Grammatikalische Frage

  • Hallo zusammen,


    mir ist auch gerade ein Problem untergekommen:
    Ich habe ein Anschreiben eines nicht-muttersprachlichen Kollegen korrigiert. Er hatte geschrieben "Während zwei Jahren habe ich in der Schweiz gelebt."
    Ich korrigiere also "Während zweier Jahre habe ich in der Schweiz gelebt." Der Kollege fragt: "Wieso?" Er ist ein sehr systematischer Mensch. Ich überlege. Es muss etwas mit dem Zahlwort zu tun haben - es heisst eindeutig "während eines Jahres", aber "während zehn Jahren". Irgendwo dazwischen fällt der Genitiv weg. Ich habe nachgeschlagen: eins bis drei mit Genitiv, laut Duden.
    Soweit, so gut.


    Dann kam mein Kollege, "Die Zeit" unter dem Arm. "Während zwei Jahren..." stand da. :redface: - peinlich.


    Ist das eine aussterbende Regel???
    Gruß
    Atomium

  • Hallo zusammen,
    hallo Atomium,


    ich denke das ist eher ein Zeichen des Kulturverfalls bei der ZEIT (wie natürlich auch bei anderen Zeitungen), was da oft geboten wird, ist wirklich erschreckend. :entsetzt:


    Über die ZEIT kann man bei Peter Handke (ich glaub in "Unter Tränen fragend") lesen: "Die ZEIT, das war mal eine Zeitung". Ich habe mir auch abgewöhnt, die ZEIT zu kaufen, allerdings lese ich nach wie vor den Kulturteil, den mir ein Bekannter gibt, wenn er die "Zeitung" gelesen hat.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen,
    dieser Rückschritt ist mir auch bereits aufgefallen, nur war ich einige Zeit blauäugig genug anzunehmen, er würde sich auf die Regenbogenpresse beschränken. Inzwischen sind mir aber in der Zeit und auch im Spiegel schon Fehler aufgefallen, die beim besten Willen nicht nur auf Tippfehler zurück zu führen sind. Ich frage mich allerdings nur: Wissen es die Leute nicht besser oder passen sie sich dem Sprachstil der Bevölkerung an, obwohl ihnen selbst stets ein Schauer über den Rücken läuft, wenn sie diese Fehler begehen?!?
    Bei Fernsehsendungen sieht es dann noch einmal viel düsterer aus. Selbst in seriösen Nachrichtensendungen (ich spreche jetzt nicht über die RTLII-News) hat sich ein deutlich umgangsprachlicher Ton eingebürgert. Das fällt mir besonders deutlich bei Tagesschau und heute auf, vielleicht, weil man es dort noch am wenigsten vermutet. Ich bin wahrlich noch zu jung, um zu erzählen, wie es früher mal war, aber ich kann mich erinnern, daß es mal üblich war, daß sich der Sprecher für einen Versprecher oder ein Husten entschuldigte. Wenn man sich das heute dann mal so angeguckt...
    Gruß
    Berch

  • Hallo zusammen!


    Bevor wir von "Kulturverfall" reden, wollen wir mal den Duden genau ansehen ...


    Meine Duden Grammatik von 1972 meint nun zum Thema Beugung im Genitiv:

    Zitat

    [zwei und drei] werden gebeugt, wenn der Kasus nicht bereits durch den bestimmten Artikel u.a. kenntlich gemacht ist


    "Während zwei Jahren" setzt nun, wie heute bei 'während' in der Mehrzahl üblich den Dativ. Da "Jahren" ganz klar ein Dativ ist, nur ein Dativ sein kann, ist die Beugung von "zwei" überflüssig.


    imho kein Kulturverfall bei der ZEIT.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo alle,


    Also das mit dem "ein Ding". Ist schon richtig. Das Ding = Ein Ding.
    Man besteht auf einem Ding, kann man auch sagen. Besteht auf einem Kuchen. Nicht aber auf ein Kuchen (weil = der Kuchen).
    Er besteht auf ein nigelnagelneues Auto.
    Usw.
    Man kann sich immer mit Ersetzungs- und Pronominalisierungstests behelfen.


    Übrigens. Sprachverfall. Ich selbst halt davon nichts, Grammatikveränderungen mit Sprachverfall zu assoziieren. Sprache muss sich verändern, sonst hätten wir heute noch Althochdeutsch.


    Manches kommt mir heute auch seltsam vor, wie "in 2004" - was ja 1:1 englisch ist. Aber ich erinnere mich da immer an den Klassiker Thomas Mann, der "ich versichre dich" schrieb, wo ich schon gelernt habe "ich versichere ihnen"...

  • Hallo Sandhofer,


    wegen einem Grammatikfehler würde ich das Wort „Kulturverfall“ nicht benutzen, höchstens, wenn sich das häuft, von Sprachverfall reden. Da ich, wie weiter oben bereits zugegeben, kein Grammatiktalent bin, hätte ich diesen „Fehler“ auch nicht bemerkt. Ich hatte mich hier auf Atomium verlassen, der berichtete, dass er im Vergleich mit dem DUDEN einen Grammatikfehler festgestellt hatte und zugegeben etwas flapsig gemeint, dies könne mit dem Kulturverfall zusammen hängen.


    Mit „Kulturverfall“ meinte ich die inhaltlichen Veränderungen, die mich dazu bewogen haben, die ZEIT nicht mehr zu lesen. Ein Beispiel: Die Serie „Leben Sie noch?“. Da ich viel unterwegs bin, lese ich unterschiedliche Tageszeitungen, aber einen solchen Schwachsinn habe ich weder in der FAZ, der TAZ, der SZ, der Stuttgarter oder der NZZ entdeckt und kann ich mir, obwohl ich die nicht kenne, nicht mal in der BILD vorstellen.


    Zum Beispiel: „Während der zwei Jahre“ verstehe ich, aber wo steckt bei „Während zwei Jahren“ der vom DUDEN geforderte bestimmte Artikel? Vielleicht kannst Du das einem Grammatiklaien wie mir erklären?


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen!
    Hallo Hubert!


    Nun, der Duden spricht von "bestimmten Artikel u.a.". In vorliegendem Fall ist bereits die Endung -en ein eindeutiger Hinweis auf den Dativ und genügt somit den Ansprüchen des Duden.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Hallo Sandhofer,


    danke für die Erklärung. Zusatzfrage: Wenn jemand diese Regel nicht kennt, und das Zahlwort deshalb beugt, ist das dann richtig aber überflüssig, oder ist das dann falsch?


    Gruß von Hubert

  • also ich muß schon sagen, ihr geht ziemlich seltsam an die sache heran... irgendjemand hat gesagt, sprache müsste sich verändern, sonst hätten wir noch althochdeutsch. dito! ich hab nicht viel gelernt in meinem sprachwissenschaftskurs, aber doch eines, nämlich, daß sprache ein lebendinges ding ist, das man nicht einsperren kann, denn es befreit sich ja doch.
    ich hätte auf jeden fall auch "auf die landebahn bestanden", und obs nun laut duden falsch ist oder nicht, ist mir in dem moment völlig egal, denn in meinem umkreis drückt sich jeder so aus.
    und eine formulierung wie "während zwei jahren" oder auch "während zweier jahre"... ui, da bin ich ja völlig schockiert, grammatik hin oder her, das ist ein so seltsame formulierung daß ich, einfach weil schöner klingt "zwei jahre lang" draus gemacht hätte!
    was ich sagen will: es ist die eine frage, ob etwas gramatikalisch laut duden richtig ist oder nicht, die andere, ob überhaupt irgendjemand so etwas sagt bzw. ob die mehrheit der muttersprachler etwas als richtig empfindet oder nicht. da kann man lang jammern, daß der genetiv stirbt und heulen, daß es heißt "größer als" und nicht "größer wie" - in ein paar generationen muß der duden umgeschrieben werden, und dann heißt es eben "größer wie du". mit sprachverfall hat das nichts zu tun, das ist sprachentwicklung!
    natürlich heißt das nicht, daß man dann einfach frei schnauze alles so schrieben kann wie man es spricht, aber diese regeln ändern sich eben. sprachbeherrschung ist es, zwischen diesen umgangssprachlichen wendungen, dialekt etc. und hochsprache unterschieden zu können - im groben. die spachebene muß eben insgesamt eingehalten werden. wenn dann einmal ein "größer wie" reinrutscht... naja, momentan wärs wohl noch ein dickes "aua", in drei generationen ist es damit auch vorbei...

    Heb Deh Hag Heb Warhoaz Hirio Ne Dalv Ket C' Hoaz
    <br />- ohne ein gestern und ein morgen ist ein heute nichts wert -