Gottesbegriff/-bild in der Literatur

  • Hallo zusammen!


    Um ein bisschen auf den eigentlichen Titel des Threads zurückzukommen; hier ein Auszug aus Wie Gertrud ihre Kinder lehrt von Johann Heinrich Pestalozzi:


    Wie entkeimt der Begriff von Gott in meiner Seele? Wie kommt es, daß ich an einen Gott glaube, daß ich mich in seine Arme werfe und mich selig fühle, wenn ich ihn liebe, wenn ich ihm vertraue, wenn ich ihm danke, wenn ich ihm folge?


    Das sehe ich bald: Die Gefühle der Liebe, des Vertrauens, des Dankes und die Fertigkeiten des Gehorsams müssen in mir entwickelt sein, ehe ich sie auf Gott anwenden kann. Ich muß Menschen lieben, ich muß Menschen trauen, ich muß Menschen danken, ich muß Menschen gehorsamen, ehe ich mich dahin erheben kann, Gott zu lieben, Gott zu danken, Gott zu vertrauen und Gott zu gehorsamen, "denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie will der seinen Vater im Himmel lieben, den er nicht sieht?"


    Ich frage mich also: Wie komme ich dahin, Menschen zu lieben, Menschen zu trauen, Menschen zu danken, Menschen zu gehorsamen? Wie kommen die Gefühle, auf denen Menschenliebe, Menschendank und Menschenvertrauen wesentlich ruhen, und die Fertigkeiten, durch welche sich der menschliche Gehorsam bildet, in meine Natur? - und ich finde, daß sie hauptsächlich von dem Verhältnis ausgehen, das zwischen dem unmündigen Kind und seiner Mutter statthat.


    Die Mutter muß, sie kann nicht anders, sie wird von der Kraft eines ganz sinnlichen Instinktes dazu genötigt, das Kind pflegen, nähren, es sicherstellen und es erfreuen. Sie tut es, sie befriedigt seine Bedürfnisse, sie entfernt von ihm, was ihm unangenehm ist, sie kommt seiner Unbehilflichkeit zu Hilfe - das Kind ist versorgt, es ist erfreut, der Keim der Liebe ist in ihm entfaltet.


    [...]


    Dieses sind die ersten Grundzüge der Selbstentwicklung, welche das Naturverhältnis zwischen dem Säugling und seiner Mutter entfaltet. In ihnen liegt aber auch ganz und in seinem ganzen Umfang das Wesen des sinnlichen Keims von derjenigen Gemütsstimmung, welche der menschlichen Anhänglichkeit an den Urheber unserer Natur eigen ist. Das heißt: Der Keim aller Gefühle der Anhänglichkeit an Gott durch den Glauben ist in seinem Wesen der nämliche Keim, welcher die Anhänglichkeit des Unmündigen an seine Mutter erzeugte. Auch ist die Art, wie sich diese Gefühle entfalten, auf beiden Wegen ein und dieselbe.


    Auf beiden Wegen hört das unmündige Kind, glaubt und folgt, aber es weiß in diesem Zeitpunkt in beiden Rücksichten nicht, was es glaubt und was es tut. Indessen fangen die ersten Gründe seines Glaubens und seines Tuns in diesem Zeitpunkt bald an zu schwinden. Die entkeimende Selbstkraft macht jetzt das Kind die Hand der Mutter verlassen, es fängt an sich selbst zu fühlen, und es entfaltet sich in seiner Brust ein stilles Ahnen: Ich bedarf der Mutter nicht mehr. Diese liest den keimenden Gedanken in seinen Augen, sie drückt ihr Geliebtes fester als je an ihr Herz und sagt ihm mit einer Stimme, die es noch nie hörte: Kind! es ist ein Gott, dessen du bedarfst, wenn du meiner nicht mehr bedarfst, es ist ein Gott, der dich in seine Arme nimmt, wenn ich dich nicht mehr zu schützen vermag; es ist ein Gott, der dir Glück und Freuden bereitet, wenn ich dir nicht mehr Glück und Freuden zu bereiten vermag. Dann wallt im Busen des Kindes ein unaussprechliches Etwas, es wallt im Busen des Kindes ein heiliges Wesen, es wallt im Busen des Kindes eine Glaubensneigung, die es über sich selbst erhebt; es freut sich des Namens seines Gottes, sobald die Mutter ihn spricht. Die Gefühle der Liebe, des Dankes, des Vertrauens, die sich an ihrer Brust entfalten hatten, erweitern sich und umfassen von nun an Gott wie den Vater, Gott wie die Mutter. Die Fertigkeiten des Gehorsams erhalten einen weiteren Spielraum: Das Kind, das von nun an an das Auge Gottes glaubt wie an das Auge der Mutter, tut jetzt um Gottes willen recht, wie es bisher um der Mutter willen recht tat. Quelle


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer !


    Zitat

    Ich stimme Hubert zu, dass es bestimmt geheimes Wissen in Klöstern gab, [...]


    Könnt Ihr mir Beispiele geben?


    Äh ... Bierbrauen, Heilkunde oder Naturforschung (Albertus Magnus ?) ??


    Zitat

    Kewl!!! Wir haben nur einen Hund ... Was frisst den so was? Braucht es viel Auslauf?


    Ist ganz pflegeleicht, Auslauf macht er selber und bei naturwissenschaftlichen Fragen muss man nicht mal im Lexikon nachschauen ... also insgesamt empfehlenswert ! :klatschen: Allerdings Nebenkosten für z.B. wissenschaftliche Zeitschriften :sauer:


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen !


    Anläßlich dieses thread habe ich gestern abend zwei Bücher des Mythologen Joseph Campbell hervorgeholt. Er beschäftigt sich mit vergleichender Mythologie auch in Bezug auf Theologie und das Gottesbild und kommt zu erstaunlichen und interessanten Aussagen. In einem Buch schreibt er, dass er besonders von James Joyce und Thomas Mann beeinflußt worden sei.


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "sandhofer"

    Hallo zusammen!


    Um ein bisschen auf den eigentlichen Titel des Threads zurückzukommen; hier ein Auszug aus Wie Gertrud ihre Kinder lehrt von Johann Heinrich Pestalozzi:


    Hallo Sandhofer,


    vielen Dank für den schönen Text. : „Die Gefühle der Liebe, des Vertrauens, des Dankes und die Fertigkeiten des Gehorsams müssen in mir entwickelt sein, ehe ich sie auf Gott anwenden kann.“ Ja, da ist was dran, - ein guter Gedanke.


    Die Pestalozzi-Webseiten, zu denen Dein Link führt, sind ja sehr interessant und sehr umfangreich. Pestalozzi, ein Mann, mit dem ich mich bisher noch nicht viel beschäftigt habe. Kann ich jetzt ja nachholen.


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Steffi"

    Hallo zusammen !


    Anläßlich dieses thread habe ich gestern abend zwei Bücher des Mythologen Joseph Campbell hervorgeholt. Er beschäftigt sich mit vergleichender Mythologie auch in Bezug auf Theologie und das Gottesbild und kommt zu erstaunlichen und interessanten Aussagen.


    Hallo Steffi,


    Campbell ist mir zwar dem Namen nach bekannt und auch Titel seiner Bücher („Die Masken Gottes“ und „Mythen der Menschheit“), aber gelesen habe ich noch nichts von ihm. Welche Bücher hast Du von ihm? Was sind seine erstaunlichen Aussagen? Jetzt hast Du mich natürlich neugierig gemacht.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen,


    zu Ehren des Heidelberger Philosophen Hans-Georg Gadamer (1900 – 2002) hat die Uni Heidelberg eine Gastprofessur eingerichtet. Diese Gadamer-Professur hat in diesem Jahr der emeritierte Ägyptologe und Religionswissenschaftler Jan Assmann inne, der im Rahmen dieser Professur zu folgenden Themen sprach:


    6.7.4 „Der Preis des Monotheismus“
    8.7.4 „Gott und die Götter in Thomas Manns Josephs-Roman“
    9.7.4 „Politische Dimensionen des Monotheismus“


    In seinem Vortrag am 6.7. sah Assmann den Preis des Monotheismus in Intoleranz und Gewalt. Der Eine Gott lässt keine anderen Götter neben sich zu, und Moses, die Geschichte mit dem Goldenen Kalb würde es beweisen, geht drastisch gegen Glaubensabweichler in der eigenen Gruppe vor. Dagegen wäre der ägyptische Polytheismus, von dem sich Moses absetzen wollte, von Toleranz geprägt gewesen.


    Am 9.7. war die These, dass der Monotheismus die Trennung von Herrschaft und Heil bringt, die in den vor-monotheistischen Kulturen eine ungetrennte Einheit bildeten. Der Mensch wird durch den Monotheismus zur moralischen Verantwortung befreit.


    In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde unter anderem die Frage diskutiert, wo denn eigentlich Monotheismus vorkomme. Dies wurde überwiegend sowohl für den größten Teil des AT (Monolatrie und Henotheismus) als auch eigentlich für die christliche Religion (Gott und Jesus + Maria und Heilige bei den Katholiken) verneint.


    Wer hat Lust diese Fragen (oder eine davon) weiterzudiskutieren?


    1. Ist Intoleranz tatsächlich der Preis des Monotheismus?
    2. Befreit Monotheismus zur moralischen Verantwortung?
    3. Läßt sich das Beten zu oder das Anrufen von Jesus/Maria/Heiligen mit dem Monotheismus vereinbaren?


    Kennt jemand die Bücher von Jan Assmann (z.B. „Moses der Ägypter“ oder „Die mosaische Unterscheidung“)?


    Gruß von Hubert
    :winken:
    Und schönes Wochenende

  • Hi allerseits,


    ich verfolge diese Diskussion von Anfang an höchst interessiert, und jetzt hat mich Hubert mit einer seiner Fragen tatsächlich aus dem Versteck gelockt! :zwinker:


    3. Läßt sich das Beten zu oder das Anrufen von Jesus/Maria/Heiligen mit dem Monotheismus vereinbaren?


    Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit der Kultur der Kelten und interessiere mich in diesem Zusammenhang besonders dafür, auf welche Art das Christentum die heidnische Religion (scheinbar?) verdrängen konnte.
    Dabei bin ich immer wieder auf die Auffassung gestoßen - zuletzt ganz ausgeprägt bei Georg Rohrecker in "Die Kelten in Österreich" - dass die christliche Religion in den keltischen Hochburgen massive Anlaufschwierigkeiten hatte und sich, wenn sie auch dort Fuß fassen wollte, gezwungen sah, den in der Bevölkerung am tiefsten verwurzelten Weltanschauungen und Bräuchen manchmal mehr, manchmal weniger geschickt einfach einen katholischen Mantel überzustülpen.
    Relativ einfach lässt sich diese Theorie da nachweisen, wo es um die Termine großer katholischer Feste und bestimmte damit zusammenhängende Rituale geht.
    Aber für Huberts Frage interessanter ist die Annahme, dass die christliche Religion aus diesem Grund speziell in unseren Breiten auch viel von ihrem monotheistischen Charakter eingebüßt hat. So soll Maria im katholischen Kultus nur deswegen so eine tragende (vergöttlichte) Rolle spielen, weil sich die Menschen nicht von der Vorstellung einer Muttergöttin lösen wollten. Auch die Anrufung der 14 Nothelfer soll auf den keltischen Pantheon zurückgehen, wo jede Gottheit quasi einen bestimmten "Zuständigkeitsbereich" hatte. Und besonders interessant wird es bei der Inschrift "C + M + B", die der Pfarrer zu Dreikönig über die Eingangstüren schreibt: Türen, Zäune und sogar die Linie zwischen Licht und Schatten galten bei den Kelten als gefährliche Aufenthaltsorte, an denen man sich besonders vor dem Einnisten böser Dämonen schützen musste. Deswegen brachten auch sie schon drei Kreuze (allerdings solche: x x x) als Symbol für die Dreifaltigkeit der Muttergöttin an. Diese Vorstellung wurde von der katholischen Kirche umgedeutet in die drei Heiligen Katharina, Margarethe und Barbara (Details kann ich bei Interesse nachliefern - aber vielleicht kennen ja die Österreicher und Süddeutschen unter euch den Spruch "Barbara mit dem Turm, Margarethe mit dem Wurm, Katharina mit dem Radl - das sind die drei heiligen Madl"). Und genau für diese drei Damen sollten ursprünglich die von der katholischen Kirche zwischen die Kreuze eingefügten Buchstaben C/K + M + B stehen, die erst später zu "Christus mansionem benedicat" bzw. ganz volkstümlich zu "Kaspar + Melchior + Balthasar" umgedeutet wurden.


    Puh, zu dem Thema könnte ich mich stundenlang auslassen :breitgrins:, aber ich denke für heute lass ich es gut sein. Aber falls jemand Interesse an einer weiterführenden Diskussion in diese Richtung hat, bin ich mit Begeisterung dabei.
    Einige Stellen in meinem Posting erfordern auch eindeutig noch weiteren Erklärungsbedarf, aber ich will euch ja nicht gleich mit einem halben Roman niederquasseln! :zwinker:


    Liebe Grüße,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo zusammen,


    Daniela hat im Bibelprojekt-Thread das folgende gepostet:
    Ich habe zu Heiligen keine sehr große Beziehung, aber z.B. meine Mutter kennt den Heiligen Antonius ganz gut ( ) .. er hilft oft, wenn jemand etwas verloren hat.
    Ich habe mich mal gewundert, wie manche Menschen sich an Heilige wenden können, wo es doch jemand gibt, der über ihnen steht und sie hat mir geantwortet, dass Heilige ja auch Menschen sind, irgendwie greifbarer und dadurch wird es leichter, mit ihnen zu sprechen, in kleinen Dingen.


    Ich kenne sogar Protestanten die den heiligen Antonius anrufen, wenn sie den Schlüsselbund verlegt haben. Die glauben zwar nicht an Heilige, aber wenn’s hilft, warum nicht. :zwinker:


    Eine Tante von mir, war der Meinung, mit so kleinen Dingen soll man Gott nicht direkt belästigen.


    Wenn ich Dich richtig verstanden habe, Daniela, dann bist Du aber schon der Meinung, dass diese "Volksfrömmigkeit" eigentlich nichts mit dem Christentum, als einer monotheistischen Religion zu tun hat?


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Bluebell"

    seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit der Kultur der Kelten und interessiere mich in diesem Zusammenhang besonders dafür, auf welche Art das Christentum die heidnische Religion (scheinbar?) verdrängen konnte.
    ...
    Aber für Huberts Frage interessanter ist die Annahme, dass die christliche Religion aus diesem Grund speziell in unseren Breiten auch viel von ihrem monotheistischen Charakter eingebüßt hat. So soll Maria im katholischen Kultus nur deswegen so eine tragende (vergöttlichte) Rolle spielen, weil sich die Menschen nicht von der Vorstellung einer Muttergöttin lösen wollten. Auch die Anrufung der 14 Nothelfer soll auf den keltischen Pantheon zurückgehen, wo jede Gottheit quasi einen bestimmten "Zuständigkeitsbereich" hatte. Und besonders interessant wird es bei der Inschrift "C + M + B", die der Pfarrer zu Dreikönig über die Eingangstüren schreibt: Türen, Zäune und sogar die Linie zwischen Licht und Schatten galten bei den Kelten als gefährliche Aufenthaltsorte, an denen man sich besonders vor dem Einnisten böser Dämonen schützen musste. Deswegen brachten auch sie schon drei Kreuze (allerdings solche: x x x) als Symbol für die Dreifaltigkeit der Muttergöttin an. Diese Vorstellung wurde von der katholischen Kirche umgedeutet in die drei Heiligen Katharina, Margarethe und Barbara (Details kann ich bei Interesse nachliefern - aber vielleicht kennen ja die Österreicher und Süddeutschen unter euch den Spruch "Barbara mit dem Turm, Margarethe mit dem Wurm, Katharina mit dem Radl - das sind die drei heiligen Madl"). Und genau für diese drei Damen sollten ursprünglich die von der katholischen Kirche zwischen die Kreuze eingefügten Buchstaben C/K + M + B stehen, die erst später zu "Christus mansionem benedicat" bzw. ganz volkstümlich zu "Kaspar + Melchior + Balthasar" umgedeutet wurden.


    Hallo zusammen,
    hallo Bluebell,


    da hat Du Recht, den heidnischen, insbesondere der keltischen Religion wurde oft ein christlicher Mantel übergestülpt. Z.B. deuten Michaelskapellen auf Hügel/Bergen meist auf ein früher hier vorhandenes keltisches Heiligtum hin und von diesen Orten geht in der Tat oft eine magische Kraft aus.


    Den Spruch von den drei Madln kannte ich nicht, ich wusste zwar, dass C+M+B nicht eigentlich was mit den heiligen Drei Königen zu tun hat, zumal die in der Bibel ja auch keine Namen haben, aber woher das kommt, war mir so nicht geläufig. Ist aber sehr interessant.


    Gruß von Hubert

  • Hallo allerseits
    Hallo Hubert


    Zitat

    Wenn ich Dich richtig verstanden habe, Daniela, dann bist Du aber schon der Meinung, dass diese "Volksfrömmigkeit" eigentlich nichts mit dem Christentum, als einer monotheistischen Religion zu tun hat?


    Tja - interessante Frage!!


    Ich weiß es nicht und habe auch noch nicht sehr darüber nachgedacht.
    Ich glaube nicht, dass irgendjemand der Meinung ist, ein Heiliger könne Dinge bewirken, die Gott nicht will - sie werden glaube ich allgemein als Helfershelfer angesehen.


    Ich muss noch darüber nachdenken .... (und dazu habe ich ja jetzt eine Woche Zeit!!!! :urlaub: :smile: )


    bis dann - dazu melde ich mich nochmal und bin gespannt, was Ihr da so ausbrütet ..


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Zitat von "Berch"

    Vollkommen richtig. Aus Nichts entsteht auch Nichts, darin stimmen wir überein und wir stimmen auch darin überein, daß es trotz allem einen Grund geben muß, daß aus einem anfänglichen Nichts etwas entsteht.
    Eine Möglichkeit ist nun zu sagen: Ich sehe, es muß irgendeinen Grund, irgendeine Ursache geben, weshalb alles entstanden ist, aber ich kenne ihn nicht und ich kann ihn auch unmöglich herleiten. Der Vorteil ist: Man muß sich nicht zwangsläufig Gedanken darüber machen, ob Gott existiert. Der Nachteil ist: Man muß akzeptieren, daß es Dinge gibt, die man selber nicht begreifen oder erfassen kann.
    Eine andere Möglichkeit ist zu sagen: Dieser Grund ist Gott. Der Vorteil bei der zweiten Möglichkeit ist, daß man einen Initiator ausgemacht hat und nicht mehr im luftleeren Raum hängt. Der 'Nachteil' ist, daß man, wenn man dieser Argumentation folgt, daran glauben muß, daß es einen Gott gibt, was wiederum weitere Fragen aufwirft, die man mit purer Logik nicht lösen kann, sodaß man erneut gezwungen ist, sich auf Gott zu berufen.


    Hallo zusammen,
    hallo Berch,


    alles was Du hier anführst ist zunächst einmal richtig. Es gibt etwas, dass man mit naturwissenschaftlichen Mitteln nicht mehr erklären kann. Ob man das Gott nennt, oder Tao, oder ohne Namen stehen lässt ist zunächst mal egal, auf jeden Fall ist das keine klassische atheistische Position mehr, die nämlich genau der Meinung ist, alles ließe sich naturwissenschaftlich erklären. Nennt man dieses „Etwas“ Gott, so bin ich allerdings der Meinung, dass dadurch nicht weitere Fragen aufgeworfen werden müssen, sondern man kann dann durchaus die taoistische Position vertreten: „Es gibt etwas das die Welt zusammen hält (oder vor mir aus auch auseinander driften lässt), aber über dieses „Etwas“ sich ein Bild zu machen, ist sinnlos, weil wir es eh nicht verstehen können.“ Und m.M.n. steht das auch so in der Bibel: Du sollst Dir kein Bild machen.




    Die Versuche, Gottes Nicht-Existenz zu beweisen, sind dabei natürlich genauso müßig, wie die Versuche, seine Existenz zu beweisen, dafür aber oftmals sehr witzig und amüsant.


    Zugegeben, mit Gottesbeweisen wie von Anselm von Canterbury erbracht oder mit „Gott als Postulat der praktischen Vernunft“ nach Kant, tue ich mir auch schwer. Aber das Argument von Thomas von Aquin: „Alle Erscheinungen in der Welt gehen auf eine Entstehungsursache zurück. Verfolgt man diese Ursachenkette zurück, muß am Anfang ein Urheber der Welt stehen, der nicht auf eine Ursache außer ihm selbst zurückgeführt werden kann.“ überzeugt mich noch immer. Wohin gegen die Beweise gegen Gott in der Tat höchstens witzig und amüsant sind, aber meistens auch nur lächerlich.


    Eine weitere Begründung, die mir noch in der Erinnerung haftet, möchte ich zu den Deinen noch hinzufügen
    Es besteht gar kein Anlaß, zu begründen, weshalb man bezweifelt, daß es einen Gott gibt. Die Annahme, daß es ein höheres, allmächtiges Wesen gäbe, widerspricht allen uns bekannten Naturgesetzen und auch der Logik.


    Diese Logik kann wiederrum ich nicht nachvollziehen. In der Welt gibt es verschiedene Stufen der Existenz, wobei die unteren Stufen, die höheren nicht begreifen können, ja nicht mal eine Ahnung von ihrer Existenz haben. Ein Stein z.B. weiß nichts von der Existenz von Pflanzen, Tieren und Menschen. Eine Biene z.B. weiß sehr wohl um die Existenz von Pflanzen und kennt ihre Unterschiede, aber sie hat sicher keine Ahnung das Menschen Häuser bauen, Autos fahren, Fernsehen usw. - Menschen können Pflanzen und Tiere in Arten einteilen und erklären und dem Gesetz der Serie nach müsste es auch etwas geben, das sich Menschen nicht erklären können.. Es widerspricht deshalb m.M.n. nicht den Naturgesetzen und wäre durchaus logisch, wenn es etwas gäbe wovon der Mensch sich kein Bild machen kann



    Was Marx angeht: Der arme Kerl hat sich ja in so manchen Dingen ein bißchen vertan, aber ein netter Versuch war es ja trotzdem


    Zu Sartre muß ich sagen, daß ich seine Theorie in Teilen schon nachvollziehen kann. Ein Beweis gegen Gott ist es allerdings nicht, da stimme ich Dir zu.


    Im Vergleich mit Sartre war Marx ja ein angenehmer Zeitgenosse. Im Prinzip ist der Kommunismus ja eine christliche Utopie. Nur Christentum ohne Gott, - das war ein Denkfehler. :zwinker:


    Wer aber wie Sartre, seine Lebensgefährtin dermaßen unterdrückt, hat m.M.n. jegliche Berechtigung verloren, mangelnde Entfaltung oder Unfreiheit durch den Glauben an Gott zu erklären.



    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen!


    Zum Thema dieses Threads schrieb Seume:


    Gott ist allerdings das letzte, höchste, vollkommenste Urideal, aber wir haben von ihm nichts mehr, als er uns von sich in der Sinnenwelt gegeben hat. Alles ist also einigermassen Anthropomorphismus. Der Gott des Phidias ist göttlicher, weil er menschlicher ist. Zu dem Gotte des Plato erhebt sich kaum der Gedanke mit seiner grössten Anstrengung und begreift am Ende von ihm fast nur die postulierte Notwendigkeit. Gott ist a priori die Notwendigkeit alles Guten in der Natur, aber das Gute in der Natur ist a posteriori wieder für uns das Prototyp des Göttlichen. Jeder macht allerdings seine Welt und seinen Gott und einigermassen sich selbst, aber wer wollte eine so scholastische Sprache unter den Menschen reden, da sie kaum von den Isolierten der Mystik verstanden wird?
    Johann Gottfried Seume: Apokryphen (1806/07)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,
    hallo Hubert,


    Zitat

    Es gibt etwas, dass man mit naturwissenschaftlichen Mitteln nicht mehr erklären kann. Ob man das Gott nennt, oder Tao, oder ohne Namen stehen lässt ist zunächst mal egal, auf jeden Fall ist das keine klassische atheistische Position mehr, die nämlich genau der Meinung ist, alles ließe sich naturwissenschaftlich erklären. Nennt man dieses „Etwas“ Gott, so bin ich allerdings der Meinung, dass dadurch nicht weitere Fragen aufgeworfen werden müssen, sondern man kann dann durchaus die taoistische Position vertreten: „Es gibt etwas das die Welt zusammen hält (oder vor mir aus auch auseinander driften lässt), aber über dieses „Etwas“ sich ein Bild zu machen, ist sinnlos, weil wir es eh nicht verstehen können.“ Und m.M.n. steht das auch so in der Bibel: Du sollst Dir kein Bild machen.


    Meiner Ansicht nach, ist die Tatsache, daß ich die Entstehung nicht mehr mit naturwissenschaftlichen Mitteln erklären oder nachweisen kann noch keine hinreichende Begründung dafür, daß sie nicht doch theoretisch auf eine naturwissenschaftliche Weise erklärt werden könnte. Vielleicht übersteigt diese Erklärungsweise aber aktuell noch unseren Horizont. Wir sind heute auch in der Lage, Dinge naturwissenschaftlich zu erklären, die noch vor einigen Jahrzehnten, Jahrhunderten nicht hätten erklärt werden können. Ich kann zwar die Entstehung der Erde nicht naturwissenschaftlich herleiten, genauso wie ich auch nicht herleiten oder erklären kann, wie sich verschiedene Moleküle zu neuen Stoffen verbinden, aber ich kann doch durchaus in beiden Fällen annehmen, daß sich die Phänomene naturwissenschaftlich erklären lassen.
    Es hat in der Geschichte der Menschheit unzählige 'Erscheinungen' gegeben, die auf ein göttliches Eingreifen zurückgeführt wurden und viele davon wurden inzwischen naturwissenschaftlich begründet. Wieso sollte es ausgerechnet bei der Entstehung der Erde anders sein. Ich nehme an, daß wir in dieser Frage genauso vor einem Problem stehen, wie einst die germanischen Völker, die nicht verstanden, weshalb es manchmal am Himmel blitzt und donnert und dies daher auf den Groll eines Donnergottes zurückführten. Vermutlich werden irgendwann auch Leute, wie wir jetzt auf die Mythologie der Germanen, auf unsere Zeit zurückblicken und sagen: "Die haben damals tatsächlich geglaubt, daß ein Gott die Erde erschaffen hat... totaler Blödsinn, aber irgenwie eine naiv-romantische Vorstellung."


    Zitat

    Aber das Argument von Thomas von Aquin: „Alle Erscheinungen in der Welt gehen auf eine Entstehungsursache zurück. Verfolgt man diese Ursachenkette zurück, muß am Anfang ein Urheber der Welt stehen, der nicht auf eine Ursache außer ihm selbst zurückgeführt werden kann.“ überzeugt mich noch immer.


    Gut, aber was spricht dann dafür, daß am Ende dieser Kette wirklich Gott steht, der unsere Erde erschaffen hat?
    Vielleicht ist 'unser' Gott auch nur ein kleiner Angestellter, dessen Abteilungsleiter die Aufgabe, die er seinerseits von seinem Chef bekommen hat, im Quadranten XY einen bewohnten Planeten zu erschaffen, an ihn deligiert hat. Die Argumentation von Thomas von Aquin jedenfalls gibt meiner Ansicht nach nicht her, daß unser Gott wirklich das letzte Glied der Kette sein muß.


    Das die Gottes-Nicht-Existenz-Beweise oftmals ins amüsante oder gar lächerliche abdriften, hängt meiner Ansicht nach damit zusammen, daß die Autoren sich vor die Aufgabe gestellt sehen, zu beweisen, daß es etwas nicht gibt, von dem sie glauben, daß es es nicht gibt, für dessen Existenz es aber auch keinen letztendlichen Beweis gibt. An dieser Aufgabenstellung allein ist schon etwas sehr paradoxes und daher kann ich es gut nachvollziehen, daß sich viele Autoren in den Humor flüchten.


    Zitat

    Diese Logik kann wiederrum ich nicht nachvollziehen. In der Welt gibt es verschiedene Stufen der Existenz, wobei die unteren Stufen, die höheren nicht begreifen können, ja nicht mal eine Ahnung von ihrer Existenz haben. Ein Stein z.B. weiß nichts von der Existenz von Pflanzen, Tieren und Menschen. Eine Biene z.B. weiß sehr wohl um die Existenz von Pflanzen und kennt ihre Unterschiede, aber sie hat sicher keine Ahnung das Menschen Häuser bauen, Autos fahren, Fernsehen usw. - Menschen können Pflanzen und Tiere in Arten einteilen und erklären und dem Gesetz der Serie nach müsste es auch etwas geben, das sich Menschen nicht erklären können.. Es widerspricht deshalb m.M.n. nicht den Naturgesetzen und wäre durchaus logisch, wenn es etwas gäbe wovon der Mensch sich kein Bild machen kann.


    Ich habe das Gefühl, daß Du mit Deinem Argument, meine zitierte These eigentlich nur bestätigst. Wenn ich bei dem Bienenbeispiel bleibe: Eine Biene wird sicherlich nicht wissen, daß es etwas wie das Fernsehen oder auch das Internet gibt. Es würde aber auch keine Biene auf die Idee kommen, sich anzumaßen, zu behaupten, es gäbe so etwas und von allen anderen Bienen fordern, dies einfach so zu glauben, obwohl es grundsätzlich auch für eine Biene nicht unlogisch wäre anzunehmen, daß Menschen, genau wie die Bienen selbst auch, Dinge (Bienenstöcke, Waben, Honig, etc. auf der einen, Häuser, Fernsehen, etc. auf der anderen Seite) erschaffen. Täte sie es doch, so wäre eindeutig sie in der Situation beweisen zu müssen, daß es Fernsehen oder Internet gibt. Könnte sie es nicht beweisen, wovon ich einfach mal ausgehe, so würde ihr vermutlich keine andere Biene glauben. Die Beweislast, läge eindeutig bei ihr.
    Mehr sagt der frei zitierte Satz ja eigentlich nicht: Gebt mir einen Beweis für seine Existenz und ich bin bereit darüber nachzudenken, solange ich keinen Beweis habe, weigere ich mich, daran zu glauben oder Gründe zu finden, warum Eure Behauptung falsch sein könnte.



    Gruß
    Berch

  • Stein für Stein der Wahrheit ein bisschen Näher


    Friedmann Schrenk,46, ist der bekannteste Urmenschenforscher Deutschlands und genießt internationales Ansehen. Berühmt wurde er 1992 durch die Entdeckung eines 2,5 Millionen Jahre alten Unterkiefers-Fachbezeichnung:UR 501-in der afrik. Republik Malawi


    "Vielleicht ist die Evolution gar nicht so geradlinig, wie wir glauben. Vielleicht macht sie Seitensprünge und Rückschritte"

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Zitat von "Berch"

    Vielleicht übersteigt diese Erklärungsweise aber aktuell noch unseren Horizont. Wir sind heute auch in der Lage, Dinge naturwissenschaftlich zu erklären, die noch vor einigen Jahrzehnten, Jahrhunderten nicht hätten erklärt werden können.
    ......
    Vermutlich werden irgendwann auch Leute, wie wir jetzt auf die Mythologie der Germanen, auf unsere Zeit zurückblicken und sagen: "Die haben damals tatsächlich geglaubt, daß ein Gott die Erde erschaffen hat... totaler Blödsinn, aber irgenwie eine naiv-romantische Vorstellung.".


    Hallo zusammen,
    hallo Berch,


    egentlich waren wir schon mal gemeinsam der Meinung, dass aus Nichts nichts entstehen kann und dass es aber einen Grund geben muß, dass die Welt entstanden ist und dass dieser Grund deshalb nie naturwissenschaftlich zu beweisen ist. Wenn Du bereits erzielte Verhandlungsergebnisse wieder über den Haufen wirfst, können wir uns die Diskussion sparen.


    Sicher werden in ein paar Jahren die Wissenschaftler über den heutigen Stand der Wissenschaft lachen, vielleicht über den Urknall, vielleicht über die Ausdehnung des Kosmos? Vielleicht werden Theologen auch über heutige Gottesbilder einmal lachen?, aber wenn man sich kein Gottesbild gemacht hat, sondern in Gott nur den letzten nicht erklärbaren Grund sieht?



    Zitat

    Gut, aber was spricht dann dafür, daß am Ende dieser Kette wirklich Gott steht, der unsere Erde erschaffen hat?
    Vielleicht ist 'unser' Gott auch nur ein kleiner Angestellter, dessen Abteilungsleiter die Aufgabe, die er seinerseits von seinem Chef bekommen hat, im Quadranten XY einen bewohnten Planeten zu erschaffen, an ihn deligiert hat. Die Argumentation von Thomas von Aquin jedenfalls gibt meiner Ansicht nach nicht her, daß unser Gott wirklich das letzte Glied der Kette sein muß..


    Hm, aber "unser Gott" wäre ja schon wieder ein Gottesbild. m.M.n. ist Gott das letzte Glied in der Kette, das muß nicht unbedingt das nächste sein. Die Kette wäre nach m.V. grob:
    - unbelebte Materie (Stein)
    - belebte Materie (Pflanze, Tier, Mensch)
    - x
    - Gott
    Ob es x gibt und wenn ja wie oft, ist offen?



    Zitat

    Ich habe das Gefühl, daß Du mit Deinem Argument, meine zitierte These eigentlich nur bestätigst. Wenn ich bei dem Bienenbeispiel bleibe: Eine Biene wird sicherlich nicht wissen, daß es etwas wie das Fernsehen oder auch das Internet gibt. Es würde aber auch keine Biene auf die Idee kommen, sich anzumaßen, zu behaupten, es gäbe so etwas und von allen anderen Bienen fordern, dies einfach so zu glauben, obwohl es grundsätzlich auch für eine Biene nicht unlogisch wäre anzunehmen, daß Menschen, genau wie die Bienen selbst auch, Dinge (Bienenstöcke, Waben, Honig, etc. auf der einen, Häuser, Fernsehen, etc. auf der anderen Seite) erschaffen. Täte sie es doch, so wäre eindeutig sie in der Situation beweisen zu müssen, daß es Fernsehen oder Internet gibt. Könnte sie es nicht beweisen, wovon ich einfach mal ausgehe, so würde ihr vermutlich keine andere Biene glauben. Die Beweislast, läge eindeutig bei ihr..


    Genau dieses Problem erklärt 1 Mose 3, oder auch der Film bzw. das Buch "Die Möwe Jonathan". Da wir ja gerade im Bibelprojekt an 1 Mose 3 kommen, will ich hier nichts vorwegnehmen.



    Zitat

    Mehr sagt der frei zitierte Satz ja eigentlich nicht: Gebt mir einen Beweis für seine Existenz und ich bin bereit darüber nachzudenken, solange ich keinen Beweis habe, weigere ich mich, daran zu glauben oder Gründe zu finden, warum Eure Behauptung falsch sein könnte.


    Für mich ist der Beweis: die geschaffene Welt


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert,


    Etwas leicht machst du dir das schon :zwinker: und als Beweis seh ich das nicht. Eine Welt die keinen Anfang und kein Ende hat, braucht keinen Beweis. Welche Rolle der "Mensch" dabei spielt(ob überhaupt...?), wird die Zeit uns lehren.


    "Die naturwissenschaftliche Forschung kann sich nicht durch den Wortlaut der Bibel hemmen lassen, vielmehr ist es Sache der Theologen, die Ausdrücke der Bibel in Übereinstimmung mit festgestellten Tatsachen der Naturwissenschaften zu erklären."


    Galilei


    Ich wundere mich immer über die Menschen, vor allem Theologen, die so tun, als wüßten sie ganz genau, was Gott beabsichtigt.


    Jean Giono

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Hallo Hubert,


    Zitat

    eigentlich waren wir schon mal gemeinsam der Meinung, dass aus Nichts nichts entstehen kann und dass es aber einen Grund geben muß, dass die Welt entstanden ist und dass dieser Grund deshalb nie naturwissenschaftlich zu beweisen ist. Wenn Du bereits erzielte Verhandlungsergebnisse wieder über den Haufen wirfst, können wir uns die Diskussion sparen.


    Dann haben wir uns an dieser Stelle falsch verstanden. Wir stimmen darüber ein, daß aus Nichts auch Nichts entstehen kann und daß es dennoch einen Grund geben muß, daß die Welt entstanden ist.
    Das nehme ich als Basis und daran will ich auch garnicht rütteln.
    Damals habe ich dann geschrieben: Ich sehe, es muß irgendeinen Grund, irgendeine Ursache geben, weshalb alles entstanden ist, aber ich kenne ihn nicht und ich kann ihn auch unmöglich herleiten.
    Damit habe ich aber doch nicht gesagt, daß dieser Grund unmöglich naturwissenschaftlich nachweisbar ist. Ich selbst kann es freilich nicht und bisher ist es auch keinem anderen Menschen gelungen, aber die potentielle Möglichkeit, daß es eine solche Herleitung geben kann, ist doch durchaus da, denn vielleicht werden spätere Generation ja herausfinden, daß unsere Grundannahme, aus Nichts entsteht Nichts schon falsch war.


    Zitat

    Für mich ist der Beweis: die geschaffene Welt


    Ich will wirklich nicht Deine Ansicht kritisieren und es ist Dein gutes Recht, darauf zu bestehen. Letztendlich werden wir dabei wohl eh nicht auf einen Nenner kommen, aber für mich ist dieser Beweis irgendwie nicht schlüssig, weil er auf sich selbst verweist: Daraus, daß wir die Herkunft der Welt nicht erklären können, entwickeln wir, daß es einen Gott geben muß und die Existenz Gottes belegen wir dann anschließend damit, daß es die Welt gibt. Diese Argumentation geht nur dann auf, wenn man eine der beiden Sachen als gegeben hinnimmt. Hinterfragt man aber die erste, muß man zwangsläufig auch die zweite hinterfragen.


    Gruß
    Berch


    Gruß
    Berch

  • Zitat von "Berch"

    Vollkommen richtig. Aus Nichts entsteht auch Nichts, darin stimmen wir überein und wir stimmen auch darin überein, daß es trotz allem einen Grund geben muß, daß aus einem anfänglichen Nichts etwas entsteht.


    Das ist ein bekanntes Argument, das sich leicht widerlegen läßt:


    Kürzestfassung:


    Wenn aus Nichts nichts entstehen kann, dann hätte auch Gott nie entstehen können. Sollte Gott aber "schon immer" existiert haben, spricht auch nichts dagegen, dass etwas viel weniger Komplexes als Gott (wie die "Welt") schon immer existiert hat.


    CK

  • Hallo xenophanes,


    Danke, das ist mir aus der Seele gesprochen.


    Dabei ein so einfacher Gedanke.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.


  • Richtig. Dementsprechend gibt es ja schöpfungsmythen, die ein ungeschaffenes chaos vor der schöpfung der welt sehen, sei es "Wasser", ein drachen oder auch ein unbefruchtetes ei (jetzt wissen wir, ob zuerst die henne oder das ei war).
    Gott oder die götter entstanden mit der welt, oder ein über das chaos mächtiger gott besteht neben dem chaos (zB der israelitische).


    Der beweis über die erste ursache hat natürlich zu seiner widerlegung, -wie auch andere sprachlich-logische rätsel (zB das Kreter-Pardox)-, die menschen über jahrhunderte gefordert. Insoweit alles keine "einfachen gedanken". :zwinker:


    Der beweis scheitert auch daran, weil er anthopomorphe kategorien (Ursache - Wirkung) unbesehen übernimmt, ohne zu erkennen, daß sie evtl. nur zeitgebunden gültig sind.
    "Gott würfelt nicht", sagte Einstein zur quantentheorie. Letztere hat sich bis heute behauptet und ist vielfach in der praxis bestätigt.
    Danach gelten unsere vorstellungen über ursache-wirkung-beziehungen nicht in der microwelt und möglicherweise auch nicht in der makrowelt.
    Soweit ich weiß, sagt die quantentheorie, dasß tatsächlich im kosmos laufend materie aus dem nichts entsteht.


    Die moderne physik sagt, daß unsere physikalischen gesetze den urknall und eine kurze zeit danach nicht erklären können. Daraus lassen sich natürlich keinerlei schlußfolgerungen ziehen. Die ganze menschliche wissenschaftsgeschichte ist ein solches-vor-unerklärlichen-schranken-stehen.


    gruß hafis

    Nun haben zwar manche Theologen einen ebenso großen Magen, wie man ihn der Kirche nachsagt;
    <br />sie können ebenso viele gedanklichen Ungereimtheiten verdauen wie die Kirche allerlei weltliche Güter. - Heinz Zahrnt