Gerhard Richter

  • Ich hoffe, mit Eröffnung eines Gerhard Richter Ordners gegen keine Klassikerforum-spezifischen Konventionen zu verstoßen, auch wenn der in Dresden geborene Maler im Eigentlichen noch nicht unter die Klassiker zu rechnen ist. Die Enorme Vielfalt seiner stilistischen Ausdrucksmittel ist jedenfalls bemerkenswert. Dass ich mich momentan noch nicht dazu hinreißen lasse, einen ausführlicheren Beitrag zu verfassen, liegt darin begründet, dass ich mir dazu erst einen besseren Überblick über sein enormes künstlerisches Werk verschaffen müsste. Vielmehr möchte ich an dieser Stelle bloß eine hoffentlich inhaltsreiche Diskussion ins Leben rufen. Was fasziniert euch an diesem Künstler? Welche seiner Werke findet ihr am beeinduckendsten? Gesprächstoff bietet die Beschäftigung mit dessen Werk allemal...


    Gruß
    Meier

    "Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt" * Keimzeit

  • Hallo meier,


    Gerhard Richter ist doch schon längst ein Klassiker! Sein Werk ist schon zu Lebzeiten klassisch und sehr einflussreich!


    Ich habe unlängst zum ersten Mal ein Originalwerk von Richter gesehen, abstakt (und ich bin eigentlich kein Anhänger des Abstrakten) und es hat mich begeistert. Die Farben sind mit einer solchen Rafinesse zusammengestellt und aufgetragen und man muss seine Augen und sein Denken anstrengen und den Farben folgen. Auch die Experimentierfreude ist schlichtweg umwerfend, sowohl was die Themen als auch das Material betrifft.


    Ich mag nur einen Teil seines Werkes, aber ich finde Richter ist einer der größten Gegenwartskünstler!


    Frohes Fest!


    FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Gerhard Richter ist seit vielen Jahren der gefragteste lebende Künstler weltweit!


    Der 1932 in Dresden geborene und in der Oberlausitz aufgewachsene Maler und Fotograf flüchtete, nachdem er zuvor sein in der DDR entstandenes Werk verbrannt hatte, 1961 nach Westdeutschland wo er, um sich vom „Sozialistischen Realismus“ zu distanzieren, zusammen mit Sigmar Polke und weiteren Künstlern. den Begriff „Kapitalistischer Realismus“ erfand und 1968 zusammen mit Günther Uecker unter dem Motto „Auch Museen können Wohnorte sein“ die Kunsthalle in Baden-Baden besetzte.


    Mir ist sein Werk zum ersten Mal bewusst 1997 auf der dokumenta X begegnet, bei der sein „Atlas“, eine 1962 begonnene Sammlung von Fotos, Zeitungsausschnitten, Farbstudien usw. ausgestellt war,
    http://www.google.de/search?q=…5oCpAQ&sqi=2&ved=0CFcQsAQ
    das heißt der größte Teil des Fridericianum war mit Fotos von Richter zugepflastert, sicher zum Teil interessant, aber wer weiß – wenn ich eines Tages meine Fotos sortiere und an die Wand klebe? :breitgrins:


    Zehn Jahre später (2007) ist mir Richter auf der dokumenta 12 wieder begegnet, auf der Dokumenta 11 war er nicht vertreten, diesmal war er mit einem einzigen Gemälde vertreten, das mich schockierte.


    2009 hab’ ich zum ersten Mal abstrakte Bilder von Gerhard Richter gesehen, die inzwischen 2/3 seines Werkes ausmachen: bei einer Ausstellung im Haus der Kunst in München:
    http://www.kunstaspekte.de/index.php?tid=47616&action=termin


    Dieses Jahr gab es zwei Ausstellungen in Hamburg:


    1. in der Kunsthalle:
    http://www.hamburger-kunsthall…chiv/seiten/unscharf.html


    2. im Bucerius Kunst Forum
    http://www.monopol-magazin.de/…-Kunst-Forum-Hamburg.html


    und ab dem 6. Oktober 2011 gibt’s in der Tate Gallery of Modern Art in London eine große Retrospektive.
    http://www.cityinfo-koeln.de/p…rd_richter,2004,1429.html


    Dazwischen gab’s noch das Theater um das Kölner Domfenster und weil Richter anscheinend die Dokumentation darüber von Corinna Belz gefallen hat, hat er der Filmemacherin 2009 sein Atelier geöffnet für den Film „Gerhard Richter Painting“, der seit 8. September 2011 in ausgewählten Kinos läuft.


    Wer sich für meine persönlichen Eindrücke zu dem Film interessiert: Gelegentlich noch mal hier reinschauen!

  • Zwischen den zwei Hamburger Richter Ausstellungen und der ab 6. Oktober 2011 in der Londoner Tate Gallery geplanten Richter-Retrospektive startete in ausgewählten Kinos am 8. Sept. 2011 der Film „Gerhard Richter Painting“ von Corinna Belz. Ich habe mir den Film am 10. September ab 17.00 Uhr im „Atlantis“ in Mannheim angesehen. Als Sensation war der Film angekündigt, imo ist nicht der Film selbst eine Sensation, sondern dass Richter überhaupt sein Atelier für einen Film geöffnet hat und sich beim Malen zuschauen ließ.


    In der Eröffnungsszene stellt Richter eine Filmkamera auf, d.h. er versucht es, aber es gelingt ihm nicht. Was will uns diese Einstellung sagen? Dass Richter kein Pseudointellektueller ist, also Künstler und doch technisch begabt? Ich bin ratlos.


    Dann, und das ist der Hauptteil des Films, sieht man Richter in seinem Atelier, abstrakte Bilder, die heute den größten Teil seiner Arbeit ausmachen, schaffend. Mit der Rakel zieht Richter abwechselnd Gelb, Blau und Rot über die Leinwand. (Beuys „«Der Fehler fängt schon an, wenn sich einer anschickt Keilrahmen und Leinwand zu kaufen.», scheint an Gerhard Richter spurlos vorbeigegangen zu sein.) Diese Arbeit sieht nicht nur willkürlich aus, sondern geschieht tatsächlich zufällig und planlos, wie der Künstler selbst bestätigt.


    Zu diesen aktuellen Aufnahmen aus dem Atelier werden Szenen aus ältern Dokumentarfilmen geschnitten. Einmal sieht man eine Ausstellungseröffnung in London und Richter wird von einer Reporterin auf seinen RAF-Zyklus angesprochen: „Das war ja ein schwieriges Thema?“. Was wäre auf eine solche Frage nicht alles möglich gewesen? Gerhard Richter macht’s kurz: „Es ging.“ Selten ist ihm ein ganzer Satz zu entlocken und wenn wie z.B. „Jedes Bild ist der Todfeind des anderen“, dann ist es ein Zitat, in diesem Fall von Adorno.


    Zusammengehalten wird der Film von den begleitenden Klavierstücken. Leider habe ich mir den Abspann nicht angesehen, weil ich noch zur „Autosymphonie“ wollte, aber eine Komposition von John Cage meine ich erkannt zu haben.


    Fazit: In seiner Hilflosigkeit ist mir der Mensch Gerhard Richter sympathischer geworden, mein Fragezeichen hinter dem Künstler hat sich allerdings vergrößert.

  • Danke für den Hinweis Hubert. Ich werde gleich einmal versuchen hier in Wien ein Kino zu finden, wo der Film gezeigt wird. Ansonsten wird er sicherlich früher oder später auch als DVD erhältlich sein.


    Gruß
    Meier

    "Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt" * Keimzeit


  • Ich werde gleich einmal versuchen hier in Wien ein Kino zu finden, wo der Film gezeigt wird.


    Hallo Meier,


    hier noch ein Link zum Richterfilm mit alllen wichtigen Informationen:


    http://www.gerhard-richter-painting.de/zum_film.php


    Es gibt jede Menge Wissenswertes zum Film, zu Gerhard Richter, ein Interview mit Corinna Belz, Pressestimmen u.a. vor allem aber einen Kinofinder wo Du ev. nachsehen kannst ob oder dich benachrichtigen lassen kannst wann der Film in Deiner Nähe läuft.


    Gruß


    Hubert

  • Zu Beginn der Diskussion war ja von stilistischer Vielfalt die Rede.


    Ich zähle mal auf: a) Er malt Fotos ab. b) Er würfelt Farbfelder aus - zuletzt im Kölner Dom c) Er schiebt jetzt seit Jahren Farben über die Leinwand.
    Habe ich etwas vergessen? Ich komme dann auf drei stilistische Mittel und das ist doch nicht so enorm vielfältig.


    Auffällig bei allen drei Mitteln ist ja die geradezu methodische Geistlosigkeit, die dann ja auch durchweg zu Werken führt, die für mich an Langeweile nicht zu überbieten sind.


    Dazu kommt, dass der Mann nicht willens ist, auch nur drei zusammenhängende Worte zu seinem Werk zu sagen. Das ist für einen bildenden Künstler berechtigt. Aber dieses Schweigen ist ja kalkuliert und wird als Katz-und-Maus-Spiel mit den Medien wieder und wieder neu inszeniert: "Seht da! Ich bin der, der über sein Werk schweigt!" Und das Schweigen ist ja wieder nicht seine eigene Idee, sondern das hat er ja von Duchamp 'entliehen'.


    Ich finde auch diese Pose extrem ermüdend.
    Den Film würde ich wohl kaum überstehen. Das spare ich mir lieber.


  • Zu Beginn der Diskussion war ja von stilistischer Vielfalt die Rede.


    Ich zähle mal auf: a) Er malt Fotos ab. b) Er würfelt Farbfelder aus - zuletzt im Kölner Dom c) Er schiebt jetzt seit Jahren Farben über die Leinwand.
    Habe ich etwas vergessen? Ich komme dann auf drei stilistische Mittel und das ist doch nicht so enorm vielfältig.


    Heute feiert Gerhard Richter seinen 80. Geburtstag. Und da will ich mich mal auf seine Seite schlagen:


    In einer Zeit, da man einen Künstler meist auf den ersten Blick erkennt, weil er entweder in jedem Objekt Nägel verwendet (Uecker), die Bilder auf den Kopf stellt (Baselitz) usw. wären ja drei stilistische Mittel schon sehr viel, die Hauptsache aber bei Richter ist, dass er, im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Künstlern, sowohl gegenständlich als auch abstrakt arbeitet.


    Gerade eben, habe ich in der Süddeutsche.de gelesen, dass Richter von Kritikern lange seine stilistische Bandbreite als Beliebigkeit vorgeworfen wurde. Also kann es ja nicht so verkehrt sein, bei ihm von stilistischer Vielfalt zu reden.


    Andererseits will ich meine Freundlichkeit auch am 80. Geburtstag eines Künstlers nicht übertreiben und mal fragen, ob Vielfalt was mit Qualität zu tun hat?

  • Also die Farbschiebungen sind auch nicht mein Ding, aber das frühe Werk finde ich sehr beeindruckend.

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Bei der Verleihung des 62. Deutschen Filmpreises im Friedrichstadt-Palast in Berlin wurde „Gerhard Richter Painting“ am Freitag, dem 27. April 2012, als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.

  • Ich mag lieber DANIEL Richter :) Klick!


    Edit sandhofer: Bild in Link umgewandelt, nix für Ungut!

    „Denken und danken sind verwandte Wörter; wir danken dem Leben, in dem wir es bedenken.“ T. Mann

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()

  • Jetzt habe ich mir zwei Bücher über Gerhard Richter gekauft und muss sagen, muss eingestehen, dass mich sein Werk zu faszinieren beginnt, je länger ich es betrachte und darüber nachdenke. Er ist ja durchaus vielseitig und selbst einige seiner "Farbschiebungen" fangen an durch meine Gedanken zu geistern. Er ist einer von den Künstlern, die nicht sofort zugänglich sind in ihrem Werk, aber durchaus eine Vision, Tiefgang und Überzeugungskraft haben. Ich werde wohl noch einige Dinge über Gerhard Richter und sein Werk heraussuchen und mich noch eine Weile begeistert mit dem Werk auseinandersetzen.

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