Juli 2012: Theodor Fontane: L’Adultera


  • Schließlich versteigt sich Van der Straaten zu Vergleichen mit gewissen Venus-Statuen ("Venus Kallipygos" = Venus mit schönem Hinterteil, deshalb wohl auch der Pfirsichvergleich :zwinker:). Hier gebietet ihm seine Gattin Einhalt und der Ehefrieden ist für eine Weile gestört.


    Hallo Klaus,


    ja, als Van der Straaten im 9. Kapitel die Wirtin in Löbbekes Kaffeehaus als Venus Spreavensis bezeichnet, als Venus von der Spree und sie mit der Venus Kallipygos, der Venus mit dem schönen Hinterteil vergleicht ist das seiner Frau peinlich, ich frage mich ob es ihr auch so peinlich gewesen wäre, wenn es Rubehn gefallen hätte, der aber nimmt gerne die Gastfreundschaft von Ezel in Anspruch und empört sich dann über seinen Gastgeber: eine Frechheit!


    Für mich zeigt diese Stelle, dass der Kommerzienrat so ungebildet gar nicht war, möchte mal wissen, wer heute in vergleichbaren Finanzkreisen mit dem Begriff Venus Kallipygos etwas anfangen kann, heute würde die Wirtin wohl als JLo von der Spree bezeichnet werden.



    http://de.wikipedia.org/w/inde…etimestamp=20090304132809


    Gruß
    montaigne


  • Für mich zeigt diese Stelle, dass der Kommerzienrat so ungebildet gar nicht war, möchte mal wissen, wer heute in vergleichbaren Finanzkreisen mit dem Begriff Venus Kallipygos etwas anfangen kann, heute würde die Wirtin wohl als JLo von der Spree bezeichnet werden.


    Den Begriff kennt wohl keiner, wenn er nicht Wikipedia oder einen Anmerkungsapparat zur Hand hat. Es sei denn, man kann Altgriechisch. Kann das einer von Euch? Ich nicht, weiß nur dass die Vorsilbe "Kalli-" wohl "schön" heißt ("Kalligraphie").


    Gruß
    Klaus


  • Den Begriff kennt wohl keiner, wenn er nicht Wikipedia oder einen Anmerkungsapparat zur Hand hat. Es sei denn, man kann Altgriechisch. Kann das einer von Euch? Ich nicht, weiß nur dass die Vorsilbe "Kalli-" wohl "schön" heißt ("Kalligraphie").


    Oder wenn man sich ernsthaft für Kunst interessiert. In der Venusikonografie gibt es verschiedene feststehende Begriffe wie z.B. "die schaumgeborene Venus" die immer wieder dargestellt werden. Vor ein paar Jahren war in Köln mal eine große Ausstellung über die verschiedenen Typen. Zeither geht mir die Venus kallipygos nicht mehr aus dem Sinn :breitgrins: obwohl ich kein Altgriechisch kann.

  • Als kleiner Nachtrag noch:


    Die Veronesische „Hochzeit zu Cana“ die in Kopie im „Speisesaal“ bei Van der Straatens hing, wie wir am Ende des 4. Kapitels erfahren:


    http://de.wikipedia.org/wiki/D…nese_Hochzeit_zu_Kana.jpg





    Laut meinen Anmerkungen ist "Casta diva" italienisch und bedeutet "keusche Göttin". Gemeint sei die Mondgöttin Luna und es seien auch die Anfangsworte von Normas Kavatine aus Bellinis Oper "Norma".


    Vielen Dank, Klaus, für die Anmerkung
    und als besonderer Leckerbissen:



    das Gebet der Norma (Casta diva) aus Bellinis Oper „NORMA“ jeweils gesungen von:


    Maria Callas



    Joan Sutherland



    und Anna Netrebko



    und hier findet man die deutsche Übersetzung:
    http://theodor-frey.de/belcanto.htm

  • Ich habe nun ebenfalls die ersten neun Kapitel hinter mir und van der Straaten ist mir mittlerweile ein Dorn im Auge. Daher kann ich auch sehr gut verstehen dass seine Frau sich abwendet und sich für ihn schämt. Offenbar merkt er gar nicht, dass er sich lächerlich macht und seine Frau durch seine lockeren Reden in Verlegenheit bringt.


    Vor allem fand ich es unerhört, dass er sich dermaßen aufgeregt hat als Melanie ihn wegen der italienischen Sprechweise korrigierte. Wäre es umgekehrt, wären solche "Kleinigkeiten" sicher nicht mehr nichtig. Aber so würdigt er seine Frau hinab und meint auch noch, dass die Italiener alle selber schuld seien wenn keiner die Sprache kann wenn sie die Endungen immer auf a oder e enden lassen, ohne erkennbaren Grund.


    Die Wagner und Venus Diskussion finde ich sehr interessant, kann dazu aber leider persönlich nichts beitragen weil ich mit damit überhaupt nicht auskenne.




    Entweder kommt er schnell zur Sache mit Worten und mit Taten, oder ich hab hier was verpaßt, oder Fontane läßt wieder sehr viel ungesagt, was mir bei Effi Briest besonders aufgefallen war. Wahrscheinlich Letzeres.


    Ich habe die Bootsfahrt zwar noch nicht gelesen, vermute aber auch eher Letzeres. Bei Effi Briest habe ich den Ehebruch gesucht und erst in den Briefen am Ende des Buches kamen sie teilweise zu Tage.




    Im 1. Kapitel wird das Ehepaar Van der Straaten beschreibend vorgestellt, im 2. und 3. Kapitel erfahren wir wie sie mit einander umgehen. Im 4. Kapitel wird ein erweiterter Personenkreis vorgestellt und im 5. Kapitel erleben wir wie sich das Ehepaar verhält wenn Dritte (der erweiterte Personenkreis) dabei sind. Im 6. Kapitel unterhalten sich Dritte u.a. über das Ehepaar und wir erfahren, welche Meinung diese von den Van der Straatens haben. Ich bin sicher, der ein oder andere Leser wird hier an dieser Stelle sein Personenbild noch einmal korrigiert haben.


    Diese Aufteilung ist mir auch aufgefallen und ich finde es sehr geschickt gemacht. Und ja, ich habe meine Meinung über van der Straaten komplett geändert. Gefiel er mir in der Einführung noch sehr gut, so musste ich meine Meinung über ihn schnell nach unten revidieren.


    Ich habe mir vorgenommen das Buch nach einer längeren Pause noch einmal zu lesen. Ich bin gespannt ob ich am Anfang Hinweise auf den wahren Charakter einfach nur überlesen habe weil mir die Person gefiel oder ob Fontane wirklich keine Andeutungen gemacht hat.


    Katrin

  • Fontane schreibt hier die Liebesgeschichte gewagter als in anderen Büchern, die ich gelesen habe. Das sieht man bei den Palmen (Kapitel 12), wenn er schreibt: "und hielt sie fest, und sie flüsterten Worte, so heiß und süß wie die Luft, die sie atmeten".


    Mich hat die Geschichte vollends gefesselt und ich will gar nicht aufhören sie zu lesen. Das nächste Kapitel handelt von Weihnachten. Ein Fest, dass ich auch in den anderen Büchern immer wieder gefunden habe. Über Ostern schreibt er offenbar nicht so gern.


    Katrin


  • Entweder kommt er schnell zur Sache mit Worten und mit Taten, oder ich hab hier was verpaßt, oder Fontane läßt wieder sehr viel ungesagt, was mir bei Effi Briest besonders aufgefallen war. Wahrscheinlich Letzeres.


    Verpasst hast du nichts, aber es wird erwähnt, dass Rubehn nach seinem ersten Besuch jeden zweiten, dritten Tag erschien und dass man zusammen eine unbeschwerte Zeit in der Tiergartenvilla verlebte. Da kann ich mir gut vorstellen, dass der ein oder andere Blick getauscht wurde. Jetzt auf dem Boot sind sie vielleicht erstmals allein unter vier Augen und Ohren.



    Schön fand ich übrigens die sich eventuell anbahnende zarte Romanze zwischen dem "Harmonika-Schulze" (Elimar) und Anastasia am Ende des 8. Kapitels. Bin gespannt, ob das noch weiter geführt wird.


    Anastasia hofft wohl umsonst. Der "Führer durch die Romane Fontanes" gibt dem Wasser eine starke Symbolik und meint, dass sich Elimar selbst symbolisch vor dem Wasser rettet (er wäre ja fast am Steg eingebrochen), während Melanie und Ebenezer sich ihre Liebe gestehen. Weiter heißt es hier übrigens, dass van der Straaten und Riekchen, die nichts mit Erotik zu tun haben, nicht mit dem Boot übersetzen. Nun, sie fahren mit dem Dampfer und das ist also weniger erotisch als Bootfahren. :zwinker:



    Für mich zeigt diese Stelle, dass der Kommerzienrat so ungebildet gar nicht war, möchte mal wissen, wer heute in vergleichbaren Finanzkreisen mit dem Begriff Venus Kallipygos etwas anfangen kann...


    Ungebildet kam mir van der Straaten bisher überhaupt nicht vor. Ganz im Gegenteil.


    Er ist vielleicht ungehobelt, könnte manches einfach für sich behalten, aber da er sich eben nicht verdreht und verbiegt sprudelt alles nur so aus ihm hervor.


    All eure Anmerkungen bereichern die Lektüre für mich sehr! Habt vielen Dank.


  • Ich habe nun ebenfalls die ersten neun Kapitel hinter mir und van der Straaten ist mir mittlerweile ein Dorn im Auge. Daher kann ich auch sehr gut verstehen dass seine Frau sich abwendet und sich für ihn schämt. Offenbar merkt er gar nicht, dass er sich lächerlich macht und seine Frau durch seine lockeren Reden in Verlegenheit bringt.
    Vor allem fand ich es unerhört, dass er sich dermaßen aufgeregt hat als Melanie ihn wegen der italienischen Sprechweise korrigierte. Wäre es umgekehrt, wären solche "Kleinigkeiten" sicher nicht mehr nichtig. Aber so würdigt er seine Frau hinab und meint auch noch, dass die Italiener alle selber schuld seien wenn keiner die Sprache kann wenn sie die Endungen immer auf a oder e enden lassen, ohne erkennbaren Grund.


    Hallo Katrin,


    in meinen Augen macht sich der Kommerzienrat nicht lächerlich, wenn sich jemand lächerlich macht dann Melanie. Sie kommt aus der Schweiz, zwar aus der französischen, aber als Schweizer Adlige hat sie sicher auch Italienisch gelernt. Und er ist ein wachechter Berliner und für einen Berliner ist es nicht wichtig ob der Name einer italienischen Kirche mit a oder mit e endet. Da Melanie ihrem Mann aber sonst nirgends das Wasser reichen kann, versucht sie bei solchen Gelegenheiten ihn zu demütigen – das ist einfach kindisch und ich kann gut verstehen, dass der Kommerzienrat da mal aus der Haut fährt.



    Und ja, ich habe meine Meinung über van der Straaten komplett geändert. Gefiel er mir in der Einführung noch sehr gut, so musste ich meine Meinung über ihn schnell nach unten revidieren.


    Eigentlich hatte ich das umgekehrt gemeint, nämlich, dass die Leser, die bisher noch nicht gemerkt haben, was für ein positiver Mann der Kommerzienrat ist, spätestens nach der Verteidigung durch Duquede im 6. Kapitel ihre Meinung über ihn nach oben korrigieren.


    Gruß
    montaigne

  • Ungebildet kam mir van der Straaten bisher überhaupt nicht vor. Ganz im Gegenteil.


    Hallo Eni,


    natürlich hast du das richtig erkannt, der Kommerzienrat ist ein gebildeter Mann, aber von seinen Mitmenschen wird er total unterschätzt. So heißt es z.B. schon auf der ersten Seite „in der Gesellschaft galt er nur bedingungsweise, weil er versäumt hatte sich einen Weltschliff anzueignen“ und in Kapitel 6 sagt der Polizeirat Reiff über ihn: „Es fehlt ihm aber doch wirklich an Bildung und Erziehung.“. Aber wenn man Ezel reden hört dann merkt man, dass er Weltschliff hat und Bildung.


    Gruß
    montaigne

  • Hallo, liebe Mitleser,
    van der Stratens Gegenspieler Rubehn ist ihm da an Weltläufigkeit überlegen. Die stößt aber auch auf Kritik.
    In Kapitel 10 kommt es zu einen vertraulichen Gespräch zwischen van der Straaten und Riekchen. Dort heißt
    es über Rubehn: "Er hat etwas amerikanisch Sicheres. Und so sicher er ist, so kalt ist er auch."


    Am Ende des Kapitels kommt es immer mehr zur Entscheidung. "... in Melanies Herzen erklang es immer lauter:
    Wohin treiben wir?"


    Nachdenklich stimmte mich im 11. Kapitel die Szene, als van der Straaten zur Sommervilla kommt und seinen
    Töchtern Pralinen von Sarotti (!) mitbringt. Die älteste Tochter, die das Herannahen des Unheils spürt, lehnt
    die Süßigkeiten als Kinderei ab. Rubehn und wohl auch Melanie merken, dass Lydia sie durchschaut. Nur der Vater
    begreift nichts und tadelt seine Älteste: "Lydia spielt schon die Casparoux."


    Gruß
    Erika
    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8


  • Eigentlich hatte ich das umgekehrt gemeint, nämlich, dass die Leser, die bisher noch nicht gemerkt haben, was für ein positiver Mann der Kommerzienrat ist, spätestens nach der Verteidigung durch Duquede im 6. Kapitel ihre Meinung über ihn nach oben korrigieren.


    Hier bin ich komplett anderer Meinung. Ich finde van der Straaten ist ein eingebildeter, unsympathischer Kotzbrocken wie er im Buche steht. Fakt ist, ich kann ihn schlicht und einfach nicht leiden.


    Das relativiert sich allerdings später, bei der Szene als Melanie ihre Sachen packt und er sie davon abhalten will, es aber nicht schafft. Da tat er mir dann wirklich leid. Aber ich finde er hat es sich selbst zuzuschreiben dass seine Frau ihn verlässt. Wer jahrelang von oben herab behandelt und ständig geschulmeistert wird, der ergreift eben irgendwann die Flucht.


    Was ich mich beim Lesen allerdings gefragt habe: Fontane hat dieses Buch vor Effi Briest und Irrungen, Wirrungen geschrieben. In diesen beiden Büchern wird die verbotene Liebe nicht mehr so offensichtlich beschrieben. Wurde Fontane wegen der Darstellung in L’Adultera dermaßen von der Gesellschaft angekreidet, dass er es in späteren Büchern nur mehr angedeutet hat oder gibt es einen anderen Grund warum er so zurückhaltend wurde?


    Katrin


  • Ja, danke Erika, du hast die Kapitel 10 und 11 sehr schön zusammengefasst. Es ist ja tatsächlich so, Kinder merken viel schneller, wenn ein Unheil in der Luft liegt und Ezel, da ihm seine Frau über zehn Jahre keinen Grund zur Eifersucht gab, merkt als Betroffener wie immer als Letzter was los ist.



    Hier bin ich komplett anderer Meinung. Ich finde van der Straaten ist ein eingebildeter, unsympathischer Kotzbrocken wie er im Buche steht. Fakt ist, ich kann ihn schlicht und einfach nicht leiden.


    Das ist dein gutes Recht, Katrin, und das macht ja eine solche Leserunde erst interessant: weil man merkt, dass andere ev. etwas komplett anders beurteilen und man kann sein Urteil nochmals überprüfen



    Das relativiert sich allerdings später, bei der Szene als Melanie ihre Sachen packt und er sie davon abhalten will, es aber nicht schafft. Da tat er mir dann wirklich leid


    Da sind wir wieder einer Meinung. An dieser Stelle hat mir Ezel auch nur noch leid getan.

  • Hallo Eni,



    All eure Anmerkungen bereichern die Lektüre für mich sehr! Habt vielen Dank.


    ja so geht es mir auch: sie regen zum Nach- und Weiterdenken an. Insbesondere Deinen Hinweis auf die Wassersymbolik fand ich interessant, ich sollte auch mal wieder in den "Führer durch die Romane Fontanes" schauen, habe ihn aber jetzt leider nicht zur Hand.


    Anastasia hofft wohl umsonst.


    Ja, das wird im Weihnachtskapitel deutlich. Anastasia hat für sich eine andere Rolle gefunden.



    Gruß
    Klaus

  • Hallo zusammen,


    ich habe jetzt das 13. Kapitel (Weinachten) beendet und es hat mich beeindruckt. Es ist zwar kurz, aber macht sehr viel deutlich. Zuerst wundert man sich noch über die ablehnende Haltung eines Reiff, Duquede und Gryczinski, aber dann lichtet sich der Vorhang und der Ehebruch und auch z.B. die Rolle der Anastasia als "Confidente" werden klar.


    Das Kapitelende ist mal wieder ein Hammer:


    Er wollte klingeln und nach dem Arzte schicken. Aber sie bat ihn, es zu lassen. Es sei nichts, oder doch nichts Ernstes, oder doch nichts, wobei der Arzt ihr helfen könne.
    Und dann sagte sie, was es sei.


    Gruß
    Klaus


  • Fontane schreibt hier die Liebesgeschichte gewagter als in anderen Büchern, die ich gelesen habe. Das sieht man bei den Palmen (Kapitel 12), wenn er schreibt: "und hielt sie fest, und sie flüsterten Worte, so heiß und süß wie die Luft, die sie atmeten".


    Hallo Katrin,


    ja, den Eindruck habe ich auch. Ein paar Zeilen über Deinem Zitat, findet sich folgende Stelle, die m.E. auch die Verführungssituation gut beschreibt:


    [...] aber diese weiche, schlaffe Luft machte sie selber weich und schlaff, und die Rüstung ihres Geistes lockerte sich und löste sich und fiel.


    Gruß
    Klaus


  • Das Kapitelende ist mal wieder ein Hammer:


    Er wollte klingeln und nach dem Arzte schicken. Aber sie bat ihn, es zu lassen. Es sei nichts, oder doch nichts Ernstes, oder doch nichts, wobei der Arzt ihr helfen könne.
    Und dann sagte sie, was es sei.


    Das Kapitelende hat mich echt umgehauen. Da ich vorher weder wikipedia noch sonst eine Quelle gelesen habe, weiß ich vom Inhalt des Werks so gut wie gar nichts und diese Wendungen überraschen mich dann immer wieder.



    Das ist dein gutes Recht, Katrin, und das macht ja eine solche Leserunde erst interessant: weil man merkt, dass andere ev. etwas komplett anders beurteilen und man kann sein Urteil nochmals überprüfen


    Das stimmt natürlich. Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass andere das nicht so sehen. Aber jeder liest ein Buch offenbar wirklich anders.


    Katrin


  • Interessant auch was die Anmerkungen zu Murillo sagen: Er "gilt als Meister des Madonnentypus der Unbefleckten Empfängnis ('Immaculata Conceptio'),


    Hallo Klaus,
    hallo zusammen,


    im Murillo-Thread hab' ich jetzt ein Gemälde Murillos aus dem Prado verlinkt, dass diesen erwähnten Madonnntyp auf der Mondsichel stehend, mit dunkelblauem Gewand und von Engelsköpfen umgeben darstellt:


    http://www.klassikerforum.de/i…37.msg51082.html#msg51082


    Gruß


    montaigne

  • Guten Abend zusammen,


    die Abschiedsszene kommt recht still daher. Man schiebt sich einen Sessel ans Feuer und nennt sich bei den Kosenamen, Lanni und Ezel. Ezel wirkt aufrichtig und liebend als er Lanni bittet zu bleiben. Er macht sich nicht vor, dass Melanie ihn aus Liebe geheiratet hat, weist aber auf die gute gemeinsame Zeit hin. Er geht sogar so weit anzubieten das uneheliche Kind als das seine anzunehmen. Doch diese Lösung ist nicht nach Melanies Geschmack. Wenn sie eingangs noch die verwöhnte Prinzessin ist, kämpft sie jetzt für ihre Freiheit und fühlt sich verletzt, wenn van der Straaten das Geschehene einfach als erledigt betrachtet.
    Es ist beeindruckend, dass Melanie auch in der Öffentlichkeit mit allen Konsequenzen zu ihrem Handeln stehen möchte. Nur wenn sie jetzt ehrlich ist, kann sie vor sich selbst ihr Gesicht wahren und wieder mit sich selbst ins Reine kommen. Dabei hofft sie auf Menschen, die „Menschliches als menschlich ansehen“. Van der Straaten scheint großherzig, bietet aber eine Zukunft, die auf einer Lüge basieren würde. „Fleck ist Fleck“.
    Die Zukunft plant Lannie offensichtlich ohne ihre Töchter, zum Abschied wirft sie nicht mal einen Blick auf die schlafenden Kinder. Dies wirkt einerseits herzlos, anderseits zeigt es ihre Entschlusskraft, ihren unbedingten Willen sich von ihrem alten Leben zu lösen. So sind dann auch ihre ersten Schritte in die Zukunft nicht leicht (allein die dunkle Treppe hinunter, der ablehnende Kutscher)…

    Wäre eine ehrliche Zukunft für van der Straatens überhaupt möglich?


    Gruß
    Eni

  • Hallo zusammen,


    gegen Ende des 11. Kapitels also kurz bevor Ezel im 12. Kapitel seine Frau an Ruben verliert, schüttelt Fontane, als Melanie das Nachmittagsprogramm erläutert, noch schnell die passende Wagneroper aus dem Ärmel:


    [i] Und du sollst sogar das Programm wissen.«
    »Da wär' ich neugierig.«
    »Erst singen wir.«
    »Tristan?«


    In der Wagneroper „Tristan und Isolde“ nimmt ja auch der junge Tristan dem alten König Marke die Isolde weg.


    Dann geht das Programm mit Obstgarten und Palmenhaus weiter: Möglicherweise eine Anspielung auf Apfel und Paradies als Mittel und Ort der Verführung.


    Dann der Sündenfall:



    ... aber diese weiche, schlaffe Luft machte sie selber weich und schlaff, und die Rüstung ihres Geistes lockerte sich und löste sich und fiel.


    Ein Satz, den man auf der Zunge zergehen lassen kann!


    Als dann Anastasia das Zitat aus Goethes „Wahlverwandschaften“ bringt:


    [i]Anastasia nahm unter Lachen den Arm der Freundin und sagte nur: »Und du wunderst dich über Kopfweh! Man wandelt nicht ungestraft unter Palmen.«


    habe ich mich gefragt, ob sie da schon wusste was gerade passiert ist.


    Ganz sicher nicht gewusst, wie doppeldeutig seine Rede ist, hat Ezel beim letzten Satz des 12. Kapitels:


    [i]...das glaub' ich sagen zu dürfen: von diesem Tag an datiert sich eine neue Ära des Hauses van der Straaten.«


    Im 13. Kapitel:


    Das Kapitelende ist mal wieder ein Hammer:


    Er wollte klingeln und nach dem Arzte schicken. Aber sie bat ihn, es zu lassen. Es sei nichts, oder doch nichts Ernstes, oder doch nichts, wobei der Arzt ihr helfen könne.
    Und dann sagte sie, was es sei.


    zeigt sich Fontane als Meister des Weglassens. Ich darf gar nicht daran denken, was andere Autoren hier ausgeführt hätten.



    Das 16. Kapitel:



    die Abschiedsszene kommt recht still daher.


    Mir hat diese Abschiedsszene sehr gut gefallen, da fällt kein lautes Wort, es gibt keinen Streit, Ezel will seine Frau auf jeden Fall behalten trotzdem wird nicht gedroht oder auf ein Recht gepocht aber Melanie will ihre Freiheit, sie will raus aus dem Puppenheim und sie läßt sich wie Ibsens Nora nicht aufhalten.




    Wäre eine ehrliche Zukunft für van der Straatens überhaupt möglich?


    Na ja, es wäre sicher schwer geworden, wenn das Vertrauen einmal verloren ist?, aber Ezel scheint seine Melanie ja wirklich von ganzem Herzen zu lieben und in der Liebe ist alles möglich.


    Gruß
    montaigne