H. G. Wells

  • Der Unsichtbare
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    Beschreibung
    Unsichtbarkeit, das ist die Faust, die man nicht kommen sieht – Macht über andere.
    H.G. Wells' berühmter Roman läßt diesen Menschheitstraum zur grauenvollen Realität werden.


    Meine Meinung
    Inhalt: Ein junger Physiker - man kann ihn gleichzeitig für genial und wahnsinnig halten - hat es geschafft, sich unsichtbar zu machen - irreversibel. Zunächst ist er voller Euphorie und böser Pläne, bis er schnell merkt, dass sein Zustand auch mit erheblichen Nachteilen verbunden ist. Er forscht daran, seine Unsichtbarkeit rückgängig zu machen, wird aber schließlich von seiner Umwelt "enttarnt" und flieht nach einigen Verwicklungen zu einem ehemaligen Kollegen, dem er seinen Plan unterbreitet, mit dessen Hilfe die Weltherrschaft an sich zu reißen. Es kommt zum finalen Kampf zwischen den Wissenschaftlern.


    Nicht erst seit Gunther Brunhild narrte,scheint es ein Menschheitstraum zu sein, unsichtbar und damit unentdeckt eigene Pläne zu verfolgen, und damit - letztenendes geht es nur darum - Macht über andere zu erlangen. Wells zeigt mit seinem Roman, dass Unsichtbarkeit mindestens genauso große Nachteile mit sich bringen kann.
    Alles in allem ein interessantes Gedankenspiel und ein bis zum Schluss spannender Roman, der Einblicke in menschliche Abgründe gibt und keinen Zweifel offen lässt, dass die Menschheit, wenn ihr die Möglichkeit gegeben wird oder sie sie selbst herausfindet, ihre Erkenntnisse gnaden- und skrupellos einsetzen wird.

  • Als Comic- und Filmfigur ist der Unsichtbare ja oft sehr verharmlost oder sogar zum menschenfreundlichen Superhelden umgewidmet worden. Danke, louzilla, dass du unseren Blick wieder auf die dunkle Seite der Macht lenkst, auf der ihn sein Schöpfer gesehen hat.


    Wie gefällt dir grundsätzlich Wells' Stil? Ich habe bisher von ihm nur "Die Insel des Dr. Moreau" im jugendlichen Alter und mit Fieber gelesen, da war ich völlig futsch und weg und völlig drin in dieser Welt. Danach nichts mehr von ihm, weiß aber gar nicht, woran das liegt.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Mmmh, sein Stil - ich habe deshalb noch nichts darüber geschrieben, weil ich mich selbst nicht zu einem abschließenden Urteil durchringen kann.


    Im ersten Teil des Romans, als der Unsichtbare sich in einen Gasthof einquartiert und versucht, seine Unsichtbarkeit rückgängig zu machen (genau wird das ja gar nicht genannt, er forscht nur wie ein Verrückter und seinem dauernden Fluchen nach nicht erfolgreich) fand ich Wells' Stil wenig ansprechend. Ich fühlte mich stark an Kellers Novelle "Kleider machen Leute" erinnert, sowohl sprachlich als auch inhaltlich. Und was mich da bei beiden Werken stört, ist die Sprachlosigkeit der Protagonisten. Trotzdem hat mich die Geschichte gleich gefangen genommen, weil sie unheimlich spannend ist und man wissen möchte, wie der Unsichtbare seinen Zustand hergestellt hat und wie er ihn einsetzen will.
    Später, als er seinem Kollegen die Vorgeschichte erzählt, fand ich es stilistisch besser. Das liegt vielleicht daran, dass der Protagonist differenzierter gezeichnet wird und endlich spricht und nicht nur flucht und niest.


    Ich kann Wells' Sprachstil gar nicht richtig beschreiben: Er ist eher sachlich effizient und mir manchmal zu reduziert und zu ruppig (?).


    Die Comic- bzw. Filmfigur kenne ich gar nicht und darüber bin ich froh. Denn was ich an diesem Roman richtig gut gelungen finde, ist die messerscharfe Analyse der menschlichen Natur (die ihre ganze Tragweite erst im Nachwort findet), den damit verbundenen Seitenhieb auf die (Natur-)Wissenschaften und den differenzierten Blick auf ein viel zu positiv bewertetes Wunschdenken.

  • Hallo louzilla,


    das Buch "Der Unsichtbare" ist bisher nicht in mein Blickfeld geraten. Sehr interessant was du darüber schreibst. Ich kenne bisher nur "Die Zeitmaschine" von ihm.


    Außerdem als Serienheld in den Romanen von Félix J. Palma :breitgrins:


    Ich möchte nun durchaus mal wieder was von H. G. Wells lesen :winken:

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Leider kann ich's nicht mit anderen Werken von Wells vergleichen, weil "Der Unsichtbare" mein erster Roman von ihm ist, den ich gelesen habe. "Die Zeitmaschine" kenne ich als Film und die Ideen, die drin stecken, finde ich faszinierend. Von daher wird es auch nicht mein letztes Buch von Wells gewesen sein! :winken:

  • ... ich hab zuletzt von Wells "Wenn der Schläfer erwacht" gelesen und war wirklich beeindruckt davon. [url=http://literaturschock.de/literaturforum/index.php/topic,43815.0.html]Hier[/url] hab ich auch was darüber geschrieben.
    An "Der Unsichtbare" bin ich nebenher immer noch dran, ich les es auf Englisch und auf dem Reader, d.h. meistens nur wenn ich unterwegs bin und komm dementsprechend nur stückchenweise voran. Bisher find ich es aber sehr spannend, den "Unsichtbaren" sehr ruppig und unheimlich, wie das eben auch seine Umgebung empfindet. Schön find ich die Beschreibung der Leute die mit ihm in Kontakt kommen und wie sie auf den seltsamen Mann reagieren, der wie ein Meteor in ihre ländliche kleinstädtische Welt fällt. Wenn irgend möglich möcht ich es aber diesen Monat fertiglesen und schreib dann nochmal was dazu.


    Zitat

    louzilla:
    Er ist eher sachlich effizient und mir manchmal zu reduziert und zu ruppig


    Beim "Schläfer" war ich fasziniert davon welch umfangreiche Geschichte und was für Zeiträume und Ereignisse man auf so kurze Form bringen kann. Inhaltlich würden Autoren daraus wohl zum jetztigen Zeitpunkt mindestens eine Trilogie machen. Klar, manches kommt für unsere heutigen Gewohnheiten zu kurz, Emotionen, Gefühle der Protagonisten, außerdem passiert den Personen vieles "nur" und sie sehen fast staunend zu, es wird weniger erklärt und mehr Freiraum für eigene Interpretationen gelassen, aber gerade das find ich an "älteren" Büchern oft besonders interessant. Die "Zeitmaschine" ist ja auch ein recht dünnes Bändchen und was ist es für eine große Geschichte, das find ich im Vergleich zu unseren "immer dicker" werdenden Schinken schon oft beeindruckend.

    "Lesen stärkt die Seele" (Voltaire)

  • Ich habe inzwischen mit "Der Krieg der Welten" begonnen und bin bereits mittendrin im Geschehen um den Angriff der Marsianer. Im Augenblick gefällt mir sehr wie Wells die erste "Landung" der Marsianer im ländlichen England beschreibt, dieses Hin- und Her der Leute zwischen Neugier, Ahnungslosigkeit, Panik und Blauäugigkeit. Man muß sich ja schon wundern, daß die blanke Neugierde und Sensationsgier der Leute nach den ersten Todesopfern nicht besiegt wurde....


    Mit dem "Unsichtbaren" bin ich übrigens nicht mehr so richtig warm geworden (mit ihm selbst sowieso nicht, aber auch mit dem ganzen Buch nicht :zwinker: ) , von den bisherigen Wells-Büchern fand ich es am sperrigsten zu lesen und hatte manchmal Mühe weiterlesen zu wollen, dennoch war die Lektüre interessant und es gefällt mir bei jedem Buch wieder, wie genau Wells die menschlichen Verhaltensweisen beobachtet hat.



    Edit 5.3.2017


    Inzwischen hab ich den "Krieg der Welten" beendet.
    Ich fand die Geschichte über die Invasion der Marsianer durchweg spannend und interessant, konnte gar nicht mehr aufhören damit. Wie schon bei "Wenn der Schläfer erwacht" war ich fasziniert von der visionären Phantasie des Autors was technische Entwicklungen anbelangt. In diesem Fall zwar keine Technik der menschlichen Zukunft sondern Technik der Marsianer, aber sich zu dieser Zeit das so ausgeklügelt vorzustellen, da gehört schon eine Menge technischer Sachverstand und Vorstellungskraft dazu. Unser heutiger SF-"geschulter" Verstand denk all die Erklärungen natürlich gleich weiter und "sieht" sicherlich andere Bilder als der Leser um 1900, das besondere heutzutage liegt darin zu wissen, daß dieser Autor solcherlei Entwicklungen wie den "Feuerstrahl" (Laser) oder die ausgeklügelten Kampf- und Flugmaschinen schon damals ersonnen hat. Ein aus heutiger Sicht amüsantes Nebendetail fand ich das "rote Unkraut", damit erklärte der Autor vielleicht, warum der Mars rot aussieht ?


    Die Geschichte der Invasion selbst ist sicherlich zeitlos und steht für jede Art der gewaltsamen Machtübernahme - und Ausübung die vorstellbar ist. Im Buch selbst werden direkte Parallelen zu dem Verhältnis "Mensch" vs. "Tier" gezogen, genauso gut kann man Parallelen zu Eroberungen der Engländer, Spanier und Portugiesen in den neuentdecken Ländern, den Kolonien, darin sehen. Einem Atzteken oder Inka müssen die Spanier mit ihren Gewehren und ihren Rüstungen auch wie "Marsianer" vorgekommen sein. Eine technisch übermächtige Lebensform kommt und nimmt sich einfach was sie vorfindet ohne Rücksicht auf die "Eingeborenen" . Wie bei allen bisher von Wells gelesenen Büchern ist die eigentliche SF-Geschichte eigentlich "nur" ein Deckmantel für die Botschaft darunter oder für das Anprangern von Mißständen in der tatsächlich existierenden Gesellschaft seiner Zeit und unserer Zeit, den an der menschlichen Natur hat sich die letzten 100 Jahre diesbezüglich nicht so viel geändert.
    Ebensogut könnte man eine Parallele zu "Mensch" vs. "Umwelt" hineininterpretieren. Der Mensch beutet die Welt, die Fauna und Flora beinahe genauso rücksichtslos aus, wie die Marsianer dies mit der Erde vorhatten.


    Spannend fand ich wieder den genauen, analytischen Blick Wells auf die verschiedenen Menschentypen, auf ihre Verhaltensweisen im Allgemeinen und speziell in so einer Krisenzeit. Sehr gehaltvoll fand ich auch das Gespräch des Erzählers mit dem Artilleristen, den er insgesamt zweimal getroffen hat, die "Visonen" des Mannes, die Gedankengänge und dann die Ernüchterung als zu erkennen war, wie es um den Mann und seinen Handlungen tatsächlich stand. Die Charaktere waren allesamt gut beschrieben, die "Gefangenschaft" zusammen mit dem Pfarrer sehr intensiv, geradezu klaustrophobisch, die Handlungen und Vorgehensweisen der Personen nachvollziehbar. Ich bin dem Ich-Erzähler und seinem Bruder gespannt durch diese Apokalypse gefolgt und hab mit ihnen gefiebert, einzig über das Schicksal seiner Frau während der Invasion hätte ich gern noch etwas mehr erfahren, da waren mir die Nebensätze die mit ihr zutun hatten doch ein bisschen zu wenig.


    Insgesamt hab ich das Buch wirklich sehr gern gelesen, bin mir beinaher sicher, daß ich es irgendwann nochmal lesen oder hören werde und es bestärkt mich darin, noch mehr von dem Autor zu lesen.



    Die bekannteren "Hauptwerke" hab ich jetzt wohl durch, hat jemand noch einen Tip für mich welche Wells-Bücher sich noch besonders lohnen?

    "Lesen stärkt die Seele" (Voltaire)

    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Danke für die schöne Besprechung, Firiath. Deine Ausführungen kann ich nur unterschreiben. Ein gutes, absolut zeitloses Buch.
    Ich habe "Krieg der Welten" erst kürzlich zur "Auffrischung" gehört, was mir auch gut gefallen hat.


    Sehr gerne gelesen habe ich noch "Von kommenden Tagen" - London im 22. Jahrhundert, eine Zukunftsvision, die erschreckend nah wirkt.
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  • Danke für die Tips, "Von kommenden Tagen" hab ich mir notiert und "Die Tür in der Wand" kam mir schon vom Titel her bekannt vor. Ich habs vor langer Zeit glaub ich auch schon mal gelesen bzw. mindestens angelesen, aber so richtig erinnern kann ich mich komischerweise nur an den Anfang der Geschichte. Ich hab sie inzwischen gefunden im Band "Meistererzählungen von H.G. Wells", hier heißt die Geschichte "Die Tür in der Mauer" und ich werde sie demnächst nochmal lesen und vielleicht nach und nach auch die anderen Geschichten, erinnern kann ich mich eigentlich nur an "Die seltsame Orchidee", ich glaub ich bin damals hängengeblieben und hab die weiteren Geschichten nicht mehr gelesen, das passiert mir bei Kurzgeschichtensammlungen öfter mal, leider... Kurzgeschichten sind nicht ganz mein Metier, obwohl mir bewußt ist daß es da wirklich Perlen gibt, aber kaum ist man drin in der Geschichte, ist sie auch schon wieder vorbe und ich bin wohl einfach gern länger in einer Geschichte, schwierig zu beschreibeni. Ich bemüh mich in den letzten Jahre zwar auch in der Richtung mehr zu lesen und bin auch immer mal wieder beindruckt, was man alles in teilweise wenige Seiten packen kann, aber es passiert mir leider doch immer wieder das solche Sammlungen halb gelesen untergehen.

    "Lesen stärkt die Seele" (Voltaire)

    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()