Hallo!
Deine erste Frage muss ich verneinen. Ich habe bisher um Doderer immer einen Bogen gemacht. Wer freiwillig der NSDAP beitritt, auch wenn er es kurze Zeit später rückgängig macht und katholisch wird, ist nicht unbedingt ein Kandidat für meine 'Muss-ich-lesen'-Liste ...
Doderer gehörte - wie im letzten Posting erwähnt - wohl zu dem Menschenschlag, welcher sich die Wirklichkeit zurecht lügt und - nachdem er dies eine gute Zeit lang getan hat - auch an diese neu erschaffene Realität glaubt. Und sympathisch war er nun wahrlich nicht.
Aber dir entgeht einer der besten deutschsprachigen Schriftsteller. Wobei in den Romanen wenig von seinen dubiosen Lebensentscheidungen spürbar wird - im Gegenteil: Man begreift kaum, wie jemand mit so scharfem Blick für menschliche Eigenheiten derartige Entscheidungen treffen konnte. Doderer war auch der festen Überzeugung, dass das Leben eines Schriftstellers und sein Werk nichts miteinander zu tun haben (sollten). Natürlich ein hehres, unmögliches Unterfangen, "Autobiographie ist's immer" lässt Th. Mann den Geheimrat vernehmen.
Zu Deiner zweiten Frage: Es gibt ja Leute, die behaupten, dass man den Österreicher und v.a. den Wiener nur ganz (oder wenigstens halbwegs) verstehen könne, wenn man vor Ort gelebt hat. Das hat durchaus etwas. Andererseits kann es wohl auch den Blick trüben.
Zwischen Wiener und Österreicher ist ein immenser Unterschied - wird behauptet. Sowohl von den Wienern als auch Tirolern, Kärntnern, Steirern etc. Und ob das Wien von Heute noch viel mit dem des Rene Stangeler zu tun hat, darf auch bezweifelt werden. Aber die Stiege gibt's noch ...
Grüße
s.