Juli 2004: Thomas Mann - Königliche Hoheit

  • Hallo zusammen,


    wir sind ja diesmal eine schöne große Leserunde :-)


    Steffi: die Rose ist wunderschön und das Gemälde von Kaiserin Victoria zeigt sie als eine auf mich beeindruckende Frau.


    in der Biographie heißt es, dass sie ihren Friedrich liebte. In 'Königliche Hoheit' wird die Heirat von Dorothea und Johann Albrecht als Liebesheirat bezeichnet. In der Geschichte wirken sie auf mich allerdings sehr steif.


    Land
    das Kapitel hat mir gut gefallen. Es gab einen Überblick auf die gesamte Situation. Der Raubbau in der Forstwirtschaft, 600 Mio Mark Schulden, kaum ein Ausweichen auf andere Industriezweige, das Land ist unterentwickelt. Aber das Volk ist sehr stolz auf ihre Hoheiten und brauchen das Gefühl, dass alles in 'alter' Ordnung ist.


    Die Seele des Volkes beschreibt das Buch auf S. 15 ( noch im Kapitel 'Hemmung' ):


    Das Volk will sein Bestes, sein Höheres, seinen Traum, will irgend etwas wie seine Seele in seinen Fürsten dargetellt sehen, - nicht seinen Geldbeutel. Den zu repräsentieren sind andere Leute da...


    schwere Verantwortung lastet auf den jungen Prinzen Klaus Heinrich.


    Am Ende des Kapitels Land kommt noch ein Rosenstock und eine Sage hinzu. Herrlich.


    Es war ein Rosenstock wie andere mehr, ein Kastellan wartete ihn, er ruhte im Schnee, er empfing Regen und Sonnenschein, und kam die Zeit, so trieb er Rosen. Es waren außerordentlich herrliche Rosen, eel geformt, mit dunkelrotseamtenen Blättern, eine Lust zu sehen und wahre Kunstwerke der Natur.


    Aber die Rosen besaßen eine seltsame und schauerliche Eigentümlichkeit; sie dufteten nicht! Sie dufteten dennoch, aber aus unbekannten Gründen war es nicht Rosenduft, was sie ausströmten, sondern Moderduft...


    Auch ging ein populäres Gerede, da und dort stehe geschrieben, daß irgendwann einmal, an einem TAge der Freude und der öffentlichen Glückseligkeit, die Blüten des Rosenstockes auf die natürlichste und lieblichste Art zu duften beginnen würden.


    ich kann mir nicht helfen, aber ich finde das sehr romantisch und sollte es auch noch so in der Geschichte eintreten, werde ich bestimmt feuchte Augen bekommen.


    Achja, und das Beste. Thomas Mann bringt auch noch einen Spuk mit rein. Ebenfalls am Ende des Kapitel Land und die Zigeunerin und ihre Weissagung wird ebenfalls nochmals genannt.


    Der letzte Satz daraus:

    Das war die Stadt; das war das Land. Das war die Lage.


    ikarus:
    In seinem "Lebensabriß" schreibt Thomas Mann: "Die erste künstlerische Frucht meines jungen Ehestandes aber war der Roman >Königliche Hoheit<, und er trägt die Merkmale seiner Entstehungszeit."


    das merkt man. Es ist heiter, unbeschwert, ausgeglichen und ich hoffe, es wird auch romantisch.

    @Mariamon
    Diese Weissagung, über deren Aussage wir nichts Genaueres erfahren, ist ziemlich merkwürdig. Ob die später wohl noch mal vorkommt?


    ich hoffe darauf und auch dass sich das mit dem Rosenstock und dem Spuk noch klärt.


    Steffi:
    Deshalb war ich etwas enttäuscht über den Beginn des nächsten Kapitels "Das Land". Klingt ja eher trocken, deshalb bin ich mächtig gespannt, was Thomas Mann daraus macht


    wie fandest du es?
    ich finde er hat für ein Lustspiel alle Register gezogen und hat in Land den Grundstock gelegt.


    die Mutter war tatsächlich immer etwas kühl, wenn Klaus Heinrich vergaß seine Hand zu verstecken. Der arme kleine Kerl lebte ja bereits in jungen Jahren unter einem starken Druck, wie im Kapitel


    Der Schuster Hinnerke beschrieben wird. Man grüßte mit der linken Hand, lupfte den Hut usw. Klaus Heinrich bekam ein ganz rotes Gesicht, doch die Zeitung sprachen das seiner guten Gesundheit zu.


    Bereits bei der Taufe ergab sich das Bild eines ruhigen, duldsamen Kindes. Auch träumte er gerne. Aber er sah auch tief und begriff bereits die 'Strenge des Lebens' und dass es noch mehr gibt: das 'Eigentliche'.
    Er spürte, dass da noch mehr stecken mußte und der Schuster Hinnerke gab ihm den ersten Einblick, dass z.B. die Lakaien auch andere Seiten hatten, als die die er sah.


    Habt ihr bemerkt, dass in dem Erzählfluß dieses Kapitels manchmal die Gedanken des Kindes erscheint?


    S. 44
    Zuweilen bekamen auch die Leute draußen in Stadt und Park zu sehen, daß Mama uns lieb hatte.


    dieser Wechsel der Sichtweise hat mich berührt.


    seine Wißbegierde nahm mit dem Alter zu. Ich bin gespannt, wie sich das Kind zum Jugendlichen und zum Mann entwickelt.


    Aisha
    Ich weiss nur aus der Theorie, dass sich in dem Roman viele biographischen Erlebnisse verarbeitet finden, unter anderem eine Radfahrt Katjas mit Thomas. Ich habe mir den Roman heute gekauft und hoffe, ich ich werde mitlesen können!!


    das habe ich auch gelesen. Eine weitere Begebenheit hat Thomas Mann eingebaut als er Katia in der Straßenbahn wiedertrifft und sie dem Fahrscheinkontrolleur eine freche Antwort gab. Das war kurz nachdem er sie kennengelernt hatte. Diese Episode soll auch in 'Königliche Hoheit' auftauchen.


    Ich komme nun auch zu Kapitel Doktor Überbein.


    Grüße von
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    Zur "Vorliebe" Thomas Mann, biographische Details in seine Romane einzuverleiben, an dieser Stelle ein interessanter Textauszug aus dem Thomas Mann-Handbuch:


    1904 war das Jahr der Werbung um Katia Pringsheim. Die "Märchenbraut" sollte Thomas Mann aus seiner Prinzeneinsamkeit befreien. [...] Das Märchenglück, dass er in seinen Werbebriefen auf diese Verbindung heraufbeschwor, wird zum Thema auch seines Romans. Er hat später Abschriften aus diesen Briefen zum Werkmaterial gelegt. Der Eindruck ist gespenstisch: In diesem Werk drückt einer nicht aus, was er erlebt hat; er erlebt, um auszudrücken. Leben "geschieht" nicht einfach; es wird vielmehr bewusst gestaltet. Es geht nicht zuletzt um den willentlichen Versuch, zu gesunden und sich zu resozialisieren.


    Ansonsten zeigt sich schon im Kapitel "Der Schuster Hinnerke" die Grundkonzeption des Romans: Die "Fürstennovelle", durch die der Künstlertypus (in Tonio Kröger unverhüllt dargestellt) ins Höfisch-Aristokratische verschoben ist. Kennzeichen das repräsentative Leben, das Symbolische, das Abgegrenztsein vom Volk.
    Bezeichnend dafür folgender Textauszug:


    Aber Klaus Heinrich wusste wohl, dass Mama lange, sorgfältige Stunden an ihrer Schönheit gearbeitet hatte, dass ihr Lächeln und Grüßen voller Übung und Absicht war und das ihr eigenes Herz nicht hochschlug, keineswegs, für nichts und niemanden.


    In einem Gespräch mit Kurt Martens zitierte Thomas Mann diesbezüglich Gustave Flaubert: "Wer sich zum Künstler bestimmt hat, hat nicht mehr das Recht, zu leben wie andere Leute."


    Desweiteren sehr erfreulich, dass sich diese Thomas Mann-Leserunde derart vieler Interessenten erfreuen darf. :smile:


    Liebe Grüße

  • Hallo !


    JMaria schrieb:

    Zitat

    wie fandest du es?
    ich finde er hat für ein Lustspiel alle Register gezogen und hat in Land den Grundstock gelegt.


    Dem kann ich nur zustimmen - überhaupt nicht langweilig und sehr atmosphärisch. Ich frage mich, ob Th. Mann da ein bestimmtes Land im Auge hatte (Sachsen, Bayern ??) oder ob es seiner Phantasie entsprungen ist.


    Ich bin immer noch beim Schuster Hinnerke, da ich gestern nicht viel Zeit zum lesen hatte. Aber es ist so leicht geschrieben, dass ich das Buch auch zur Hand nehme, wenn ich nur 15 min. Zeit habe (dafür muss normalerweise sonst immer mein "Zweitbuch" herhalten). Ab und zu blitzt aber der bekannte Th. Mann wieder durch :smile:


    Thomas: Was ist das für ein Handbuch ?? Klingt sehr interessant.


    Zitat

    "Wer sich zum Künstler bestimmt hat, hat nicht mehr das Recht, zu leben wie andere Leute."


    Diese Parallele hätte ich so nicht gesehen - Thomas Mann als Prinz (verkrüppelte Hand= Homosexualität ?), entfernt von Volk und nur zum Bewundern da, trotzdem eine gewisse Verpflichtung denjenigen gegenüber. Naja, das war sein zweiter Roman, war er da schon so berühmt ? Oder wäre es eher eine Wunsch- und zugleich Angstvorstellung ?


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"


    Thomas: Was ist das für ein Handbuch ?? Klingt sehr interessant.


    Hallo,


    http://www.amazon.de/exec/obid…_11_1/028-0145528-7787752


    Der Preis mag auf den ersten Blick eine recht abschreckende Wirkung entfallten; Es sei an dieser Stelle versichert: Die 40 Euro sind wirklich gut angelegt. Hoch informative 1000 Seiten, toll strukturiert, sehr übersichtlich, ein absolutes Muss für Menschen, die das Mannsche Werk nicht gänzlich unberührt lässt.


    Liebe Grüße

  • Zitat von "Steffi"

    Diese Parallele hätte ich so nicht gesehen - Thomas Mann als Prinz (verkrüppelte Hand= Homosexualität ?), entfernt von Volk und nur zum Bewundern da, trotzdem eine gewisse Verpflichtung denjenigen gegenüber. Naja, das war sein zweiter Roman, war er da schon so berühmt ? Oder wäre es eher eine Wunsch- und zugleich Angstvorstellung ?
    Gruß von Steffi


    Hallo Steffi,


    was ich am Anfang dieses Threads über die Verfilmung geschrieben habe, gilt natürlich genau so für den Roman:


    Mich hat beeindruckt, wie Mann seine Heirat mit Katja Pringsheim die während der Entstehungszeit des Romans stattfand, künstlerisch umgesetzt hat.


    Mich hat nachdenklich gemacht, die große Bedeutung, die Mann sich als Künstler, oder allen Künstlern in dieser Allegorie zusprach.


    Also Thomas Mann war nach seinem ersten Roman auf einen Schlag berühmt und hat sich in seinem zweiten Roman mit seinem zukünftigen Leben als Künstler auseinander gesetzt. Es geht hier m.M.n. weniger um einen Wilhelm, als um Thomas Mann selbst, vor allem deshalb ist der Roman auch wichtig. Auf wenn Mann im Roman von zerrüttelten Staatsfinanzen spricht, geht es vor allem um seine Finanzen. Z.B. hat er sich durch seine Heirat mit der reichen Katja, die finanzielle Freiheit verschafft, die er brauchte um seine künstlerischen Pläne zu verwirklichen. Dies vor allem ist Thema des Romans. Große Frage: Empfand er seine Heirat als Opfer, das er als Künstler bringen musste?



    Gerade hatte ich Dir den Link zum Thomas-Mann-Handbuch rausgesucht, da habe ich gesehen, dass Thomas den Link schon gepostet hat. Auch ich bin der Meinung, dass man an diesem Handbuch, dass das ganze Werk Thomas Manns beschreibt, nicht vorbei kommt, wenn man sich ernsthaft mit Thomas Mann beschäftigt.


    Gruß von Hubert

  • Hallo !


    Thomas und Hubert : Danke für den link und die Einschätzungen zu dem Handbuch - nachdem ich momentan zu dem Entschluß gekommen bin, mir endlich mal eine Thomas Mann -Werkausgabe zu kaufen werde ich wohl um dieses Buch nicht drumrumkommen :zwinker:


    Einen ganz neuen Aspekt gewinnt man ja schon, wenn man diesen Roman unter autobiographischenGesichtspunkten liest. Während des Buchs "Frau Thomas Mann" habe ich mich auch des Eindrucks nicht erwehren können, dass er Katia nicht nur der Liebe wegen geheiratet hat - vielleicht neben dem finanziellen Aspekt auch der Lebensstil und der Wunsch zur gehobenen Gesellschaft zu gehören.


    Hubert schrieb:

    Zitat

    Große Frage: Empfand er seine Heirat als Opfer, das er als Künstler bringen musste?


    Momentan bin ich noch nicht der Überzeugung, dass er das als Opfer empfand, da er ja ebenfalls davon profitierte. Er fühlt sich, und das kommt ja bisher auch in "Königlicher Hoheit" immer wieder vor, sowohl seinem Talent als auch seinem Publikum (=Volk) verpflichtet, das er in eine Art Erhebung zu bringen vermag.


    Vielleicht hat Thomas Mann eher bedauert, dass er durch seine Eigenschaft als Künstler keine weiteren, anderen Erfahrungen machen konnte, ich denke da an das "Stöbern" von Klaus Heinrich, aber letztendlich war das ja auch sein persönlicher Entschluß. Ein Fürst bzw. Regent kann doch ungleich schwerer aus seiner Rolle ausbrechen als ein Schriftsteller.


    Gruß von Steffi


  • Hallo,


    Eine weitere Anspielung ist die Person des Finanzdirektors auf den real existierenden von Bülow.
    Beides übrigens "Parallelen" die zur damaligen Zeit noch nicht einmal erkannt wurden...


    Sozialkritische, marxistische, "demokratische" Lesearten, Ausgangspunkte oft und vielfach ausgeführter Kritik um 1910, haben bei diesem Roman ohenhin wenig Aussicht auf Erfolg, da ungenügend ausgeführt (da nicht bezweckt). Vielmehr zeichnet die "Königliche Hoheit" die eigene Geschichte von Thomas Mann nach, seinen Ausweg aus der im Roman zu Beginn geschilderten hoffnungslosen, trostlosen Lage.
    Neben der Künstlerallegorie also ein zutiefst autobiographisches Werk.
    Hierzu ein sehr aufschlussreicher Briefauszug (Brief an Katia Pringsheim):
    Sie wissen, welch kaltes, verarmtes, rein darstellerisches, rein repräsentatives Dasein ich Jahre lang geführt habe; wissen, dass ich mich Jahre, wichtige Jahre als Menschen für nichts geachtet und nur als Künstler habe in Betracht kommen wollen... Sie begreifen auch, dass dies kein leichtes, kein lustiges Leben sein und selbst bei starker Anteilnahme der Außenwelt kein gelassenes und keckes Selbstvertrauten zeitigen kann. Eine Heilung von dem Repräsentativ-Künstlichen, das mir anhaftet, von dem Mangel an harmlosen Vertrauen in mein persönlich-menschliches Theil ist mir durch Eines möglich; durch das Glück, durch Sie, mein kluge, süße, gütige, geliebte kleine Königin!... Was ich von ihnen erbitte, erhoffe, ersehne, ist Vertrauen, ist das zweifellose Zumirhalten selbst einer Welt, selbst mirselbst gegenüber, ist etwas wie Glaube, kurz - ist Liebe...


    Die Beziehung zwischen Ditlind und Klaus Heinrich, das im Werk Thomas Manns oftmals wiederkehrende Motiv des inzestuösen Verhaltens, kann im Bezug der autobiographischen Betrachtungsweise des Werkes als Anspielung auf die Beziehung Katia/Klaus Pringsheim gesehen werden, durch welche sich Thomas Mann als Person zurückgesetzt betrachtete.


    Bei der Lektüre bin ich inzwischen auf Seite 100 angelangt. :winken:


    Liebe Grüße

  • Zitat von "Steffi"

    Hallo !


    Thomas und Hubert : Danke für den link und die Einschätzungen zu dem Handbuch - nachdem ich momentan zu dem Entschluß gekommen bin, mir endlich mal eine Thomas Mann -Werkausgabe zu kaufen werde ich wohl um dieses Buch nicht drumrumkommen :zwinker:


    Hallo Steffi,


    Seit 2001 erscheint die "Große kommentierte Frankfurter Ausgabe" (bis 2015) in insgesamt 58 Bänden, bei der innerhalb der 20-bändigen Werkausgabe jedem Band ein eigener Kommentarband beigefügt ist.
    Allerdings eine extrem kostenintensive Anschaffung, so bedingen die zwei Bände der "Königlichen Hoheit" eine Gegenwert von 82 Euro. :rollen:
    In den nächsten Monaten (August - Dezember) werde ich mir alle mir noch fehlenden Romane und Erzählungen käuflich aneignen, ganz ohne Werkausgabe, welche ich mir als armer Zivi schlicht nicht leisten kann. :zwinker:


    Liebe Grüße

  • Hallo zusammen,


    danke für die interessanten Gesichtspunkte in Bezug auf Thomas Mann und dem Künstlertum. Ich las die weiteren Seiten in einem ganz anderen Gesichtspunkt.


    Dies schreibt Thomas Mann über Königliche Hoheit in seinen autobiographischen Schriften:


    Im nächsten Roman nun, in 'Königliche Hoheit', steht wiederum die Existenz des Künstlers zur Diskussion, stofflich als Hofgeschichte eingekleidet und diesmal, unter dem Einfluß privater Umstände - ich war ein junger Ehemann, als ich dies Buch schrieb - ins Optimistische gewendet.


    Es ist eine Erlösungsgeschichte: der junge Prinz, in seiner melancholisch-repräsentativen und rein formalen Existenz eine Allegorie des Künstlers, wird durch die Liebe und durch eine Heirat, die sein Land rettet, aus der Unwirklichkeit zur Wirklichkeit und zum Leben erlöst....


    m.M.n. sogar ein biblisches Motiv.


    .... Die Möglichkeit einer Vereinigung von Hoheit und Lebensglück wird optimistisch statuiert: - für den Augenblick hatte sie ihre Gefühlswahrheit.


    Übrigens ist das Buch als Versuch eines Lustspiels in Romanform ein Geschwisterstück zu meinem jüngsten Roman 'Lotte in Weimar'.


    die politische Situation hat Thomas Mann nicht außer acht gelassen:


    Geistig stellt es eine vielleicht nicht uninteressante Wendung zum Demokratischen dar, indem zwar der "Hoheit", dem "Sonderfall", den Erscheinungen aristokratischer Absurdität noch immer die ironisch getönte Liebe des Autor gehört, mit den Mitteln derselben Ironie aber die Hochindividualistischen Typen bis hinab zum wahnsinnigen Hunde Percival als Anachronismen gekennzeichnet werden und der liebenswürdigste von ihnen den Weg aus der Einsamkeit zur Gemeinschaft und sozialen Sympathie geführt wird, - eine Fabel, die damals, auf der Sonnenhöhe des Wilhelminischen Kaisertums, mehr vorwegnahm, als die Leser von 1905 herauslasen.


    Als ich das Kapitel Albrecht II las, kam mir der Gedanke auf, dass die Aristokratie auf wankenden Füßen steht, denn Albrecht ist alles andere als ein Monarch. Er möchte auch gar keiner sein.


    Wie empfindet ihr, wenn ihr über Albrecht lest?


    Raoul Überbein
    irgendwie hatte ich das Gefühl in dieser Person blinzelt mir Settembrini etwas zu (oder vielleicht Naphta?).


    Klaus Heinrich wurde mit 18 volljährig. War die Volljährigkeit damals schon bei 18 Jahren oder evtl. nur beim Adel?


    über das Turnen (im Kapitel "Doktor Überbein") möchte ich noch Thomas Mann's Ansicht erwähnen:


    Wir Jungen hatten in unerfreulichen Turnhallen das Geräteturnen zu üben, das aus der Zeit des Vaters Jahn und der Jugendertüchtigung zum Kriege gegen Napoleon übergekommen war. Wir taten es allenfalls in Hemdsärmeln, aber, unglaublicherweise, mit steifem Kragen und womöglich mit gestärkter Hemdbrust unter der Aufsicht eines Turnlehrers mit rotem Bart, einem Zwicker und versoffener Kommandostimme.
    - aus "Über mich" von Thomas Mann.


    in 'Königliche Hoheit' nennt Thomas Mann steife Hemdkragen eine 'Schweinerei'. Der Begriff kommt auch später nochmals vor.


    Ich bin im Kapitel: Hoher Beruf.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "Thomas"

    Seit 2001 erscheint die "Große kommentierte Frankfurter Ausgabe" (bis 2015) in insgesamt 58 Bänden, bei der innerhalb der 20-bändigen Werkausgabe jedem Band ein eigener Kommentarband beigefügt ist.
    Allerdings eine extrem kostenintensive Anschaffung, so bedingen die zwei Bände der "Königlichen Hoheit" eine Gegenwert von 82 Euro. :rollen:
    In den nächsten Monaten (August - Dezember) werde ich mir alle mir noch fehlenden Romane und Erzählungen käuflich aneignen, ganz ohne Werkausgabe, welche ich mir als armer Zivi schlicht nicht leisten kann. :zwinker:


    Liebe Grüße


    Es gibt beim Fischer-Verlag die Romane von Thomas Mann auch gebunden mit einem blauen Umschlag. Kann ich nur empfehlen: Kosten nur 20 Euro, Qualität ist sehr gut, fadengeheftet und Lesebändchen. Allerdings kein Leineneinband.

  • Zitat von "CS"

    Es gibt beim Fischer-Verlag die Romane von Thomas Mann auch gebunden mit einem blauen Umschlag. Kann ich nur empfehlen: Kosten nur 20 Euro, Qualität ist sehr gut, fadengeheftet und Lesebändchen. Allerdings kein Leineneinband.


    Hallo,


    Die von dir angesprochene Ausgabe besitze ich u.a. von der "Königlichen Hoheit". (Doppelband mit dem "Erwählten").
    Bei derart langen Romanen würde ich niemals, nur um einige Euro zu sparen, ein Taschenbuch präferieren...


    Grüße

  • Zitat von "JMaria"


    Ich bin im Kapitel: Hoher Beruf.


    Hallo Maria,


    Oje, da muss ich leicht zurückstecken. Ich bin auf Seite 111 (Immer noch Kapitel "Doktor Überbein").
    Dieses recht schnelle Lesetempo hat mich etwas auf dem falschen Fuß erwischt. :zwinker:
    Wenn ihr alle so schnell lest kann ich ja eigentlich in der kommenden Woche auf meinem Zivildienst-Lehrgang das Buch beenden, kommendes Wochenende dann mein Fazit darlegen.


    Das Buch "Über mich selbst" habe ich mir letzte Woche zulegt; gelesen habe ich bisher nur die Abschnitte "Über meine Arbeitsweise" und "Über den Alkohol".


    Liebe Grüße

  • Hallo Thomas
    Hallo zusammen


    Zitat von "Thomas"


    Oje, da muss ich leicht zurückstecken. Ich bin auf Seite 111 (Immer noch Kapitel "Doktor Überbein").
    Dieses recht schnelle Lesetempo hat mich etwas auf dem falschen Fuß erwischt. :zwinker:


    kein Problem. Ich dachte ihr wäret übereingekommen jeden Tag ca. 20 Seiten zu lesen und weil ich am Sonntag vermutlich nicht zum Lesen komme, habe ich schon etwas weitergelesen.


    Zitat

    Das Buch "Über mich selbst" habe ich mir letzte Woche zulegt; gelesen habe ich bisher nur die Abschnitte "Über meine Arbeitsweise" und "Über den Alkohol".


    ich lese der Reihe nach und bin auch noch ziemlich am Anfang (On myself). Interessant finde ich, dass T.M. seine Zeit umreißt. Ich mußte Schmunzeln als ich über die Entstehung der Bügelfalte in den Hosen las. Tolstoi hat es in "Auferstehung" verwendet *g*


    Was beachtenswert ist, auch für das Buch 'Königliche Hoheit' ist seine Ansicht zu Bürgerlichkeit und einer geistigen Lebensform:


    ...Wir reden von einer geistigen Lebensform, meine geehrten Zuhörer, und das bedeutet, daß wir, indem wir "Bürgerlichkeit" sagen, nichts Klasseninteressenmäßiges, nichts Antisozialistisches etwa im Sinne haben. Der Geist ist etwas Reines, und wer eine Lebensform im Geistigen hält, der hält sie rein, der schützt sie vor jeder Entartung und Verhärtung, die sie in der Wirklichkeit erleiden mag.... S. 48 (Über mich selbst)


    die Lakaien und die Menschen um Klaus Heinrich sagen zu ihm "Du Reiner, du Feiner". Ob hier ein Zusammenhang besteht?


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Steffi,
    wenn du dich für das Thomas-Mann-Handbuch interessierst, kannst du es antiquarisch bei booklooker bekommen (25 Euro + Porto).


    Gruß
    Erika :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Hallo zusammen !


    Thomas: die Große kommentierte Frankfurter Ausgabe - das wäre was :smile: leider müsste ich dann wohl auf Jahre hinaus auf weitere Buchanschaffungen verzichten ... Nein, ich schaue immer mal wider antiquarisch, aber unter 200,-- Euro hab ich auch noch nichts gefunden.


    Danke für eure biografischen Hinweise !! Alleine hätte ich das nie so gesehen, obwohl schon deutlich wird, dass es nicht um Politik oder Sozialkritik geht.


    Ich habe nun das Kapitel Albrecht II beendet. Aber morgen darüber mehr.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    An dieser Stelle melde ich mich noch einmal für die kommenden fünf Tage ab; Voraussichtlich werde ich erst wieder ab kommenden Samstag etwas zur Leserunde beitragen können. In den dazwischen liegenden fünf Tagen gedenke ist etwa bis Seite 250 zu lesen.


    Liebe Grüße

  • Hallo !


    Maria schrieb:

    Zitat

    Als ich das Kapitel Albrecht II las, kam mir der Gedanke auf, dass die Aristokratie auf wankenden Füßen steht, denn Albrecht ist alles andere als ein Monarch. Er möchte auch gar keiner sein.


    Wie empfindet ihr, wenn ihr über Albrecht lest?


    Für mich ist die Figur des Albrecht schwer zu fassen. Schon die ganze Zeit grüble ich über seine Position nach. Er ist tatsächlich verweichlicht, kränklich und unbeliebt. Obwohl er sich bewußt ist, nur Handlanger der Minister zu sein, übergibt er alle Staatsgeschäfte lieber seinem Bruder, der auch wenig geeignet dafür erscheint. Ich würde Albrecht am liebsten packen und schütteln ...


    Am ehesten hat doch die Schwester die ganze Sache im Griff, aber die konnte ja auch ohne Rücksicht auf ihren Stand heiraten. Hemmt also die Pflicht oder der Rang die Persönlichkeit ? Oder waren für Thomas Mann die Frauen/seine Katia einfach die praktischeren und tüchtigeren ?


    Erst im Albrecht-Kapitel erfahren wir näheres über die Personen, ihren Charakter und auch der Hinweis auf den reichen Amerikaner läßt schon Schlüsse zu, wie das Ganze weitergehen könnte. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, benutzt Thomas Mann auch hier zum ersten Mal länger die wörtliche Rede.


    LG von Steffi

  • Hallo zusammen


    Ich habe nun auch die Kapitel über Albrecht und den hohen Beruf gelesen und dadurch daß sie direkt aneinander anschließen wird der Kontrast zwischen den beiden Brüdern sehr deutlich. Albrecht ist kein Monarch, möchte auch keiner sein, ist beim volk unbeliebt und weiß das auch. Bezeichnenderweise trägt er Zivilkleidung, während Klaus Heinrich stehts eine Uniform trägt. Dieses Apathische und Gelangweilte Albrechts hat sich beim Lesen auch auf mich übertragen und ich fand das Kapitel etwas quälend zu lesen. Erst durch den Auftritt von Fräulein von Isenschnibbe (toller Name) wurde es etwas lebendiger.
    Welcher Gegensatz dazu das Kapitel über Klaus Heinrich. Eine Lichtgestalt in einer Welt voller Leben und Freude:
    "Wohin er kam, da war Feier- und Ehrentag, da verherrlichte das Volk sich selber im Feste, da verklärte sich das graue Leben und ward Poesie."
    Am besten gefallen hat mir aber der Schluß des Kapitels, das Gespräch zwischen Klaus Heinrich und dem Dichter Martini. Unzweifelhaft läßt uns Thomas Mann darin in seine Dichterseele blicken. Auch der Tagesablauf Thomas Manns war fast minutiös festgelegt und es würde mich nicht wundern, wenn auch im Hause Mann um zehn Uhr Bettruhe geherrscht hätte. Herrlich fand ich, mit welcher Selbstironie er uns die "Qualen" des Dichterlebens schildert:
    "Aber es ist im ganzen kein sehr herrliches Leben... Wer glaubt wohl, wieviel Faulenzerei und grämlicher Müßiggang dazu nötig ist. [...] Man schläft viel, man lungert mit dumpfem Kopfe umher. Ja, es ist nicht selten ein Hundeleben..." Der Ärmste! :breitgrins:


    Danke übrigens für eure Zitate zu Thomas Manns Leben. Sie helfen sehr zur Einordnung des Romans. Dieses Thomas-Mann-Handbuch steht schon lange auf meinem Wunschzettel und bisher hat mich der Preis immer abgeschreckt. Aber jetzt habt ihr mir den Mund so wäßrig gemacht, daß ich wohl demnächst doch schwach werden könnte. :smile:


    Ich komme nun zum Kapitel "Imma".


    Viele Grüße
    ikarus

    &quot;Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand&quot; (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo ikarus !


    Zitat

    Dieses Thomas-Mann- Handbuch steht schon lange auf meinem Wunschzettel und bisher hat mich der Preis immer abgeschreckt. Aber jetzt habt ihr mir den Mund so wäßrig gemacht, daß ich wohl demnächst doch schwach werden könnte.


    Ich konnte ja gestern das Handbuch in der Bücherei ansehen und da ja wohl einige Thomas-Mann-Kenner daran mitgewirkt haben, ist es auch sehr differenziert. Ich war wirklich schwer begeistert ! Es gibt auch so Kapitel wie "Thomas Mann und Goethe" usw., also nicht nur Interpretationshilfen. Ich habe mich dann gefragt, ob ich mich auf Thomas Mann so tief einlassen will.


    Aber du bist da ja schon weiter eingedrungen als ich und ich kann dir versichern, dass es seinen Preis absolut wert ist ! Leider ist das antiqarische Angebot schon weg (wer von euch war das?), aber ich werde es mit sicher in nächster Zeit zulegen !


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"


    Leider ist das antiqarische Angebot schon weg (wer von euch war das?), aber ich werde es mit sicher in nächster Zeit zulegen !


    ich wars nicht :smile:


    Hallo zusammen,


    ich bin im Kapitel "Imma", so gegen Ende und das bisher längste Kapitel.
    Imma als die Abwandlung von Emma gefällt mir sehr gut. Erinnert mich an Jane Austen, ob Thomas Mann Jane Austen gelesen hat?


    Imma ist eine resolute junge Frau und ziemlich kurz angebunden, aber genau beobachtend. In Imma steckt ja einiges von Katja Mann und da Thomas Mann von sich selbst schreibt, dass er u.a. melancholisch (wie auch der Prinz) ist, kann ich verstehen, dass er von einer Frau wie Katja (Imma) sich angezogen fühlt.


    störend fand ich die wiederholten Beschreibungen von Imma, dass sie kindlich aussah (die Gestalt, der Arm, die Schultern....)


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)