September 2004: Galsworthy - Die Forsyte Saga

  • Hallo Hubert,


    Zitat

    Warum keine Novelle? Es hat eine einsträngige Handlung und eine unerhörte Begebenheit, ergibt sich schon im ersten Satz!


    Tja, wie gesagt, ich kann es nicht genau begründen. Es stimmt schon, die Handlung ist einsträngig und auf die unerhörte Begebenheit wird man quasi direkt mit der Nase gestoßen. Dennoch, irgendetwas in mir sträubt sich dagegen. Das ist sicherlich weder eine fundierte, noch eine wirklich befriedigende Begründung, aber leider die einzige, die ich aktuell wirklich geben kann. Vielleicht liegt mein Widerwille z.T. darin begründet, daß die Thematik des Textes doch alles in allem recht bizarr und realitätsfern ist und nach Goethes Defintion der Erzählgegenstand "eine sich ereignete unerhörte Begebenheit" ist. Das hat für mich schon einen gewissen "Wahrheitsanspruch" und den sehe ich im 'Prozeß' eigentlich nicht wirklich.
    Nebenbei wird mir gerade wieder bewußt, daß ich das Projekt "russische Novellen" in der letzten Zeit vernachlässigt habe. Werde mich nach meinen Hausarbeiten wieder mehr damit beschäftigen.


    Zitat

    Epik ist ja erzählende Literatur, aber das Wort Erzählung bezeichnet schon eine eigene Gattung.


    Mir ist schon bewußt, daß 'Erzählung' auch als Gattungsbegriff, vor allem für kürzere Texte, die keiner anderen Gattung eindeutig zugeordnet werden können, dient.
    Darüber hinaus finden sich aber immer auch Defintionen, die Erzählung als einen Oberbegriff für erzählende Literatur allgemein verwenden. Dies ist wohl eine ältere, bzw. inzwischen auch eher veraltete Sichtweise, die die genauer definierten und abgegrenzten Gattungsbegriffe wie Roman, Märchen, Kurzgeschichte, etc. etwas außen vor läßt. Dennoch halte ich diese Möglichkeit für durchaus hilfreich, wenn man die eigentliche Gattung eines Textes bei dessen Analyse zunächst einmal außer Acht lassen möchte, um nicht mit vorgefertigten, gattungsspezifischen Erwartungen
    an einen Text heran zu gehen, aber dennoch eine grobe Abgrenzung zu Lyrik und Drama wünscht.


    Ich stimme Dir durchaus zu, eine vernünftige Einordnung beider Texte wäre sicherlich sehr interessant. Welcher Gattung würdest Du denn beide Texte zuordnen?


    Gruß
    Berch

  • Hallo allerseits,


    Hubert Du hast geschrieben

    Zitat

    Josef K. reagiert oft nicht vernünftig, nicht wie ein Erwachsener, vielleicht erkennt er ja auch deshalb seine Schuld nicht, so wie Kinder oft nicht einsehen (wollen/können), dass sie etwas falsch gemacht haben?


    Erkennst Du eine Schuld bei Josef? Ist Dir übrigens aufgefallen, daß auch eine Anspielung auf den Sündenfall vorhanden ist, im ersten Kapitel??(der Apfel!!! :zwinker: )Ist K. deshalb schuldig???


    In Eure Novellen Diskussion will ich mich nicht allzusehr einmischen, aber... :breitgrins:
    Ich glaub für eine Novelle ist es zu lang, jaja ich weiß der Kohlhaas ist auch nicht grad kurz. Wie von Berch schon erwähnt, glaube ich, daß eine Novelle eine Realitätsanspruch hat. Es muß nicht genau eine wahre Begebenheit sein, aber zumindedst möglich. Meiner Meinung nach ist der Prozeß dafür zu "unrealistisch". Oder nicht?!


    Liebe Grüße Jacky

  • Hallo Hubert,
    ich habe leider bisher keine der Kafka Verfilmungen gesehen, da hinke ich immer hinterher. Aber es gibt die Filme schon auf DVD, aber ich befürchte bisher nur auf englisch. Falls Dich die engl. Fassung interessiert, dann schau mal bei ebay.
    LG
    Jacky

  • Zitat von "Jacky"

    Erkennst Du eine Schuld bei Josef? Ist Dir übrigens aufgefallen, daß auch eine Anspielung auf den Sündenfall vorhanden ist, im ersten Kapitel??(der Apfel!!! :zwinker: )Ist K. deshalb schuldig???


    Hallo Jacky,


    jetzt bin ich aber froh, dass wenigstens Du die Apfelgeschichte gemerkt hast. M.M.n. gibt es ja so gut wie keinen bedeutenden Klassiker, ohne Anspielung auf die Bibel, ich wundere mich deshalb über das geringe Interesse am Bibelprojekt, obwohl ja anscheinend die Meisten die Anspielungen nicht merken.


    Wenn Du das Bibelprojekt verfolgst, dann weißt Du, dass ich in 1 Mose 3, das wir gerade besprechen, und in dem die Apfelgeschichte vorkommt, keinen Sündenfall sehe, sondern ein Erkennen/Unterscheiden von Gut und Böse. Und auch Kafka sieht das genauso (als Jude kann er die jüdischen Geschichten natürlich besser deuten, als wir Pseudochristen). Während Josef K. zunächst keine Schuldgefühle hat und sich unschuldig fühlt als er von seiner Verhaftung erfährt, erkennt er nachdem der „einen schönen Apfel“ vom Waschtisch gegessen hat, seine Schuld.
    Dies zeigt sich an seinen Gedanken an Selbstmord, an seiner Aggressivität, an seiner Reinlichkeitsneurose usw.


    Z.B. die erste Untersuchung: Jemand der sich unschuldig fühlt, wartet ab, wessen man ihn beschuldigt. Josef K. aber geht sofort in die Offensive (Angriff ist die beste Verteidigung), ohne darauf zu warten, was ihm das Gericht vorwirft. Er kennt seine Schuld.


    Liebe Grüße von Hubert


    PS: So ich bin jetzt zur Pizza verabredet. Vielleicht melde ich mich noch mal

  • Guten Abend!


    Momentan habe ich schon bis Kapitel 6 gelesen.


    Kapitel: 2 (Erste Untersuchung)
    Dieses Kapitel hat eine hektische Atmosphäre, aber gleichzeitig eine lockere Untersuchungstag. Sonntag ist Untersuchungstag. Sogar K. hat Gelegenheit in der Nacht zu kommen, aber vielleicht er ist nicht mehr frisch.
    Die hektische Szene:
    1. Der Direktor-Stellvertreter hat K. am gleichen Sonntag zum Segelboot angeboten. K. war Zweifel, weil das Angebot von seinem Chef war, aber bei dieser Vergnügung Plan gibt es Staatsanwalt Hasterer dabei.
    2. Sonntag war trübes Wetter, ausserdem K. war spät in die Nacht im Gasthaus wegen einer Stammtisch.
    3. Juliusstrasse, wo die Untersuchung statt findet ist nicht einfach zu finden. Viele Leute waren in die Fester. Auf die Treppe spielten vielen Kinder und böse aussah. Es gibt eine Interessante Satz: “Wenn ich nächstens wieder hergehen sollte“, sagte K sich, „muss ich entweder Zuckerwerk mitnehmen, um sie zu gewinnen, oder den Stock, um sie zu prügeln.“
    4. Schwierigen Weg zum Podium/Gerichtshalle. K hat die Wächter über die Korruption beklagt.


    Was ist noch nicht klar für mich, warum suchte K. plötzlich vor dem Gerichthalle Tischler Lanz, der Neffe der Frau Grubach?. Hat Lanz eine Beziehung zum Untersuchungsrichter oder etwas andere Bedeutung? Weil bei ersten Kapitel gibt es keine Bemerkung.


    Kapitel: 3 (Im Leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien)
    Bei zweite Untersuchung war die Halle leer, aber K. traf eine Frau von Gerichtsdiener und andere angeklagter. Ich fand etwas komisch, als die Frau von Gerichtsdiener in der Nacht wach war, in der nähe war der Untersuchungsrichter. Diese Frau hat K. einem Kompliment, weil er dunkle Augen hat. Sie wollte K. doch helfen, aber er meinte sie könnte nicht helfen, weil sie nur eine niedrige Beamte war.


    Kapitel: 4 (Die Freundin des Fräulein Bürstner)
    Fräulein Montag hat das Zimmer von Fräulein Bürstner ersetzt. K hat nicht gewusst. K. und Frau Grubrach hat ein bisschen krach. Sie weinte und sagte ein Wort Kündigung für K. Hauptmann Lanz sieht so eng befreundet mit Fräulein Montag aus.


    Kapitel: 5 (Der Prügler)
    Drei Männer kamen zum K. weil K. die Wächter bei Untersuchungsrichter direkt beklagt hat. Zwei Wächter werden geprügelt. Willem hat eine Familie und Franz wollte bald heiraten. In diese Situation ich erinnere mich an Schmutzige Gericht in meinem Heimat Land Indonesien. Was passierte damals bei Kafka`s Phantasie, ist heutige Zeit noch aktuell bei uns. Obwohl Kafka bekannt als ein Expressionist ist, aber auf diesem Kapitel, fühlte ich mich er ist als ein Realist.


    Kapitel: 6 (Der Onkel – Leni)
    Ich glaube, diesem Kapitel ist sehr spannende Kapitel. Man dachte vielleicht, wenn Der Onkel einem alten Freund als Advokat kennt, denn der Prozess von K. wird schnell erledigt. Aber in der Realität ist nicht so. Der Prozess von K. wurde wenig gesprochen, aber zwischen K. und Leni hat intime Beziehung. K. sagte selbe, sei nicht frech, sondern schüchtern. K. küsste Leni. Das gleiche passiert mit Fräulein Bürstner bei Kapitel 1. Meiner Meinung nach Der Onkel ist arrogant, aber K. versuchte mit kleine Leute zu umgehen. z.B: Frau von Gerichtsdiener und Leni. Diese Kapitel hat einem Brief von Erna an Onkel Karl. Das ist etwas eine Parallel mit Flaubert`s Werke „Madame Bovary“ und „L`education Sentimentale“. Flaubert hat nur einfache Still, Briefwechsel. Hier Kafka hat andere Still, diesem Brief wurde von Onkel Karl laut vor K. gelesen. Ich fand toll.


    Wort: Dunkel
    Kafka hat einmal gesagt, ich schreibe wie in eine dunkel Tunnel. Also, in diese Kapitel Wort „dunkel“ ist 7 mal geschrieben.


    Eine Frage in diesem Forum:
    Eine Seite der Onkel heisst Karl, aber der Onkel selbe sagte zum Advokat „Albert, dein alter Freund ist es“. Ich glaube beide Karl und Albert sind Vorname, nicht wahr? Kann jemand erklären?


    Vielen Dank, tut mir leid, ich habe viel geschrieben. Aber ich lerne damit.
    ss

  • Hallo Sigit,


    Zitat

    Eine Seite der Onkel heisst Karl, aber der Onkel selbe sagte zum Advokat „Albert, dein alter Freund ist es“. Ich glaube beide Karl und Albert sind Vorname, nicht wahr? Kann jemand erklären?


    Das ist recht einfach aufzuklären. Beides sind tatsächlich Vornamen. Der Vorname des Onkels ist Karl. Der Vorname des Advokaten ist Albert. Karl spricht also in Deinem Zitat den Advokaten zunächst persönlich an, indem er dessen Namen nennt. Dann sagt Karl dem Advokaten, daß er, Karl, sein alter Freund anwesend ist. Der Satz ist vielleicht einfacher verständlich, wenn man ihn ein wenig umstellt. Dies könnte dann so formuliert sein: "Hallo Albert. Ich, dein Alter Freund Karl, bin hier."


    Zitat

    Was ist noch nicht klar für mich, warum suchte K. plötzlich vor dem Gerichthalle Tischler Lanz, der Neffe der Frau Grubach?. Hat Lanz eine Beziehung zum Untersuchungsrichter oder etwas andere Bedeutung? Weil bei ersten Kapitel gibt es keine Bemerkung.


    Wenn ich diese Stelle richtig verstanden habe, dann versucht K. ja in dieser Szene, den Gerichtssaal zu finden, da er zwar die Adresse kennt, aber nicht die Wohnung, bzw. den Raum, in dem das Gericht untergebracht ist. Tischler Lanz ist dabei nur eine vorgeschobene Angabe, die er macht, um so in die Wohnungen der Leute sehen zu können, um den Gerichtssaal zu finden. Er "erfindet" den Tischler also nur als Vorwand.


    Zitat

    Wort: Dunkel
    Kafka hat einmal gesagt, ich schreibe wie in eine dunkel Tunnel. Also, in diese Kapitel Wort „dunkel“ ist 7 mal geschrieben.


    Das ist eine sehr interessante Beobachtung. Es könnte ein Hinweis darauf sein, weshalb viele Leser den 'Prozeß' für düster oder bedrohlich halten.


    Gruß
    Berch

  • Hi zusammen! :zwinker:


    Mittlerweile bin ich auch bei Kapitel 6.


    Die innere Verwandtschaft zu Kleists Kohlhaas ist nicht zu übersehen.


    Der Wegzug von Fräulein Bürstner erinnert mich an die Unerreichbarkeit von Kafkas Schloss. Und darin liegt m.M.n. auch der Schlüssel. Die Ungerechtigkeit der Grundsituation, in welche sich K. versetzt fühlt (wie Kohlhaas) provoziert letztendlich den Prozess.


    Ob K. sich nun wirklich schuldig gemacht hat oder nicht, spätestens das Verhalten von Fräulein Bürstner stempelt ihn zum Schuldigen. Erst dieses Schweigen lässt die vorgängig unbewussten Mechanismen von Absicht, Selbstbezichtigung und Selbstverurteilung prozesshaft ins Bewusstsein treten.


    Die "Wochenend"-Atmosphäre ist vorbei, als Fräulein Montag auftritt und in ihrer befliessenen Art endgültig den beamtlichen "Diensttag" einläutet.


    Was sich mit der Verhaftung in Fräulein Bürstners Zimmer unbewusst andeutet, wird K. nun vollends bewusst: eine Beziehung zu Fräulein Bürstner ist nicht möglich. K.s heimliche Absichten werden schon im Keim erstickt.


    Das ist natürlich nur eine Deutungsmöglichkeit! :breitgrins:


    Bye, Ivy


  • Hi Ivy,


    schön, dass Du so schnell aufgeholt hast. Du sprichst vom Wegzug des Frl. B. , wann findet der den statt? Bis zum 6. Kapitel, soweit bin ich auch, habe ich davon nichts gelesen.


    Bei Kohlhaas gab es m.M.n. tatsächlich eine Ungerechtigkeit. Aber wo siehst Du die beim Prozeß?


    Wieso stempelt das Verhalten von Frl. B., Josef K. zum Schuldigen? Das verstehe ich nicht?


    Was meinst Du mit Wochenend-Atmosphäre vor dem Auftritt von Frl. Montag? Die Verhaftung? oder die erste Utnersuchung?


    Woher kennst Du K.'s geheime Absichten? und verrätst Du uns diese?


    Gruß von Hubert


    PS: Wie weit bist Du den mit deiner "Krieg und Frieden" Leserunde, hier bei uns im Forum, oder liest Du das Buch jetzt im Biblioforum mit?


    Was macht eigentlich Deine Joyce-Leserunde im Literaturcafe?

  • Hallo zusammen,


    der Wegzug von Frl. Bürstner irritierte mich jetzt auch ein bißchen. Ich kann mich auch nicht daran erinnern. Kann es sein? daß diese Episode zum Zusatzmaterial gehört?


    Gruß
    Berch

  • Zitat von "Berch"

    Hallo zusammen,


    der Wegzug von Frl. Bürstner irritierte mich jetzt auch ein bißchen. Ich kann mich auch nicht daran erinnern. Kann es sein? daß diese Episode zum Zusatzmaterial gehört?


    Gruß
    Berch



    Hi Berch :zwinker:


    Sorry, ich meinte eigentlich Entzug. Fräulein Bürstner, welche ohnehin schon selten in ihrer Wohnung ist, macht sich noch rarer und lässt sogar Fräulein Montag einsiedeln, welche die Wohnung faktisch übernimmt.


    Bye, Ivy

  • Hallo zusammen!



    Berch hat gepostet:
    Tja, wie gesagt, ich kann es nicht genau begründen. Es stimmt schon, die Handlung ist einsträngig und auf die unerhörte Begebenheit wird man quasi direkt mit der Nase gestoßen. Dennoch, irgendetwas in mir sträubt sich dagegen. Das ist sicherlich weder eine fundierte, noch eine wirklich befriedigende Begründung, aber leider die einzige, die ich aktuell wirklich geben kann. Vielleicht liegt mein Widerwille z.T. darin begründet, daß die Thematik des Textes doch alles in allem recht bizarr und realitätsfern ist und nach Goethes Defintion der Erzählgegenstand "eine sich ereignete unerhörte Begebenheit" ist. Das hat für mich schon einen gewissen "Wahrheitsanspruch" und den sehe ich im 'Prozeß' eigentlich nicht wirklich.


    Jacky hat gepostet:
    In Eure Novellen Diskussion will ich mich nicht allzusehr einmischen, aber...
    Ich glaub für eine Novelle ist es zu lang, jaja ich weiß der Kohlhaas ist auch nicht grad kurz. Wie von Berch schon erwähnt, glaube ich, daß eine Novelle eine Realitätsanspruch hat. Es muß nicht genau eine wahre Begebenheit sein, aber zumindedst möglich. Meiner Meinung nach ist der Prozeß dafür zu "unrealistisch". Oder nicht?!


    Hallo Jacky,


    das ist keine Novellen Diskussion, sondern sollte eine Diskussion über die gattungsmäßige Einordnung von „Kohlhaas“ und „Prozeß“ werden. Wo die einzuordnen sind, sollte erst noch geklärt werden.


    Hallo Berch und Jacky,


    nach Goethes Definition, wäre „Der Prozeß“ sicher nicht realitätsnah genug für eine Novelle, nur der Kohlhaas aber auch nicht (und nicht nur wegen der Zigeunergeschichte, und dem Hund der den Rehbock aus der Pfanne stiehlt). Ist Goethes Definition die richtige? Wären dann die meisten von Boccaccios Novellen, die ja eigentlich die Novellenliteratur begründeten, noch Novellen?


    Aber mein Anliegen war nicht, den Prozeß, als Novelle zu outen, sondern nur eine Anregung, sich über die Gattung Gedanken zu machen.




    Erzählung oder Roman (Kohlhaas/Prozeß):


    Hinweise können die Erzählperspektive oder Zeitliche Abfolge u.ä. geben, also z.B. in einer reinen Erzählung, sollte der Erzähler keine Kommentare oder Erklärungen abgeben, in einem Roman kann er das durchaus oder in einer Erzählung sollte es keine zeitlichen Rückblenden geben, in einem Roman ist das durchaus üblich, auch ist der Stil bei einer Erzählung eher einheitlich, in einem Roman kann er durchaus wechseln.


    Das waren jetzt mal drei Hinweise von mir, wo ich Unterschiede zwischen den beiden Werken sehe, die eine Einordnung unterstützen könnten. Eine endgültige Meinung werde ich mir aber erst am Ende der Lektüre bilden.



    Jacky hat gepostet:


    Hallo Hubert,
    ich habe leider bisher keine der Kafka Verfilmungen gesehen, da hinke ich immer hinterher. Aber es gibt die Filme schon auf DVD, aber ich befürchte bisher nur auf englisch. Falls Dich die engl. Fassung interessiert, dann schau mal bei ebay.


    Hallo Jacky,


    danke für den Hinweis, Englisch würde mich nicht stören, aber bei ebay kaufe ich nicht.



    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Evelyne Marti"

    Hi Berch :zwinker:


    Sorry, ich meinte eigentlich Entzug. Fräulein Bürstner, welche ohnehin schon selten in ihrer Wohnung ist, macht sich noch rarer und lässt sogar Fräulein Montag einsiedeln, welche die Wohnung faktisch übernimmt.


    Bye, Ivy


    Hallo Ivy,


    m.M.n. gibt es keinen Entzug von Fr. B., ich kann auch keinen Hinweis erkennen, dass sie sich noch rarer macht. Sie ist m.M.n. von Anfang an wenig in ihrer Wohnung.


    Es gibt m.M.n. auch keinen Hinweis darauf, dass Fräulein Montag die Wohnung faktisch übernimmt. Es heißt, wenn ich mich recht erinnere, Fräulein Montag zieht bei FrL. B. ein.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen,


    hallo Hubert,


    zu Boccaccio kann ich leider nicht viel sagen, da ich seine Novellen bisher nicht gelesen habe. Das erschwert natürlich meine Argumentation auf diesem Gebiet schon ein wenig.
    Was Goethes Defintion angeht, so muß ich sagen, daß sie zumindest für einen großen Teil "moderner" Novellen sehr problematisch ist. Z.B. Schnitzlers 'Traumnovelle' oder auch Texte anderer Autoren, die diese selbst als Novellen bezeichnet haben, sprengen den von Goethe gesteckten Rahmen.
    Dennoch verwende ich meist Goethes Defintion, ganz im Gegensatz zu meiner sonstigen Skepsis in Bezug auf Goethe, weil sie mir von den mir bekannten Definitionsversuchen noch am plausibelsten erscheint und nach dieser Defintion wären, wie Du sagtest, weder der 'Prozeß' noch der 'Kohlhaas' Novellen.


    Die von Dir angesprochenen gattungsprägenden Merkmale sprechen eher für eine Zuteilung der beiden Werke, die der üblichen entgegen läuft. Ich werde mich am Montag noch einmal näher mit den beiden Gattungen beschäftigen, um dann vielleicht noch ein paar weitere Kriterien in die Diskussion einbringen zu können.


    Gruß
    Berch


  • Hi Hubert :smile:


    Du bist ja wirklich neugierig, was meine Lesegewohnheiten betrifft. :zwinker:
    Wie ich in den entsprechenden Lese-Threads schon anmerkte, nehme ich mir in den nächsten Tagen besonders viel Zeit für den Tolstoi (klassikerforum) und für den Ulysses (literaturcafe). Kannst ja später mal reinschauen, neue Mitleser sind immer erwünscht! :winken:


    Mit Wochenend-Atmosphäre umschrieb ich die Annäherungsversuche K.s bei Fräulein Bürstner, welche zu diesem Zeipunkt gerade "schwach" wurde. :breitgrins:


    Die Ungerechtigkeit besteht darin, dass K. von Fräulein Bürstner einen Korb kriegt. Es ist die Ungerechtigkeit des Lebens schlechthin, zu lieben und zu begehren und diese Liebe nicht erwidert zu bekommen.


    Die Ablehnung K.s durch das kleine Büro-Fräulein Bürstner ist eine Kränkung des beruflich höher gestellten K. Er "genügt" nicht. Er ist schuld daran, nicht zu genügen, Fräulein Bürstner nicht erobern zu können. Die eigentliche Schuld, wenn man sie als Schuld bezeichnen will, ist die Unzulänglichkeit K.s. K. spricht sich selbst schuldig, weil er seinen eigenen Erwartungen (Fräulein Bürstner für sich zu gewinnen) nicht gerecht werden kann.


    Soweit mein ganz persönlicher Leseeindruck, der keinen Anspruch auf Allgemeingütligkeit erhebt, denn natürlich gibt es mehrere Deutungsebenen, u.a. reale Elemente aus Kafkas Leben.


    Bye, Ivy


    P.S. Fräulein Montag übernimmt Fräulein Bürstners Wohnung faktisch, indem sie die Wohnung nach ihrem eigenen Stil umstellt, wie K. irritiert feststellt.

  • Zitat von "Evelyne Marti"

    Hi Hubert :smile:


    Du bist ja wirklich neugierig, was meine Lesegewohnheiten betrifft. :zwinker:
    Wie ich in den entsprechenden Lese-Threads schon anmerkte, nehme ich mir in den nächsten Tagen besonders viel Zeit für den Tolstoi (klassikerforum)


    Hi Ivy, :smile:


    Du hast Recht, ich bin sehr neugierig. :breitgrins:


    Besonders die Tolstoi-Leserunde liegt mir natürlich am Herzen. Es tut mir wirklich weh, zusehen zu müssen, dass eine Leserunde zu einem Klassiker wie "Krieg und Frieden", nicht mehr Zustimmung findet. Ich habe schon ernsthaft überlegt, das Bibelprojekt aufzugeben oder zu unterbrechen und mich selbst mal um Tolstoi zu kümmern. Aber wenn Du das jetzt wieder übernimmst, wäre das natürlich die beste Lösung. Dazu wünsche ich Dir auf jeden Fall viel Erfolg. :klatschen:


    Deine Bemerkungen zu Kafka enthalten m.M.n. interessante Ansätze, über die ich aber erst nochmal nachdenken will.


    Gruß von Hubert

  • Hi Hubert :zwinker:


    Du hast Recht: Gerade Tolstoi ist alles andere als langweilig und sollte eigentlich mehr Anklang finden.
    Ich werd mich darum kümmern, versprochen! :winken:


    Und ich finde es toll, wie Du Dich dafür stark machst! :klatschen:
    Denn Tolstoi &Co. verdienen es, gelesen zu werden. Sie vermitteln uns wichtige wahrnehmungspsychologische Erkenntnisse, nicht zuletzt über uns selbst, und regen unser Denken an.


    Sobald Ihr beim Prozess weiter seid, werd ich auch wieder mitposten, natürlich immer nur aus meiner individuellen Lesewahrnehmung, nichts weiter. Doch schön, wenn einige meiner Theorien zumindest inspirierend wirken! :wink:


    Literaturwissenschaftliche Relevanz beanspruche ich nicht, sonst könnte ich ja gleich Sekundärliteratur schreiben. :breitgrins:


    Mir gefällt es, einmal nicht auf die gängige Sekundärliteratur zurückzugreifen, sondern aus meiner eigenen Erfahrung mit Träumen (bin Vielträumerin) neue Deutungsansätze zu suchen.


    Bye, Ivy :schmetterling:

  • Guten Abend!
    Ich komme momentan leider kaum zum lesen, sorry. Obwohl ich eigentlich dachte, daß ich den Roman ganz gut kenne. Aber man liest doch immer wieder anders...


    Meint Ihr, daß Kafka das Alter vielleicht wegen Kohlhaas gewählt hat??? Oder ist das zu weit her geholt? Ich finde es schon interessant, daß beide dreissig sind. Über die Schuldfrage müssen wir dann noch später sprechen.


    Die Reaktionen von K. sind schon eigenartig, man hat teilweise den Eindruck, daß es um ein "inneres Wissen" bzw. unbewußtes Wissen geht. Irgendwie wissen alle was, aber eigentlich dann doch wieder nichts.


    K.s Verhalten gegenüber Frl. Bürstner (2.Kapitel) ist doch unglaublich. Da weiß man ja gar nicht, was man davon halten soll. Ich meine z.B. die Szene, wo K. sie plötzlich küsst. :entsetzt:


    LG Jacky

  • Hallo Jacky,

    Zitat von "Jacky"

    K.s Verhalten gegenüber Frl. Bürstner (2.Kapitel) ist doch unglaublich. Da weiß man ja gar nicht, was man davon halten soll. Ich meine z.B. die Szene, wo K. sie plötzlich küsst. :entsetzt:


    Das war auch mein leseeindruck (vor einem jahr): K's. Verhalten gegenüber frauen ist unazeptabel, etwas, was man ihm als schuld zuweisen könnte.
    Er ist mir als beziehungsunfähig, vielleicht weil ziemlich egozentrisch und narzißtisch in erinnerung.
    (Aber vielleicht muß ich das buch ein zweites mal lesen; bei Kafka's rätselhaften welten kein schlechter gedanke).
    gruß hafis

    Nun haben zwar manche Theologen einen ebenso großen Magen, wie man ihn der Kirche nachsagt;
    <br />sie können ebenso viele gedanklichen Ungereimtheiten verdauen wie die Kirche allerlei weltliche Güter. - Heinz Zahrnt

  • Zitat von "Jacky"

    K.s Verhalten gegenüber Frl. Bürstner (2.Kapitel) ist doch unglaublich. Da weiß man ja gar nicht, was man davon halten soll. Ich meine z.B. die Szene, wo K. sie plötzlich küsst. :entsetzt:


    LG Jacky


    Hallo Jacky,


    was ist an einem Kuss so entsetzliches. :bussi:


    Ich finde z.B. das Verhalten von Frl. Bürstner auch unglaublich. Bittet die doch mitten in der Nacht, einen fremden Mann zu sich aufs Zimmer und hört sich haarsträubende Geschichten an. Findest Du das normal?
    Und konnte K. unter diesen Umständen, nicht annehmen, dass er dem Frl. zum Abschied einen Kuss geben kann. Die Geschichte zeigt ja, dass Frl. Bürstner ihm das nicht krumm nahm. Sie ist ihm ja nicht böse, sondern reicht ihm gleich darauf beim Abschied noch die Hand zum Küssen. K. hatte also die Situation richtig eingeschätzt.


    Also, m.M.n. wäre hier ein spontaner kleiner Abschiedkuss nichts aufregendes. Das was die Sache entsetzlich macht, ist ja die Art, wie er sie küsst: "küsste sie auf den Mund und dann über das ganze Gesicht, wie ein durstiges Tier mit der Zunge über das endlich gefundene Quellwasser hinjagt. Schließlich küsste er sie auf den Hals, wo die Gurgel ist, und dort ließ er die Lippen lange liegen."


    Diese vampirhafte Szene mit dem Kuss auf die Gurgel und den Hals korrespondiert m.M.n. mit der Schlußszene des Buches: "Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, ...."


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Hubert"

    Diese vampirhafte Szene mit dem Kuss auf die Gurgel und den Hals korrespondiert m.M.n. mit der Schlußszene des Buches: "Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, ...."


    Gruß von Hubert



    Hi zusammen!


    Hubert, Danke für diesen interessanten Hinweis!


    Für mich ein weiterer Beleg, dass die Grundsituation mit Fräulein Bürstner tatsächlich die Schuldfrage und damit den Prozess auslöst.


    Bye, Ivy