Oktober 2010 - Ovid: Metamorphosen

  • Ich habe mittlerweile das 2. Buch beendet. Herausgreifen möchte ich die Geschichte Phaethons, die nicht das Motiv der Verwandlung, sondern das des unvorsichtigen Himmelsstürmers und dessen Bestrafung thematisiert.


    Wikipedia gibt als Quelle des Mythos die schon von mir erwähnte „Theogonie“ Hesiods an. Überprüft habe ich das nicht, aber so groß ist mein Misstrauen nicht, dass ich diese Angabe bezweifle.


    Was haltet Ihr übrigens von der dort angesprochenen These, dass die aus dem Ruder laufende Fahrt des Himmelswagens und die katastrophalen Folgen einen Meteoriteneinschlag darstellen könnten? Ich finde das sehr gewagt.


    Für mich kommt in der Phaethon-Geschichte zum Ausdruck, dass selbst ein Abkömmling der Götter sich nicht einbilden darf, allein dank „hoher Geburt“ über göttliche Fähigkeiten und Stärke zu verfügen. Außerdem erinnert mich das an einen Satz, den Stefan Zweig über Hölderlin und dessen Poesie geschrieben hat: „Die Götter lieben die Verwegenen, die ihnen entgegenbrennen, aber sie strafen jene, die sich erkühnen, ihnen zu sehr zu nahen.“ Kleine Anmerkung: Hölderlin erhielt von seinen Freunden den Spitznamen „Phaethon“.


    Gefällt Euch auch das geniale Rubens-Bild? http://de.wikipedia.org/w/inde…etimestamp=20050613094655


    LG


    Tom

  • Willkommen, Gontscharow, schön, daß du mitliest :winken:.


    Ich habe nun das erste Buch gelesen und erinnere mich langsam wieder an den Lateinunterrricht vor so vielen Jahren. Die Metamorphosen waren das einzige, was mir damals gefallen hat (Feldzüge und politische Reden etc. finde ich einfach nicht besonders spannend). Ich war allerdings ziemlich schlecht in Latein und deshalb kann ich mit dem lateinischen Original in meiner Ausgabe nicht mehr viel anfangen. Es reicht gerade noch, um einzelne Wörter erkennen zu können, sodaß ich ungefähr weiß, wo ich gerade bin.


    Mich hat der lüsterne Apoll nicht überrascht; ich meine, mich an jede Menge Geschichten über lüsterne Götter und arme, bedrängte Nymphen o.ä. zu erinnern. Mir hat die zweite Schöpfung des Menschen sehr gut gefallen. Auch hier beschreibt Ovid sehr plastisch, wie die Steine sich langsam in Menschen verwandeln.


    Bin gerade etwas in Eile. Zu Phaeton äußere ich mich dann noch, wenn ich etwas mehr Zeit habe.


    Viele Grüße
    thopas


  • Mich würde interessieren, sir thomas, wie in deinem Text folgende Stelle übersetzt ist:
    (Verszeile 553 )sentit adhunc trepidare novo sub cortice pectus
    Bei uns heißt es:
    (Als er die rechte Hand an den Stamm legt,) fühlt er noch unter der frischen Rinde das Herz schlagen.


    Meine Übersetzung der Zeilen 553/554:


    ... er legt an den Stamm seine Rechte,
    Fühlt das Herz der Geliebten noch schlagen unter der Rinde ...



    Ich meine , trepidare pectus müsste man statt mit das Herz schlagen eher mit die Brust zittern übersetzen.
    Das wäre dem Text näher.(?)


    Das sehe ich auch so. Vielleicht soll die freie Übersetzung einen dramatischeren Effekt erzeugen ...


    LG


    Tom

  • Hallo,


    Danke, sir thomas, fürs Nachschauen. In der Versübersetzung von Johann Heinrich Voß (im Projekt Gutenberg ) heißt die Stelle übrigens:
    ...
    fühlet er noch aufbeben in der jungen Rinde den Busen
    ...
    Deutlich "sinnlicher" und näher an Ovid als unsere Übersetzungen!



    Mich hat der lüsterne Apoll nicht überrascht; ich meine, mich an jede Menge Geschichten über lüsterne Götter und arme, bedrängte Nymphen o.ä. zu erinnern.


    :breitgrins:
    Ja, aber das sind häufig Satyrn oder Silenen aus dem Gefolge des Dionysos, die Jagd auf Flussnymphen machen, oder aber der unverbesserliche Zeus (Kallisto). Dass aber der "Schöngeist" Apoll so außer Rand und Band gerät und sich lächerlich macht, finde ich schon erstaunlich. Obwohl - einige Geschichten weiter gerät er wieder außer Fassung und lässt sich zu etwas hinreißen, was er später bereut.



    Was haltet Ihr übrigens von der dort angesprochenen These, dass die aus dem Ruder laufende Fahrt des Himmelswagens und die katastrophalen Folgen einen Meteoriteneinschlag darstellen könnten? Ich finde das sehr gewagt.


    Beim Lesen der Phaeton-Episode dachte ich schon, dass diesem Mythos ähnlich wie der Sintflut-Geschichte die Erinnerung an eine reale Naturkatastrophe zugrunde liegen muss. Meteoriteneinschlag - finde ich gar nicht so abwegig angesichts der geschilderten verheerenden landschaftlichen Veränderungen.

  • Salve socii!


    Das zweite Buch habe ich durch!

    Erstaunlich, welche Vielfalt an mythologisch vermitteltem Wissen über Entstehung und Geschichte der Welt auf diesen wenigen Seiten schon vor dem Leser ausgebreitet wird! Nicht nur wie die Welt und die Menschen entstanden sind, erfährt man, sondern auch, welchem Umstand der Lorbeerbaum seine Entstehung verdankt, wie der Kleine und der Große Bär an den Himmel gekommen sind, wie Bernstein entstanden ist, warum der Rabe schwarz ist und der Schwan Wasser als Lebenselement bevorzugt, wie die bunten Pfauenaugen auf das Gefieder von Junos Lieblingsvogel kommen (überhaupt erfährt man viel über Vögeln *), wie die Panflöte erfunden wurde, ob die Liebe für den Mann oder die Frau schöner ist, warum Tiresias blind ist und Seherqualitäten hat, und noch einiges mehr.


    Es geht mir wie dir, thopas, von dem Originaltext verstehe ich wenig. Trotzdem meine ich durch gelegentliches Hinüberlinsen eine Ahnung von der Schönheit des Ovid’schen Textes bekommen zu haben, besonders was die beindruckend knappe elegante Form bei gleichzeitiger Plastizität der Schilderung angeht! Die Übersetzung von Gerhard Fink gefällt mir übrigens gut. Es ist zwar eine Prosaübersetzung, die Hexameter hört man aber heraus.


    Rubens’ Sturz des Phaeton, Sir Thomas, ist schwindelerregend!
    Es gibt von Rubens mindestens noch zwei Bilder zu den Metamorphosen des ersten und zweiten Buches: Jupiter und Kallisto und http://de.wikipedia.org/w/inde…etimestamp=20060116090246 Juno und Argus. Letzteres finde ich in seiner Pracht gelinde gesagt bizarr!





    *Pardon, konnte ich mir jetzt nicht verkneifen.


  • Erstaunlich, welche Vielfalt an mythologisch vermitteltem Wissen über Entstehung und Geschichte der Welt auf diesen wenigen Seiten schon vor dem Leser ausgebreitet wird!


    AVE!


    Es ist schon ein ordentliches Feuerwerk, mit dem wir es hier zu tun haben. Das Erstaunliche für mich: Der Dichter beherrscht die Menge des Stoffs absolut souverän; er ist der allwissende Schöpfer und Lenker, so wie Flaubert ihn in einem Brief aus dem Jahr 1852 gefordert hat: "Der Autor muss für sein Werk das sein, was Gott im Universum ist: überall anwesend, aber unsichtbar."


    Mein Lektürefortschritt stockt ein wenig. Ich hoffe, am Wochenende das dritte Buch lesen zu können.


    VALE


    Tom


    PS: Rubens' "Juno und Argus" sind in der Tat bizarr, Gontscharow. Gibt es irgendwo eine Fundstelle für "Jupiter und Kallisto"? Es ist sicher interessant, die Kunstgeschichte nach Motiven zu durchforsten, die auf die "Metamorphosen" zurückgehen. Ein Projekt für die Rente ... :breitgrins:

  • Hallo zusammen,


    ich stecke noch mitten im zweiten Buch, habe erst die Geschichte von Kallisto beendet.


    Zu Phaeton: diese Erzählung hat mir sehr gut gefallen, v.a. auch die sehr üppige Beschreibung des Palastes des Sonnengottes und auch dann die Ermahnungen an den Sohn, wie genau er die Strecke fahren muß und welche Gefahren dann auf ihn zukommen können. Daß Phaeton dann trotzdem noch fahren will, läßt darauf schließen, daß er sich schon ziemlich stark selbst überschätzt. Ich als Phaeton hätte gebeten, mitfahren zu dürfen, um mir das Spektakel in Ruhe anschauen zu können und selbst keinen Streß zu haben :breitgrins:.


    Ob dieser Geschichte nun wirklich ein Meteoriteneinschlag zugrunde liegt, bin ich mir nicht sicher. Für mich klingt es wie eine der Erzählungen, die den Menschen erklären wollen, warum die Erde, die Länder und Menschen so aussehen, wie sie es tun; warum manche Landstriche wüst und trocken sind, und warum manche Menschen eine dunkle Hautfarbe haben.


    Schön fand ich auch die Erzählung von Kallisto, die dann letztendlich als der Große Bär (zusammen mit ihrem Sohn als Kleinem Bär) am Himmel landet, dort aber wieder den Zorn von Juno erregt und als Gestirn dann nochmal bestraft wird.


    Hilfreich bei der Lektüre finde ich das Lexikon der antiken Mythen und Gestalten von Michael Grant und John Hazel, das ich mir mal vor bestimmt 10 Jahren gekauft habe:


    [kaufen='9783423325080'][/kaufen]



    Es geht mir wie dir, thopas, von dem Originaltext verstehe ich wenig. Trotzdem meine ich durch gelegentliches Hinüberlinsen eine Ahnung von der Schönheit des Ovid’schen Textes bekommen zu haben, besonders was die beindruckend knappe elegante Form bei gleichzeitiger Plastizität der Schilderung angeht! Die Übersetzung von Gerhard Fink gefällt mir übrigens gut. Es ist zwar eine Prosaübersetzung, die Hexameter hört man aber heraus.


    Mir gefällt die Übersetzung auch sehr gut. Nur manchmal habe ich das Gefühl, daß eine Satzkonstruktion nicht ganz sauber klingt...


    Am Wochenende werde ich wohl kaum zum Lesen kommen, da ich unterwegs bin; vielleicht schaffe ich es aber noch, das zweite Buch zu beenden. Ich merke, daß ich aufgrund der Fülle der Geschichten etwas langsamer lese, um die einzelnen Geschichten besser "verdauen" zu können. Wenn ich zu schnell lese, verschwimmen die Geschichten miteinander...


    Viele Grüße
    thopas


  • vielleicht schaffe ich es aber noch, das zweite Buch zu beenden.


    Ich habe vorhin noch das zweite Buch zuende gelesen. Faszinierend fand ich die Beschreibung der Göttin des Neides. Leider konnte ich sonst nichts über sie in Erfahrung bringen. Handelt es sich dabei um Eris oder um jemand anderen? Ovid hat ja doch einige Geschichten umgeschrieben, also vielleicht auch hier etwas geändert? Gibt es in deiner Ausgabe eine Anmerkung dazu, Tom?


    Ein schönes Wochenende wünscht
    thopas


  • Gibt es irgendwo eine Fundstelle für "Jupiter und Kallisto"?


    Voilà:http://de.wikipedia.org/wiki/D…nd_Kallisto.jpg#filelinks



    Faszinierend fand ich die Beschreibung der Göttin des Neides. Leider konnte ich sonst nichts über sie in Erfahrung bringen. Handelt es sich dabei um Eris oder um jemand anderen?


    Ja, faszinierend, der reinste Horror :angst:, dann aber auch psychologisch sehr fein und mit Ironie beschrieben:
    ...so zerfrisst sie und wird zugleich zerfressen und ist ihre eigene Strafe....
    ...und kann sich kaum der Tränen erwehren, da sie nichts Beweinenswertes sieht...


    Invidia ist, glaube ich, keine klassische Gottheit, sondern eine Personifikation des Neides, ob es da Vorlagen gibt, weiß ich nicht.
    Die spätere allegorische Darstellung des Neides als eine der sieben Todsünden entspricht jedenfalls der Invidia von Ovid - eine alte ausgemergelte Frau mit Schlange.


  • Ich habe vorhin noch das zweite Buch zuende gelesen. Faszinierend fand ich die Beschreibung der Göttin des Neides... Gibt es in deiner Ausgabe eine Anmerkung dazu, Tom?


    Leider nein. Die spärlichen Anmerkungen in meiner Ausgabe sind nicht sehr hilfreich.



    Invidia ist, glaube ich, keine klassische Gottheit, sondern eine Personifikation des Neides, ob es da Vorlagen gibt, weiß ich nicht.
    Die spätere allegorische Darstellung des Neides als eine der sieben Todsünden entspricht jedenfalls der Invidia von Ovid - eine alte ausgemergelte Frau mit Schlange.


    Hier eine Darstellung von Callot: http://en.wikipedia.org/wiki/F…en_Deadly_Sins_-_Envy.JPG


    LG


    Tom

  • [img width=120 height=120]http://www.mlahanas.de/Greeks/…ages3/EuropaVallotton.jpg[/img]Ängstlich blickt die Entführte nach dem verlassenen Gestade zurück und hält sich mit der Rechten an einem Horn fest. Die Linke stützt sich auf den Rücken. Flatternd bauscht sich im Wind ihr Gewand.


    So endet das zweite Buch - mitten in Europas Entführungsgeschichte. Habt ihr eine Ahnung warum ? Soll das ein cliffhanger sein?


    [hr]
    Das Bild ist von Félix Vallotton (1865-1925)

  • [img width=120 height=120]http://www.mlahanas.de/Greeks/…ages3/EuropaVallotton.jpg[/img] ... Flatternd bauscht sich im Wind ihr Gewand.


    Soviel zur künstlerischen Freiheit, die das flatternde Gewand mal eben beiseite lässt ... :zwinker:



    So endet das zweite Buch - mitten in Europas Entführungsgeschichte. Habt ihr eine Ahnung warum ? Soll das ein cliffhanger sein?


    Warum nicht? Ovids Erzählweise hat für mich etwas Atemloses; mit Einleitungen und Überleitungen hält er sich gar nicht erst auf. Was mir auffällt: Die Abfolge der Geschichten hat etwas scheinbar Zufälliges und Wahlloses. In meinem Vorwort wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Zusammenstellung der Bücher nach bestimmten Themen erfolgte, wie z.B. "Verfehlungen der Götter" oder "Rache der Götter". Das erklärt natürlich nicht, warum die Bücher teilweise derart abrupt enden.


    Ich bin jetzt mitten im dritten Buch und habe als letzte Geschichte "Narcissus und Echo" gelesen. Besonders gefallen hat mir der Drachentöter Cadmus (zu Beginn des dritten Buchs). Das Erschlagen irgendwelcher Ungeheuer durch irgendwelche Helden scheint ein grundlegendes Thema der mythologischen und später der phantastischen Literatur zu sein. Beowulf und Siegfried fallen mir spontan ein, aber auch in Grimms Märchensammlung taucht dieses Motiv auf (ich erinnere mich leider nicht, in welchem Märchen).


    Einen guten Start in die Woche wünscht


    Tom


  • Sorry, wenn ich mich kurz einmische, aber ich habe mal eine Frage:
    Wieso malt sie der Künstler dann ohne Gewand, wenn der Autor sie ja eindeutig mit beschreibt?


    Och, das kann die unterschiedlichsten Gründe haben:
    - Valloton hat Ovid nicht gelesen
    - Er wollte, dass wir uns diese Frage stellen
    - Variatio delectat. Die meisten Europa-und -der-Stier-Darstellungen weisen ein sich bauschendes Gewand auf
    - Das Bild illustriert einen späteren Zeitpunkt der Reise: Das Gewand ist nass und schwer geworden und wurde abgelegt
    - ... :zwinker:


  • Auf die erste Begründung bin ich gar nicht gekommen :redface:
    Das mit der künstlerischen Freiheit von Sir Thomas gefällt mir aber auch sehr gut.
    Viel Spaß beim Weiterlesen und sorry für das kurze Zwischenspiel meinerseits.


    Katrin


  • So endet das zweite Buch - mitten in Europas Entführungsgeschichte. Habt ihr eine Ahnung warum ? Soll das ein cliffhanger sein?


    Ich habe mich auch gefragt, warum diese Geschichte so plötzlich abreißt. Es wirkt ja wie ein Cliffhanger, nur daß es im dritten Buch dann gar nicht mit dieser Geschichte weitergeht, sondern damit, daß Kadmos Europa suchen soll, diese aber nicht findet. Ob wir irgendwann nochmal etwas von Europa hören werden?


    Ich habe auch noch die Geschichte mit Aktäon gelesen, und erinnere mich, daß wir diese im Lateinunterricht übersetzt haben. Auch an Tiresias, Narziß und Echo erinnere ich mich (da hat sich mein Lateinlehrer wohl hauptsächlich aus dem dritten Buch bedient...); diese Geschichten habe ich jetzt allerdings noch nicht gelesen.


    Viele Grüße
    thopas


  • Ich habe mich auch gefragt, warum diese Geschichte so plötzlich abreißt. Es wirkt ja wie ein Cliffhanger, nur daß es im dritten Buch dann gar nicht mit dieser Geschichte weitergeht, sondern damit, daß Kadmos Europa suchen soll, diese aber nicht findet. Ob wir irgendwann nochmal etwas von Europa hören werden?


    Am Anfang des dritten Buches findet die Europa-Geschichte durch das "Outing" Jupiters dann doch noch zu einem gewissen Abschluss, wenn auch nur in einem Halbsatz:
    Schon hatte der Gott Kretas Fluren erreicht, die täuschende Stiergestalt abgelegt und sich zu erkennen gegeben,( da gebietet Europas ahnungsloser Vater dem Kadmos, die Entführte mit Eifer zu suchen …)
    Das Plusquamperfekt iamque … se confessus erat/ schon.. hatte sich …zu erkennen gegeben signalisiert, dass Ovid dieses Geschehen bei seinem gebildeten Leser als bekannt voraussetzt und dass es zeitlich vor dem liegt, was er jetzt eigentlich zu erzählen gewillt ist. Es ist, wie Sir Thomas treffend sagt, ein atemloses Erzählen. „Typisch Ovid“ ist für mich die Akzentverlagerung auf den ahnungslosen Vater des Kadmos, der mit seinem Befehl, Europa zu retten, Unmögliches verlangt, da ja alles schon seinen Lauf genommen hat und der sein Unglück noch verdoppelt, indem er bei Misslingen dieses, wie der Leser weiß, aussichtslosen Unterfangens seinem Sohn die Verbannung androht, also nicht nur die Tochter nicht zurückgewinnen, sondern beide Kinder verlieren wird! Pater ignarus! Eine Form von (tragischer) Ironie!
    Die Überleitung vom zweiten zum dritten Buch erscheint mir sehr raffiniert, irgendwie modern!


  • Die Überleitung vom zweiten zum dritten Buch erscheint mir sehr raffiniert, irgendwie modern!


    Das gilt auch für die Überleitung vom dritten zum vierten Buch.


    Das dritte Buch hat mir ausgesprochen gut gefallen. Die Bacchus-Geschichte ist wirklich gnadenlos! In was für einem rachsüchtigen und brutalen Kosmos haben die Römer gelebt! Denn ich nehme an, dass Ovid den Geist seiner Zeit so "realistisch" wie möglich einfängt und wiedergibt. Frei nach Nietzsche stelle ich mir die Frage: Was waren das für Menschen, die sich solche Götter gaben?


    Im vierten Buch folgen mehrere kurze Erzählungen, von denen ich die über Pyramus und Thisbe am meisten genossen habe. Nun weiß ich endlich, wo Richard Wagner seine morbide Vorstellung vom Liebestod (Tristan und Isolde) "abgekupfert" hat! :breitgrins:


    Insgesamt macht mir die Lektüre mittlerweile sehr viel Freude; die Anfangsschwierigkeiten sind überwunden.


    LG


    Tom