Die Novelle

  • Hallo zusammen,


    Da wir schon einen Thread über die „short story“ hatten, möchte ich heute einen Thread über eine andere Kurzform der epischen Literatur eröffnen: Die Novelle


    Spezieller Anlass dazu ist das folgende Zitat von Ivy (Evelyne Marti) in einem anderen Thread:

    Zitat

    Gerade die Definition der Novelle veranschaulicht die Sonderrolle im deutschen Raum. In anderen Sprachräumen gibt es nämlich kein entsprechendes Pendant, höchstens die südamerikanische novela oder der englische Ausdruck novel für den Roman, also nicht vergleichbar


    An diesem Zitat ist m.M.n. richtig, dass die Spanisch sprechenden Südamerikaner natürlich für Novelle das spanische Wort für Novelle nämlich novela verwenden und dass das englische Wort novel dem deutschen Wort Roman entspricht. Daraus zu schließen, dass es in anderen Sprachen kein Pendant für das deutsche Wort Novelle gibt ist m.M.n. aber falsch.


    Dem deutschen Wort Novelle entspricht m.M.n. im Englischen das Wort „novella“
    im französischen das Wort „nouvelle“
    im spanischen das Wort „novela“ und
    im italienischen das Wort „novella“


    In diesen Ländern gibt es natürlich nicht nur ein Wort für Novelle sondern auch entsprechende Novellenliteratur. Ich brauch nur mal meine Bücherregale anzuschauen, dann kann ich von hier aus mit bloßem Auge folgendes erkennen:


    Stendhal: „Meisternovellen“
    Luigi Priandello: „Novellen für ein Jahr“
    Peter Ustinov: „Der Intrigant (Zwei Novellen)
    Emile Zola: „Gesammelte Novellen“ vom Hanser Verlag in München
    Giovanni Verga: „Meisternovellen“ von Manesse Weltliteratur
    Anton Tschechow „Meisternovellen“ von Manesse Weltliteratur
    Cervantes „Novelas exemplares“


    Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Verlage Bücher mit Novellen dieser französischen, italienischen, englischen und russischen Autoren herausbringen, obwohl es in diesen Ländern überhaupt keine Novellen gibt. :grmpf:


    Novellen hat man m.M.n. in Italien, Frankreich, Spanien und England viel früher als in Deutschland oder Russland geschrieben, wobei diese zwei Länder inzwischen nachgezogen haben. Obwohl Boccaccio natürlich auch Vorbilder hatte, so geht die Novelle doch eigentlich auf sein „Il Decameron“ zurück und auch die Falkentheorie, eines der Definitionskriterien in der deutschen Novellentheorie geht auf eine Novelle aus dieser italienischen Novellensammlung von 1350 zurück. In Frankreich erscheint die Gattungsbenennung „nouvelle“ zuerst in der um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstandenen Sammlung „Cent Nouvelles Nouvelles“ und etabliert sich von diesem Augenblich an fest. In England werden um 1478 die Canterbury-Erzählungen von Geoffrey Chaucer gedruckt, die in Anlehnung an Boccaccios Decameron in eine Rahmenhandlung eingefügt sind. In Madrid erscheinen 1613 Cervantes’ „Novelas exemplares“, die einen Gegenentwurf zu Boccaccios Decameron darstellen.


    Frage: Wer hätte mal Lust (wahrscheinlich nicht mehr in diesem Jahr) über Boccaccio und seine Wirkung auf die europäische Novellenliteratur zu diskutieren?


    Natürlich könnte man auch verschiedene Novellen einer Sprache miteinander vergleichen. Also z.B. „Die französische Novelle von der Renaissance bis zur Neuzeit“
    Folgende franz. Novellen die besprochen werden könnten fallen mir spontan ein:
    - L`Heptaméron von Marguerite de Navarre
    - Les deux Maitresses von Alfred de Musset
    - Une nuit de cléopatre von Theophile Gautier
    - Un Episode sous la Terreur von Balzac
    - Carmen von Prosper Merimee
    - Un Cœur simple von Flaubert
    - L’Inondation von Zola
    - La Parure von Maupassant
    - Le Banc von Giraudoux
    - L’Hote von Albert Camus


    Wer hätte Interesse?


    Oder „Die russische Novelle von Puschkin bis Solshenizyn“ mit
    - Pique-Dame von Alexander Puschkin
    - Der Mantel von Gogol
    - Erste Liebe von Turgenjew
    - Die Sanfte von Dostojewskij
    - Polikuschka von Tolstoi
    - Lady Macbeth von Leskow
    - Die Dame mit dem Hündchen von Tschechow
    - Der Herr aus San Francisco von Iwan Bunin
    - Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch von Solshenizyn


    Oder bekannte deutschsprachige Novellenschreiber:
    Kleist, Fouqué, Hoffmann, Eichendorff, Hauff, Mörike, Stifter, Keller, Storm, Hauptmann, Schnitzler, H. Mann, T. Mann, Dürrenmatt, Grass, Walser


    Kennt ihr die schon alle oder zum Teil, oder andere Novellen?
    Lest ihr überhaupt ab und zu Novellen?


    Gruß von Hubert


    sandhofer
    PS: Übrigens ist "Der Schimmelreiter" von Storm eine Novelle. Dass er ein Kinderbuch ist wäre mir auch neu. Aber hier wird ja zur Zeit alles neu definiert :grmpf:

  • Hi Hubert


    Natürlich gibt es nicht nur im deutschen Raum Novellen, hab ich nie behauptet. Nein, ich spreche ausschliesslich von der Novellen-THEORIE, d.h. die Art und Weise der Definitionsdiskussion um die Poetik der Novelle. In anderen Ländern hat man mit dem Novellenbegriff keine derartige Novellendiskussion hervorgebracht. Übrigens gilt das auch für die Klassikerdiskussion. :rollen:


    Ich hab auch nie behauptet, der Schimmelreiter sei eine Kinder- oder Jugenderzählung, sondern nur, dass nach dem Leseverhalten der letzten Jahre der Schimmelreiter zur Jugend abgewandert ist, weil' s fast nur noch in der Schule gelesen wird, was leider nicht nur für den Schimmelreiter zutrifft. :cry:


    Nun gut, mit jedem neuen klassikerforum-Teilnehmer wird sich die Klassikerdefinition etwas verändern, da wieder eine neue Perspektive dazutritt. Ich find es schon mal gut, wenn die literaturschock-Leser sich mehr in die klassikerforums-Ecke wagen. :breitgrins:


    Bye, Ivy

  • Zitat von "Evelyne Marti"

    Hi Hubert
    Natürlich gibt es nicht nur im deutschen Raum Novellen, hab ich nie behauptet. Nein, ich spreche ausschliesslich von der Novellen-THEORIE, d.h. die Art und Weise der Definitionsdiskussion um die Poetik der Novelle. In anderen Ländern hat man mit dem Novellenbegriff keine derartige Novellendiskussion hervorgebracht. Übrigens gilt das auch für die Klassikerdiskussion. :rollen:


    Gut, dass in einem Internet-Forum alles schriftlich fixiert ist. Dein Zitat lautete wie folgt:

    Zitat


    der Novelle veranschaulicht die Sonderrolle im deutschen Raum. In anderen Sprachräumen gibt es nämlich kein entsprechendes Pendant, höchstens die südamerikanische novela oder der englische Ausdruck novel für den Roman, also nicht vergleichbar


    Da kommt das Wort Novellen-THEORIE nicht vor, sondern da steht eindeutig, die m.M.n. falsche Behauptung, dass die Novelle im deutschen Raum eine Sonderrolle spielt und ihr in anderen Sprachräumen kein Pendant entspricht! Deutlicher geht’s nicht.


    Aber auch was Du jetzt vorbringst ist absolut falsch. Selbstverständlich gibt es eine Novellentheorie nicht nur in Deutschland, sondern wo’s Novellen gibt, gibt’s auch Novellentheorien. Zur Theorie der französischen Novelle (Nouvelle) empfehle ich Dir zunächst mal die folgenden Arbeiten von Söderhjelm (1910), Kasprzyk (1963), Dubuis (1973). Pérouse (1977), Deloffre (1968) und Castex (1951).


    Bei der Klassikerdiskussion verhält es sich so: Wie Sandhofer schon an anderer Stelle ausgeführt hat, gibt es in anderen Ländern keine offizielle Literaturepoche „Klassik“, deshalb kann es dort eigentlich auch keine offiziellen Klassiker i.e.S. geben. Natürlich kann man aber unabhängig von einer Literaturepoche „Klassik“ in jedem Sprachraum den Höhepunkt der jeweiligen Literatur definieren und hat somit die klassische Periode dieser Literatursprache, die dann natürlich zeitlich nichts mit der deutschen „Klassik“ zu tun hat. Unabhängig davon ob man das tun will oder nicht, ist die Definition des deutschen Begriffs „Klassiker“ festgelegt, aber dazu nochmals an anderer Stelle.


    Zitat

    Ich hab auch nie behauptet, der Schimmelreiter sei eine Kinder- oder Jugenderzählung, sondern nur, dass nach dem Leseverhalten der letzten Jahre der Schimmelreiter zur Jugend abgewandert ist, weil' s fast nur noch in der Schule gelesen wird, was leider nicht nur für den Schimmelreiter zutrifft.


    Auch hier ist Dein Zitat erhalten:

    Zitat

    auch wenn viele sogenannte Jugendbuch-Klassiker eigentlich für Erwachsene geschrieben wurden, haben diese sich mit der Zeit zu Jugendbuchklassikern entwickelt, z. B. Der Schimmelreiter


    Entgegen Deiner Meinung ist der „Schimmelreiter“ weder ein Jugenbuch noch hat er sich zu einem solchen entwickelt. Dass er in der Schule gelesen wird macht ja aus dem Buch kein Jugendbuch. Dann wären ja der „Faust“, der „Nathan“, „Das Parfüm“ auch Jugendbücher.


    Zitat

    Nun gut, mit jedem neuen klassikerforum-Teilnehmer wird sich die Klassikerdefinition etwas verändern, da wieder eine neue Perspektive dazutritt.


    Die Klassikerdefinition wird sich weder durch neue Mitglieder im Klassikerforum, noch durch Dich, noch durch die von Dir erwähnten „Literaturszenen“ verändern, sondern ausschließlich dann, wenn sich die Redaktionen der deutschen Wörterbücher zu einer Änderung entschließen..

  • Hallo Hubert,

    Zitat von "Hubert"

    Die Klassikerdefinition wird sich weder durch neue Mitglieder im Klassikerforum, noch durch Dich, noch durch die von Dir erwähnten „Literaturszenen“ verändern, sondern ausschließlich dann, wenn sich die Redaktionen der deutschen Wörterbücher zu einer Änderung entschließen..


    Naja, zumindest verändert sich jedesmal das ein wenig, was die Mitglieder dieses Forums darunter verstehen, denn obwohl wir inzwischen eine recht fundierte Basis haben auf der wir "Klassiker" diskutieren, müssen wir davon ausgehen, daß nicht jedes Mitglied deshalb seine eigene Vorstellung davon, was ein Klassiker ist, aufgibt. So kenne ich inzwischen die offizielle Definition und operiere hier im Forum auch damit, aber ansonsten hantiere ich mit diesem Begriff doch auch schon mal etwas 'freizügiger'. D.h., die generelle Definition ändert sich wohl nicht, aber die individuellen Vorstellungen beeinflussen schon in gewisser Weise den Tenor.


    Allgemein kann ich Dir aber eigentlich nur beipflichten. Es gibt auch außerhalb des deutschen Sprachraums eine Novellentradition und auch wenn ich mich bisher nicht damit befaßt habe, müßte es eigentlich mit dem Teufel zugehen, wenn sich dazu nicht auch Theorien entwickelt hätten. Es würde jedenfalls kein gutes Licht auf die Literaturwissenschaftler der einzelnen Länder werfen, wenn es so wäre.


    An einer Diskussion über russische Novellen wäre ich übrigens sehr interessiert, auch wenn das wohl ein echtes Großprojekt werden dürfte, daß wir irgendwann mal nach Deinem Bibelprojekt angehen könnten. Werde mich in den kommenden Wochen mal ein bißchen näher mit diesem Thema befassen. Vielleicht kann ich dann schonmal Hintergrundinfos, Internetseiten zum Thema und eine kleine Vorauswahl an Literatur zusammenstellen.


    Ansonsten finde ich es gut, daß Du Dir die Mühe machst, einige Dinge mal ein bißchen stärker zu durchleuchten und transparenter zu machen! Es bleibt die Gefahr, daß unklare Definitionen oder auch einfach falsche Aussagen sonst haften bleiben und sich verfestigen! Für diese Hartnäckigkeit erst einmal meinen Dank! Vielleicht hier und da ein bißchen weniger Biss, nicht daß wir noch Leute vergraulen :zwinker:


    Gruß
    Berch

  • Hallo zusammen!



    Goethe definierte die Novelle als "eine sich ereignete, unerhörte Begebenheit" ...


    Zum Gebrauch des Wortes 'novela' im Spanischen (und Portugiesischen) wäre zu ergänzen, dass dieses Wort jede Art von literarischer Fiktion in Prosa bezeichnet (ja, die Südamerikaner bezeichnen ihre TV-Soaps als 'Telenovela').


    Zu Deiner letzten Frage, Hubert: Natürlich lese ich Novellen. Ich kenne zwar nicht alle (oder habe einige wieder vergessen), die Du aufführst. Vor allem hast Du mir schmerzlich in Erinnerung gerufen, dass ich die Marguerite von Navarra schon lange lesen wollte ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Halihallo zusammen!


    Mich vergrault man nicht so leicht! :zwinker:


    Aber eines ist mir klar geworden: Durch meinen minimalistischen Beitragsstil kommt es immer wieder zu ungenauen, missverständlichen Formulierungen. Sorry, bei mir bitte auf den Zusammenhang achten!


    Natürlich ist mir bewusst, dass andere Sprachräume ebenso wie wir ihre Novellen und Novellentheorien aufweisen, doch die Novellentheorie-DISKUSSION soll nirgends so hart und streng sein wie bei uns, laut vielfältiger Sekundärliteratur, welche ich dazu konsultiert habe. Falls diese Info falsch sein sollte, dann haben jene Literaturwissenschaftler allesamt gelogen. Hiermit übernehme ich keinerlei Haftung! :breitgrins:


    Auch das mit dem Schimmelreiter ist nicht auf meinem Mist gewachsen, hab ich immer wieder in der Sekundärliteratur gelesen. Der Schimmelreiter ist AUCH zum Jugendklassiker geworden, nicht nur. Ich spreche stets von Schnittmengen, worauf ich schon hinwies. Und natürlich kommt es letztendlich darauf an, wie was interpretiert und definiert wird, deshalb die unterschiedlichen Schlussfolgerungen.


    Ich halte mich an die gängigen literaturwissenschaftlichen PHÄNOMENOLOGISCHEN Definitionen IM WEITEN SINNE, da ein konservatives Klassikerideal für mich keinen Sinn macht. Ich muss mich schliesslich auch an die neue deutsche Rechtschreibung anpassen, obwohl ich mit der alten sehr wohl zufrieden war.


    Dass es nicht nur EINE gültige Klassikerdefinition gibt, zeigt die vielfältige literaturwissenschaftliche Sekundärliteratur zu genüge.
    Kein Wunder in einem Land, wo es bereits verschiedene Rechtschreibreformstandarts gibt. Wenn das nicht typisch deutsch ist! :rollen:


    Bye, Ivy

  • Hi Ivy,


    warum mußt Du der neuen Rechtschreibung folgen? Ich weigere mich, und das stört an der Uni niemanden. Im Gegenteil, ich bin nicht die einzige. :smile: Schließlich hat sogar die FAZ die Reform zurückgenommen, nachdem sich so viele Leser beschwert haben.



    Im angelsächsischen Raum (in dem ich mich auskenne, da ich auf Englisch schreibe) werden Texte nur nach ihrer Länge definiert. Der gebräuchlichtste Standard ist:


    Short story - 500 - 7.500 Wörter
    Novelette - bis 25.000
    Novella - bis 40.000
    Novel - ab 40.000 (bei manchen Verlagen auch ab 50.000)


    Mit der Konzentration auf ein Ereingis, wie in Goethes Definition, hat das nichts zu tun.


    Diese Definition trifft schon auf den "Schimmelreiter" nicht mehr zu.

  • Hi Alamir


    Na, ich bin auch noch Lektorin, da sollte man sicherheitshalber schon auf dem neuesten Stand sein, aber natürlich wär ich überglücklich, wenn sich die Rechtschreibreformen wieder verkrümeln würden. :breitgrins:
    Aber ich glaube nicht daran.


    Der Schimmelreiter ist m.E. schon eine Novelle, von der Länge her allerdings bereits eine Erzählung. Und wie Du aus meinen vorigen Beiträgen entnehmen kannst, bin ich nicht gerade orthodox, was die Definition der Novelle betrifft. :roll:


    Allerdings finde ich eine völlige Entleerung der Begriffe auch nicht gerade aufschlussreich, obwohl eigentlich alle Erzählstrukturen auf eine gewisse Weise novellistisch sind, nur nicht so auffällig wie z.B. im Kohlhaas, für mich das Paradebeispiel einer perfekt geschliffenen Novelle.


    Aber manchmal sind mir diese Begriffstreitereien auch zu viel, dann wäre ich tatsächlich für ne Abschaffung solcher Begriffe. Viele alte Klassiker wurden übrigens von ihren Autoren Erzählungen genannt, weil auch sie diese einengenden Gattungsdefinitionen scheuten, für mich absolut verständlich, denn gerade Autoren brauchen Freiraum und bewegen sich nun mal in der lebendigen Sprache und empfinden die Literatur als Entwicklung und nicht als Dogma.


    Ich favorisiere die phänomenologische Novellendefinition, wo alle Definitionen als Teil eines Spektrums zur Geltung kommen. Auf diese Weise ist der Novellenbegriff nicht eingefroren, sondern lebendig, ohne jedoch die Substanz völlig zu verlieren. Dann sind auch Neuerungen in der Novellenliteratur möglich, ohne dass diese gleich als Erzählungen ausgeschlossen werden, obwohl sie eindeutig das Wesen einer Novelle keimhaft und lebendig in sich tragen.


    Bye, Ivy

  • Hi Ivy,


    die angelsächsischen Verlage interessieren sich primär für die Anzahl der Wörter, das habe ich inzwischen gelernt. Es mag früher anders gewesen sein, und es mag im Bereich der mainstream und contemporary fiction auch heute noch anders sein, aber wenn mein "The Night of Eger" unter 40.000 bleibt, dann ist das eine novella (ich schreibe historische Fiktion), obwohl es von der Struktur her eher ein Roman ist. Mag sein, daß ein Verlag mich bitten würde, noch soviel hinzuzufügen daß es als novel durchgeht, weil die sich leichter publizieren lassen. Was ich dann sehr ungern täte, weil mein Werke durchstrukturiert sind und mehr als kleine Änderungen nicht gut vertragen. Außerdem habe ich einen ziemlich minimalistischen Stil.


    Naja, erst einmal muß ich das gute Stück überhaupt fertigkriegen und bei einem Verlag oder Agenten einreichen. :zwinker:


    Meine beiden anderen Projekte sind jedenfalls ausgewachsene Romane und auch nocht nicht fertig. :breitgrins: (Was mich nicht weiter stört; die meisten die ich kenne, haben an ihrem ersten Roman Jahre geschrieben, und ich schreibe mit einem Anspruch auf Professionalität erst seit ca 15 Monaten; voher habe ich ein Jahr bloß ein bischen "rumgeschrieben". :smile: )


    Grüße

  • Zitat von "Berch"

    An einer Diskussion über russische Novellen wäre ich übrigens sehr interessiert, auch wenn das wohl ein echtes Großprojekt werden dürfte, daß wir irgendwann mal nach Deinem Bibelprojekt angehen könnten. Werde mich in den kommenden Wochen mal ein bißchen näher mit diesem Thema befassen. Vielleicht kann ich dann schonmal Hintergrundinfos, Internetseiten zum Thema und eine kleine Vorauswahl an Literatur zusammenstellen.


    Hallo Berch,


    schön, wenn ich Dich für ein Novellenprojekt interessieren konnte. Wenn Du Infos gefunden oder eine Vorauswahl getroffen hast, kannst Du gerne auch gleich einen Lesevorschlag dazu anlegen. Ich bin überzeugt, dass es noch mehr Mitglieder gibt, die sich für ein solches Projekt interessieren.


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "sandhofer"

    Zum Gebrauch des Wortes 'novela' im Spanischen (und Portugiesischen) wäre zu ergänzen, dass dieses Wort jede Art von literarischer Fiktion in Prosa bezeichnet (ja, die Südamerikaner bezeichnen ihre TV-Soaps als 'Telenovela').


    Hallo Sandhofer,


    danke, für die Ergänzung. Du stimmst mir aber doch zu, dass es zwischen Cervantes „Il ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha“ und seinen „Novelas exemplares“ einen Unterschied in der Form gibt und ersteres eher ein Roman, letzteres eine Sammlung von zwölf Novellen ist?


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Dostoevskij"

    In einem Thread über Novellen und angesichts deiner Frage muß ich natürlich auf einen Novellenmeister unserer Tage aufmerksam machen, der immer wieder hoch gelobt wird als einer, der die Novelle in Deutschland am Leben erhält und ihr in der deutschen Gegenwartsliteratur einen festen Platz geschaffen hat. Ich spreche von Hartmut Lange.


    Novellen lese ich immer wieder, was mir als Liebhaber russischer Literatur nicht schwer fällt. Gerade mein letztes Büchlein war eine Novelle, allerdings vom Italiener <a href="http://www.wikiservice.at/buecherlei/wiki.cgi?ItaloSvevo">Italo Svevo</a>: <a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3803111757/">Der alte Herr und das schöne Mädchen</a>.


    Hallo Markus,


    danke für Deine Ergänzungen. Wie konnte ich nur Hartmut Lange vergessen? Na ja, dafür jetzt noch einen Link zu seinen wichtigsten Daten, für alle die ihn noch nicht kennen.
    http://www.schillerstiftung.de/lange.htm


    Übrigens gibt es eine Verbindung von Lange zu Svevo. Lange hat eine Novelle mit dem Titel:“Die Reise nach Triest“ geschrieben und Svevo hat in Triest lange Zeit Joyce unterstützt (also finanziell über Wasser gehalten)


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Evelyne Marti"

    Auch das mit dem Schimmelreiter ist nicht auf meinem Mist gewachsen, hab ich immer wieder in der Sekundärliteratur gelesen. Der Schimmelreiter ist AUCH zum Jugendklassiker geworden, nicht nur. Bye, Ivy


    Hallo Ivy,


    das ist ja interessant. Kannst Du mal die Sekundärliteratur benennen, die den „Schimmelreiter“ neuerdings als Jugendklassiker definiert? Ich lerne gerne dazu.


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Dostoevskij"

    Wenn mir der Einwurf gestattet ist: Ich fände es begrüßenswert, wenn in jedem Buch nicht nur die Seitenzahl, sondern die Wortanzahl angegeben würde


    :klatschen:


    Bluebell *verkrümelt sich in diesem Thread wieder ins Lurkertum*

    &quot;Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve.&quot;

  • Zitat von "Alamir"

    Im angelsächsischen Raum (in dem ich mich auskenne, da ich auf Englisch schreibe) werden Texte nur nach ihrer Länge definiert. Der gebräuchlichtste Standard ist:


    Short story - 500 - 7.500 Wörter
    Novelette - bis 25.000
    Novella - bis 40.000
    Novel - ab 40.000 (bei manchen Verlagen auch ab 50.000)


    Hallo Alamir,


    danke, für diese Ergänzung. M.M.n. sind das aber verlagsinterne Definitionen (lasse mich da aber gerne belehren), die zum Einen von Verlag zu Verlag unterschiedlich gehandhabt werden, zum anderen aber nicht ausschließen, dass sich Literaturwissenschaftler doch z.B. Gedanken darüber machen, was den nun das Wesen einer „short story“ ist.


    Wieviele Wörter hätte Deiner Meinung nach eine Erzählung die einfach als Story bezeichnet wird?


    Ich habe zufällig hier in meinem Schreibtisch zwei Penguin-Taschenbücher:
    - Fitzgerald: „The diamond as big as the Ritz, and other stories“
    - -Joyce: “Dubliners”


    Während also Fitzgeralds “Erzählungen” als stories bezeichnet werden, nennt „Penguin Books“ die „Dubliners“ ausdrücklich „short story collection“. Ich persönlich würde jetzt „stories“ mit „Erzählungen“, „short stories“ mit „Kurzgeschichten“ übersetzen (aber wie schon mehrfach erwähnt, Englisch ist nicht meine Stärke). Übrigens sind die jeweils längsten Geschichten („May Day“ bei Fitzgerald und „The Dead“ bei Joyce) mit 57 Seiten exakt gleich lang und ohne dass ich jetzt die Wörter ausgezählt hätte, schätze ich sie (rechnen kann ich ja, auch hochrechnen), auf jeweils zwischen 15.000 und 17.000 Wörtern, müssten also nach Deiner Tabelle als Novelette bezeichnet werden. Kann es sein, das „Penguin Books“ Deine Tabelle ignoriert?


    Übrigens gibt es auch in Deutschland Tendenzen diese Literaturgattungen nach der Länge abzugrenzen. Z.B. ist lt. MRR jede epische Dichtung über 200 Seiten ein Roman, darunter nicht. Ich überlasse es eigentlich lieber den Autoren wie sie ihr Werk sehen und wenn Koeppen sein „Treibhaus“ mit 190 Seiten als Roman bezeichnet, dann ist das für mich ein Roman und wenn Theodor Storm seinen „Schimmelreiter“ als Novelle sehen will, dann ist das für mich eine Novelle.


    Im übrigen interessiert mich, wie schon mehrfach in diesem Forum kundgetan, die Einteilung von Literatur in Gattungen oder Themen nicht besonders. Das einzige was mich stört und dagegen werde ich auch in Zukunft ankämpfen, - wenn lebende Autoren als Klassiker bezeichnet werden.


    Gruß von Hubert.

  • Hallo Hubert,


    sicher gibt es auch im angelsächsischen Raum Diskussionen über Gattungen und Formen, und ich will auch nicht ausschließen, daß Verlage, die mainstream drucken, andere Maßstäbe ansetzen als genre fiction Verlage, und es dem Autor überlassen, wie er sein Baby nun nennen will - vorausgestzt, daß paßt irgendwie in das Vermarktungsprogramm (ich wette, mit einer 5000 Wort Erzählung unter dem Begriff "Roman" kommt man nirgends durch, das wäre denn doch zu verwirrend :smile: ).


    Es kann sein, daß das in Deutschland inzwischen auch der Fall ist, ich kenne den Markt zu weing, und wenn ich ein Buch kaufe, ist das letzte worauf ich achte eine Gattungszugehörigkeit. :zwinker:


    Übrigens hat Storm, wenn ich recht informiert bin, alle seine fiktionalen Prosawerke als Novellen bezeichnet, während Fontane alle seine entsprechenden Werke Romane nennt, obwohl einige von der Länge her eher Novellen (zumindest im Storm'schen Sinne) sind. Inhaltlich läßt sich Fontanes Entscheidung eher begründen als Storms, denn dieser hat mehr als eine Novelle geschrieben, die über Jahre und Generationen hinweg spielt, also nicht nur ein Ereignis erzählt.


    Da hat sich seit Goethes Idealdefinition und Beispielnovelle doch einiges geändert. :zwinker:


    Und dann gibt es ja noch die hübsche Wortschöpfung des Kurzromans. :grmpf:


    Vielleicht ist dieses Tohuwabohu der Grund, daß manche Verlage sich an meßbaren Dingen wie Wörtern oder Seitenzahlen orientieren.


    Gruß

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Hubert"

    Du stimmst mir aber doch zu, dass es zwischen Cervantes ?Il ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha? und seinen ?Novelas exemplares? einen Unterschied in der Form gibt und ersteres eher ein Roman, letzteres eine Sammlung von zwölf Novellen ist?


    Sicher. Ich meinte da auch den Gebrauch des Wortes 'novela' in der Alltagssprache.


    Ich würde generell meinen, die Bezeichnung der Verlage / Lektoren, der Autoren, der Literaturwissenschafter und schliesslich der 'einfachen' Leser für ein bestimmtes Stück Literatur wären auseinanderzuhalten. Ein Literaturwissenschafter möchte u.U. das, was Storm "Novelle" nennt, einer anderen Gattung zurechnen, der Verlag wird auf den Umschlag vielleicht "Storm's Erzählungen" setzen und Lieschen Müller (bzw. Hänschen) wird einfach seine Romane lesen ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "Hubert"

    Hallo Ivy,


    das ist ja interessant. Kannst Du mal die Sekundärliteratur benennen, die den „Schimmelreiter“ neuerdings als Jugendklassiker definiert? Ich lerne gerne dazu.


    Gruß von Hubert


    Hubert, Du musst mir schon glauben, dass ich es irgendwo während meiner Schimmelreiter-Recherche gelesen hab, wo genau, kann ich nun wirklich nicht mehr sagen, hab zu viel zusammengelesen.


    Google mal selbst herum, dann wirst Du sehen, dass sogar Nathan der Weise und der Faust teilweise unter die Jugendklassiker eingereiht werden im Buchhandel. Jeder Insider weiss, dass Der Schimmelreiter schon lange AUCH ein Jugendklassiker ist.


    Bye, Ivy

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Evelyne Marti"

    Google mal selbst herum, dann wirst Du sehen, dass sogar Nathan der Weise und der Faust teilweise unter die Jugendklassiker eingereiht werden im Buchhandel. Jeder Insider weiss, dass Der Schimmelreiter schon lange AUCH ein Jugendklassiker ist.


    Hm. Das einzige, was ich so auf die Schnelle finde, sind Kundenrezensionen bei einer On-line-Buchhandlung; und daraus geht v.a. hervor, dass «Der Schimmelreiter», «Pole Poppenspäler» und «Aquis submersus» in der Schule gelesen werden müssen. Ein Jugendklassiker ist für mich etwas, das die Jugend freiwillig liest. So, wie wir früher Karl May freiwillig und z.T. sogar gegen den Widerstand der Lehrer gelesen haben.


    Im übrigen verkauft der Buchhandel die SZ-Edition von Handkes «Die Angst des Tormanns beim Elfmeter» als Kriminalroman ...


    Es passiert mir ja auch oft, dass ich einen Begriff in die Diskussion werfe, den zu rechtfertigen mir nachher schwer fällt. Insofern habe ich volles Verständnis für Dich, und ehrlich gesagt, ist es mir ziemlich wurschtegal, ob Storm nun dieses oder jenes Etikett angeklebt kriegt. Allerdings kann ich mit Antworten wie "Such doch selber ..." oder "Jeder Insider weiss ..." nicht viel anfangen. Wenn ich Insider wäre, müsste ich nicht mehr googeln, denn ich wüsste ja dann, wo die Information zu finden wäre. Ja, ich müsste nicht einmal nachfragen, denn als Insider wäre mir die Information ja bekannt. Im übrigen bin ich auch zu alt, um mich mit Hinweisen auf angebliches Insider-tum einschüchtern zu lassen. Ich bin überzeugter Outsider, ich lebe sogar davon, dass ich als Outsider inside gewachsene Strukturen hinterfrage und offen lege ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Den Schimmelreiter hielten und halten einst und jetzt Lehrer auf Grund eines entsprechenden Lehrplanes für eine klassische Novelle, die eine gebildete Jugend gelesen haben muss.


    Wispel