Marlen Haushofer: Die Wand


  • Haushofer: Die Wand
    Ich hab den Film neulich aufgenommen und will den Roman vorher lesen. Bisher sehr beeindruckend, nüchtern und dennoch monumental.


    Ich habe den Film schon zweimal gesehen, ohne das Buch zu kennen.
    Mir hat der Film außerordentlich gefallen, ich denke sehr gut gemacht.


    Gruß, Lauterbach

  • Ich habe den Film schon zweimal gesehen, ohne das Buch zu kennen.
    Mir hat der Film außerordentlich gefallen, ich denke sehr gut gemacht.


    Gruß, Lauterbach


    Ich kenne wiederum den Film nicht, nur das Buch. Ich fand es überwältigend, mich hat es damals beim Lesen teilweise wirklich mitgenommen. Ein grandioser Roman!


    Gruß, Gina


  • Die Wand ist ein umwerfendes Roman. Sehr konsequent und gnadenlos. Gegen Ende gibt es - ach ne, da verrate ich jetzt nix. Der Roman hat mich jedenfalls sehr beeindruckt. Mehr habe ich von Haushofer allerdings auch noch nicht gelesen.


    Konsequent und gnadenlos - das trifft es sehr gut!


    "Die Mansarde" habe ich zwar nach "Die Wand" gelesen, es hat aber bei weitem keinen solch bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber nach der "Wand" ist das vermutlich zu erwarten, zu außergewöhnlich gut ist dieser Roman.


    Gruß, Gina

  • Bin nun seit ein paar Stunden fertig mit der LeKtüre, kann mich aber gar nicht so recht aus der Romanwelt befreien und stehe etwas neben mir. Nachher schaue ich mir den Film an,bin schon gespannt. Weiter oben habe ich übrigens einen Fehler gemacht. “Die Wand“ ist schon 1963 erschienen, daher hatte die Autorin noch sieben Jahre zu leben.

  • Da Ihr Euch hier so enthusiastisch über den Roman äußert: Mögt Ihr ein bisschen mehr dazu sagen, warum Euch das Buch so sehr gefällt? Mich hat es seinerzeit überhaupt nicht erreicht. Die ersten ca. 100 Seiten waren interessant, danach folgten gefühlte 300 Seiten Kuh melken und Katze streichen bis zum Gewalteinbruch am Schluss. Mir haben da einige Dimensionen gefehlt. Ähnlich ging es mir aber auch mit Thomas Glavinic' Roman 'Die Arbeit der Nacht'. Auch dort wird ja eine Existenz nach einer apokalyptischen Katastrophe beschrieben. Der Protagonist findet sich allein auf der Welt wieder aus der alle anderen Menschen verschwunden sind. Vielleicht fehlt mir für derartige existenzielle Situationen einfach die Antenne.


  • Da Ihr Euch hier so enthusiastisch über den Roman äußert: Mögt Ihr ein bisschen mehr dazu sagen, warum Euch das Buch so sehr gefällt? Mich hat es seinerzeit überhaupt nicht erreicht. Die ersten ca. 100 Seiten waren interessant, danach folgten gefühlte 300 Seiten Kuh melken und Katze streichen bis zum Gewalteinbruch am Schluss. Mir haben da einige Dimensionen gefehlt. Ähnlich ging es mir aber auch mit Thomas Glavinic' Roman 'Die Arbeit der Nacht'. Auch dort wird ja eine Existenz nach einer apokalyptischen Katastrophe beschrieben. Der Protagonist findet sich allein auf der Welt wieder aus der alle anderen Menschen verschwunden sind. Vielleicht fehlt mir für derartige existenzielle Situationen einfach die Antenne.


    Ja, vielleicht hat das was mit Vorlieben zu tun. Ich lese recht gerne Dystopien, und “Die Wand“ geht zumindest in die Richtung, wenn auch der Teil der Welt, in dem die Erzählerin lebt, nicht zerstört wurde.
    Es geht um das Zurückgeworfensein auf sich selbst, die Unmöglichkeit einer echten Kommunikation mit anderen Lebewesen und dennoch das Gefühl einer kreatürlichen Gemeinschaft. Deshalb sehe ich die Tierszenen (ich mag sonst Tierbücher nicht) keineswegs als Katze streicheln und Kuh füttern an, sondern in jeder dieser Szenen wird für mich eben deutlich, dass es zwar Gemeinschaft zwischen Mensch und Tier geben kann, aber kein wirkliches Verständnis.Der Mensch kann sich , wie Haushofer es mit vielen Bildern und auch ausdrücklich sagt, in keiner Situation ins reine Existieren zurückziehen, er muss immer reflektieren. Irgendwo sagt sie sehr schön, der Mensch falle am Tier vorbei in den Abgrund. Da für die Frau bis zum Ende keine anderen Menschen existieren, muss sie ihr Kommunikations- und Zuwendungsbedürnis an den Tieren stillen.


  • Da Ihr Euch hier so enthusiastisch über den Roman äußert: Mögt Ihr ein bisschen mehr dazu sagen, warum Euch das Buch so sehr gefällt? Mich hat es seinerzeit überhaupt nicht erreicht. Die ersten ca. 100 Seiten waren interessant, danach folgten gefühlte 300 Seiten Kuh melken und Katze streichen bis zum Gewalteinbruch am Schluss. Mir haben da einige Dimensionen gefehlt. Ähnlich ging es mir aber auch mit Thomas Glavinic' Roman 'Die Arbeit der Nacht'. ... Vielleicht fehlt mir für derartige existenzielle Situationen einfach die Antenne.


    Im Gegensatz zu Die Wand hat Die Arbeit der Nacht mich auch nicht erreicht. Die Idee war interessant, aber die Umsetzung sprich die Handlung haben mich nicht so überzeugt - und irgendwann ging mir auch das ständige Kamera-Aufbauen auf die Nerven :smile:.


    Bei Die Wand ist es gerade diese "existenzielle Situation", die mich fasziniert hat und die durchgängig ohne "praktische Hintertürchen" dargestellt ist. Abgeschnitten von allem zu sein auf einem kleinen Raum in der rauen Natur, zwar mit einem Dach über dem Kopf, aber ohne den Supermarkt um die Ecke ... Ich fand das spannend, bewegend, aufwühlend zu lesen. Ich habe überlegt, was ich wohl tun würde, um zu überleben, wie es mir möglicherweise in der Situation erginge ... aber natürlich erwarte ich nicht, irgendwann hinter einer Wand aufzuwachen!!!


    Und die Tierszenen: Naja, als Hunde- und Katzenmensch weiß ich, wie wichtig und hilfreich ein Katze-Streicheln in schwierigen Situationen sein kann (auch wenn verständnisvolle Menschen "greifbar" sind). In Die Wand sind die Tiere vermutlich überlebensnotwendig - allein schon, um in der Realität zu leben und nicht wie Glavinic' Held durchzudrehen ...


    Gruß, Gina

  • Ist es sinnvoll für "Die Wand" ein eigenes Thema zu erstellen?
    Ich möchte dafür plädieren, weil doch einige von uns den Roman gelesen haben und sich hier teilweise mehr äußern, als bei Lesrunden. Ich will D.W. nächste Woche lesen, ihr habt mich sehr gespannt gemacht.

  • Danke finsbury und @Gina für Eure feinen Antworten!


    Bei der Wand habe ich es nicht mehr so detailliert im Gedächtnis, aber bei Thomas Glavinic fehlte mir diese Reflexionsebene sehr. Es wird sehr viel beschrieben, was unternommen wird. Jedoch stellt sich der Protagonist die entscheidende Frage eigentlich gar nicht: wer bin ich als Mensch, was macht mich zum Menschen, wenn alle anderen Menschen plötzlich weg sind? Vielleicht bin ich einfach jemand, der solche Fragen dann mit der Holzhammermethode angegangen sehen möchte. Dem verweigert sich Thomas Glavinic, und - meiner Erinnerung nach - zum Teil auch M. Haushofer. Das hat dazu beigetragen, dass die Bücher für mich beide innerlich fern blieben.

  • Jedoch stellt sich der Protagonist die entscheidende Frage eigentlich gar nicht: wer bin ich als Mensch, was macht mich zum Menschen, wenn alle anderen Menschen plötzlich weg sind? Vielleicht bin ich einfach jemand, der solche Fragen dann mit der Holzhammermethode angegangen sehen möchte. Dem verweigert sich Thomas Glavinic, und - meiner Erinnerung nach - zum Teil auch M. Haushofer. Das hat dazu beigetragen, dass die Bücher für mich beide innerlich fern blieben.


    Aber das finde ich gar nicht! Ein großer Teil des Romans beschäftigt sich doch gerade mit diesen existenziellen Fragen. Nur dass die Erzählerin eben nicht im elaborierten Code darüber referiert, sondern sich mit nüchterner Beharrlichkeit und gut verständlichen Bildern ausdrückt. Gerade in ihrer Auseinandersetzung mit dem Unterschied zwischen Mensch und Tier vergewissert sie sich ihres einsamen Menschseins.

  • Zitat

    Während in den beiden Schwester-Romanen [Mansarde, Tapetentür] Haushofer aber kaum über ein etwas rührselig Sentimentales hinauskommt, …: Derweil meistert sie in der "Wand" ihr Thema mit äußerster Schlüssigkeit, Kraft, Ökonomie. Ein in Ansatz wie in der Ausführung gleich großer Wurf - wobei es vergleichsweise gleichgültig bleibt, ob diese titelgebende Wand, welche die junge Frau von der Welt abschneidet und auf eben die andere Seite, in eine Art Welt-Vakuum, versetzt, eher symbolisch, krankheitsallegorisch oder sagen wir als Alp- oder Wunschtraum zu lesen ist. Dieser Bezugsrahmen stellt eher den schwächeren Teil des Buchs - was aber dann im Buch ab Seite 15 folgt, ist eine unendlich rührende Tier- und Menschengeschichte, eine Robinson-Paraphrase von so starker, linder, gänzlich unaffektierter Trauer, daß man sich dem Bann der Erzählung bis zum brutalen Schock am Ende des Finales nicht mehr entziehen kann und mag - und das Buch ganz traurig zuschlägt: weil's nicht ewig so weiter ging.


    Das Leben als Dauerabschied vom Leben, von Raabe bis Tschechow, von Verdi bis Gustav Mahler eigentlich das Thema des 19. Jahrhunderts - diesem Topos haucht Haushofer überraschendes und neues Leben ein, indem sie - jenseits der Wand - ein Zwischenreich gründet, in welchem gleichsam das Beste am Menschen in der Erinnerung an ihn besteht. Und: in der Freundschaft mit Tieren in der Gestalt einiger Haustiere. Die Sehnsucht nach dem ordinären Leben bleibt gleichwohl - und stiftet Wehmut. Sie ist der Grundausdruck des Buchs - und sein Bestes. Ein anheimelnd unheimlicher Roman, dessen Rührkraft auch leise Komik einbezieht. Über die Tatsache, daß in der Niemandsland-Hütte der Erzählerin eine Katze zwei Junge gebiert, augerechnet auf dem Titelblatt der Zeitschrift "Elegante Dame" als Wochenbett - darüber habe ich auch wieder sehr lachen müssen.


    Eckhard Henscheid

  • Vielen Dank giesbert für dieses treffende Zitat!


    Ich habe eben - nach fast 14 Jahren - die letzten Seiten von Die Wand noch einmal gelesen und ich war so berührt, ja erschüttert wie damals. Die Wand werde ich wohl ein zweites Mal lesen "müssen", vielleicht im nächsten Jahr.


    Gruß, Gina


  • Aber das finde ich gar nicht! Ein großer Teil des Romans beschäftigt sich doch gerade mit diesen existenziellen Fragen. Nur dass die Erzählerin eben nicht im elaborierten Code darüber referiert, sondern sich mit nüchterner Beharrlichkeit und gut verständlichen Bildern ausdrückt. Gerade in ihrer Auseinandersetzung mit dem Unterschied zwischen Mensch und Tier vergewissert sie sich ihres einsamen Menschseins.


    Ja, wahrscheinlich war es genau der 'elaborierte Code', der mir fehlte. Ich habe wahrscheinlich auf den philosophischen Diskurs gewartet. Dass er nicht kommt, spricht womöglich gar nicht gegen das Buch, sondern einfach für meine falsche Erwartung. Vielleicht fehlt mir auch diese Art der existenziellen Erfahrung.

  • Letzte Woche habe ich den Roman zum großen Teil gelesen und finde es großartig, wie Haushofer in einer handlungsarmen Geschichte dieses Gefühl von Beklemmung entwickelt. Als Liebhaber von Katzen bin ich natürlich emotional betroffen, dass ich mich aber so um eine Kuh sorge, ist mir noch passiert, und das Schlimme ist: das Mitgefühl für die Tier überwiegt das Mitgefühl für die arme Frau.
    gegenwärtig habe ich richtig Hemmung weiter zu lesen, obwohl das schreckliche Ende von Anfang an klar ist.