Auf der Suche nach einem Gemälde im Film "Eastern Promises"

  • Jetzt war ich monatelang auf der Suche und heute morgen, als ich meinen ausholenden Beitrag fertig geschrieben hatte, bin ich beim Stöbern dann plötzlich fündig geworden. Ein komischer Zufall, weshalb ich gedacht habe, den Beitrag dann doch einzustellen – mit Auflösung am Ende.


    ***


    Hallo,


    bei der Suche nach Übersetzungen und bestimmten Ausgaben diverser Klassiker bin ich einige Male auf dieses Forum aufmerksam geworden und lese schon seit geraumer Zeit ein wenig hier mit. Neben der Literatur zählen unter anderem Filme, Musik und Kunst zu meinen Interessen.


    Was die Malerei angeht, haben es mir hier die russischen Meister besonders angetan, im Speziellen die Werke von Iwan Kramskoi, Isaak Lewitan, Ilja Repin und Zinaida Serebriakova- um nur ein paar Namen zu nennen.


    Manchmal entdecke ich eher zufällig ein Gemälde, das mich auf unerklärliche Weise in seinen Bann zieht. So ging es mir vor einiger Zeit, als ich den Film "Eastern Promises" mit Naomi Watts, Viggo Mortensen, Armin Mueller-Stahl und Vincent Cassell wieder sah. Mueller-Stahl spielt einen Boss der russischen Mafia, der ein Restaurant besitzt. In einer Szene spricht dessen Sohn Kirill (Cassell) am Telefon vor einem Kaminofen. Im Hintergrund ist ein Gemälde zu sehen, auf dem eine Frau in leicht gebückter Haltung ein kleines Kind führt, im Vordergrund läuft ein älteres Kind, vermutlich ein Mädchen. Es könnte eine winterliche Szene sein, ganz sicher bin ich mir nicht.


    Meine simple Frage: kennt irgendwer dieses Gemälde? Wer hat es gemalt?


    [Blockierte Grafik: https://i.ibb.co/5T48NJ7/eastern-promises.png]


    Gesucht habe ich natürlich schon und manches Mal gedacht, auf der richtigen Spur zu sein, wurde aber leider noch nicht fündig. Nikolai Kasatkin, der die Schutzumschläge der Klassikerausgaben des Hanser Verlages von Dostojewski (Aufzeichnungen aus einem toten Haus) und Tolstoi (Auferstehung: hier nur ein Ausschnitt eines Gemäldes) ziert, habe ich in Betracht gezogen,


    Denkbar wäre natürlich auch, dass es sich nicht um ein Gemälde eines russischen Malers handelt. Womöglich wurde auch ein Ausschnitt eines Gemäldes vergrößert? Ich glaube allerdings, dass es sich um ein Gemälde eines bekannten Künstlers handelt.


    ***


    Während ich also meine Suchanfrage für das Forum geschrieben hatte, habe ich noch einmal nach Kasatkin in kyrillischer Schrift gesucht und bin auf folgende schöne Webseite mit Postkarten aufmerksam geworden:

    https://obiskusstve.com/923163…opis-19-nachala-20-vekov/


    Beim Scrollen habe ich dann plötzlich das Gemälde entdeckt. Es handelt sich um ein Werk eines ukrainischen Malers griechischer Herkunft: Kyriak Kostandi (1852-1921). Der Titel ist "Gründonnerstag (im Norden)".

    Hier ist das Gemälde in besserer Auflösung:

    https://www.stydiai.ru/wp-content/uploads/169189.jpg

  • Ein komischer Zufall, weshalb ich gedacht habe, den Beitrag dann doch einzustellen

    Danke für den Beitrag und den Link auf das wirklich schöne Bild – aber "Zufall" würde ich das nicht nennen: Das sorgfältige Ausformulieren einer Frage und der unternommenen Lösungsversuche ist (zumindest für mich) eine wichtige Lösungsstrategie. Es ist ja eher selten so, dass man auf eine Frage praktisch sofort die Antwort findet, das Ausformulieren hilft dann dabei, auf Lösungswege zu kommen, die einem zuvor nicht eingefallen sind (wie hier den Namen mal in Kyrillisch zu schreiben). Das nennt man dann wohl "Nachdenken" ;-).

  • Hallo Krylow und herzlich willkommen hier auch von mir. Ich kann mich giesbert nur anschließen, die Formulierung eines Problems hilft bei dessen Lösung, wie ja auch schon Kleist in seinem Aufsatz "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" feststellte.

    Das Bild ist sehr stimmungsvoll. Ist es vielleicht ein griechisch- /russisch-orthodoxer Brauch, am Gründonnerstag mit Kerzen aus der Kirche zu ziehen (zumindest die Kinder)?

  • Zitat

    die Formulierung eines Problems hilft bei dessen Lösung,

    Weiß Gott!
    Ich habe es drei- oder viermal erlebt im Leben, dass ich über ein Problem wirklich Stunden und Tage gebrütet habe.
    Dann habe ich es aufgegeben, die Frage in ein Fachforum gestellt und eineViertelstunde später, noch ehe dort eine Antwort aufschien, hatte ich die Lösung selbst gefunden.
    Einmal war mir das richtig peinlich, als es um das Konvertieren eines pdf ging. Es erschien die Antwort "Du weißt hoffentlich, was du da von uns erwartest, das ist stundenlange Arbeit!" und ich schrieb zurück "ja, weiß ich, aber inzwischen hat es sich erübrigt".

    Meiner Meinung nach - zumindest in den Fällen, die ich erlebt habe - liegt es nicht so sehr an der Formulierung. Mein Gehirn bockt einfach, wenn es angespannt wird. Sobald ich das Problem delegiere, entspannt es sich und schwups, ist die Lösung da. Das Gehirn arbeitet am besten und effektivsten, wenn man es einfach in Ruhe lässt.

  • Ja, es stimmt schon, "Zufall" ist vielleicht nicht die richtige Wortwahl.

    Was ihr über Strategien und das (Aus-)Formulieren von Fragen schreibt, sehe ich genauso. In diesem Fall habe ich schon viele Dinge probiert, bevor ich zu dem Entschluss kam, hier um Hilfe zu bitten.


    Seit der Fernsehausstrahlung im Herbst auf ServusTV habe ich immer mal wieder herauszufinden versucht, wer denn der Künstler dieses Gemäldes war. Dabei habe ich natürlich auch die Namen bedeutender Künstler schon in kyrillischer Schreibweise durchprobiert (copy & paste via Wikipedia), versucht über diverse Beschreibungen des Gemäldes weiterzukommen und auch allgemein in Datenbanken wie z.B. WikiArt gestöbert.

    Anfangs hatte ich gehofft, dass ich in Verbindung mit dem Filmtitel fündig werden würde, da die Ausstattung des Restaurants und viele andere Details schon bemerkenswert waren. Die Webseiten von Set- & Art Designern mit Bildern vom Set, Bauten und Konzepten habe ich gefunden, nur nichts zu den Gemälden. Auch suche ich oft mehrsprachig (mit Hilfsmitteln) um die Treffer zu erhöhen oder eventuell einzugrenzen.


    Entsprechend der Suchanfrage (und auch Suchmaschine) gestalten sich die Treffer dann auch unterschiedlich und hauptsächlich habe ich jene in der Bildersuche gesiebt und nicht wirklich oft auf die jeweiligen Webseiten geklickt.

    Von daher war ich schon etwas verblüfft, dass ich gerade dann, als ich die Anfrage stellen wollte, doch noch zum Erfolg kam.


    Meine Annahme, dass es sich um einen bekannten Künstler handeln könnte, war falsch, was die Suche zusätzlich erschwerte.


    finsbury

    Eine gute Frage! Mit Deiner Vermutung liegst Du wahrscheinlich richtig bzw. sehr nahe. Ich habe nicht intensiv gesucht, aber eine Seite zum griechischen Osterfest gefunden, wo man auf Bildern Kinder mit Kerzen sehen kann und im Eintrag zum Gründonnerstag folgenden Satz lesen kann: “(…) Nach dem sechsten Evangelium gehen alle Lichter der Kirche aus und die Gläubigen verfolgen mit angezündeten Kerzen und glasigen Augen die Nachstellung der Kreuzigung von Jesus und singen dabei die altgriechische Psalme Símeron kremáte epi ksílou (…).”

    https://www.brauchwiki.de/griechisches-ostern/


    Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Szene auf dem Weg zur Kirche oder von der Kirche nach Hause sein wird.

  • finsbury

    Eine gute Frage! Mit Deiner Vermutung liegst Du wahrscheinlich richtig bzw. sehr nahe. Ich habe nicht intensiv gesucht, aber eine Seite zum griechischen Osterfest gefunden, wo man auf Bildern Kinder mit Kerzen sehen kann und im Eintrag zum Gründonnerstag folgenden Satz lesen kann: “(…) Nach dem sechsten Evangelium gehen alle Lichter der Kirche aus und die Gläubigen verfolgen mit angezündeten Kerzen und glasigen Augen die Nachstellung der Kreuzigung von Jesus und singen dabei die altgriechische Psalme Símeron kremáte epi ksílou (…).”

    https://www.brauchwiki.de/griechisches-ostern/


    Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Szene auf dem Weg zur Kirche oder von der Kirche nach Hause sein wird.

    Danke fürs Recherchieren! Nach dem Bild zu urteilen, sind die Familien auf dem Heimweg, denn sie bewegen sich von der Kirche im Hintergrund weg.

  • Falls es noch jemanden interessiert, das Motiv des Gründonnerstagsbildes habe ich noch in Variationen gefunden. Einmal als Aquarellskizze hier:

    https://www.litfund.ru/auction/213/34/


    Und dann noch tief in einer PDF-Datei begraben, auf Seite 222:

    http://ofam.od.ua/pdf/grafikaohm.pdf


    Dort ist bei der Bildbeschreibung neben dem Gründonnerstag "КОНЕЦ" zu lesen, was dann finsburys Vermutung des Nachhausewegs bestätigt.


    Eine schöne Publikation mit sehr vielen Gemälden von Kostandi und anderen Mitgliedern der Vereinigung Südrussischer Künstler aus Odessa habe ich in der Zwischenzeit gekauft. Leider ist das Buch nicht vollständig bilingual (Russisch/Englisch), gerade die besonders umfangreichen, biographischen Texte sind nur auf Russisch vorhanden. Dennoch ein sehr interessanter Einblick in eher weniger bekannte Künstlerkreise aus dem späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert.


    Besonders stimmungsvoll und thematisch passend in das Forum ist ein Bild von Nikolay Aleksomati, das in der englischen Übersetzung den Titel "Reading" trägt und eine häusliche Szene zeigt in der (so nehme ich an) Mutter und Tochter am Tisch sitzten, die eine ein Buch lesend, die andere nähend.

  • Anlässlich des 100. Todestages von Kyriak Kostandi am 18. Oktober fand im Odesa Fine Arts Museum (wie ich gelernt habe, wird im Ukrainischen die Stadt mit einem „s“ geschrieben) eine Ausstellung mit dem Titel „100 years later. Kyriak Kostandi“ statt.


    Auf der Webseite des Museums findet sich ein sehr informativer Text, der einen kleinen Überblick

    über das Leben Kostandis verschafft und der glücklicherweise ins Englische übersetzt wurde. Zudem finden sich Bilder einiger Werke wieder. (Interessant auch die Regel zur Namensvergabe im Griechischen)

    https://www.ofam.org.ua/en/exhibitions/kostandi


    Noch schöner sind die Bilder, die von der Ausstellung zu finden sind, denn die Gemälde strahlen im Rahmen an der Wand hängend (zumindest auf mich) doch eine andere Wirkung aus, als in den kleinen beschnittenen Bildchen, denen das Dreidimensionale und die Struktur der Oberfläche oft gänzlich abgeht. Zudem kann man die Gemälde auch in der Größe besser ins Verhältnis setzen.


    https://odessa.online/v-hudozh…-spustya-kiriak-kostandi/


    https://culturemeter.od.ua/v-o…ie-kartiny-foto-124647-2/


    Edit: Man kann das Museum auch virtuell betreten, eine wunderbare und lohnende Angelegenheit. Ich habe schon Bilder einer meiner Lieblingsmalerinnen entdeckt, nämlich von Zinaida Serebriakova.

    https://ofam.3dprostir.com/