Schweizer Literatur

  • Ich bin mit einem Kollegen aus der Schweiz über schweizer Literatur ins Gespräch gekommen, besonders über schweizer Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur. Einiges habe ich gelesen, einige Schriftsteller(Inn)en kenne ich flüchtig aus Lesungen und ein Intresse ist auch da, nur fehlt so etwas der Zusammenhang und Durchblick.


    Den könntet ihr Forengeister und Buchwürmer und Leseratten aber haben!


    Deshalb die Frage: Was gehört zum Besten der schweizer Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur, was muss ich gelesen haben, was sollte ich besser meiden und warum?


    Gibt es auch in der Schweiz einen unvermeidlichen Kanon oder ähnliches?


    FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo Friedrich-Arthur,


    Schweizer Autoren schätze ich sehr.


    Klassiker:
    Conrad Ferdinand Meyer: Jürg Jenatsch (möchte ich empfehlen; wir hatten mal eine kleine und feine Leserunde dazu)
    auch hat finsbury einen informativen Thread angelegt und gespickt mit seinen Eindrücken:
    http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,4219.0.html


    Annemarie Schwarzenbach.
    ich habe ihre Bücher 2008 zum ersten Mal entdeckt und mich sprechen ihre Bücher sehr an. Auch wenn mancher Roman von ihr nicht ganz ausgereift ist, steckt Größe darin und man kann viel darin entdecken.


    Empfehlen würde ich "Flucht nach oben".
    http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,2600.0.html


    Nachkriegs- und zeitgenössische Literatur:
    ob es einen Kanon gibt, weiß ich nicht, aber sollte es einen geben, dürfte folgendes Buch mMn nicht darin fehlen:


    Max Frisch: Der Mensch erscheint im Holozän.
    finde ich herausragend gut.


    von den neueren mag ich Alex Capus.
    Ein großartiger Erzähler. Er hat so eine Art alles abenteuerlich erscheinen zu lassen, ist jedoch nicht oberflächlich.


    Mein Lieblingsbuch: Eine Frage der Zeit. Grundlage hierzu eine wahre Begebenheit... das Dampfschiff Goetzen wird in seinen Einzelteilen zerlegt und im kolonialen Afrika, am Tanganjikasee, wieder zusammengesetzt, dann bricht der erste Weltkrieg aus.


    auch zu empfehlen: Reisen im Licht der Sterne . Darin geht es um Robert Louis Stevenson.


    so manchen Schweizer habe ich noch ungelesen im Regal stehen (Schertenleib, Lukas Hartmann, Dürrenmatt, Glauser...)


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Friedrich-Arthur.


    So ein richtiges Schmankerl kann ich dir da sogar empfehlen:


    S. Corinna Bille und zwar das Buch "Venusschuh"


    Viel habe ich schon von Peter Stamm gelesen, und Jacques Chessex mochte ich sehr, "Ein Jude als Exempel" und "Der Kinderfresser".


    Tim Krohn mit seinem Buch: "Der Geist am Berg" habe ich vor gar nicht so langer Zeit gelesen, Gegenwartsliteratur, die mir zusagte.


    Ansonsten kann ich dir genau wie Maria Max Frisch und Annemarie Schwarzenbach empfehlen.


    Martin Suter kann ich nicht empfehlen, m. M. n. an den Haaren herbei gezogen seine Geschichten.


    Hier die Liste von wiki.


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Hallo FA,


    hier meine Lieblings-Schweizer:
    -> Robert Walser (v.a. "Der Gehülfe" und "Geschwister Tanner")
    -> Hermann Burger ("Schilten")
    -> Friedrich Glauser (viele sehr gute Erzählungen und Kurzgeschichten).


    Lesenswert:
    -> Gottfried Keller (z.B. "Der grüne Heinrich")
    -> C.F. Meyer (dessen Lyrik ich sehr mag)


    Wen ich meide:
    -> Mit Dürrenmatt kann ich mittlerweile kaum noch etwas anfangen.
    -> Max Frisch mochte ich noch nie (mit einer Ausnahme: "Der Mensch erscheint im Holozän").


    Zu aktuellen Autoren kann ich nichts sagen.


    Viele Grüße


    Tom

  • Von den Nachkriegsautoren und den etwas älteren Semestern auf jeden Fall der schon genannte Max Frisch ("Der Mensch erscheint im Holozän", "Mein Name sei Gantenbein", "Stiller", Homo Faber", als Bühnenautor ist er auch toll), Friedrich Dürrenmatt ("Der Richter und sein Henker" und die Stücke) , Elias Canetti ("Die Blendung", "Masse und Macht", die autobiographischen Schriften) und Urs Widmer ("Der Geliebte der Mutter" finde ich z.B. sehr gut). A. Muschg ist auch sehr bekannt und multipel preisgekrönt, allerdings hab ich von dem noch nichts gelesen und kann zu ihm daher nichts sagen.
    Von den Autoren, die jetzt so 40-50 sind, mag ich ebenso wie Anita Peter Stamm (den Roman "Agnes" und den Erzählband "Blitzeis" fand ich sehr schön) und die phantastische aber leider jung verstorbene Aglaja Veteranyi ("Warum das Kind in der Polenta kocht").
    Von den jüngeren Autoren sind Christian Kracht ("Faserland") und Zoe Jenny ("Blütenstaubzimmer") ziemlich bekannt. Ich persönlich halte die beiden zwar für mediengehypte Leichtgewichte, aber vielleicht bin ich ungerecht und wahrscheinlich ist das sowieso Geschmackssache. Wenigstens lesen sie sich ganz flott. Und Martin Suter und seine von Wechseljahresbeschwerden - Glatze! Lesebrille! Speckröllchen! - und Lifestyleproblemen - "Welchen Rotwein zum Hirschragout?" - gebeutelten Herrschaften aus der oberen Mittelschicht kann ich überhaupt nicht ab, aber er ist, glaube ich, sehr populär.



    Edit: Wenn es nicht nur Nachkriegs- und Gegenwartsautoren sein sollen, sollte man auch Rousseau und Mme de Stael noch erwähnen.

    Einmal editiert, zuletzt von FeeVerte ()

  • Interessant, dass niemand an Hermann Hesse denkt...


    Martin Suter kann ich nicht empfehlen, m. M. n. an den Haaren herbei gezogen seine Geschichten.


    Ich auch nicht, und zwar hauptsächlich deshalb, weil diese gut geölte Erzählmaschine irgendwo links an mir vorbeischnurrt.


  • Interessant, dass niemand an Hermann Hesse denkt...


    Ich zähle ihn nicht zur >>Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur<<, Max Frisch dagegen schon, okay die Schwarzenbach gehört hier auch nicht hinein :zwinker:


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in &quot;Also sprach Zarathustra&quot;

  • Eersch na isch Hesse e dütsche Iwanderer gsi. Aber wenn die Zuzügler auch zählen, würde ich gerne noch Sibylle Berg nachreichen. "Der Mann schläft" ist der beste und unkitschigste Liebesroman, den ich seit vielen Jahren gelesen habe.

  • Wurde Hugo Loetscher schon erwähnt? Nicht nur als Übersetzer lesenswert, sondern auch einer der grossen Reiseschriftsteller und - auf seine alten Tage - Schwulenbewegter der Schweiz des 20. Jahrhunderts. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht jetzt auch noch Hugo Loetscher zu lesen?
    Jedenfalls habe ich ihn gleich mal gegoogelt und auf die Leseliste gesetzt, vielen Dank für die tolle Anregung, sandhofer. :smile:

  • Hallo zusammen,


    kürzlich las ich von Alain Claude Sulzer: Ein perfekter Kellner.


    Mir hat die melancholisch Geschichte und der etwas altmodische Stil gut gefallen. Die Bezüge zu Thomas Mann zu anfangs hätten es nicht gebraucht und zum Glück verlauft sich die Personenähnlichkeit im Laufe des Romans.


    [kaufen='978-3518457412'][/kaufen]


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Giovanni Bonalumi (5. April 1920 in Muralto ; † 8. Januar 2002 in Locarno): "Die Geiseln"


    Kein Krimi. Die Geiseln sind die Geiseln Gottes. Erzählt wird von einer Jugend in einem Priesterseminar. Sehr feine Prosa. Kurze Sätze. Er wird nicht dick aufgetragen, oft wird nur angedeutet. Eine literarische Entdeckung. Im letztem Jahr erstmals ins Deutsche übersetzt. Der Autor stammt aus dem Tessin.

  • Was gehört zum Besten der schweizer Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur, was muss ich gelesen haben,


    Hallo Friedrich-Arthur,
    hallo zusammen,


    für mich ist der wichtigste Schriftsteller der Schweiz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eindeutig Max Frisch, Dürrenmatt mag ich nicht so, d.h. seine Dramen schon und Robert Walser sollte man natürlich auch kennen.


    Von den noch lebenden Schriftstellern der Schweiz schätze ich:
    -Adolf Muschg (z.B. „Der rote Ritter)
    -Peter Bichsel und
    -Urs Widmer


    Zu den letzen Beiden gibt es eigene Threads im Klassikerforum:


    Peter Bichsel:
    http://www.klassikerforum.de/i…,822.msg8144.html#msg8144


    Urs Widmer:
    http://www.klassikerforum.de/i…,645.msg5742.html#msg5742



    Nach Klassikern war zwar nicht gefragt, trotzdem meine 2 Schweizer Lieblingsklassiker der Literatur:


    Jeremias Gotthelf (vor allem „Die schwarze Spinne)) und


    Gottfried Keller (vor allem der Novellenzyklus: „Die Leute von Seldwyla“)

  • Vielen Dank für eure Antworten!


    Wie so vieles ist auch die schweizer Literatur etwas zu kurz gekommen die letzte Zeit und schiebe ich literarische Anschaffungen etwas vor mir her. Aber wie der Volksmund schon sagt: aufgeschoben ist nicht aufgehoben.


    Meinen Dank wollte ich aber unbedingt endlich loswerden.


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo zusammen,


    den Schweizer Buchpreis 2011 erhält Catalin Dorian Florescu für "Jacob beschließt zu lieben" (C. H. Beck)


    [kaufen='978-3406612671'][/kaufen]


    Hat jemand von euch den Roman bereits gelesen?


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hat jemand von euch den Roman bereits gelesen?


    Nein. Im übrigen war ich beim letzten Schweizer Buchpreis so etwas von enttäuscht, dass ich auch keine Lust auf eine Lektüre des diesjährigen Preisträgers verspüren ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus