Lese-Fundstück

  • Moin, Moin!


    Im November 1938 wird meine Mutter längst den bekannten Grundsatz politischer Arithmetik begriffen haben, nach dem drei gutorganisierte und zu allem entschlossene Faschisten plus zehn Unpolitische und Indifferente, die geflissentlich zur Seite schauen, wenn Unrecht geschieht, in der Summe dreizehn Faschisten ergeben. (Stephan Wackwitz: Die Bilder meiner Mutter)


    In den fünfziger Jahren gab es in Westdeutschland ein konsistentes Bild gesellschaftlicher Zukunft, das von der Obrigkeit ebenso wie von jedermann geteilt wurde und so allgegenwärtig war, dass es uns – wie Ernst Bloch über die Utopie der Heimat schrieb – "in die Kindheit schien". (Stephan Wackwitz: Die Bilder meiner Mutter)


    An den Wochenenden zog sich mein Vater mit den Büchern, die unser Wohnzimmer in eine Art Seminarbibliothek verwandelt hatten, wo in seiner Anwesenheit nur im Flüsterton gesprochen werden durfte, in die imaginäre Welt seiner gescheiterten akademischen Karriere zurück. (Stephan Wackwitz: Die Bilder meiner Mutter)


    Noch in den frühen sechziger Jahren waren altnationalsozialistische Einstellungen in der westdeutschen Provinz ein Fundament des allgemeinen Volksempfindens. (Stephan Wackwitz: Die Bilder meiner Mutter)


    Bei Wackwitz viel erfahren über (bundes)deutsche Befindlichkeiten: <a href="http://www.buecherlei.de/fab/thema/mafrau2.htm#frauwiensch">Frauen im Wien Arthur Schnitzlers</a> // <a href="http://www.buecherlei.de/fab/thema/natur3.htm#heldenheroe">Heldentum & Heroismus</a> // <a href="http://www.buecherlei.de/fab/thema/religion2.htm#tebegeister">Technikbegeisterung</a> // <a href="http://www.buecherlei.de/fab/thema/3rdreich1.htm#sommer1946">Nachkriegssommer</a> // <a href="http://www.buecherlei.de/fab/thema/weise.htm#korns">Kein Kernlein nährenden Korns</a> // <a href="http://www.buecherlei.de/fab/bman/bman_w.htm#Wackwitz2">Märchenboom</a> // <a href="http://www.buecherlei.de/fab/bman/bman_w.htm#Wackwitz1">Lesekindheit</a> // <a href="http://www.buecherlei.de/fab/thema/kinder.htm#pflazvater">Pfälzischer Vater</a> // <a href="http://www.buecherlei.de/fab/thema/3rdreich1.htm#blockwart">Blockwart</a> // <a href="http://www.buecherlei.de/fab/thema/kinder.htm#trachpruegel">Tracht Prügel</a>. - Überhaupt bemerke ich eine wachsende Vorliebe für solche semifiktionale, autobiografisch grundierte Bücher, wie ich sie zuletzt bei Joachim Meyerhoff bewunderte.

  • Moin, Moin!


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    Es gibt so etwas wie den speziellen Atem einer Zeit. (...) Meistens begreift man erst spät, wie stark man diesen Atem mitgeatmet hat, obwohl man meint, sich dem verweigert und jede Menge anderen Sauerstoff bezogen zu haben, etwa den der Literatur. (Friedrich Christian Delius: Als die Bücher noch geholfen haben. Biografische Skizzen)


    Tolles Buch, wenn einen die Themen Gruppe 47, Wagenbach & Verlag, linker Buchhandel der 70er Jahre, Rotbuch-Verlag und dissidente DDR-Literatur interessieren. Außerdem beschreibt Delius zwei Prozesse; <a href="http://www.zeit.de/1974/47/goliaths-sieg">einer davon</a> beschäftigte sich damals (1974) schon mit der Frage, was Satire ist und was sie darf.

  • Moin, Moin!


    "Von draußen wurden Schritte hörbar. Die stockdustere Treppe zum Keller hatte ein paar zerschlagene Stufen, an denen die ANSen erkennen konnten, ob ein Fremder herabgestiegen kam. Sie hörten es am Laufrhythmus
    1212leer
    1212leer
    12huch!
    1212leer."


    Jedesmal wenn ich diese Passage aus Emma Braslavskys "Aus dem Sinn" lese, muß ich erneut lachen. Eine Autorin, auf welche ich erst kürzlich stieß. Dieser Debütroman ist genau die Art Literatur, die es auf Anhieb schafft, zu meinen Herzensbüchern gezählt zu werden.