Lese-Fundstück

  • Ein überirdisches Vergnügen!
    In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen,
    Und Erd’ und Himmel wonniglich umfassen,
    Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,
    Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,
    Alle sechs Tagewerk’ im Busen fühlen,
    in stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,
    Bald liebewonniglich in alles überfließen,
    Verschwunden ganz der Erdensohn,
    Und dann die hohe Intuition –
    (mit einer Gebärde)
    Ich darf nicht sagen, wie – zu schließen.
    :redface:


    (Und das von unserem Nationaldichter – Pfui!)
    :breitgrins:

  • Faust: Pfui über dich!


    Mephistopheles: Das will Euch nicht behagen;
    Ihr habt das Recht, gesittet Pfui zu sagen.
    Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,
    Was keusche Herzen nicht entbehren können …


    Das weibliche Gegenstück dazu rund 1800 Jahre früher in: Heroides von Ovid, Brief XV (Sappho an Phaon)

  • Moin, Moin!


    Seit langem bin ich davon überzeugt, daß jedermann in seiner Bibliothek ein Kuriositätenkabinett hat. In diesem Kabinett befindet sich eine kleine und rätselhafte Auswahl von Büchern, deren Gegenstand in keinerlei Zusammenhang mit den übrigen Büchern des Hauses steht und die dennoch bei näherem Hinsehen eine ganze Menge über ihren Besitzer verraten. Mein Kuriositätenkabinett enthält 64 Bücher über Polarexpeditionen: Expeditionsberichte, Tagebücher, Photosammlungen, Naturgeschichtliches und Handbücher für Seefahrer. ("Berühren Sie nie eiskaltes Metall mit feuchten bloßen Händen. Sollten Sie versehentlich mit bloßer Hand eisiges Metall berühren, urinieren sie auf die Stelle, um das Metall zu erwärmen und einige Zentimeter Haut zu retten. Sollten Sie mit beiden Händen festhängen, haben Sie hoffentlich einen Freund in der Nähe." (Anne Fadiman: Ex libris. Bekenntnisse einer Bibliomanin)

  • Moin, Moin!


    und dann kann man nur noch hoffen, dass dieser Freund vorher auch genug getrunken hatte.


    LOL. - Und damit meine Reply nicht ganz inhaltsleer wird, noch die letzten bibliomanen Zitate aus meinem Blog:


    Hat einer das Originalzitat parat? “Baudelaire bemerkt einmal, daß auf einer gewissen Höhe des Geistes das Lesen idiotischer Bücher einen sublimen Genuß bedeuten kann.” (Heimito von Doderer: Die Dämonen)


    Einander Liebe und Treue zu geloben, in guten wie in schlechten Zeiten, das war nicht weiter problematisch, aber problematisch wäre es zweifellos gewesen, wenn die Eheschließung die Aufforderung beinhaltet hätte, unsere Bibliotheken zu vermählen und Duplikate wegzuwerfen. (Anne Fadiman: Ex libris. Bekenntnisse einer Bibliomanin)


    Der gewöhnliche Leser unterscheidet sich von Kritikern und Gelehrten. Er ist weniger gebildet, und die Natur hat ihn weniger freigebig begabt. Er liest zu seinem eigenen Vergnügen und nicht unbedingt, um Wissen zu vermitteln oder die Meinung anderer zu korrigieren. Vor allem aber leitet ihn das instinktive Bestreben, eigenhändig aus allem, was ihm zufällig in die Finger gerät, etwas Ganzes zu gestalten. (Virginia Woolf)


    Die Mega-Mischkonzerne der Kommunikationsindustrie haben aus dem berüchtigten “Bilanzergebnis” eine Nilpferdpeitsche gemacht, die über den Köpfen und gebeugten Rücken der Lektoren geschwungen wird. (Sven Birkerts: Die Gutenberg-Elegien)


    Nur allzu oft lesen wir seriöse Literatur mit derselben Hast wie die Morgenzeitung, mit Augen, die einfach nur den ungefähren semantischen Gehalt aus den Sätzen klauben und die Formulierungen zusammenstauchen wie die Balgfalten eines Akkordeons. (Sven Birkerts: Die Gutenberg- Elegien)


    Die Sprache ist die Ozonschicht der Seele, und wir bringen uns selbst in Gefahr, wenn wir sie durchlöchern. (Sven Birkerts: Die Gutenberg- Elegien)


    Wie jedesmal beim Einstieg in ein neues Buch mußte ich ein ziemlich kompliziertes Programm von Annäherungsschritten hinter mich bringen. Es ist mir nicht gegeben, die erste Seite eines Buches aufzuschlagen und einfach loszulegen. (Sven Birkerts: Die Gutenberg- Elegien. Lesen im elektronischen Zeitalter, S. 135)


    Bücher waren für mich nicht nur Ideenlieferanten, sondern haben mich auch gezwungen, dem Denken Raum zu schaffen; sie haben bestimmte Formen des Nachdenkens unabweislich gemacht. (Sven Birkerts: Die Gutenberg- Elegien. Lesen im elektronischen Zeitalter, S. 146)


    Jedes Buch, das ich durchgelesen aus der Hand lege, erneuert in mir das Gefühl, etwas für mein inneres Wachstums getan, an Einsicht oder Weisheit - und sei’s auch nur wenig - hinzugewonnen zu haben. (Sven Birkerts: Die Gutenberg- Elegien. Lesen im elektronischen Zeitalter, S. 144)


    Wo bin ich, wenn ich lese? Ist das nicht ein anderer Ausdruck für die Frage: Was geschieht mit dem Hintergrundgemurmel des Bewußtseins, wenn die Sprache des Buchautors von uns Besitz ergreift? (Sven Birkerts: Die Gutenberg- Elegien. Lesen im elektronischen Zeitalter, S. 114)

  • Moin, Moin!


    Der Schriftsteller, der heutzutage etwas anderes zu schreiben versucht als das, womit die Großindustriellen der Konsumliteratur den Leser füttern, gleicht einem Einbeinigen, der sich mit seiner Prothese zum Hundertmeterlauf nominieren lassen möchte. (Sandor Marai: Tagebücher 1984-1989, S. 26)

  • Ach, das ist schnuffig:


    Vielleicht bin ich selbst auf Stendhal neidisch? Er hat mir den besten Atheisten-Witz weggenommen, den gerade ich hätte machen können: 'Die einzige Entschuldigung Gottes ist, daß er nicht existiert'...


    Nietzsche, Ecce Homo


  • Ach, das ist schnuffig:


    Vielleicht bin ich selbst auf Stendhal neidisch? Er hat mir den besten Atheisten-Witz weggenommen, den gerade ich hätte machen können: 'Die einzige Entschuldigung Gottes ist, daß er nicht existiert'...


    Nietzsche, Ecce Homo


    Bei solchen Zitaten muss man natürlich auch erwähnen, dass Ecce homo von 1888 stammt und dass Nietzsche im Januar 1889 einen geistigen Zusammenbruch durch progressive Paralyse erlitt, wie man vermutet war Syphilis die eigentliche Ursache und bis sich Syphilis so weit entwickelt hat, dass ein geistiger Zusammenbruch eintritt, vergehen Jahre die dann meist zunächst durch Schwachsinn später aber auch durch Wahnsinn geprägt sind.


  • Bei solchen Zitaten muss man natürlich auch erwähnen, dass Ecce homo von 1888 stammt und dass Nietzsche im Januar 1889 einen geistigen Zusammenbruch durch progressive Paralyse erlitt, wie man vermutet war Syphilis die eigentliche Ursache und bis sich Syphilis so weit entwickelt hat, dass ein geistiger Zusammenbruch eintritt, vergehen Jahre die dann meist zunächst durch Schwachsinn später aber auch durch Wahnsinn geprägt sind.


    Angesichts der Tatsache, dass noch heute Millionen Menschen daran glauben, vor 2000 Jahren habe der Heilige Geist ein semitisches Hirtenmädchen besprungen, worauf diese dann bei unversehrtem Hymen einen Gott gebar, hielt sich Nietzsche trotz progressiver Paralyse doch erstaunlich gut und präsentiert sich - Syphilis hin oder her - auch in dem erwähnten Satz geistig gesünder denn die erwähnten Anhänger der Parthenogenese.


    Grüße


    s.

  • Und so´n kleines bisschen Schwachsinn und Wahnsinn steht uns allen gut :zwinker:

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"


  • Und so´n kleines bisschen Schwachsinn und Wahnsinn steht uns allen gut :zwinker:


    Hallo Anita,


    Du hast Recht, ein bisschen Wahnsinn hat noch niemand geschadet. Wer wüsste das besser als ich? Bei Nietzsche hatte das aber tragische Ausmaße angenommen und das ist dann eigentlich nicht mehr zum Lachen!


    Gruß


    Hubert


  • Bei Nietzsche hatte das aber tragische Ausmaße angenommen und das ist dann eigentlich nicht mehr zum Lachen!


    Meine Äußerung war eine reine Anspielung auf scheichsbeutel^, nie im Leben würde ich mich über Nietzsche lustig machen.


    Obwohl, ganz rein hypothetisch, wie viel Paralyse war nötig um solch geniale Gedanken zu entwickeln? (Im Sinne des Sprichworts Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander.) Man stellt jüngst mit MRT oder CT fest, dass das Gehirn durch Meditation gänzlich anders arbeitet als bei "Normalos", sprich eine Veränderung des Gehirn und des Aufbaus dessen bewirkt, das kann schon Welten bewegen, oder?


    Liebe Grüße
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Könne man sich nicht vielleicht dahingehend einigen, dass es sich bei dem Zitat um ein hübsches Bonmot über ein hübsches Bonmot über eine ohnehin nur sehr unvollkommen beantwortbare spekulative Idee handelt? Zumal Nietzsche hier lediglich Stendhal zitiert, d.h. jemanden, der eine Psychiatrisierung ja nun nicht mal ansatzweise rechtfertigt.


  • Meine Äußerung war eine reine Anspielung auf scheichsbeutel^, nie im Leben würde ich mich über Nietzsche lustig machen.


    Hallo Anita,


    was denkst Du kränkt mich mehr:


    1.) wenn Du dich über Nietzsche lustig machst oder
    2.) wenn Du dich über meine Religion lustig machst?


    Liebe Grüße


    Hubert


  • Zumal Nietzsche hier lediglich Stendhal zitiert, d.h. jemanden, der eine Psychiatrisierung ja nun nicht mal ansatzweise rechtfertigt.


    Liebe Fee,


    vielleicht weißt Du das nicht, aber Stendhal nahm als junger Offizier am Italien-Feldzug Napoleons teil und infizierte sich bei dieser Gelegenheit in einem italienischen Bordell an Syphilis. Nach Ausbruch der Krankheit ca. 2 Jahre später musste er seinen Militärdienst kündigen. Jahre später wurde er Schriftsteller.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • vielleicht weißt Du das nicht, aber Stendhal nahm als junger Offizier am Italien-Feldzug Napoleons teil und infizierte sich bei dieser Gelegenheit in einem italienischen Bordell an Syphilis. Nach Ausbruch der Krankheit ca. 2 Jahre später musste er seinen Militärdienst kündigen. Jahre später wurde er Schriftsteller.


    Lieber Hubert,


    ich ahnte schon, dass du dir diese Replik nicht entgehen lassen würdest... :zwinker:


    FeeVerte

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  • Zitat

    "Sogar Schriftsteller gehen gebückt unter dem Tauziehen zwischen Angebot und Absatz, und viele und die schlechtesten nicht, wie ich weiß, atmen auf, wenn wieder ein Großer, ein Vielgelesener stirbt: Aus dem kommt nichts mehr, den sind wir los, falls nicht der Verleger im Verein mit der Witwe noch den Nachlaß und den Briefwechsel in bare Münze umsetzt."


    ...spricht ein Insider, nämlich Don Vigo Thelen, im schwarzen Herrn Bahßetup.