Heimito von Doderer: Die Strudlhofstiege

  • Beim ORF gab's mal (oder gibt es vielleicht immer noch) eine 3-CD-Box mit (a) Doderer liest Doderer, (b) Andere Leute lesen Doderer und (c) Interviews mit Doderer und anderen, Statements zu Doderer etc.


    Davon hab ich mal als Kostprobe zwei Stücke als gezippte MP3-Dateien auf meinen Server geladen:


    "Bischoff toll geworden", gelesen von Florian Liewehr. Eine etwas untypische, skurrile Geschichte im Anekdoten-Tonfall mit leicht doderesken Arabesken.
    http://www.damaschke.de/tmp/Bischoff.zip


    Doderer liest aus der "Strudlhofstiege". Imho ist Doderer nicht er beste Vorleser seiner Texte, er betont eher gewöhnungsbedürftig, kann aber auch am Dialekt liegen.
    http://www.damaschke.de/tmp/Strudelhofstiege.zip


  • Doderer liest aus der "Strudlhofstiege". Imho ist Doderer nicht er beste Vorleser seiner Texte, er betont eher gewöhnungsbedürftig, kann aber auch am Dialekt liegen.


    Herr Fleischer, gründlich wie stets, vermerkt dazu, HvD habe Schwierigkeiten damit gehabt, bei den Aufnahmen allein in der schalldichten Kabine zu sitzen. Und dass er deshalb nicht so inspiriert las, wie sonst.
    :zwinker:

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)


  • Ich ergänze dazu, dass Fleischer, so ganz nebenbei, auch die anfänglichen Nazi-Sympathien Güterslohs(-Kiehtreibers) aufschlüsselt, die in der allgegenwärtigen Wikipedia (heutigen Datums jedenfalls) keine Erwähnung finden.
    Nur wurde Gütersloh dann als "entartet" eingestuft, bekam Berufsverbot, und war auf die Art aus der Sache raus.
    Weil sich nach dem Kriege nur noch einige Unentwegte daran erinnerten.


    LG
    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo,


    gerade entdecke ich diesen älteren Thread über Heimito von Doderers Strudlhofstiege; vor kurzem gabs ja eine [url=http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,4151.0.html]gemeinsamen Leserunde[/url], deswegen hole ich den Thread hervor, denn vielleicht möchte ja noch jemand nachlesen, was hier bereits über das Buch geschrieben wurde.


    Womöglich wäre es praktisch, den Thread umzubennen ganz allgemein in "Heimito von Doderer", damit wir ihn weiter mit unseren Leseeindrücken füllen können, denn seit der "Strudlhofstiege" interessiere ich mich brennend für sein Werk.


    hier eine Neuigkeit:
    Die Österreichische Nationalbibliothek in Wien erwirbt 44 Briefe des Schriftstellers Heimito von Doderer an den Germanisten Dietrich Weber.
    http://www.boersenblatt.net/390562/


    als nächstes steht bei mir an:
    -Die Wasserfälle von Slunj
    -Das letzte Abenteuer


    und die Biographie
    "Das verleugnete Leben" von Wolfgang Fleischer



    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Womöglich wäre es praktisch, den Thread umzubennen ganz allgemein in "Heimito von Doderer", damit wir ihn weiter mit unseren Leseeindrücken füllen können ...


    Und bei der Gelegenheit könnte man den Herrn von Doderer auch aus dem Olymp der klassischen Autoren hinauswerfen, denn das ist er ja noch nicht ... :zwinker:


    Ein schönes Wochenende!


    Tom

  • Und bei der Gelegenheit könnte man den Herrn von Doderer auch aus dem Olymp der klassischen Autoren hinauswerfen, denn das ist er ja noch nicht ... :zwinker:


    Sehr aufmerksam, Tom.
    sandhofer, könntest du den Thread an den rechten Platz verschieben? Danke schön. :winken:


    Grüße von
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Sandhofer,


    wir dachten eher an die Rubrik "Nicht-klassische Genres und moderne Literatur" ;-)


    :breitgrins:


    Grüßle
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Jeder bekommt seine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer. Später erst zeigt sich, was darin war. Aber ein
    ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter, da mag einer die Kleider oder auch Kostüme wechseln wie er will.
    Heimito von Doderer: Ein Mord den jeder begeht



    Im Moment bin ich mitten in "Ein Mord den jeder begeht". Oben habe ich mal den Anfang zitiert. Wie erhofft, verzichtet Doderer hier auf seine, in der Strudlhofstiege doch manchmal ermüdenden philosopischen Belehrungen und Betrachtungen. Umso dichter wirkt hier die Beschreibung des Protagonisten Conrad Castiletz, ein gutbürgerlicher, pedantischer und gefühlsarmer Junge, der in der Textilbranche aufsteigt. Ich weiß nicht genau, wie Doderer es schafft, über mehr oder weniger alltägliche Begebenheiten einen so detaillierten und stimmigen Charakter zu entwerfen, über den direkt nur sehr wenig gesagt wird.


    Neben den schon bei der Strudlhofstiege bekannten Metaphern wie Lurche und Lackgeruch ist die Atmosphäre einer süddeutschen Industriestadt (ich komme selber aus einer) faszinierend. Überhaupt scheint "Stadt" und die bestimmten Plätze (Wohnungen, Fabrikgebäude) darin und die Wege zu diesen bzw. auch zwischen den Städten eine wichtige Rolle zu spielen. So spielt ein Eisenbahntunnel eine Rolle, scheinbar hat Doderer hierfür bei dem Eisenbahntunnel zwischen Lauffen und Kirchheim recherchiert. Leider bin ich noch nicht draufgekommen, in welcher Industriestadt sich Conrad später befindet (Stuttgart - aber hier fehlt die typische topografische Beschreibung, dafür gibts aber die Königstraße oder Heilbronn).

    Gruß von Steffi

    Einmal editiert, zuletzt von Steffi ()

  • Oh ja Steffi, berichte bitte weiter :smile:


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • "Ein Mord den jeder begeht" habe ich nun schon ein Weilchen zu Ende gelesen. Die Industriestadt konnte ich nicht eindeutig benennen, vielleicht war es Heilbronn.


    Der Roman wirkt schon so ein bißchen wie eine kleine Vorstudie zur "Strudlhofstiege", es gibt einige gemeinsame Themen und auch die Hauptfigur könnte genauso auch dort auftauchen. Die Geschichte ist allerdings mehr gestrafft, es fehlen Passagen, in denen Doderer seine Philosophie und seine Betrachtungen ausführt, hier musste er wohl erst noch zu seinem Stil finden. Trotzdem erkennt man Doderer bereits und er hat doch eine ganz spezielle Art, wie er Atmosphäre erzielt und auch bestimmte Doderer-Mataphern kommen hier zum Einsatz. Insgesamt liest sich der Roman aufgrund der vielen Handlung sehr flüssig und der Leser ist sehr dicht an dem Protagonist Conrad Castiletz dran, ja man kriecht manchmal förmlich in diesen hinein.


    Es ist auf jeden Fall eines meiner Top-Bücher in diesem Jahr, nur ein bißchen Angst habe ich vor weiteren Büchern Doderers. Was, wenn sie nicht mit der "Strudlhofstiege" und dem "Mord ... " mithalten können ?

  • Hallo,


    ich muß etwas schwärmen. Es ist Genuß "Die Wässerfälle von Slunj" zu lesen.


    [kaufen='978-3423114110'][/kaufen]


    Der Erzählstil ist so schön fließend und das Fließende wird im Text noch untermauert durch eine Fahrt in der Eisenbahn, von der Donau, das Überqueren von Brücken, das Reiten in Wälder und Auen. Schöne Naturbeschreibung, humorvoll die Namen z.B. die Ergoletti geborene Putzinger (!), die fünf Harbach-Töchter (zahlreich, pferdemäßig, groß und lang..), der Metternich-Club und und und.


    Herrlich.


    Schöne Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • "Ein Mord den jeder begeht" [...] ist auf jeden Fall eines meiner Top-Bücher in diesem Jahr, nur ein bißchen Angst habe ich vor weiteren Büchern Doderers. Was, wenn sie nicht mit der "Strudlhofstiege" und dem "Mord ... " mithalten können ?


    Interessant. Persönlich fand ich ja den "Mord den jeder begeht" weniger gelungen als z.B. die "Dämonen". Zu expressionistisch, wenn ich dem so sagen darf: Zu viele Ausstattungsgegenstände, die Bedeutung haben: Porträts, Tunnels ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • "Doderer zu lesen beginnen sollte man mit dem Mord den jeder begeht, das ist ein spannender Krimi. Dann die leicht lesbaren Kurz- und Kürzestgeschichten, die Erzählungen. Anschließend die Dämonen und erst zum Schluß die Strudlhofstiege."


    Helmut Qualtinger

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • "Doderer zu lesen beginnen sollte man mit dem Mord den jeder begeht, das ist ein spannender Krimi. Dann die leicht lesbaren Kurz- und Kürzestgeschichten, die Erzählungen. Anschließend die Dämonen und erst zum Schluß die Strudlhofstiege."


    Helmut Qualtinger


    Wer lässt sich von Herrn Karl empfehlen was er lesen soll. :breitgrins:

  • Interessant. Persönlich fand ich ja den "Mord den jeder begeht" weniger gelungen als z.B. die "Dämonen". Zu expressionistisch, wenn ich dem so sagen darf: Zu viele Ausstattungsgegenstände, die Bedeutung haben: Porträts, Tunnels ...


    Die Dämonen kenne ich ja noch nicht - mir haben grade die vielen Anspielungen gefallen, ich mag einfach die weissen Möbel, die elegant wirkende Natur, die Wassermetaphern, das spezielle Doderer-Licht usw.


    Inzwischen habe ich auch die "Wasserfälle von Slunj" gelesen und hier gibt es auch wieder jede Menge Doderer-Atmosphäre und ähnlich wie bei der Strudlhofstiege eine interessante Personenkonstellation, raffiniert in sich verflochten.

  • Hallo zusammen,


    im Juli 2012 erscheinen folgende Bücher:


    Jederzeit besuchsfähig: Über Heimito von Doderer
    von Wendelin Schmidt-Dengler
    [kaufen='978-3406638527'][/kaufen]



    Musik und Melancholie im Werk Heimito von Doderers
    [kaufen='978-3205788287'][/kaufen]


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)