespalten, als sei mit einem schweren, leicht angespitzten Gerät von unten her wiederholt in dieselbe Kerbe geschlagen worden. Und als ich ihm in der von Küchenschwaden durchzogenen Dunkelheit die Hand hinhalte, macht er, ehe er einschlägt, mit den Händen eine hilflose und, so habe ich mir das sofort zurechtgelegt, sich für den Anblick, den er bietet, gleichsam entschuldigende Bewegung.


    Ich habe sofort den Eindruck gehabt, daß sich in dem Menschen etwas Unheilvolles, vielleicht eine heimliche Tragödie abspielt, aber das habe ich nicht gesagt."


    Viele Grüße und vielleicht bis bald


    Die Leserin