Oktober 2010 - Ovid: Metamorphosen


  • Hallo zusammen,


    mir ist es auch ganz recht, wenn wir erst am Wochenende (oder so) beginnen. Dann kann ich mich vorher noch dem Malte Laurids Brigge besser widmen :zwinker:.


    Viele Grüße
    thopas


    Das werde ich dann auch machen, ist vielleicht ganz gut so.


    Eva

  • Bei Jokers gibt's seit neuestem - in Zusammenarbeit mit Der Hörverlag in der Jokers Edition und von Ralf Boysen gelesen - eine Auswahl aus den Metamorphosen auf 6 CDs.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Guten Morgen, liebe Lateinklasse!


    Habt Ihr Eure Lektüre präpariert? :breitgrins:


    Im Vorwort meiner Ausgabe (dtv-TB) klärt Niklas Holzberg zunächst einmal über den Stand der römischen Dichtkunst im Zeitalter des Augustus auf. Neben den Elegikern (v.a. Tibull und Properz werden genannt; vermisst habe ich Catull), die sich über den Liebesdienst an ihrer domina oder puella verbreiteten, war Vergils episches Werk "Aeneis" die staatstragende Dichtung unter Augustus. Interessantes Detail: Holzberg nennt dieses Zeitalter, das den Römern als "Goldenes" galt, eine Phase der Restauration römischer Stärke - ein Detail, das ich aus dem Latein- und Geschichtsunterricht längst verdrängt hatte.


    Auch Ovid hat mit elegischen Werken begonnen, dann aber mit den "Metamorphosen" etwas sehr revolutionäres geschaffen: Ein Epos in Hexametern (dem epischen Versmaß), das in weiten Teilen elegische Inhalte wiedergab, ohne sich des Versmaßes der Elegie (des sog. Distichons) zu bedienen (so zumindest habe ich Holzberg verstanden). Und: Im Gegensatz zu Vergils "Aeneis" sind die "Metamorphosen" alles andere als staatstragend, behauptet Holzberg. Nun ja, wir wissen, dass Ovid seine letzten Jahre in der Verbannung verbrachte; insofern bin ich gespannt, ob die "Metamorphosen" Hinweise auf eine Kritik am römischen Staatswesen oder gar am Kaiser enthalten.


    Weitere Details aus dem Vorwort erspare ich Euch.


    Die Übersetzung von Erich Rösch liest sich leider nicht immer flüssig. Die Probleme des Übersetztens lateinischer Hexameter ins Deutsche habe ich allerdings noch gut in Erinnerung, so dass ich nicht allzu kritisch sein möchte.


    Zu den ersten Inhalten komme ich später.


    LG


    Tom


  • Und: Im Gegensatz zu Vergils "Aeneis" sind die "Metamorphosen" alles andere als staatstragend, behauptet Holzberg. Nun ja, wir wissen, dass Ovid seine letzten Jahre in der Verbannung verbrachte; insofern bin ich gespannt, ob die "Metamorphosen" Hinweise auf eine Kritik am römischen Staatswesen oder gar am Kaiser enthalten.


    Hallo Tom,


    das hier hatte ich gestern auf der Suche nach einer für mich lesbaren Übersetzung entdeckt. In diesem Buch geht es nur um die Entschlüsselung der versteckten Kritik. Nach der Seitenzahl zu urteilen gab es davon eine Menge :breitgrins:


    [kaufen='978-3839145777'][/kaufen]


    Liebe Grüße
    Poppea


    P.S. Es gibt einen Pdf-Auszug, den Link stelle ich bei den Materialien ein.

  • Hallo zusammen,


    so richtig angefangen habe ich noch nicht, nur ein bißchen reingelesen. Ich habe auch länger gesucht, um eine Übersetzung zu finden, die für mich angenehm lesbar ist. Leider ist das über Amazon so gut wie gar nicht möglich, da zwar bei fast jeder Ausgabe eine "Blick ins Buch"-Möglichkeit vorhanden ist, diese aber fast immer zur gleichen Ausgabe verlinkt ist :grmpf:. (Hier auf dem Lande finden sich kaum Buchgeschäfte, die mehrere Ausgaben der Metamorphosen zum Vergleich anbieten.) Ich habe mich letztendlich für eine Prosaübersetzung entschieden, da ich davon ausgehe, daß eine Hexameter-Übersetzung eher anstrengend zu lesen ist (Tom hat ja schon darauf hingewiesen). Ich lese diese Ausgabe (die auch das lateinische Original enthält; allerdings keinerlei Vorwort oder Anmerkungen):


    [kaufen='9783491962804'][/kaufen]


    Viele Grüße
    thopas

  • Wie die Mythen sich doch gleichen: Der Schöpfungsbericht im 1. Buch erinnert sehr an die biblische Version. Wir kennen das: Erst herrscht Chaos, dann kommt ein Gott ins Spiel (bei Ovid ist es Jupiter), der ordnet und kreiert, was das Zeug hält.


    Interessant fand ich die Schilderung der darauf folgenden vier Zeitalter – beginnend mit dem goldenen, in dem paradiesische Zustände herrschen, und endend mit dem eisernen, in dem Betrug und Gewalt überhand nehmen, so dass die Vernichtung der Menschen als logische Konsequenz dieser Fehlentwicklung beschlossen wird.


    Die Entfesselung der Elemente und die Sintflut werden sehr eindringlich und wortgewaltig geschildert, die Überleitung zum weiteren Geschehen hat mich allerdings verwirrt.


    Mit der Geschichte der Nymphe Daphne und deren Verfolgung durch Apollo beginnt der eigentliche Reigen der Verwandlungen. Die Schilderung des lüsternen Apollo hat mich überrascht, denn ich habe ihn mir bislang immer als eine Art Schöngeist des Olymps vorgestellt. Im Vorwort war allerdings schon ausführlich die Rede davon, dass Ovid – mehr noch als Homer – die Götter mit zutiefst menschlichen Zügen und allen erdenklichen Schwächen ausgestattet hat. Das lässt auf weitere Sex and Crime-Stories hoffen ...


    LG


    Tom

  • Interessant fand ich die Schilderung der darauf folgenden vier Zeitalter – beginnend mit dem goldenen, in dem paradiesische Zustände herrschen, und endend mit dem eisernen, in dem Betrug und Gewalt überhand nehmen, so dass die Vernichtung der Menschen als logische Konsequenz dieser Fehlentwicklung beschlossen wird.


    Das klingt wie ein Vorläufer von "Historischer Materialismus", allerdings ohne happy end. :sauer:


  • Wie die Mythen sich doch gleichen: Der Schöpfungsbericht im 1. Buch erinnert sehr an die biblische Version. Wir kennen das: Erst herrscht Chaos, dann kommt ein Gott ins Spiel (bei Ovid ist es Jupiter), der ordnet und kreiert, was das Zeug hält.


    Da ist es mir ähnlich ergangen. Ich habe mich sofort an Paradise Lost erinnert gefühlt...


    Ich bin noch nicht sehr weit gekommen. Bin gerade bei der Sintflut, die ich ganz interessant zu lesen finde. Es ist sehr ausführlich beschrieben, wie die Sintflut so abläuft, wie die Landschaft und die Häuser so allmählich unter Wasser versinken, wie dann die Delphine zwischen den Häusern herumschwimmen, und Tiger und Löwen von den Fluten davongetragen werden, und die armen Vögel kein Land mehr finden, um darauf zu landen. Und wer sich doch noch retten kann, muß dann verhungern...


    Das ist dann doch etwas ganz anderes als die biblische Sintflut :zwinker:. Mal sehen, ob ich am Wochenende etwas weiterkomme in Buch 1.


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo sir homas und thopas!


    Ihr seid hoffentlich einverstanden, wenn ich mich eurer Runde noch anschließe.
    Schon lange stehen die Metamorphosen auf meiner Leseliste. Euer Lesetempo gefällt mir :zwinker:. Es ist, glaube ich, dem Gegenstand angemessen und ich schätze, da kann ich mithalten!


    Gleich zu Anfang eine Frage: Habt ihr eine Ahnung, auf wen bzw. auf welche schon vorhandenen Mythen Ovid sich bei den Welterschaffungs-Kapiteln stützt? Die große Nähe zur Genesis hat mich erstaunt!
    Ich lese übrigens wie thopas die Ausgabe aus dem Patmos-Verlag. Ab und zu vergleiche ich mit dem lateinischen Text. Er scheint mir sehr schwer, sehr "verdichtet" - die Prosaübersetzung hat im Schnitt über 30% mehr Text!



    Die Schilderung des lüsternen Apollo hat mich überrascht, denn ich habe ihn mir bislang immer als eine Art Schöngeist des Olymps vorgestellt.


    Ja :zwinker:, spätestens seit Nietzsches Begriffspaar apollinisch /dionysisch steht Apoll für Vernunft, Klarheit, Maß. Ganz anders hier. Ich verspüre so etwas wie Ironie, wenn die Liebe als Krankheit bezeichnet wird, gegen die kein Kraut gewachsen ist und Apoll, der Gott u.a. der Heilkunst, hier als "hilfloser Helfer", also mit "Helfersyndrom" beschrieben wird, der zwar anderen, aber sich selbst nicht helfen kann.


    Die Verwandlung Daphnes in letzter Sekunde in den Lorbeerbaum ist sehr genau, anschaulich und sinnlich, praktisch in slow motion beschrieben.
    Mich würde interessieren, sir thomas, wie in deinem Text folgende Stelle übersetzt ist:
    (Verszeile 553 )sentit adhunc trepidare novo sub cortice pectus
    Bei uns heißt es:
    (Als er die rechte Hand an den Stamm legt,) fühlt er noch unter der frischen Rinde das Herz schlagen.
    Ich meine , trepidare pectus müsste man statt mit das Herz schlagen eher mit die Brust zittern übersetzen.
    Das wäre dem Text näher.(?)


  • Ihr seid hoffentlich einverstanden, wenn ich mich eurer Runde noch anschließe.


    Hallo Gontscharow,


    schön, dass wir eine weitere Mitstreiterin gefunden haben! :winken:



    Habt ihr eine Ahnung, auf wen bzw. auf welche schon vorhandenen Mythen Ovid sich bei den Welterschaffungs-Kapiteln stützt? Die große Nähe zur Genesis hat mich erstaunt!


    Ich dachte zunächst an Hesiods "Theogonie" (Verse 116-153: Der Uranfang der Dinge: Chaos, Gaia, Uranos); dieser relativ kurze Schöpfungsbericht hat aber weder mit Ovid noch mit der biblischen Genesis viel gemein. Insofern ist Deine Frage berechtigt.



    Mich würde interessieren, sir thomas, wie in deinem Text folgende Stelle übersetzt ist:
    (Verszeile 553 )sentit adhunc trepidare novo sub cortice pectus


    Ich werde das im Laufe des Tages nachschlagen; im Augenblick habe ich das Buch nicht zur Hand.


    Viele Grüße


    Tom