Ich stehe jetzt im 2. Teil und vor dem 9. Kapitel und muss einmal gestehen, dass ich große Probleme mit dem Roman habe, und zwar nicht alleine wegen des verwirrenden geschichtlichen Hintergrundes, der sich in ihm spiegelt, sondern vor allem wegen der Erzählweise Bulgakows. Man merkt dem Roman die gleichzeitige Konzeption als Theaterstück an, ein Stück allerdings, das in teils kleinste Einzelszenen zerrissen ist. Besser noch stelle ich mir das Ganze als Film vor mit schnellen Schnitten und nicht mit langen Einstellungen auf Menschen und Gesichter, wie ich es bevorzuge. Es gibt kaum eine innere Perspektive der handelnden Personen und keine Möglichkeit für den Leser seinen Blick auf einzelne Figuren zu fokussieren, da der Erzählerblick ständig wechselt.
Ich stimme daher Reich-Ranicki zu, das er es schwierig fand, der Handlung zu folgen. Nicht zustimmen würde ich ihm, dass das Buch epigonal sei. Ich finde schon, dass Bulgakow hier einen eigenen Stil entwickelt hat, der außerdem sehr in die damalige Zeit paßt, aber es ist ein Stil, mit dem ich persönlich Probleme habe …
Vergleiche mit dem heutigen Krieg finde ich nicht so angemessen: damals standen sich (mindestens) 5 Kriegsparteien gegenüber, die selber nicht genau wußten, wofür sie kämpften, noch weniger die Zeitgenossen, erst recht nicht wir heutigen Leser. Der Krieg heute ist dagegen einfach: es gibt einen Aggressor und einen Verteidiger, und der Aggressor macht es dem Verteidiger sehr einfach, sich für die richtige Seite zu entscheiden. Es wurde ja von politischen Kommentatoren schon gesagt, dass das was Putin tue ein „nation building“ für die Ukraine sei. Wenn man bisher noch Zweifel haben konnte, ob es eine ukrainische Nation überhaupt gibt, so wird es sie jetzt nicht mehr geben: Putin schmiedet sie gerade durch seinen Krieg.