Deutscher Buchpreis 2018

  • Soweit dann meine Liste:


    Matthias Senkel, Dunkle Zahlen: 2 Sterne (wirres Gedankenkonstrukt, zu unökonomisch erzählt)

    Susanne Röckel, Der Vogelgott: 2 Sterne (jemand auf Amazon schrieb äußerst treffend von einer 'kafkaesken Nicht-Handlung)

    Anja Kampmann, So hoch die Wasser steigen: 3,5 Sterne. (sehr ausgereifter Stil, aber von der Handlung her dann doch nicht wirklich begeisternd)

    Gerd Loschütz, Ein schönes Paar: 4 Sterne

    Susanne Fritz: Wie kommt der Krieg ins Kind: 4,5 Sterne (ein ausgesprochen guter Text, allerdings nicht wirklich ein Roman, daher dann doch keine ganzen fünf Sterne...)

    Arno Geiger, Unter der Drachenwand: 5 Sterne plus (mein Buch des Jahres bisher)

    Adolf Muschg, Heimkehr nach Fukushima: 3 Sterne

    Stephan Thome, Gott der Barbaren: 2,5 Sterne

  • Arno Geigers Unter der Drachenwand“ würde ich gern ganz vorn sehen :thumbup:


    Der Klappentext vom neuen Thome spricht mich sehr an.

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Die Shortlist ist heute bekannt gegeben worden:


    https://www.deutscher-buchprei…iniert/#section-shortlist


    Eine Fehlentscheidung ist sicher, Arno Geiger nicht zu nominieren. Sein Buch hätte das absolut verdient, was ich von Susanne Röckels Buch nicht sagen kann. Bei Stephan Thome bin ich zwiegespalten. Ihm würde ich den Preis sogar wünschen - allerdings nicht unbedingt für dieses Buch, sondern für seine bisherigen Bücher... :-)


    Für Nino Haratischwili freut es mich ebenfalls. Allerdings habe ich das neue Buch noch nicht begonnen.


    Maxim Biller braucht es auf der Liste nicht, das bläst nur sein Ego weiter auf. Zu Barbetta und Mahlke kann ich nichts sagen. Allerdings interessieren mich ihre Bücher auch nicht wirklich.


    Mittlerweile hatte ich von der Longlist auch noch den Roman 'Hier ist noch alles möglich' von Gianna Molinari gelesen, der mir auf seine Weise sehr gut gefallen hat. Aber wie die anderen Bücher, die ich von der Longlist gelesen habe, hätte auch dieser nicht unbedingt auf die Shortlist gehört (ausgenommen Geiger). Besser als Röckel ist er jedoch alle mal.


    Also: überzeugt bin ich von der Shortlist nicht, aber Thome und Haratischwili gönne ich die Nominierung.

  • Am nächsten Sonntag lesen alle nominierten Kandidaten in Frankfurt/Main. Danach ist man schlauer. In den letzten Jahren hat dann meist der Kandidat gewonnen, bei dem es im Publikum die meisten Lacher gab bzw. bei dem man beeindruckt zurückblieb. Jeder Autor hat nur eine halbe Stunde. Von der Papierform her müsste nun Biller der Favorit sein.

  • Von der Papierform her müsste nun Biller der Favorit sein.

    Was meinst Du damit?


    Ich meine, Biller ist zu unsympathisch, extrem polarisierend und einfach kein gutes Gesicht für den Buchpreis, daher kann ich mir kaum vorstellen, dass er den Preis bekommt. Es sei denn, die Jury ist auf Krawall gebürstet. Das ist allerdings rein von der Persönlichkeit her gedacht...


    Das Buch selbst hat eine sehr schlechte Rezension in der FAZ gehabt. Die endete recht eindeutig:


    Zitat

    Die Rezensentin ist dafür, dieses Angebot anzunehmen und das Buch zu ignorieren, zumal deutsches Lob für einen Roman, in dessen Zentrum ein geldversessener Jude steht, für Maxim Biller ein gefundenes Fressen wäre.


    Quelle: https://www.buecher.de/shop/bu…/detail/prod_id/52436726/

  • Billers Buch ist dünn, das Thema ist deutsch, sprachlich ist es anspruchsvoll, und Biller ist bereits bekannt. Und mein Buchhändler empfiehlt es (mit Einschränkungen).Thome und Haratschwili schreiben hingegen mehr als 700 Seiten. Puh. Die restlichen 3 Autoren sind bisher vollkommen unbekannt. Und die Themen: Wen soll der Mythos eines Vogelgotts hinter dem Ofen hervorlocken? Natürlich ist das nur die Papierform.

  • Es steht außer Frage, dass jedes nominierte Buch, auf seine eigene Weise gut ist. Das eine "beste" Buch kann es doch gar nicht geben. Aber zugegeben: In der Vergangenheit gab es schon Sieger, die man so nicht erwartet hätte. Aber wenn man in Frankfurt war (und ich war die letzten Jahre immer dort), dann haben sich dort schon ein bis zwei Favoriten herauskristallisiert, da merkte man einfach die größere Aufkmerksamkeit des Publikums bei einigen Texten.

  • Billers Buch ist dünn, das Thema ist deutsch, sprachlich ist es anspruchsvoll, und Biller ist bereits bekannt.


    Die restlichen 3 Autoren sind bisher vollkommen unbekannt. Und die Themen: Wen soll der Mythos eines Vogelgotts hinter dem Ofen hervorlocken?


    Den 'Vogelgott' fand ich auch ganz fürchterlich und gar nicht preiswürdig.
    Dass Biller sprachlich anspruchsvoll sei, habe ich so bisher noch nicht gehört, zwei Buchhändler, die ich. dazu gehört habe, meinten beide, es sei eher 'nichts Besonderes' (aber beide sind auch keine Fans des Autors).

    Ja, Thome und Haratischwili sind umfangreich. Allerdings war mit Frank Witzel auch ein eher untyptisches Buch schon unter den Preisträgern - und extrem dick. :-)

    Mein Bauchgefühl tendiert eher in Richtung Barbetta, weil sie exotisch und zugleich politisch ist. Aber schauen wir mal. Ich bin mal auf Deinen Bericht aus Frankfurt gespannt!

  • Witzel hatte seinerzeit wirklich den besten Text und die beste Lesung hingelegt. Da war ich auch überrascht. Mein Buchhändler meinte noch, dass sich so ein Buch nie durchsetzen könne (was dann für den späteren Verkauf wiederum stimmte). Biller scheint zu polarisieren, dass könnte ihm natürlich auch Jurorenstimmen kosten. Warten wir mal ab. Ich berichte am 24. September.

  • Dass Biller sprachlich anspruchsvoll sei, habe ich so bisher noch nicht gehört, zwei Buchhändler, die ich. dazu gehört habe, meinten beide, es sei eher 'nichts Besonderes' (aber beide sind auch keine Fans des Autors).

    Die SZ war in der gestrigen Besprechung jedenfalls begeistert von Biller und spricht von stilistischer Eleganz.

  • Vier Autoren lasen gestern im Schauspiel Frankfurt. Biller und Haratschwili waren verhindert. Die vier Texte konnten mich alle nicht voll überzeugen, dennoch stach ein Text heraus: "Gott der Barbaren" von Stephan Thome. Der Autor schaffte es als einziger in den ihm zur Verfügung stehenden 30 Minuten sein Buch gut zu verkaufen. Der Hintergrund der Geschichte ist ein wahres geschichtliches Ereignis im China des 19. Jahrhunderts, der sogenannte Taiping-Aufstand, der bei uns im Westen kaum bekannt ist, jedoch 20-30 Millionen Todesopfer forderte. Sowohl Inger-Maria Mahlke als auch Susanne Röckel hatten es auf der Bühne schwer, da sie mit der Moderatorin Sandra Kegel von der FAZ kämpfen mussten, die die Autoren zu wenig zu Wort kommen ließ. Barbattas "Nachtleuchten" spielt in Buenos Aires. Sie erzählt wohl den am leichtesten konsumierbaren Roman, der Mitte der 1970er Jahre spielt. Insofern wundert es nicht, dass sich bei ihr die wohl längste Signierschlange bildete. Eine Büchernärrin hat das Buch jedoch nach 400 Seiten beiseite gelegt (also kurz vor dem Ende, denn der Roman hat nur 524 Seiten). Nach wie vor sehe ich Biller mit seinem dünnen Büchlein in der Favoritenrolle. Jedoch könnten hier Marketingüberlegungen gegen ihn sprechen. Biller hat bisher keinen einzigen Termin auf der Buchmesse, er bleibt dem Trubel fern und ein Buchpreisgewinner, der auf der Buchmesse nicht anwesend ist, wäre für die Sponsoren natürlich der Super-GAU. Nun, wenn er gewinnen sollte, dann wird er sich gegen den ein oder anderen Pressetermin wohl nicht verwehren können. Aber ob man das risikiert ... Ich glaube nicht. The Winner is Stephan Thome.


    Schöne Grüße, Thomas

  • Vielen Dank für Deinen Bericht!


    Ist ja sehr interessant, aber auch sehr schwierig, da ja mit Haratischwili und Biller gerade zwei der bereits sehr bekannten Namen gefehlt haben... Haratischwili hat sehr viel Sympathie, wenngleich das neue Buch ja nicht so dolle sein soll (ich bin immer noch nicht dazu gekommen). Biller ist eher der Provokateur, aber wenn er sich so rar macht, wird ihn die Jury wohl tatsächlich übergehen.


    Für Stephan Thome würde es mich schon sehr freuen, auch wenn ich dieses Buch nicht so fesselnd fand. Daher ist interessant, dass es an dem Abend in seiner Präsentation so gut angekommen ist. Hatte er eine andere Gesprächspartnerin als Sandra Kegel oder konnte er sich ihr gegenüber einfach besser behaupten?


    Welchen Eindruck hat Susanne Röckel gemacht?

  • Thome hatte Alf Mentzer von hr2, das war einfach ein besseres Gespräch. Mentzer fungierte mehr als Stichwortgeber, war sehr gut vorbereitet und hielt keine Monologe.

    Röckel wirkt eher unscheinbar, hat ihren Text leider ohne viel Betonung gelesen. Dann auch ein paar Versprecher am Ende. Kann man drüber weg sehen, passte letztlich aber zum Gesamtbild. Wirkte alles recht blass. Dabei war das Gespräch eher lustig, was aber gar nicht zum Text passte. Eigentlich ein recht ernster Text (die gewählte Lesestelle), das Gespräch davor ließ das Buch jedoch immer wieder ins Lächerliche abgleiten und Frau Röckel ist m.E. zu höflich, um das in eine andere Richtung zu lenken. Ich glaube, der Text hätte andere Fragen verdient. Man kann das auf hr2 Anfang Oktober nachhören. Die vier Gespräche werden dann gesendet.

  • Meine Reihenfolge des gestrigen Abends wäre: Thome, Barbetta, Mahlke, Röckel. Wäre halt schön, wenn noch 2-3 andere über den Abend schreiben würden. Aber weder hier noch drüben im großen Forum stößt der Deutsche Buchpreis auf genügend Interesse. Die 600 Plätze waren jedoch ausverkauft. Es gab dann doch noch erhebliche Lücken, aber kurz zuvor gab es in FFM ein Unwetter.

  • Am allerbesten hat mir übrigens Alexander Skipis, Geschäftsführer beim Börsenverein des deutschen Buchhandels, gefallen, der in seiner Eröffnung nicht nur auf die Schwierigkeiten im Buchmarkt hinwies (immer weniger Käufer, zugleich aber eine konstant hohe Nachfrage nach Lesungen), sondern sich politisch klar positionierte und während des Erdogan-Besuchs Lesungen von Texten gefangener Schriftsteller und Journalisten plant. Er will den Bundespräsidenten fragen: "Herr Bundespräsdient, wie fühlt es sich an, mit einem Despoten mit einem Glas Sekt anzustoßen?" Da wurde nicht um den heißen Brei herumgeredet, sondern klar Stellung bezogen. Mehrfach Szenenapplaus.