November 2003: Dante Alighieri: Die göttliche Komödie

  • Hallo Ikarus
    die Fragen durchzugehen hat Spaß gemacht, wenn auch die Auswertung seltsamerweise nicht geklappt hat, wegen "unauthorisierte Seite" (o.ä. Begriff).


    Danke für den Link und danke für die Aufmunterung.
    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    ich bin die Fragen auch durchgegangen und bei mir hat die Auswertung geklappt. Ich bin noch nichtmal in einem Kreis der Hölle gelandet, sondern im Purgatorio.


    Gruß von Hubert


    PS: Na ja, vielleicht hab ich bei zwei/drei Fragen etwas geflunkert.

  • Hallo !


    Nachdem jetzt alle, wie ich hoffe, die Hölle hintersich haben, werde ich an diesem Wochenende mit dem Purgatorium anfangen.


    Irgendwie habe ich den Überblick verloren :sauer: wer liest denn noch mit und wie weit seid ihr ??


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen !


    Zu Beginn des Purgatoriums stelle ich fest, dass Virgil zunehmend verunsicherter wird. Er kennt den Weg nicht mehr genau, muß immer wieder fragen und ist nicht mehr der allwissende Führer. Im 3. Gesang lehnt er es ab, dass nach dem "warum" gefragt wird denn könntet alles ihr durchschaun, so brauchte Maria je nicht erst Mutter werden
    Ein Hinweis auf den Glauben ? Der Verstand (=Virgil) hilft beim Glauben nicht weiter ?


    Im Vorraum zum Fegefeuer tummeln sich jede Menge Seelen, die dringend Fürbitter brauchen, und Dante fragt sich dann im 6. Gesang, ob diese überhaupt Sinn haben, ob Gott dadurch beeinflußt wird, denn die Bitten kommen ja nicht aus der Seele selbst. Die Antwort Virgils habe ich aber nicht so ganz verstanden: Dante soll sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, denn Beatrix wirds schon richten ??


    Insgesamt fällt mir noch auf, dass sehr viel von Licht und Schatten die Rede ist. Das Purgatorium scheint doch mehr mit der Realität verzahnt zu sein als die Hölle.


    LG von Steffi

  • Zitat von "Steffi"

    Zu Beginn des Purgatoriums stelle ich fest, dass Virgil zunehmend verunsicherter wird. Er kennt den Weg nicht mehr genau, muß immer wieder fragen und ist nicht mehr der allwissende Führer. Im 3. Gesang lehnt er es ab, dass nach dem "warum" gefragt wird denn könntet alles ihr durchschaun, so brauchte Maria je nicht erst Mutter werden
    Ein Hinweis auf den Glauben ? Der Verstand (=Virgil) hilft beim Glauben nicht weiter ?


    Ich würde es eher umgekehrt formulieren: erst wenn der glaube dem verstand hinzutritt, erlangt der mensch das richtige verständnis der welt.
    Der manesse kommentar (ähnlich der gmelin): Nur ein "tor" (purg 3,34) könne glauben, "mit seinem intellekt die ganze absicht und das wesen der dreinigen gottheit zu erkennen". Die erleuchtung stehe also über dem intellektuellen denken. Die philosophen des altertums (aristoteles u.a.) seien gescheitert, "auf dem wege des denkens die rätsel des daseins zu lösen. Erst als mit dem erlöser die göttliche gnade auf die erde heruntergestiegen war, konnte auf dem weg der erleuchtung die lösung gebracht werden."
    Das "daß" und "warum" ist eine formel der scholastik: "Die vernunft hat sich damit zu begnügen, daß sie erkennt, daß die dinge und beziehungen bestehen. Das warum, die erkenntnis des urgrundes, aus welchem alles dasein heraufwächst, bleibt der vernunft versagt; sie wird nur durch die offenbarung der göttlichen wahrheiten dem menschen sichtbar."
    Indem vergil, der vernunftmensch dies ausspricht, wird ihm klar, daß die theologie in punkto erkenntnisgewinn über der philosophie (und vernunft) steht , und daß ihm als vernunftmensch bzw. heide die letzten erkenntnisse verwehrt bleiben müssen (zeile 40-43: "...die vergeblich wünschten...zum ewgen gram...) (irgendwie erinnert mich dies an den faust-mythos). Diese erkenntnis ist natürlich für vergil beschämend. Vergil sieht seine grenzen kommen, während dante "wächst und wächst, denn ihm als christen ist die göttliche offenbahrung zugänglich." Das führungsverhältnis verwandelt sich in eine freundschaft, schließlich muß ja die trennung beider am ende vorbereitet werden.


    Zitat von "steffi"

    Im Vorraum zum Fegefeuer tummeln sich jede Menge Seelen, die dringend Fürbitter brauchen, und Dante fragt sich dann im 6. Gesang, ob diese überhaupt Sinn haben, ob Gott dadurch beeinflußt wird, denn die Bitten kommen ja nicht aus der Seele selbst. Die Antwort Virgils habe ich aber nicht so ganz verstanden: Dante soll sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, denn Beatrix wirds schon richten ??


    Ich habe es so verstanden, daß die fürbitte der lebenden für die seelen im purgatorium tatsächlich einen deutlichen einfluß auf die verweildauer hat.
    Die frage von dante an vergil (purg 6,28ff) bezieht sich auf eine stelle der aeneis, in der vergil sagt, man könne durch bitten zu gott das schicksal nicht ändern. Vergil bestätigt die helfende wirkung der bitten (34-40: ..."nicht getäuscht wird dieser seelen hoffnung...") und erklärt, seine ausführung habe sich auf die bitten von heiden an gott bezogen. Weil diese bitten von heiden stammen, können sie nicht zu gott vordringen (z. 42), und bleiben ungehört. Da vergils erkenntnismöglichkeiten an ihre grenzen stoßen, verweist er für weitere erklärungen auf beatrice.
    Als vernunftmensch könnte man jetzt fragen: warum eigentlich hört gott sie nicht? Oder warum werden bitten überhaupt erhört? Aber das sind eben wieder nur fragen eines vernunftmenschen :rollen:
    gruß hafis

  • Hallo hafis50,


    danke für deine Erklärungen. Die Diskrepanz Heide-Christ hatte ich nicht gesehen. Besonders wichtig erscheint mir deine Aussage


    Zitat von "hafis50"


    Indem vergil, der vernunftmensch dies ausspricht, wird ihm klar, daß die theologie in punkto erkenntnisgewinn über der philosophie (und vernunft) steht , und daß ihm als vernunftmensch bzw. heide die letzten erkenntnisse verwehrt bleiben müssen


    Schwierig, für mich als Nicht-gläubige, hier die Theologie an erster Stelle zu sehen. Erkennbar wird, dass unsere Gesellschaft und unsere Denkweise ganz massiv von der Vernunft geprägt wird, eine tiefere Erkenntnis suchen wir bzw. die Wissenschaftler - wenn ich z.B. an Genforschung denke, nicht mehr. Sollte es wirklich immer wieder auf diese alte Frage hinauslaufen ? Haben wir uns in diesen 700 Jahren kein Stückchen weiterbewegt oder etwa in die falsche Richtung ?


    Diese Fragen schwirren mir im Kopf herum - sollte man dann die Komödie nicht auch mit dem "Herz" lesen anstatt mit dem "Verstand" = unzählige schlaue Kommentare ? Ist es nicht ein Widerspruch - ich kann ein Buch, das für den Einsatz des Glaubens plädiert nur mit Hilfe des Verstandes lesen ?


    Gruß von Steffi

  • hallo Mitleser, hallo Steffi,


    nun ist es soweit: nach dem 8. Gesang Fegefeuer gebe ich mich geschlagen, und bring' Buch + Komentar zurück in die Bibliothek... Ich gebe es offen zu, ich bin an dem Werk gescheitert. Letztlich verläuft doch jeder Gesang nach demselben Muster: sie gehen ein Stückchen weiter, sie treffen jemanden, der erzählt seine (mehr oder weniger spannende) Geschichte, sie gehen weiter... Ich hätte wirklich Interesse aufbringen müssen für die theologischen Fragestellungen, die sich aus Dantes Entwurf jeweils ergeben, doch dafür fehlt mir auch gleichzeitig die Verankerung im christlichen Glauben... Und diese Verankerung halte ich tatsächlich für wichtig bei der Lektüre dieses Werkes, weil sonst alles nur Seifenblase auf anderer Seifenblase ist, ohne jegliche Relevanz, ohne die Möglichkeit auch nur ansatzweise ein Gefühl der Einfühlung aufkommen zu lassen...


    Ich hoffe ihr seit gänzlich anderer Meinung als ich und habt' auch weiterhin Gefallen an dem Werk, der Vielzahl seiner Bilder und religiösen und mythologischen Bezügen...


    vorweihnachtliche Grüsse,
    Lucien

  • Hallo Lucien,


    schade, dass du nicht mehr mitliest, aber trotzdem hast du ja doch einige Erkenntnis aus der Komödie gewonnen. Ich glaube auch, dass es in erster Linie um theologische und philosophische Fragen geht und Dante macht einem den Zugang dazu recht schwer - naja, eben aus unserer heutigen Sicht sind viele Dinge nicht so leicht nachzuvollziehen.


    Für mich ist der Versuch, diese Sichtweise zu verstehen trotzdem so spannend, dass ich erstmal weiterlese - auch wenns manchmal schwerfällt :zwinker:


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Lucien"

    Letztlich verläuft doch jeder Gesang nach demselben Muster: sie gehen ein Stückchen weiter, sie treffen jemanden, der erzählt seine (mehr oder weniger spannende) Geschichte, sie gehen weiter...


    Das ist richtig und es kann ja gar nicht anders sein, weil eben hier alles beendet, unveränderbar und endgültig entschieden ist. Der manesse geht hierauf ein und stellt fest, daß dies einem heutigen leser als "langweilig" erscheinen könnte. Dante hat aber sicher nicht für uns, sondern für menschen seiner zeit geschrieben. Für gläubige wie dante kann aber eine solche -meditative- wiederholung die wahrheit des gesagten erhöhen. Diese wiederholung von sprüchen, gebeten etc. gibt es wohl auch in anderen religionen.
    Ich -ebenfalls als nicht-gläubiger- habe es zu beginn ebenso zunächst als tendenziell "langweilig" empfunden. Jetzt bin ich aber schon im 16. des paradiso. Die fehlende verankerung im glauben ist für mich kein unüberwindbares hindernis, die religiöse inbrunst wenigstens ansatzweise nachzuempfinden. Ohne kommentar aber wäre das wohl nicht möglich. Natürlich kann man dieses werk auch anders als religiöse offenbarung lesen. Zum beispiel als versuch eines dichters, den von ihm bewunderten vergil dichterisch zu übertreffen.


    Zitat von "Lucien"

    Und diese Verankerung halte ich tatsächlich für wichtig bei der Lektüre dieses Werkes, weil sonst alles nur Seifenblase auf anderer Seifenblase ist, ohne jegliche Relevanz, ohne die Möglichkeit auch nur ansatzweise ein Gefühl der Einfühlung aufkommen zu lassen...


    Neben den philosophischen fragestellungen weckt bei mir aber auch schon die fremdheit dieses denkens interesse. Und die fremdheit steigert sich in meinen augen vom inferno zum paradiso: die hölle ist mir nichtgläubigem "vertrauter" als das paradiso. Vielleicht fürchte ich die hölle mehr als ich das paradies erhoffe. Jemand zu dante's zeiten hätte wohl so nicht gedacht.
    Da fällt mir pasqal's gedanke ein: man soll gläubig sein, nur für den fall, daß die hölle tatsächlich existiert :zwinker:
    gruß hafis

  • hallo Steffi und Hafis,


    ich werde die Gesänge ja irgendwann nochmal zu Ende lesen (bin da sehr streng mit mir was einmal begonnene Bücher betrifft), aber um das Eingeständnis, dass ich Dante nur in homöopathischen Dosen verkrafte, komme ich trotzdem nicht herum...
    Und vielleicht kommt ja im nächsten Frühjahr eine Phase wo ich danach verlangen werde zu wissen, wie denn nun das Paradies in Dantes Entwurf aussieht... aber für die Weihnachtsferien sehne ich mich nach was Einfachem, Lustigem, Entspannendem...


    Grüße,
    Lucien

  • Hallo Lucien


    Es ist zwar schade, daß Du aufgegeben hast, aber ich verstehe Dich. Ich tue mir auch schwer und finde es mühselig, ständig die Erklärungen und Kommentare zu den Gesängen lesen zu müssen. Aber ohne diese geht es nun mal nicht. Die philosophischen Fragestellungen erschließen sich mir auch nicht richtig. (Danke, hafis, für Deine Ausführungen. Sie helfen mir sehr zum Verständnis). Ich befürchte auch, daß die Hölle womöglich der spannendste Teil des Buches gewesen sein könnte.
    Trotzdem werde ich weiter lesen, da sich mir durch dieses Buch ein faszinierender Blick auf die, doch sehr fremde, Gedankenwelt und das Leben des Mittelalters eröffnet. Und das finde ich schon sehr interessant.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo ,


    hafis hat geschrieben:


    Zitat

    Für gläubige wie dante kann aber eine solche -meditative- wiederholung die wahrheit des gesagten erhöhen.


    Auf diese Idee bin ich noch nicht gekommen, aber es ist durchaus einleuchtend. Vor langer Zeit habe ich einmal an einem Rosenkranz-Gottesdienst teilgenommen, da wird ja auch immer wieder dasselbe gebetet und in der ganzen Atmosphäre stellte sich tatsächlich eine Art Trance bei mir ein. Es war ein faszinierendes Erlebnis.


    Ohne sich auf die Sicht des Mittelalters einzulassen, wird der Dante wohl nicht zu bezwingen sein.


    ikarus schrieb:


    Zitat

    Danke, hafis, für Deine Ausführungen. Sie helfen mir sehr zum Verständnis


    Großer Dank auch von mir. Ohne dich hätte ich bisher bestimmt so gut wie nichts verstanden !


    Gruß von Steffi


  • Hallo zusammen, hallo Steffi


    Eigentlich würde ich gerne im Purgatorium mitlesen, Ihr seid aber zu schnell für mich, zuerst 'muss' ich Dos Passos fertig lesen, danach möchte ich eine kleine Pause und erst Januar 2004 wieder ein gemeinsames Lesen mitmachen.


    Dass Lucien ausgestiegen ist, wundert mich nicht. Ich bin in rund 30 Jahren bei 3 Anläufen 2mal im Purgatorio und 1mal im Paradiso steckengeblieben. Deshalb hatte ich gehofft, in eineme gemeinsamen Lesen das Ding endlich einmal zu beenden, auch sintemal meine theologischen Kenntnisse in der Zwischenzeit gebessert haben ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen


    Endlich hatte ich mal wieder Zeit eine längere Strecke in der "Göttlichen Komödie" zu lesen und habe gleich das halbe Purgatorium geschafft.
    Die Stimmung ist jetzt eine ganz andere. Viel heller und freundlicher. Anstatt von Teufeln werden Dante und Vergil nun von strahlenden Engeln geleitet. Der Sänger Casella gibt ein Konzert am Strand und als Cato die Seelen daraufhin wie einen Hühnerhaufen auseinander treibt hat das schon eine gewisse Komik.
    Schwierig ist manchmal das Erkennen und Deuten der Symbole (z. B. Adler, Sonne etc.). Aber wie soll ich das schaffen, wenn sich nicht mal die "Experten" einig sind. Die Bedeutung der drei Stufen im 9. Gesang wird von Walther von Wartburg in der Manesse-Ausgabe so erklärt: "...am wahrscheinlichsten versinnbildlicht der Marmor die ursprüngliche Unschuld des Menschen, der rauhe, dunkle Stein das Stadium der Sünde, der Porphyr die Erlösung durch Christi Blut."
    Philalethes dagegen deutet die Stufen als die drei Grade der Buße: "Die erste blanke Marmorstufe ist der Reue erster Teil - die Sündenanerkenntnis, die zweite, geborstene, der Schmerz, der die Sündenstarre zermalmt, die dritte, blutigrote, die Opferbereitschaft."
    Ich tendiere zur Deutung von Walther von Wartburg. Sie erscheint mir etwas plausibler.


    Ein schönes Bild fand ich, wie sich Dante mit einer Hand auf der Schulter Vergils durch den Rauch leiten läßt, der den Zornigen die Augen vernebelt. Das habe ich durchaus als Selbstkritik Dantes gelesen, der einige Gesänge vorher seinem Zorn auf Italien freien Lauf ließ und sich wohl auch zu dieser Klientel gerechnet hat. Das würde ich mir öfter wünschen, daß sich Menschen, die blind vor Zorn sind, Vernunft annehmen würden und sich von ihr leiten ließen.


    Ich komme nun zum 17. Gesang (Purg.)
    (Aber wahrscheinlich erst Anfang nächsten Jahres)


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • gmelin steht in seiner interpretation v. purg 9, 94ff, der des philalethes nahe:
    "Die erste stufe...bedeutet contritio cordis,die zerknirschung, die der beichte vorangeht, speziell die selbstprüfung, und der leser wird auch ausdrücklich durch den spiegelcharakter darauf hingewiesen.
    Die zweite stufe...ist in ihrer symbolik weniger klar. Die meisten sehen in ihr die confessio oris (wohl das sündengeständnis?), andere...dagegen eine zweite stufe der contritio, nach der selbstprüfung die eigentliche zerknirschung...
    Die dritte, blutrote stufe wird gewöhnlich als die dritte stufe des buß-sakramentes gedeutet, die satisfactio operis, wobei die rote farbe die cariitas, die aus der zerknirschung erwachsene gottesliebe, bedeuten soll."


    Wenn die lektüre eines werkes soviel interpretativen aufwand erfordert, stellt sich die frage, wielange es noch gelesen werden wird, oder warum es eigentlich bis heute überlebt hat.
    Vielleicht hat dante selbst im paradiso 33, 67ff, in dem er gott selbst anruft, die antwort gegeben:


    O höchstes licht, das so weit übersteigt
    die menschlichen begriffe, leih ein wenig
    von dem, wie du dich zeigtest, meinem geist.


    Schenk meiner zunge diese mächtge kraft,
    daß einen einzgen funken dieser pracht
    ich hinterlasse kommenden geschlechtern;


    Wenn etwas nur mir im gedächtnis haftet
    und nur ein wenig klingt in diesen versen,
    so wird man deinen sieg noch mehr verstehn.


    Zumindest in einer hinsicht ist die bitte dante's in erfüllung gegangen.
    Damit bin ich nun am ende angelangt :klatschen:
    gruß hafis

  • Hallo Dante-Leser,


    Ich bin jetzt auch wieder dabei, mittlerweile bei den letzten Gesängen des Purgatorio. Sehr beeindruckend die Schilderung von Beatrices Vorwürfen und Dantes Zerknirschung.


    Mein Gesamturteil wird sich wohl auch nach dem Paradiso nicht mehr ändern: Das Werk ist weltanschaulich für mich nicht relevant. Und ich möchte Hafis zustimmen: Es lebt sehr von seiner sprachlichen Ausdruckskraft, die wohl nur im Original ganz zu erleben ist.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo !


    Endlich bin ich nun auch ein Stückchen weitergekommen.


    ikarus schrieb:

    Zitat

    am wahrscheinlichsten versinnbildlicht der Marmor die ursprüngliche Unschuld des Menschen, der rauhe, dunkle Stein das Stadium der Sünde, der Porphyr die Erlösung durch Christi Blut.


    Schwierig zu entscheiden, was nun gemeint sein könnte. Zuerst ist mir bei Marmor ja auch Reinheit eingefallen bis mir auffiel, dass dieser Begriff evtl. durch die Kunst, vor allem in der Renaissance (Michelangelo) geprägt wurde, also nach Dante. Damit wäre die Interpretation Philaletes näher an Dante ?


    @hafis: Beneidenswert dass du schon fertig bist :breitgrins:
    Du schreibst:

    Zitat

    wielange es noch gelesen werden wird, oder warum es eigentlich bis heute überlebt hat.


    Tja, bislang weiß ich darauf auch keine Antwort ... aber "im Gedächtnis haften" bleibt die Göttliche Komödie ja allemal !


    Wärend des Purgatoriums fällt mir weiter auf, dass Virgil zunehmend hilfsbedürftiger wird. Welche Rolle spielt der im 22. Gesang neu hinzugekommene Begleiter - so eine Art christlicher Virgil ? Dante ist mehr und mehr auf sich alleingestellt. Er muß auch nicht mehr jedes Gepräch anfangen, sondern immerzu wird er gefragt, ob er einer der Lebenden ist; wohl weil die hier weilenden Seelen auf Fürbitte hoffen ? Während des 2. Kreises (Neid) war die Symbolik der Augen vorherrschend: die Sonne führt Dante aber die Lider der Seelen sind zugenäht, der Engel blendet die Reisenden. Wird nicht auch Gottes Auge als christliches Symbol verwendet - ich meine, in Kirchen erscheint es zuweilen oben an der Decke, ein Auge in einem Dreieck ? Wißt ihr etwas darüber ?


    Passend zum 3. Kreis ( Zorn) wird die freie Willensentfaltung diskutiert: nicht Gott ist verantwortlich für das Böse sondern der freie Wille des Menschen bzw. die weltliche Führung.


    Interessant auch die Verknüpfung zwischen Geiz und Verschwendung im 22. Gesang. Läßt sich durch den Glaube ein Mittelmaß finden ?


    Nicht soviel anfangen konnte ich mit dem Exkurs über die Liebe, natürliche und seelische Liebe, dreifache Liebe usw. ???


    Ich komme jetzt zum 24 Gesang (Purg.)


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"

    Welche Rolle spielt der im 22. Gesang neu hinzugekommene Begleiter - so eine Art christlicher Virgil ?


    Eine gleichstellung der beiden kommt wohl nicht in frage, weil statius sowohl in der komödie wie auch im wirklichen leben kein vergil gleichrangiger dichter war. Und statius war durch vergil zum christentum bekehrt worden. In meinen kommentaren werden verschiedene deutungen angeboten: einmal als darstellung eines sehr menschlichen motives, -die freude über das zusammentreeffen-, was zeigt, daß die menschen im purg. immer noch menschlich sind. Subtiler ist die unterstellung einer narzißstischen phantasie: dante malt sein treffen mit den großen dichtern des altertums und hofft innerlich auf lob und bestätigung seines dichterischen ranges. Laut Gmelin hat dante "statius zum heimlichen christen gemacht, um in ihm die über das rein dichterische ins ethische und religiöse reichende wirkung der dichtung vergils zu exemplifizieren". In Vergil's werk wurde damals die vorankündigung christi gelesen. Das zweite thema sei die bekehrung zum christentum: statius erkennt in den predigten der christen die prophezeiungen vergils wieder.


    Zitat

    Wird nicht auch Gottes Auge als christliches Symbol verwendet - ich meine, in Kirchen erscheint es zuweilen oben an der Decke, ein Auge in einem Dreieck ? Wißt ihr etwas darüber ?


    Knaus lexikon der symbole:
    "in der christl. ikonographie ist das auge -inmitten von sonnenstrahlen oder im dreieck mit nach oben weisender spitze- allbekanntes symbol der göttl. allgegenwart bzw. der dreifaltigkeit...in der freimauerischen symbolik ist das 'allsehende auge' im dreieck und strahlenkranz, dem oben erwähnten dreifaltigkeitssymbol entsprechend, inn vielen logen über dem stuhl des meisters angebracht und soll an die alle geheimnisse durchdringende weisheit u. wachsamkeit des schäfers...gemahnen."


    gruß hafis