Oktober 2010: Rainer Maria Rilke - Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge

  • Ich finde es auch schade, dass die lyrische Stimme verstummt ist.


    Wir sollten aber Geduld haben. Ich schätze, dass ecb aus der beginnenden nordischen Nacht wenigstens ein Schimmer Nordlicht sendet, um unsere fragenden Geister zu erhellen.

  • Um wieder auf die Leserunde zurück zu kommen :winken:


    Ich bin gestern ein ganzes Stück weiter gekommen und nähere mich mit kleinen Schritten dem Ende. Wenn alles um mich ruhig ist kann ich mich viel besser auf den Inhalt konzentrieren. Besonders interessant fand ich die Beschreibungen Maltes die er mit seiner Mutter teilt. Kleine Geheimnisse die sie haben und von denen kein anderer etwas wissen darf.


    Traurig fand ich dagegen ihren Tod. Dieses Thema kommt jetzt wieder häufiger vor, so scheint es mir. Die Szenen aus seiner Kindheit sind so positiv und voller Leben, aber immer wieder scheint die Trauer und der Tod hindurch.


    Was mich dann immer wieder verwirrt ist das Hin- und Herspringen in den Zeiten. Er beschreibt den Tod seiner Mutter um dann ein paar Seiten später wieder mit ihr durch die Gegend zu schlendern. Da komme ich sehr durcheinander und muss mir vor Augen halten, dass wir jetzt wieder mehr in der Vergangenheit sind als noch vor zehn Seiten. Das macht das Lesen für mich dann doch sehr mühsam.


    Was ich mich beim Lesen allerdings gefragt habe: Wie gestaltet sich die Beziehung von Abelone zu Malte? Sie erzählt ihm sehr viel von seiner Mutter, ist auch wesentlich älter als er, dennoch hatte ich das Gefühl, dass Malte in sie verliebt war. Was sagt ihr dazu? Spinne ich mir da was zusammen oder kann man die ganze Rederei über Liebende durchaus so verstehen?


    Katrin


  • Was ich mich beim Lesen allerdings gefragt habe: Wie gestaltet sich die Beziehung von Abelone zu Malte? Sie erzählt ihm sehr viel von seiner Mutter, ist auch wesentlich älter als er, dennoch hatte ich das Gefühl, dass Malte in sie verliebt war. Was sagt ihr dazu? Spinne ich mir da was zusammen oder kann man die ganze Rederei über Liebende durchaus so verstehen?


    Ich hatte schon gedacht, daß er in Abelone verliebt ist; sie möglicherweise auch in ihn (?). Am Ende, als er von Venedig erzählt, berichtet er wieder von Abelone. Nur war mir da nicht klar, ob er dann "die" Abelone meint, oder nur eine Frau, die ihn an sie erinnert. Vielleicht ist Abelone für ihn so etwas wie eine ideale Geliebte, die er überall sucht (sind jetzt nur Mutmaßungen...)?


    @ sandhofer: dann sollte ich Madeleines doch nochmal probieren. Ich trinke nämlich sehr gerne und sehr oft Tee :breitgrins:.


    Viele Grüße
    thopas


  • Ich glaube, man darf Rilke und Proust wirklich nicht miteinander vergleichen. Rilke war primär Lyriker, Proust war eindeutig Romancier. :winken:


    Trotzdem lese ich beide als Seelenverwandte (ein seltsamer Ausdruck, aber mir fällt kein treffenderer ein), was zunächst einmal nichts mit Vergleichen zu tun hat. Beide sind sehr genaue Beobachter ihrer Umwelt und Analysten von Empfindungen bzw. Empfindlichkeiten. Ob Lyriker oder Romancier: Proust und Rilke sehen die Welt durch ähnliche Brillen. Das ist zumindest mein Eindruck.


    Es grüßt


    Tom


  • Ich habe sogar keine Mühe gescheut und mir durch eine liebe Freundin eine Madeleine besorgen lassen. Braucht man aber nicht. Nimm einfach einen gebrauchten Spülschwamm, weiche ihn eine halbe Stunde in Zuckerwasser ein, und beiß dann hinein.



    Und: Echte Madeleines - nicht die aus einem deutschen Supermarkt - sind so übel nicht. Auch wenn ich sie persönlich nicht mag, weil man die ohne Tee kaum geniessen kann. Und Tee trinke ich sehr, sehr selten ... :zwinker:



    @ sandhofer: dann sollte ich Madeleines doch nochmal probieren. Ich trinke nämlich sehr gerne und sehr oft Tee :breitgrins:.


    Wo ist der von Anita begonnene thread "Klassisch essen" hin?
    Ich möchte euch nämlich das ultimative Madeleine-Rezept nicht vorenthalten! Weder in deutschen noch in französischen Supermärkten bekommt man die echten, sondern nur eingeschweißtes Pappzeug. Da hilft nur selber backen!
    In (echten) Lindenblütentee eingetunkt, erzeugen sie dann jenen Duft, aus dem Prousts Kindheit ist ...

  • Wo ist der von Anita begonnene thread "Klassisch essen" hin?
    Ich möchte euch nämlich das ultimative Madeleine-Rezept nicht vorenthalten! Weder in deutschen noch in französischen Supermärkten bekommt man die echten, sondern nur eingeschweißtes Pappzeug. Da hilft nur selber backen!
    In (echten) Lindenblütentee eingetunkt, erzeugen sie dann jenen Duft, aus dem Prousts Kindheit ist ...


    Im Komentar zum ersten Band habe ich gelesen, dass es in Manuskripten der Rercherche zunächst um anderes als Madeleines ging. es war auch von getoastetem Brot die Rede. So entstehen Mythen :breitgrins:


    Aber trotzdem: Gontscharow, her mit dem Rezept für die wahren Madeleines. In Paris habe ich sie in Bäckereinen nicht bekommen :sauer:

  • Hallo,


    nach langer Pause habe ich letzte Woche nun auch den Roman beendet. Er lässt mich ähnlich ratlos zurück wie einige von euch auch. Nun habe ich den Roman ohne Kommentar gelesen, was einerseits die Schwierigkeiten erhöht, andererseits ein wenig den detektivischen Sinn herausfordert und auch daz uführt, dass man versucht, das Ganze nachzuvollziehen, anstatt das einzelne Detail würdigen zu können.
    Was bleibt nun für mich?
    Eine Kernstelle scheint mir folgende (im Letzten Viertel im Zusammenhang mit Karl dem VI.) zu sein:


    Warum verweilten die Leuchtenden nicht unter den mühsamen Lichtziehern?


    Darum scheint es in dem ganzen Roman zu gehen: Dass wir alle gerne Leuchtende sein wollen, es aber bei den meisten nur zu den Lichtziehern reicht. An dieser Diskrepanz geht Malte fast zugrunde und aus dieser Perspektive muss man auch seine Beobachtungen der Pariser Bevölkerung, seine Kindheitserinnerungen und seine historischen Reminiszenzen sehen: Die Leuchtenden, das sind z.B. der Großvater und sein starker Tod, das ist z.B. Beethoven, das wünscht sich Malte sehnlichst selbst zu sein. Dabei bedeutet Leuchten nicht, ein schönes Leben zu führen: Gerade die großen Leider wie eben der Großvater oder Beethoven, auch der wahnsinnige König Karl VI. sind für Malte die Leuchtenden, weil sie sich nicht beirren lassen.


    Aber ich kann damit natürlich auch ganz falsch liegen. Habt ihr andere Interpretationsansätze?


    finsbury