Was lest ihr gerade?

  • Hallo Pius,


    Zitat von "Pius"

    Mein großes Projekt derzeit ist das <b>Nibelungenlied</b>.


    im Nibelungenlied lese ich auch gerade wieder einmal herum. Ich habe mir nämlich kürzlich eine CD gekauft, auf der Eberhard Kummer Auszüge aus dem Nibelungenlied singt, natürlich auf Mittelhochdeutsch, so wie es sich gehört. :-) Im Gegensatz zur höfischen Reimpaardichtung wurde die strophische Heldendichtung ja seinerzeit gesungen, es ist also tatsächlich ein Nibelungen<b>lied</b>. Eberhard Kummer begleitet seinen beeindruckenden Gesangsvortrag mit der Schoßharfe, andere Strophen auch mit der Drehleier, die einen ganz eigentümlichen schnarrenden Klang hat. Ich bin von dieser CD begeistert, zwar klang es anfangs gewöhnungsbedürftig, ich mußte mich erst einmal einhören, aber jetzt kann ich gar nicht mehr genug davon bekommen. :-) Leider sind es, wie gesagt, nur Auszüge, die auf der CD gesungen werden, ein vollständiger Vortrag würde ja auch 18 Stunden oder vielleicht noch länger dauern.


    Die Orginalmelodie des Nibelungenliedes ist nicht überliefert. Eberhard Kummer singt es im sog. Hildebrandston, eine alte Melodie, die dem Original wahrscheinlich sehr nahe kommt. Charakteristisch für den Hildebrandston sind die merkwürdigen und auffallenden »Eia«-Rufe: Der letzte (vierte) Vers jeder Strophe wird mit einem »Eia« eingeleitet. Karl Bartsch hat schon im 19. Jh. darauf hingewiesen, daß der vierte Vers jeder Strophe in vielen Fällen scheinbar überflüssig ist:


    Zitat

    »Der Umstand, daß häufig die epische Thatsache, die in der Strophe zum Ausdruck kommen sollte, schon mit der dritten Zeile abgeschlossen war, veranlasste, daß die vierte Zeile einen allgemeinen Gedanken, eine Hindeutung auf das Kommende oder etwas Anderes, genau genommen Entbehrliches enthielt, wodurch das Ganze an streng epischer Haltung einbüßt.«


    [Karl Bartsch (Hrsg): Das Nibelungenlied. 6. Aufl. Leipzig: Brockhaus, 1886. S. XXII]


    Zu dieser Beobachtung paßt sehr gut, daß durch das refrainartige »Eia« genau diese letzte Zeile hervorgehoben wird. Außerdem zeigen die Erfahrungen der modernen Aufführungspraxis, daß der Sänger durch dieses »Eia« je nach Kontext ganz unterschiedliche Gefühle zum Ausdruck bringen kann. Das kann man auch sehr gut auf dieser CD hören, die für mich geradezu eine Offenbarung war. Seit ich das gehört habe, lese ich die mittelhochdeutschen Strophen in einem innerlichen Singsang. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Zwischen den Palästen von Nagib Machfus.
    Wohl noch nicht unter die Klassiker zu zählen, da noch etwas jung, vielleicht, aber jedenfalls mit Klassikerpotential. Weit bin ich noch nicht, weshalb ich noch keinen wirklichen persönlichen Eindruck geben kann - Interessant ist es jedoch bereits: atte nie eine wirkliche Vorstellung, wie eine klassische/bürgerliche ägyptische Familie in "der guten alten Zeit" war...


    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo zusammen,


    Ich habe mit "Die Stunden" von Michael Cunningham. Es lag nahe, nach der Leserunde 'Mrs Dalloway' mit diesem Buch weiter zumachen.


    Bis jetzt interessant zu lesen, wie der Autor die Begebenheiten aus Mrs Dalloway ins New York der 90iger Jahre produziert und die Rückblicke ins Jahr 1923 zu Virginia Woolf die ihren Roman gerade beginnt zu schreiben.


    Nachtrag:
    gerade habe ich beim Weiterlesen festgestellt, dass nun noch eine 3. Erzählebene aufgetaucht ist:


    Los Angelos 1946, eine Mrs Brown liest Mrs Dalloway.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Zitat von "xenophanes"

    Gehört es :smile:


    CK


    Ist der erste Band, um genau zu sein - weshalb du es bei Amazon nicht mehr findest, ist mir etwas schleierhaft...



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo, Stoerte!


    Zitat von "Stoerte"

    Sophokles: König Ödipus (Steinmann, bei Reclam; ich, ohne Fachwissen, hab nix zu meckern an der Übertragung): einfach nur heftig, was Sophokles dem Kerl zumutet. Werd demnächst noch mehr von S. lesen müssen.


    Schön das zu hören (bzw. lesen) ! :smile:


    Ich bin ein großer Sophokles-Fan, was man auch an meinem Avatar sehen kann.
    Als nächstes kann ich Dir "Antigone" oder "Philoktet" empfehlen.
    Du kannst ja auch im Sophokles-thread nachlesen.


    Sophokles ist es übrigens nicht, der dem Ödipus das alles "zumutet" (auch wenn er in seinem Drama die Geschehnisse so ergreifend-tragisch darstellt, daß es seine Zeitgenossen nicht ertragen konnten), er bringt einen Mythos auf die Bühne, der damals so schon lange Kulturgut der alten Griechen war.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo, Wolf!


    Zitat von "Wolf"


    im Nibelungenlied lese ich auch gerade wieder einmal herum. Ich habe mir nämlich kürzlich eine CD gekauft, auf der Eberhard Kummer Auszüge aus dem Nibelungenlied singt, natürlich auf Mittelhochdeutsch, so wie es sich gehört. :-) Im Gegensatz zur höfischen Reimpaardichtung wurde die strophische Heldendichtung ja seinerzeit gesungen, es ist also tatsächlich ein Nibelungen<b>lied</b>.
    Seit ich das gehört habe, lese ich die mittelhochdeutschen Strophen in einem innerlichen Singsang. ;-)


    Tatsächlich stelle ich mir beim Lesen die Stophen häufig gesungen vor (einige habe ich sogar gesungen - wenn ich ganz allein war).
    Ich lese allerdings eine Übersetzung ins Neudeutsche, in der die Reim- und Strophenform aber erhalten blieb (Felix Genzmer; Reclam).


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat von "alpha"

    Ist der erste Band, um genau zu sein - weshalb du es bei Amazon nicht mehr findest, ist mir etwas schleierhaft...



    Grüsse
    alpha


    Hallo zusammen,
    ist es dieses Buch?


    http://www.amazon.de/exec/obid…1_xgl/302-1187915-1182449


    es gibt die Trilogie auch in einem Band, soweit ich es gesehen habe.


    Gruß Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "JMaria"


    ist es dieses Buch?


    http://www.amazon.de/exec/obid…1_xgl/302-1187915-1182449


    es gibt die Trilogie auch in einem Band, soweit ich es gesehen habe.


    Zum einen: Ja, es ist diese Buch. Zum anderen: In EINEM Band? - Ich habe es so nicht gefunden - und es müsste auch eine buchdruckertechnische Meisterleistung sein (vergleichbar mit Joseph und seine Brüder in EINEM Band, was es gibt/gab), denn die drei Bände sind durchschnittlich etwas über 500 Seiten stark. Nicht dass dies unmöglich wäre, aber doch eher unwahrscheinlich, denke ich...


    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Zitat von "xenophanes"


    Ich habe die Trilogie in einer einbändigen Zweitausendeins-Ausgabe. Dünndruck und durchaus noch bewältigbar.


    Interessant zu wissen, danke!


    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hi Pius!

    Zitat von "Pius"


    Ich bin ein großer Sophokles-Fan, was man auch an meinem Avatar sehen kann.
    Als nächstes kann ich Dir "Antigone" oder "Philoktet" empfehlen.
    Du kannst ja auch im Sophokles-thread nachlesen.


    Danke, werd ich machen. Weiß ich auch gleich, wo ich Fragen loswerden kann ;-). Antigone wollt ich demnächst (fertig) lesen. (Les immer viel zuviele Bücher gleichzeitig...)


    Zitat


    Sophokles ist es übrigens nicht, der dem Ödipus das alles "zumutet" (auch wenn er in seinem Drama die Geschehnisse so ergreifend-tragisch darstellt, daß es seine Zeitgenossen nicht ertragen konnten), er bringt einen Mythos auf die Bühne, der damals so schon lange Kulturgut der alten Griechen war.


    SPOILER:
    Danke für den Hinweis, laut dem Nachwort taucht die Verbannung und Selbstblendung (beides, wieder laut Nachwort damals reguläre Strafen für "Sexualstraftaten") erst bei Sophokles auf (in der Odyssee soll er, nicht näher spezifiziert "leiden"); also findet sich damit auch die bittere Ironie seines Spottes über die Blindheit des Sehers, die Bewahrheitung dessen Weissagung über das Sehen und Blindsein dann erstmals bei Sophokles; wie auch der mit der Blendung und der abermaligen Bitte um Verbannung dargestellte, unbedingte Gehorsam Ödipus gegenüber dem Recht, zusätzlich zu seinem unbedingten Wahrheitswillen. Also der Mensch wird edler und sein Leid grösser.

  • Zitat von "alpha"

    Zwischen den Palästen von Nagib Machfus.
    Wohl noch nicht unter die Klassiker zu zählen, da noch etwas jung, vielleicht, aber jedenfalls mit Klassikerpotential. Weit bin ich noch nicht, weshalb ich noch keinen wirklichen persönlichen Eindruck geben kann - Interessant ist es jedoch bereits: atte nie eine wirkliche Vorstellung, wie eine klassische/bürgerliche ägyptische Familie in "der guten alten Zeit" war...


    Grüsse
    alpha


    Hallo alpha,


    vor ca. zwei Jahren las ich die "Kairo-Trilogie" und war sehr angetan. Ein wunderbares Epos, das einem das Kairo der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirklich näher bringt. Kürzlich las ich auch die "Midaq-Gasse", auch gut, aber nicht so gewaltig wie die Trilogie. Ich werde sicher noch mehr von Machfus lesen, sofern es auf Deutsch erscheint.


    HG
    finsbury

  • Irvin D. Yalom, Die Schopenhauer-Kur
    Populärroman über Psychotherapie (allgemeine, wie auch die Interaktionen innerhalb einer Therapiegruppe) und auf einem zweiten Erzählstrang die Biographie, Psyche und Philosophie Schopenhauers. Zum Taschenbuch prädestiniert (war ein Weihnachtsgeschenk).


    Psychotherapeut, als solcher eine grosse Nummer erfährt mit ~60, dass er Hautkrebs hat, stürzt nun in ein seelisches Loch, denkt über sein Leben nach. Sucht sich dann den grössten Misserfolg seiner Karriere raus, dem er nicht helfen konnte, dieser sein Misserfolg meint nun sich mit Schopenhauer geheilt zu haben.


    Hauptpersonen sind einmal eine Therapiegruppe und ihre Mitglieder und einmal Arthur Schopenhauer.
    Rückwirkende Psychoanalysen sind nicht wissenschaftlich, das Buch ist offensichtlich populär. Da gibt es in der Therapiegruppe geschickter Weise einen "Primitiven", der alles was man evt. nachschlagen müsste erfragt.
    Hier wird nun natürlich vereinfacht. Die Upanischaden werden dem Hinduismus zugeschrieben, Epiktet wird zum Römer.
    An einer Stelle sagt eine Trude etwas (nichts Wesentliches), fünfzig Seiten später bezieht sich dann eine andere Protagonistin darauf, als hätte sie ebendies gesagt. Auch hätte ein weiteres Mal Korrekturlesen ob der wenigen typos nix geschadet.


    Die Überlegungen, in wie weit Schopenhauers Philosophie als Therapie dienen könnte, bzw. in wie weit Schopenhauer eine gebraucht hätte, seine Psyche Einfluß auf sein Werk hatte, oder in wie weit sein Werk, ganz unbemerkt und unangemerkt in Freuds Werk einfloß find ich interessant. Wenn man daran aber keine Freude hat wird man wohl nicht unterhalten.
    Auch wenn man es zu genau nimmt, als Alternativen z.B. werden Nietzsche, Camus und - Sartre genannt.


    Ich fand's für zwischendurch nicht schlecht. Sätze wie dass es krasse Undankbarkeit wäre zu verzweifeln, nur weil das Leben keinen (höheren) Sinn hat; oder Einwerfen des bekannten Talmud Zitats, dass wer einen Menschen rettet die ganze Welt rettet fand ich interessant. Die Vorstellung wie bei einem indischen Guru im Meditationsurlaub, wo sogenanntes edles Schweigen angesagt ist, einer beim Mittagessen furzt, einige anfangen zu kiechern und ihm damit angeblich seine vermeintlich besondere Heiligkeit nehmen ist amüsant.

  • lese gerade:


    tom wolfe - ich bin charlotte simmons


    john le carre - der ewige gärtner


    roshinton mistry - family matters (studium)

    &quot;i was the fool because i thought...i thought the world...turns out the world thought me...it's all the other way 'round...we're upside down...&quot;