Was ist klassische Musik?

  • Hallo zusammen!


    In einem Forum, das den Namen „Klassische Musik“ trägt macht es sicher Sinn, sich mal darüber auszutauschen, was Musik zur klassischen Musik macht. In einem anderen Thread in diesem Forum sind z.B. folgende Fragen aufgetaucht:


    Wie kann man Musik heute sinnvoll einteilen?
    Was macht eigentlich Kunst aus?
    Ist Beuys Mantel an die Wand gehängt, mehr Kunst als ein an die Wand gesprühtes Graffiti?
    Kann ein Pop-Song-Video niemals mehr Kunst sein als ein Lied von Schubert?
    Wie definiert man einen Klassiker?
    Ist ein Klassiker nur etwas, was sich länger als anderes verkauft? Oder etwas, das in mehr Ländern bekannt ist? Oder definiert eine Elite, was Klassiker und E- bzw. U- sind?


    Und in einer Diskussion außerhalb dieses Forums beschäftigen mich z.Z. folgende Fragen:


    Wie werden in der Musik diese Richtungen wie Blues, Jazz, Rock, etc. bezeichnet? sind das Richtungen? Gattungen? Gibt es überhaupt eine feste Nomenklatur (zu denken wäre da an ein Analogon zur biologischen Artenbestimmung) ?


    Natürlich wären die meisten dieser Fragen, eine eigene Diskussion wert, - wir können ja mal klein beginnen und bei Interesse den Thread aufteilen.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen!
    Hallo Hubert!


    In Bezug auf Kunst bzw. Klassik in der Kunst (egal ob Musik, Literatur ...) bin ich zusehends pragmatisch geworden. Das post-moderne 'anything goes' hat wohl auch auf mich abgefärbt. :breitgrins:


    Also kann ich auf Deine Fragen nur kurz und pragmatisch antworten:

    Zitat

    Wie kann man Musik heute sinnvoll einteilen?

    Gar nicht - wenn Du unter "sinnvoll" so etwas Ähnliches wie U und E meinst. (Eine Unterscheidung, die ich übrigens nur im Deutschen angetroffen habe. Andere Kulturen unterscheiden schlicht nach 'gut' und 'schlecht'. Was für mich auch mehr Sinn macht.)

    Zitat

    Was macht eigentlich Kunst aus?

    Keine Ahnung. Vielleicht am ehesten die Tatsache, dass man Werk und / oder Autor auch in 50, 100 und mehr Jahren noch rezipieren kann, und es / er spricht immer noch zu seinem Publikum.

    Zitat

    Ist Beuys Mantel an die Wand gehängt, mehr Kunst als ein an die Wand gesprühtes Graffiti?

    Wenn es meine Wand ist: weder noch!

    Zitat

    Kann ein Pop-Song-Video niemals mehr Kunst sein als ein Lied von Schubert?

    Es gibt für mich nicht mehr oder weniger Kunst. Entweder es ist Kunst oder nicht. Etwas kann besser oder schlechter sein als etwas anderes, aber dazu brauchen wir bekanntlich :elch: ein tertium comparationis. Genausowenig ist eine Frau mit Zwillingen irgendwie 'schwangerer' als eine mit nur einem Baby im Bauch...

    Zitat

    Wie definiert man einen Klassiker?

    Keine Ahnung. Vielleicht am ehesten die Tatsache, dass man Werk und / oder Autor auch in 50, 100 und mehr Jahren noch rezipieren kann, und es / er spricht immer noch zu seinem Publikum. (Du merkst, dass ich die gleiche Definition gebe wie für Kunst. Tatsächlich sind die beiden Begriffe für mich zusehends zu Synonymen geworden. In der Literatur, wo ich mich am besten auskenne, habe ich seit einiger Zeit praktisch aufgehört, Werke zu lesen, die nach dem 2. Weltkrieg erschienen sind ...)

    Zitat

    Ist ein Klassiker nur etwas, was sich länger als anderes verkauft?

    Ganz pragmatisch würde ich hier tatsächlich sagen: im Prinzip ja. (Ausser, Du wendest dann kunst-theoretische Definitionen an, nach denen 'Klassik' die Erfüllung eines bestimmten Ebenmasses ist o.ä.)

    Zitat

    Oder etwas, das in mehr Ländern bekannt ist?

    Die Mehrheit hat nicht immer recht. Es gibt wohl regionale, nationale wie internatoinale Klassiker. Klassiker für die ganze Menschheit - - - ?

    Zitat

    Oder definiert eine Elite, was Klassiker und E- bzw. U- sind?

    Jede Gruppe hat ihre Leithammel, die ihnen sagt, dieser oder jener Rapper, Schiller oder Goethe sei derjenige, welcher ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"

    Gar nicht - wenn Du unter "sinnvoll" so etwas Ähnliches wie U und E meinst. (Eine Unterscheidung, die ich übrigens nur im Deutschen angetroffen habe. Andere Kulturen unterscheiden schlicht nach 'gut' und 'schlecht'. Was für mich auch mehr Sinn macht.)


    Das sehe ich anders. Erst mal werden solche unterscheidungen getroffen und sie müssen getroffen werden. Politiker müssen kriterien zur unterscheidung subventionswürdiger und -unwürdiger (musik)-kunst festlegen. Und man sage mal einem beschäftigten in der "hoch-kultur", es gäbe keinen unterschied zwischen u und e. Ebenso wird jemand, der "respekt" oder "street-cedibility" beansprucht, sich gegen jene "hoch-kultur" abgrenzen.
    Es gibt viel mehr achsen, musik zu unterscheiden als über qualität. Das gilt insbesondere auch für fremde kulturen:


    1- der brockhaus ("musik"):
    zur frage der interkulturellen verstehbarkeit:
    "Die musik jenseits des europäischischen-geschichtlichen bereichs kann grundsätzlich nicht isoliert, sondern nur im zusammenhang mit ihren ganzheitlich-menschlichen bindungen gesehen werden. Man steht hier vor der aufgabe, die andersartige integration, die indiesen kulturen mensch und ton eingehen, zu durchschauen. Da es sich -im unterschied zur abendländischen musik- in der regel nicht um rational durchdrungene, autonome <freie> kunst handelt, lassen sich die spezifisch rationalen gesichtspunkte (wie tonsystem, zuordnung von zahlenverhältnissen, sinngebungen der musik) nicht ohne weiteres von dem empirischjen und kulturell-soziologischen voraussetzungen trennen."
    Wenn also zB ein chinese ein bach-passion hört, wird er diese auf eine andere weise hören als ein gläubiger christ. Auch wird er nicht zwischen diversen passionen so die qualität unterscheiden und definieren, wie es ein europäer täte. "Qualität" wäre hier kein einteilungsmerkmal, über das beide hier sich einigen könnten.
    Unter "rationale, autonome" kunst subsummiert der brockhaus, was ich die zweckgebundenheit und intentionalität von musik nannte: diese musik wird idealerweise nur zum hören komponiert, während andere andere funktionen erfüllen soll: unterhalten, erheben, etc.. Noch deutlicher unter "absoluter musik": "reine, absolute tonkunst. Losgelöst von allen beabsichtigten zwecken, zB des tanzens u. unterhaltens".


    Hat man definiert, was musik ist, läßt sich weiter differenzieren über:
    - zweck der musik
    - qualität
    - ist ein stück "mehr musik" als ein anderes?
    - ist diese musik kunst oder nicht?
    - ist sie mehr oder weniger sozial akzeptabel?


    Gute ausführungen dazu findet man bei http://www.grovemusic.com unter search "music": unter dem ersten treffer eine zusammenfassung in mehreren kapiteln zur "musik" in den kulturen.
    Einge punkte:
    unter I.2): konsensus ist, daß "musik sowohl kunst wie wissenschaft ist, indem sie sowohl talent und kreativität als auch wissen einschließt - und daß ihre prinzipielle manifestation eher im komponieren (mit rationalen prinzipien) als in anderen zur musik gehörenden aktivitäten besteht."
    I.5) "Die meisten europäer würden statt der komposition die aufführung von musik als die essenz von musik halten". Es gibt also nicht nur interkulturelle unterschiede der definition (und implicit der qualitätskriterien), sondern auch innerhalb einer kultur. "Ähnlich kann eine bestimmte klangstruktur in einer kultur als musik gelten, in einer anderen nicht. Nur wenige kulturen haben ein wort, dessen bedeutung ungefähr mit dem englischen wort 'musik' korrspondiert, und es ist fraglich, ob das konzept von musik in der breite, die es in den westlichen kulturen genießt, im bewußtsein aller kulturen gegenwärtig ist...Nichtsdestoweniger sehen musikologen musik als kulturelle universale."
    II.1) "In der westlichen kultur beschreibt das wort 'musik'ein einheitliches konzept in dem sinne, daß alle 'musik' in einem gleichem maße musik ist, und so der begriff 'musik' gleicherweise zu kunstmusik, pop, folk, etc. angewandt wird. In der westlichen konzeption ist nicht alle musik gleich wertvoll...zB instrumentale musik kann in der essenz "mehr" musik sein als vokalmusik. So bezeichnet das tschechische wort für musik hauptsächlich instrumentalmusik.
    II.2) Westliche musik, die von chinesen komponiert wurde, wird in china als eigentlich chinesische musik gesehen, und steht somit traditioneller chinesischer musik näher als europäischer.
    II.3) Im iran könnten töne, die in der westlichen kultur als musik gesehen werden, nur in unterschiedlichem grade als musik gesehen werden. Der tatsächliche gebrauch von musik in diesen beiden kulturen ist ähnlich, aber in ihrer konzeption, definition und bewertung von musik bestehen starke differenzen. Auch wird musik hier danach differenziert, ob sie mehr oder weniger sozial akzeptabel ist.
    II.4) "das indische einheimische wort für 'musik' steht vielleicht am nächsten dem begriff 'tonkunst" und bezieht sich auf klassische und kunst-musik".
    Anscheinend machen auch andere die unterscheidung zwischen u und e.
    II.5) in afrika ist die grenze zwischen musik und sprache verschwommen und ein wort für musik gibt es nicht.
    III.2) "In den musikwissenschaften gibt es einen gegensatz zwischen dem ziel, daß musikwissenschaft alle musik (oder sogar alle geräusche) studiert und dem behrren darauf, daß musikwerke, musikaufführungen oder ganze musiksysteme nicht den gleichen wert haben. Musik ist eine kunst, aber in einer reihe von kulturen ist nicht alle musik in gleichem maße 'kunst'. Kunstmusik gehört nicht in die gleiche kategorie wie pop.
    Der brockhaus sieht auch den unterschied zwischen u- und e-musik nicht in der qualität.
    Nach mM ist wohl dann etwas gut, wenn es seinen zweck erfüllt. Der wert bzw. das ausmaß, in dem das werk kunst (oder musik musik ist) ist, definiert sich dann anders.
    III.5) "Alle kulturen nutzen musik, um eine gesellschaft und ihre unterteilungen (klassen, altersgruppen) zu integrieren und zu vereinigen."
    In einer globalisierten welt würde diese bedeutung zunehmen.
    Ethnizität wäre somit ein weiteres unterscheidungskriterium. Westlich klassische musik war also für die chinesen leichter integrierbar als chinesische für uns.
    Und an anderer stelle: "Die bedeutung von innovation im inhalt aber noch wichtiger im stil ist essentiell in moderen westlichen kulturen. Die aufführung ist nicht so angesehen wie die komposition".


    Es gibt also unterschiede, musik zu definieren und zu klassifizieren. Sicher sind definitionen oft willkürlich, aber die unterschiede sind nun mal vorhanden.
    P.S.: kein unterschied zwischen u und e in anderen kulturen? War nicht in manchen kulturen die musikalische betätigung zumindest in teilen nur bestimmten personen vorbehalten (schamanen etc.)?
    so viel fürs erste, gruß hafis

  • Zitat von "Papagena"

    eine Musik, die ich wieder und wieder hören möchte.
    Ich liebe Ludwig Senfls Lieder mit altes Deutsch.
    Walter von der Vogelweide und Oswald von Wolkenstein sind auch cool.


    Hi Papagena,


    Ludwig Senfls? Nie gehört, wer ist das und welche Klassische Musik hat der geschrieben?


    Der Walter und der Oswald sind sicher cool, aber haben die wirklich klassische Musik geschrieben?


    Gruß


    Georg

  • Ludwig Senfl ist:
    http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.s/s535386.htm
    der Nachfolger von Heinrich Isaac (Insbruck ich muss dich lassen).
    Senfl war ein sehr begabter Musiker und hatte auch sein Lebenslauf als Lied geschafft! (Lust hab ich ghabt zuer Musica)
    In genaue musikalisches Wort Senfl ist nicht "Klassik" sondern "Renaissance", die folgende Seite bietet schöne viele alte Musik MIDI Dateien inkl. Senfl:
    http://www.csupomona.edu/~jcclark/emusic/index.html
    Ich liebe Quodlibet
    Es taget vor dem Walde/Ach Elslein, liebes Elslein mein.
    Als ich dieses Lied zum ersten Mal gehört habe, war ich sehr überrascht, weil "Quodlibet" macht zwei ganz verschiedene Lieder zusammen singen (mit zwei verschiedene Lyrik!).


    Viel Spaß mit Senfl, er ist cool! :sonne:


  • Hi Papagena,


    danke für deine Antwort. Ist ja interessant, dass du dich so gut mit "unserer" Musik auskennst. Ich z.B. könnte keinen einzigen japanischen Komponisten benennen. :redface:


    Gruß nach Japan


    Georg

  • Hallo!


    Zitat von "Papagena"


    magst du Seiji Ozawa, der Dirigent von Wiener Philharmoniker?


    Es gibt keinen Dirigenten der Wiener Philharmoniker, die laden verschiedene Dirigenten regelmäßig ein.


    Als musikalischer Leiter der Staatsoper spielt er allerdings regelmäßig mit dem Staatsopernorchester (dessen Mitglieder aus Wiener P.ern besteht). Erst vor ein paar Tagen hörte ich unter seiner Leitung Wozzeck, eine furiose Aufführung.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Was ist klassische Musik? - Zunächst einfach ein Mißverständnis. Es gab die Musikepoche der "Wiener Klassik" (Haydn, Mozart, Beethoven) - der Begriff wurde der Altertumswissenschaft entlehnt, wo "Klassik" für die kulturelle Blütezeit einer Epoche steht. "Klassische Musik" stand somit abgegrenzt gegen Barockmusik und romantische Musik. Aber irgendwann verfiel jemand auf den Irrtum, jegliche orchestrale Musik als "klassisch" zu bezeichnen, und dieser Irrtum wurde in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen.


    Ich verstehe die Bedenken gegen die Unterscheidung von E- und U-Musik, aber in ihrer Entstehung ist diese Unterscheidung durchaus sinnvoll. Um die sogenannte "ernste" Musik zu hören, mußte man früher ins Konzert oder in die Oper gehen (bzw., bei Bach, in die Kirche), und das waren Anlässe, wo die Musik völlig im Mittelpunkt stand. Unterhaltungsmusik diente jedoch bestimmten Zwecken (Tanzen, Feiern). Heute, im Zeitalter von CD und Radio, ist dies nicht mehr so, man kann durchaus klassische Musik hören und dabei die Wohnung putzen, aber dazu muß das Ohr an diese Musik gewöhnt sein - dies ist und bleibt ein Unterschied zur "U-Musik".


    Gruß,
    R.

  • Zitat von "Hubert"

    Wie werden in der Musik diese Richtungen wie Blues, Jazz, Rock, etc. bezeichnet? sind das Richtungen? Gattungen? Gibt es überhaupt eine feste Nomenklatur (zu denken wäre da an ein Analogon zur biologischen Artenbestimmung) ?


    Das nennt sich Stilrichtungen.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Roquairol"

    Ich verstehe die Bedenken gegen die Unterscheidung von E- und U-Musik, aber in ihrer Entstehung ist diese Unterscheidung durchaus sinnvoll. Um die sogenannte "ernste" Musik zu hören, mußte man früher ins Konzert oder in die Oper gehen (bzw., bei Bach, in die Kirche), und das waren Anlässe, wo die Musik völlig im Mittelpunkt stand. Unterhaltungsmusik diente jedoch bestimmten Zwecken (Tanzen, Feiern).


    Und vieles, das ursprünglich U-Musik war (z.B. Tafelmusik von Mozart) wird heute als E-Musik gehandelt. :rollen:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,

    Zitat von "sandhofer"


    Und vieles, das ursprünglich U-Musik war (z.B. Tafelmusik von Mozart) wird heute als E-Musik gehandelt. :rollen:


    Aber auch die Tafelmusik von Mozart wurde nicht beim Schützenfest in der Dorfkneipe gespielt. Das ist nicht U-Musik im eigentlichen Sinne.


    Grüße,
    R.

  • Hallo zusammen!


    Nein. Aber man hat sich dabei unterhalten :breitgrins: - also nicht konzentriert und andächtig zugehört sondern gequasselt, gemampft ... Ist für mich schon U-Musik ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Nein. Aber man hat sich dabei unterhalten :breitgrins: - also nicht konzentriert und andächtig zugehört sondern gequasselt, gemampft ...


    Worüber Mozart sich aber geärgert hat. Wenn die Leute zur Musik von Britney Spears tanzen und quasseln, ärgert sich diese nicht, sondern erwartet dies geradezu als konsequente Folge und Wirkung ihrer Musik - ich sehe hier doch einen Unterschied.


    Grüße,
    R.

  • Hallo,

    Zitat von "sandhofer"


    Nein. Aber man hat sich dabei unterhalten :breitgrins: - also nicht konzentriert und andächtig zugehört sondern gequasselt, gemampft ...


    Selbst der Opernbesuch war oft auch mehr geselliger Treffpunkt als Anlaß zum Kunstgenuß. Man unterhielt sich, tafelte, machte Politik, was bei den ewigen da capo - Arien auch nötig war. :breitgrins: Haydn wollte diesbezüglich mit einigen Sinfonien sogar erzieherisch wirken, ob's ihm gelang, weiß man nicht. Heute ärgere ich mich über die chronischen Huster, die ihre Konzertkarte partout nicht verfallen lassen wollen.


    Zitat

    Worüber Mozart sich aber geärgert hat. Wenn die Leute zur Musik von Britney Spears tanzen und quasseln, ärgert sich diese nicht, sondern erwartet dies geradezu als konsequente Folge und Wirkung ihrer Musik - ich sehe hier doch einen Unterschied.


    Also Mozart hat eine Menge Tanzmusik z. B. für die Faschingssaisons in Wien geschrieben, und ich denke schon, daß man dabei quasseln durfte. :zwinker: Diese Art "klassischer" Musik würde ich auch als U-Musik bezeichnen, es gab halt die Unterscheidung zur E-Musik damals noch nicht.


    Viele Grüße,
    Gitta


    P.s. Was versteht Ihr eigentlich unter "Tafelmusik" bei Mozart?

  • Zitat von "xenophanes"

    Vermute mal: Telemann :breitgrins:


    CK


    Das habe ich mir fast gedacht! :breitgrins: :winken:


    Grüße,
    Gitta

  • Hallo Gitta,

    Zitat von "Gitta"


    es gab halt die Unterscheidung zur E-Musik damals noch nicht.


    Nichts für ungut, aber da möchte ich widersprechen. Auch wenn er noch nicht so benannt worden ist, gab es den Unterschied durchaus - die Unterhaltungsmusik dieser Zeit war die Tanzmusik, die auf Dorffesten und Hochzeiten gespielt wurde. Ich bin mir sicher, daß sich Mozart über diesen Unterschied völlig im klaren war.


    Und natürlich kann auch ein "E"-Komponist zwischendurch gelegentlich "U"-Musik komponieren, warum nicht? Es kommt auf das einzelne Werk an, nicht auf den Komponisten. Ferner ist das entscheidende Kriterium nicht, ob sich irgendwelche Banausen im Konzert rüpelhaft benehmen. Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Zur E-Musik geht man, um die Musik zu hören, zur U-Musik geht man, um zu tanzen.


    Damit sind wir bei der ganz am Anfang gestellten Frage angelangt, was denn eigentlich Kunst sei. Für mich ist Kunst Gestaltung, die keinen äußeren Zweck verfolgt (wie Schaufenstergestaltung oder Design), sondern die in sich selbst ruht. Der Künstler bringt sich darin zum Ausdruck, ohne fremde Erwartungen (etwa von einem Auftraggeber oder dem Publikum) zu berücksichtigen. U-Musik ist deshalb keine Kunst, weil sie einen Zweck verfolgt (die Leute zum Tanzen zu animieren), und weil sie in der Regel auch auf die Erwartungen des Publikums zugeschnitten ist.


    Die interessantere Frage ist eigentlich, warum E-Musik überhaupt entstehen konnte, denn jahrhundertelang gab es sie nicht. Dann blüht plötzlich die E-Musik auf, um nach gut 300 Jahren wieder zu verschwinden - denn ich muß dazu sagen, daß ich heutige Esoteriker wie Stockhausen keineswegs mehr "ernst" nehmen kann. Die E-Musik endet für mich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Mahler, Strauss, Sibelius). Jazz ist teilweise "ernst", aber die Grenzen zur U-Musik werden da wieder fließend.


    Warum also überhaupt E-Musik? Das ist die Frage ...