Clarín: Die Präsidentin


  • Noch glaubt auch der Generalvikar - und glaubt vor allem das zu müssen, um sich Anas Zuneigung zu erhalten - , das Ganze als ideale ethisch-religiöse Beziehung weiter gestalten zu können. Aber eine Szene bei Kommunikantinnen in der Kirche, die er scheinbar gönnerhaft, aber doch lustvoll betatscht, zeigt, dass da wohl noch andere Untertöne in die Beziehung mit Ana kommen werden.


    Das 21. Kapitel hat mir gut gefallen, v.a. die Schilderung der leeren Stadt im Sommer. Und es kommen tatsächlich doch noch die unterdrückten Triebe beim Herrn Generalvikar an die Oberfläche. Die Szene mit den pubertierenden Mädchen in der Kirche fand ich schon sehr erhellend.... Und bald stellt sich ja dann heraus, dass Don Firmin auf Teresina „zurückgreifen“ muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen (mit denen er die heilige Ana nicht belästigen kann...). Und wie glücklich er ist, wenn die Frau Mama mal aus dem Hause ist...

  • Es hätte mich sehr gewundert, wenn dieser Generalvikar, der immer wieder als saftiges Mannsbild geschildert wird, keine Geliebte gehabt hätte.
    Es gibt da eine Stelle (ich kann mich nicht mehr erinnern, in welchem Kapitel), da zieht er seinen abgetragenen Jagdanzug an - offenbar der einzige Anzug "mit Hosen", den er besitzt - und bewundert seine Muskeln im Spiegel ...

  • De Pas ist schon ein seltsamer Typ. Er scheint ja zu versuchen, seine fleischlichen Regungen zu unterdrücken, ist aber irgendwann dann nicht mehr in der Lage dazu. Er wird vom Erzähler auch mit einer gewissen ironischen Distanz geschildert. Im 22. Kapitel heißt es irgendwo, dass Don Fermin „seinen wohlgebauten Körper eines geistlichen Beaus spazierenführt“. Das macht ihn doch schon fast lächerlich.


    Und auch Ana wird immer seltsamer. Auf dem Ball lässt sie sich dazu überreden, mit Don Álvaro zu tanzen, schmachtet ihn an und fällt dann in Ohnmacht :rollen:. Ist wohl alles ein bisschen viel für die Gute. Mal sehen, wo das alles noch hinführt...

  • Ich bin durch :klatschen:.


    Die letzten beiden Kapitel hatten es wirklich in sich. Mit dem Schluss geht es mir ähnlich wie dir, finsbury. Noch schwebt ein großes Fragezeichen über meinem Kopf... Ich werde mal eine Nacht drüber schlafen...


  • Ich bin durch :klatschen:.


    Die letzten beiden Kapitel hatten es wirklich in sich. Mit dem Schluss geht es mir ähnlich wie dir, finsbury. Noch schwebt ein großes Fragezeichen über meinem Kopf... Ich werde mal eine Nacht drüber schlafen...


    Herzlichen Glückwunsch! Zwischendrin, so im zweiten Drittel fand ich den Roman etwas zäh, aber insgesamt hat er mir doch sehr gut gefallen, ich würde ihn sogar zu meinen besten Leseerlebnissen dieses Jahres zählen. Bin gespannt, wie du den Schluss interpretierst... .

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • ... ich würde ihn sogar zu meinen besten Leseerlebnissen dieses Jahres zählen.


    Ich denke, das würde ich auch. Auch wenn der Roman stellenweise etwas zu ausufernd in den Beschreibungen der Personen war. Die Landschaftsbeschreibungen und die Wetterstimmungen waren allerdings richtig beeindruckend. Im vorletzten Kapitel, als Quintanar unfreiwillig zu früh aufsteht und dann im Garten die Entdeckung macht und später zur Jagd fährt: Da ist diese neblige, trübe Winterstimmung schon sehr überwältigend.


    Interessant fand ich, dass mir kaum eine Person im Buch sympathisch war. Einzig Quintanar ist mir ein bisschen ans Herz gewachsen und ich fand es schade, dass es dann genau ihn getroffen hat. Selbst Anas Tod hätte mich nicht betroffen gemacht. Aber vermutlich hat sie eh das schlimmere Schicksal ereilt, denn sie ist ja wie lebendig begraben in ihrem Palast in Vetusta, wenn niemand mehr Kontakt mit ihr haben will.


    Und dann wiederum musste es eigentlich auch Quintanar treffen, da der Generalvikar ja der Hauptauslöser des Duells war und den Tod von Mesía wollte. Quintanar ist da wohl das, was man einen "Kollateralschaden" nennt und was Fermín wenig kümmert.


    Den Schluss habe ich nochmal gelesen, denn die Szene in der düsteren Kathedrale ist schon sehr symbolisch behaftet. Fermín und Ana sind beide von der Gesellschaft isoliert, könnten sich also wieder zusammentun, aber beide erschrecken offensichtlich dermaßen voreinander, dass ein erneuter Kontakt unmöglich ist. Fermín kommt da ja wie ein dunkles Gespenst aus dem Beichtstuhl heraus und erschreckt Ana mit seinen hohlen Augen und dem bleichen Gesicht. Durch ihr Zurückschrecken ist er dann auch wieder abgestoßen und flieht in die Sicherheit der Sakristei. Oder flieht er dorthin, weil er Angst vor seinen verbotenen Gefühlen hat?


    Ana wird dann noch durch den schleimigen Kuss des Messdieners aus ihrer Ohnmacht "errettet"... Diesmal küsst die Kröte die Prinzessin, die daraufhin dann in der Welt ihres persönlichen Wahnsinns erwacht. Alles sehr märchenhaft symbolisch :rollen:.