Grimmelshausen - Abenteuerlicher Simplicissimus

  • Hallo zusammen
    hallo Hubert


    Zitat

    Wenn ich das nächste Mal im „Silbernen Stern“ in Gaisbach bin, werde ich ein Extra-Viertel auf Dein Wohl trinken.


    Das darfst Du natürlich gern tun. So ein badischer Roter ist bestimmt nicht zu verachten. Prost! [Blockierte Grafik: http://www.ioff.de/images/smilies/trink.gif]


    Mir haben die von Dir genannten Kapitel im 2. Buch auch besonders gut gefallen. Simplicius hat Narrenfreiheit und wie er der Adelsdame schmeichelt, sie dabei aber aufs Gröbste beleidigt ist einfach klasse.
    Von Swift kenne ich leider nichts. Mich hat diese Narretei aber an den Don Quijote und Till Eulenspiegel erinnert. Die sind aber beide vor dem Simplicissimus entstanden und Grimmelshausen wird sie sicher gekannt haben.


    JMaria


    Zitat

    Warum diesen (Läuterungs?)Gang durch Hölle und Himmel um dann als Kalb zu enden?


    Zu diesem Possenspiels ist mir die Redensart "Jemanden auf die Hörner nehmen" eingefallen. Deshalbhabe ich das für mich einfach so interpretiert, daß dieses Simplicius-Kalb einen jungen Stier darstellt, der die Gesellschaft auf die Hörner nimmt.
    G. Weydt liefert in seinem Buch aber noch eine andere Erklärung: Grimmelshausen war 1639 Sekretär Hans Reinhard von Schauenburgs, des Kommandanten der Reichsstadt Offenburg. Dieser hatte wohl ein fast väterliches Verhältnis zu ihm, das sich im Roman zwischen dem Gubernator und Simplicius widerspiegelt. Und die Schauenburger bildeten sich ein, oder gaben zumindest immer vor, von dem altrömischen Geschlecht der Vitellier abzustammen. (Vitellus = Kalb).


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen!


    Nachdem ich zunächst auf Reisen war und dann eine kleine Lebensmittelvergiftung hatte :rollen: , bin ich nicht zum Lesen gekommen. Aber nun werde ich das zweite Buch anfangen.


    Danke für die Hinweise auf die Planeten.


    Gruß
    Atomium

  • Hallo zusammen,


    ikarus hat gepostet:
    Mich hat diese Narretei aber an den Don Quijote und Till Eulenspiegel erinnert. Die sind aber beide vor dem Simplicissimus entstanden und Grimmelshausen wird sie sicher gekannt haben


    Ja, ikarus, Du vermutest richtig. Grimmelshausen hat sowohl die Werke von Cervantes als auch den Till Eulenspiegel gekannt. Der Eulenspiegel wird z.B. als eine von vielen Quellen für Grimmelshausens „Satyrischen Pilgram“ genannt und Curt Hohoff zitiert auf S. 21 seiner Monographie eine Stelle aus dem 13. Kapitel des 2. Buches vom Simplicissimus, bei der der Pfarrer Beispiele anführt, bei denen Menschen glauben, sie seien (wie Simpel als Kalb) keine Menschen mehr: „ Man liest von einem, der fest geglaubt hat, er sei ein irdener Krug. ...“ Damit ist, so Hohoff, Cervantes’ „Gläserner Lizentiat“ gemeint.



    Wie in der Mitte des 1. Buch, so gibt es auch in der Mitte des 2. Buch (Kapitel 17 + 18) eine Traumszene, wobei nicht ganz klar ist, ob es wirklich als Traum gemeint ist: Simplicius beobachtet eine Hexenzusammenkunft und fliegt auf einer „geschmierten Bank“ durch die Luft zum Hexentanzplatz (ob da Goethe, die Idee für seinen Hexentanz im Faust her hat?). Übrigens schreibt Grimmelshausen: „... es mag einer glauben oder nicht, und wers nicht glauben will, der mag einen andern Weg ersinnen, ...“ ein sehr toleranter Autor. :zwinker:


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen


    Diese Hexenszene ist mir auch sehr rätselhaft. Ich habe nachdem ich sie gelesen hatte extra nochmal zurückgeblättert, weil ich dachte, ich hätte vielleicht überlesen, daß es ein Traum gemeint sei. Aber darauf gibt es keinen Hinweis. Goethes Faust ist mir auch gleich in den Sinn gekommen. :smile:


    Es ist mir aber noch mehr rätselhaft:


    In meiner ganzen Sekundärliteratur steht, daß der Simlicissimus aus fünf Büchern bestehen würde. Jetzt habe ich eine Ausgabe des Insel-Verlags, die merkwürdigerweise sechs Bücher enthält. Gibt es mehrere Ausgaben des Simlicissimus? Ist die Einteilung mal geändert worden? Von Grimmelshausen? Oder vom Insel-Verlag?


    Mit diesen vielen altertümlichen Wörtern und Bezeichnungen habe ich manchmal zu kämpfen. Einige schlage ich nach, meistens ergibt sich aber die Bedeutung aus dem Textzusammenhang. Völlig unklar ist mir jedoch dieser Satzanfang aus dem 14. Kapitel des 2. Buchs:
    "Daher wuchs ich auf wie ein Narr im Zwiebelland; der Hurenspiegel wurde mir glatt, und meine Leibeskräfte nahmen handgreiflich zu;..."
    Ich kann mir weder unter einem Narren im Zwiebelland noch unter einem Hurenspiegel etwas vorstellen. Weiß vielleicht jemand, was damit gemeint sein könnte?


    [Blockierte Grafik: http://www.ioff.de/images/smilies/kopfkratz.gif]


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Ikarus,


    Der Simplicissimus bestand ursprünglich aus fünf Büchern. Nach dem großen Erfolg hat Grimmelshausen das sechste Buch (die sogenannte "Continuatio") angehängt. (Heute würde man es "sequel" nennen.)


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo zusammen,
    hallo ikarus,


    Du hast gepostet:
    In meiner ganzen Sekundärliteratur steht, daß der Simlicissimus aus fünf Büchern bestehen würde. Jetzt habe ich eine Ausgabe des Insel-Verlags, die merkwürdigerweise sechs Bücher enthält. Gibt es mehrere Ausgaben des Simlicissimus? Ist die Einteilung mal geändert worden? Von Grimmelshausen? Oder vom Insel-Verlag?


    Bei der Erstausgabe des „Simplicissimus Teutsch“ zur Frankfurter Ostermesse 1668 bestand das Werk aus 5 Büchern/Teilen. Schon die zweite Ausgabe, die 1669 erschien, enthielt die Fortsetzung, die Continuatio. Heutige Ausgaben, enthalten meistens den Simplicissimus Teutsch plus Continuatio, also 6 Teile. Insgesamt ist der Simplicianische Zyklus von Grimmelshausen aber auf 10 Teile festgelegt und auch ausgeführt (dazu auch mein Posting vom 17.2.4 im Forum „ .... Chronik“ im Thread „Grimmelshausen“)
    Dass die Continuatio wirklich erst nach dem Erfolg der ersten fünf Teile geplant, geschrieben und gedruckt wurde ist m.M. nach eher unwahrscheinlich. Begründung: Im 2. Teil des „Satyrischen Pilgram“ nennt Grimmelshausen schon „meinen Simplicissimus“ und dessen „lustige Manier“. Der „Satyrische Pilgram“ erschien 1666, so dass die Grimmelshausen-Forschung davon ausgeht, dass der „Simplicissimus“ 1665, spätestens 1666 abgeschlossen war – er erschien dann Ostern 1668, also 2 Jahre für die Drucklegung, jetzt kommt die Zeit, bis man feststellt, dass es ein Erfolg wird (dauerte damals ohne Buchhandelsvorbestellungen, ohne Besprechungen in Zeitung und TV, ohne Bestsellerlisten sicher länger als heute), dann der Entschluss eine Fortsetzung zu schreiben, dann der Schreibvorgang (Grimmelshausen war seit 1667 Schultheiß von Renchen, konnte sich also nur in seiner Freizeit dem Schreiben widmen), dann die Drucklegung und im Frühjahr 1669 also nicht mal ein Jahr nach der Erstauflage erschien die Zweitauflage mit der Fortsetzung – für mich nur schwer nachvollziehbar, ich denke daher, dass die Fortsetzung schon vorher zumindestens geplant wahrscheinlich aber auch schon geschrieben war.



    Völlig unklar ist mir jedoch dieser Satzanfang aus dem 14. Kapitel des 2. Buchs:
    "Daher wuchs ich auf wie ein Narr im Zwiebelland; der Hurenspiegel wurde mir glatt, und meine Leibeskräfte nahmen handgreiflich zu;..."
    Ich kann mir weder unter einem Narren im Zwiebelland noch unter einem Hurenspiegel etwas vorstellen. Weiß vielleicht jemand, was damit gemeint sein könnte?


    Sowohl im Hamburger Leseheft, als auch in der dtv-Ausgabe lautet der Satz so:
    Und gleich wie mich niemand scheel ansehen durfte, also hatte ich auch von nirgends her keine Anfechtung, Sorg oder Bekümmernis; alle meine Gedanken legte ich auf die Musik, und wie ich dem einen und dem andern seine Mängel artlich verweisen möchte; daher wuchs ich auf wie ein Narr im Zwiebelland, und meine Leibskräfte nahmen handgreiflich zu; man sah mir in Bälde an, daß ich mich nicht mehr im Wald mit Wasser, Eicheln, Buchen, Wurzeln und Kräutern mortifizierte, sondern daß mir bei guten Bißlein der rheinische Wein und das hanauische Doppelbier wohl zuschlug, welches in so elender Zeit für ein große Gnad von Gott zu schätzen war, denn damals stand ganz Teutschland in völligen Kriegsflammen, Hunger und Pestilenz, und Hanau selbst war mit Feinden umlagert, welches alles mich im geringsten nicht kränken konnte.


    Also weder handelt es sich um einen Satzanfang, noch kommt das Wort Hurenspiegel vor. Der insel-Verlag geht hier wohl eigene Wege. Zum Hurenspiegel habe ich auch keine Erklärung gefunden. Der „Narr im Zwiebelland“ wird in der dtv-Ausgabe als „einer, der ohne Sorgen gut gedeiht“ erklärt. In meiner Knaur-Ausgabe heißt es „Narr im Schlaraffenland“


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen!


    Bei mir fehlt der Hurenspiegel ebenfalls. Auf welche Ausgabe stützt sich denn der Insel-Verlag bei seiner Edition?


    Zur Bedeutung weiss ich auch nichts Genaues. Es existiert in Bibliotheken so etwas wie ein Wörterbuch der Vulgärsprache, vielleicht, dass man da etwas findet.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen


    Danke für eure Erklärungen.


    Ich habe mal den geposteten Textabschnitt Huberts mit dem in meinem Buch verglichen und bis auf die fehlende Passage mit dem Hurenspiegel sind sie nahezu identisch.


    Der Text des Insel-Taschenbuches "folgt der Ausgabe letzter Hand von 1671" wie es im Klappentext heißt.


    Empfehlen würde ich die Insel-Ausgabe jedoch nicht. Dazu sind mir die Erläuterungen viel zu wenige und viel zu dürftig. Das scheint in anderen Ausgaben doch besser zu sein. Aber ich hatte dieses Insel-Taschenbuch nunmal schon im Regal stehen und so kämpfe ich mich eben mit Hilfe verschiedener Lexika und des Internet durch. Bisher bis zum 15. Kapitel des 3. Buches.
    Wie weit seit ihr denn?


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen!
    Hallo ikarus!


    Tja, der alte Streit: Ausgabe letzter Hand oder Erst-Ausgabe? :sauer:


    Mein Herausgeber hat sich für die Erst-Ausgabe von 1668/69 entschieden, Grimmelshausen (oder der Drucker, der Setzer oder sonstwer) verspürte also offenbar im nachhinein ein Bedürfnis, noch etwas vulgärer zu werden.


    Im übrigen lese ich zwar Eure Diskussion mit. Aber für den ganzen Grimmelshausen fehlt mir z.Zt. die Musse, ich lese nur von Fall zu Fall ein Kapitel.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    20. Kapitel:
    Sehr interessantes Kapitel über die Spielsucht und eine anschauliche Beschreibung des Lebens in einem Heerlager des 30-jährigen Krieges, wie man sie sicher in keinem Geschichtsbuch lesen kann.


    21. Kapitel
    Simpel schwört mit dem jungen Herzbruder ewige Brüderschaft und ehrt den alten Herzbruder als seinen Vater. Hier sind wir also im Planetenschema eindeutig bei der Sonne angelangt:


    Sonne: Heiß, männlich, Gestirn des Tags. herrscht über das Gesicht, das Gehirn, Herz und Nerven und alles was rechts ist. Könige, Würden, Ruhm, Sieg, Goldgier, Gesetz, Verfassung, Vater, Bruder.
    Metall: Gold.


    Meiner Meinung nach geht das schon im 16. Kapitel los, als Simpel die Golddukaten findet, und das waren ja „dreihundert und etlich sechzig“, m.M. nach ein Hinweis auf das 365 Tage umfassende Sonnenjahr.


    23. Kapitel
    Der junge Herzbruder kauft sich für 30 Reichstaler beim kaiserlichen Heer frei und geht als Freireiter zur schwedischen Armee. Also den Soldaten ist es anscheinend völlig egal, ob sie auf österreichischer oder schwedischer Seite, bei den Katholischen oder den Protestantischen kämpfen. So habe ich das in der Schule nicht gehört.


    25/26. Kapitel
    Welch grausame Zeit: Der eifersüchtige Rittmeister gibt das vermeintliche Mädchen für die Pferdejungen zur Vergewaltigung frei. Unvorstellbar!


    Gruß von Hubert

  • Hallo allerseits


    Ich bin ja an dieser Leserunde nicht beteiligt, überfliege aber täglich Eure Gedanken dazu. Als Kind (lang lang ist's her ....:) habe ich mal ein Stückchen von dem Film gesehen, da saß Simpel mit einer Schönen in der Badewanne (vor dem Haus) und wollte ihr in das beißen, was er wunderschöne Pfirsiche oder so ähnlich nannte :zwinker:


    Zitat

    20. Kapitel:
    Sehr interessantes Kapitel über die Spielsucht und eine anschauliche Beschreibung des Lebens in einem Heerlager des 30-jährigen Krieges, wie man sie sicher in keinem Geschichtsbuch lesen kann.


    Dies finde ich immer bemerkenswert und ärgere mich im Nachhinein, dass ich als Schülerin nicht die Möglichkeit bekam, den Tipp, für den Geschichtsunterricht mal einen bestimmten Roman zu lesen, je nachdem, was wir gerade durchgenommen hatten. Und selbst bin ich nicht darauf gekommen oder hatte nicht die Reife .. wer weiß.


    Und unser Geschichtsunterricht war immer so dröge ... für mich jedenfalls :entsetzt:


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Hallo zusammen,


    27. Kapitel:
    Grausame Schilderung der historischen Schlacht von Wittstock in Brandenburg am 24.9.1636 bei der die kaiserlichen und sächsischen Truppen von den Schweden geschlagen werden: „Köpfe lagen dorten, welche ihre natürlichen Herren verloren hatten, und hingegen Leiber, die ihrer Köpf mangleten; etliche hatten grausam- und jammerlicher Weis das Ingeweid heraus, ...“


    28. Kapitel
    Nach dieser schrecklichen Kampfschilderung ein lustiges Kapitel: Simpel im Kampf mit seinen Läusen


    29. Kapitel
    Als Bursche eines bayerischen Dragoners beschützt Simpel ein Frauenkloster und wird mit westfälischen Spezialitäten verwöhnt


    30. Kapitel
    Wieder einmal tauchen Redewendungen auf, die heute sprichwörtlich sind:


    1. „Also ließ er mich bleiben der ich war, und sagte, das Werk würde den Meister lobenKennt man aus Schillers „Lied von der Glocke“ und so steht es auch in Büchmanns „Geflügelte Worte“: Soll das Werk den Meister loben, Schiller, Lied von der Glocke, Vers 7.
    Aber das war genau 130 Jahre nach Grimmelshausen


    2. .... und ich Narr gedachte nicht, dass der Krug so lang zum Brunnen gehet, bis er einmal zerbricht.


    31. Kapitel
    Den Schwank, vom Schinkendiebstahl, hat Grimmelshausen wohl vom Nürnberger Meistersinger Hans Sachs übernommen.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen,


    entschuldigt bitte, dass ich mich noch nicht gemeldet habe. Ich hinke hinter euch her, bin erst im 2. Buch beim Traum mit den Hexen.


    und bis zu diesem Zeitpunkt wurde eigentlich alles gesagt. Ich stelle wieder fest, dass ich mit dieser "Art" Klassiker meine Probleme habe. Nicht daß, mir die Situation damals nicht interessiert und eure Beiträge helfen mir sehr, aber generell scheinen mir "Schelmenromane mit sozialkritischer Beimischung" (so nenn ich es mal) nicht zu liegen. Ich habe immer wieder einen Durchhänger.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    JMaria
    Schade, daß sich das Buch Dir gegenüber als so sperrig erweist. Ich habe zwar manchmal auch Mühe, wenn ich längere Zeit nicht darin gelesen habe, mich wieder an die Sprache zu gewöhnen, aber wenn ich dann wieder drin bin fasziniert es mich schon sehr und ich muß mich fast zwingen wieder aufzuhören :smile: Ich werde aber etwas langsamer machen, damit Du wieder mitkommst.


    Hubert schrieb:

    Zitat

    Meiner Meinung nach geht das schon im 16. Kapitel los, als Simpel die Golddukaten findet, und das waren ja „dreihundert und etlich sechzig“, m.M. nach ein Hinweis auf das 365 Tage umfassende Sonnenjahr.


    Und indem er eben „dreihundert und etlich sechzig“ schreibt und nicht genau "365" berücksichtigt er sogar das Schaltjahr :smile:


    Die Sonnenphase war gut zu erkennen. U. a. auch an den sprechenden Vornamen der Herzbrüder. "Ulrich" beinhaltet das althochdeutsche "rihhi", was "reich" bzw. "mächtig" bedeutet. Beides Attribute die der Sonne zugeordnet sind.
    "Olivier" kommt von lat. "olivarius" = Ölbaum, - Lampenöl - Licht - Sonne.


    Die anschließende Jupiter-Phase ist noch besser zu erkennen. Immerhin tritt Gott Jupiter darin "persönlich" auf. :smile:


    Zitat

    Den Schwank, vom Schinkendiebstahl, hat Grimmelshausen wohl vom Nürnberger Meistersinger Hans Sachs übernommen.


    Könntest Du das bitte kurz erklären? Bei Hans Sachs kenne ich mich nämlich überhaupt nicht aus :rollen:


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo ihr Lieben,


    ich bin zwar bei dieser Leserunde nicht dabei, aber ich habe trotzdem eine Frage zum Thema.
    Und zwar ist mir letztens bei meinem Onkel eine alte Ausgabe des Simplicissimus (ich glaube, aus den 70er Jahren) in die Hände gefallen. Da stand im Vorwort, dass es sich um eine überarbeitete Fassung in einem heutzutage leicht leserlichen Deutsch handelt, und dass teilweise Passagen gestrichen wurden, die dem "heutigen Anstandsgefühl" (oder so ähnlich) allzu sehr widersprechen.
    Na, ihr könnt euch sicher denken, dass mich gerade dieser Hinweis besonders neugierig gemacht hat! :breitgrins:


    Jetzt meine Frage: lest ihr eine vollständige Version? Welche Stellen könnten die Herausgeber der Ausgabe meines Onkels gemeint haben?
    (Ich finde es ja generell besser, alles in der unverfälschten Version zu lesen.)


    Gespannte Grüße,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo Bluebell!

    Zitat von "Bluebell"

    Und zwar ist mir letztens bei meinem Onkel eine alte Ausgabe des Simplicissimus (ich glaube, aus den 70er Jahren) in die Hände gefallen.


    Autsch! 70er Jahre? Da habe ich angefangen, selber Bücher zu kaufen. Neue. Ein paar stehen noch immer in meiner Bibliothek. "Alte Ausgabe"! [Blockierte Grafik: http://www.planet-gif.com/gif-smilies/smileys_2/smiley_mini224.gif]

    Zitat

    lest ihr eine vollständige Version?


    Eigentlich bin ich heute so weit, dass ich von allem - wenn ich es denn lese - eine unbearbeitete Version haben will.

    Zitat

    Welche Stellen könnten die Herausgeber der Ausgabe meines Onkels gemeint haben?


    Oh, gerade im Simplicissimus findest Du so ungefähr alles, was Dein Herz begehrt: Es wird Nahrung in flüssiger und fester Form zu sich genommen und von sich gegeben, man ist der Liebe auch in ihrer fleischlichen Version nicht abgeneigt - und das Ganze einer Sprache, die wir früher zu Hause nicht verwenden durften ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"

    Autsch! 70er Jahre? Da habe ich angefangen, selber Bücher zu kaufen. Neue. Ein paar stehen noch immer in meiner Bibliothek. "Alte Ausgabe"! [Blockierte Grafik: http://www.planet-gif.com/gif-smilies/smileys_2/smiley_mini224.gif]


    Oje, da bin ich wohl zielsicher in ein Fettnäpfchen gesprungen! :elch:
    Also ich habe nur gemeint, keine Neuauflage der letzten paar Jahre! Sorry wenn ich als Kind der frühen 80er manchmal etwas gedankenlos mit dem Wörtchen "alt" umgehe! :redface:


    Zitat

    Oh, gerade im Simplicissimus findest Du so ungefähr alles, was Dein Herz begehrt: Es wird Nahrung in flüssiger und fester Form zu sich genommen und von sich gegeben, man ist der Liebe auch in ihrer fleischlichen Version nicht abgeneigt - und das Ganze einer Sprache, die wir früher zu Hause nicht verwenden durften ...


    Aha, danke für die Auskunft! :breitgrins:

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo zusammen,


    ikarus hat gepostet:
    Zitat:
    Den Schwank, vom Schinkendiebstahl, hat Grimmelshausen wohl vom Nürnberger Meistersinger Hans Sachs übernommen.
    Könntest Du das bitte kurz erklären? Bei Hans Sachs kenne ich mich nämlich überhaupt nicht aus


    Ich hatte mal im Zusammenhang mit Boccaccios „Il Decameron“, weil im Nachwort unter „Wirkung auf“ auch Hans Sachs genannt war, das über mehrere Stadtbüchereien verteilte Werk von Hans Sachs überflogen, um festzustellen, welche Novellen von Boccaccio Hans Sachs aufgegriffen hat (es waren einige), und davon ist mir noch ein Schwank von Hans Sachs in Erinnerung (hat jetzt aber nichts mit Boccaccio zu tun) der inhaltlich mich stark an dieses Kapitel im Simplicissimus erinnerte. Und da Sachs rund 100 Jahre vor Grimmelshausen schrieb ....



    Inzwischen konnte ich auch die Bezeichnung „Hurenspiegel“ klären. Im 18. Kapitel des 3. Buches gibt es die Stelle „....überdies hatte ich einen trefflich glatten Spiegel und gewöhnte mich zu einer freundlichen Lieblichkeit, ....“ und da wird „Spiegel“ mit „Gesicht“ erklärt, so dass diese Stelle wie folgt zu lesen ist: . „....überdies hatte ich ein trefflich glattes Gesicht und gewöhnte mich zu einer freundlichen Lieblichkeit, ....“


    Analog dazu müsste die Stelle "Daher wuchs ich auf wie ein Narr im Zwiebelland; der Hurenspiegel wurde mir glatt, und ...“ wie folgt zu lesen sein: „Daher lebte ich wie im Schlaraffenland, mein Hurengesicht wurde wieder glatt, und ....“


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen,


    Hallo Hubert,
    schön, dass du wieder unter uns bist. Die ganze Episode hat mich doch in ein "Forumstief" befördert.


    ikarus: lieb von dir, dass du langsamer machen möchtest, aber lasse dich nicht aus deinem Leserythmus bringen.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "Hubert"

    Inzwischen konnte ich auch die Bezeichnung 'Hurenspiegel' klären. Im 18. Kapitel des 3. Buches gibt es die Stelle '....überdies hatte ich einen trefflich glatten Spiegel und gewöhnte mich zu einer freundlichen Lieblichkeit, ....' und da wird 'Spiegel' mit 'Gesicht' erklärt, so dass diese Stelle wie folgt zu lesen ist: . '....überdies hatte ich ein trefflich glattes Gesicht und gewöhnte mich zu einer freundlichen Lieblichkeit, ....'


    Analog dazu müsste die Stelle "Daher wuchs ich auf wie ein Narr im Zwiebelland; der Hurenspiegel wurde mir glatt, und ... wie folgt zu lesen sein: 'Daher lebte ich wie im Schlaraffenland, mein Hurengesicht wurde wieder glatt, und ....'


    Hallo zusammen!


    Natürlich, ich bin ein Depp! Jetzt, wo Du es sagst Hubert: 'hure' ist im Französischen der Kopf eines Wildschweins - den Begriff verwendete man früher auch im Deutschen, in der Heraldik und in der Kochkunst. Simplicius hat also sein Wildschweingesicht wieder glatt gemacht, d.h. er hat sich wieder rasiert!


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus