Oktober 2010: Rainer Maria Rilke - Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge

  • Hallo,


    morgen startet unsere Leserunde zu Rainer Maria Rilke - Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
    Ich werde dabei die SZ Ausgabe lesen [kaufen='3937793275'][/kaufen] und wünsche uns allen viel Spaß mit dem Buch :winken:


    Katrin


  • Und gleich auf der ersten Seite diese Passage, die mich jedesmal wieder umhaut und für mich so viel mit diesem Buch zu tun hat:


    "Die Hauptsache war, daß man lebte. Das war die Hauptsache."


    Aber ist das Leben, wie man es erwartet oder vorstellt?


    Wenn der erste Satz in den Aufzeichnungen das große Thema des Buchs charakteresiert, dann scheint für Malte das Lebensziel und vielleicht auch der Sinn, im Tod zu bestehen. Alles was ihn umgibt, auch seine Erinnerungen, beziehen sich in den Abschnitten, die ich bisher las, auf Verfall und das Sterben. Düster ist die Welt in der er lebt und denkt.


    Paris gilt gewöhnlich als lebensfrohe Stadt, hier bekommt man einen ganz anderen Eindruck.


    Die Logik übrigens, keine Bekannten zu haben, weil man sich verändert, finde ich recht gezwungen. Depression?


    Aber, es ist ja das erste Mal, dass ich dieses Buch lese und nun kenne ich gerade die ersten Seiten.


  • Die Logik übrigens, keine Bekannten zu haben, weil man sich verändert, finde ich recht gezwungen. Depression?


    Diesen Abschnitt regt wirklich zum Nachdenken an. Ich denke, wenn man getrennt ist, die einen leben weiterhin auf dem Dorf und Malte in der Stadt wird man sich sehr unterschiedlich entwickeln, dann ist das einfach so Lost und hat nichts mit Depressionen zu tun :zwinker:


    Denn das (habe gerade einmal 20 Seiten gelesen und das zum ersten Mal) ist so ein Augenmerk worauf es in den ersten Seiten ankommt: Stadt/Dorf, Stadthunde/Landhunde, Stadttod/Landtod. Mein erster Eindruck dabei war, auf dem Dorf ist alles (zeitlich) lang und individuell, die Hunde sind noch natürlich, der Tod auch (?); in Paris geht alles unter, da kann man generell froh sein, dass man lebt ...


    Die ersten zwei Seiten sind in einer dermaßen poetischen Sprache, dass man mit ein paar Absätzen daraus moderen Lyrik haben könnte, alles Metaphern, einfach nur bildhaft schön. Das nimmt allerdings ab.


    Zitat von "Lost"

    Paris gilt gewöhnlich als lebensfrohe Stadt, hier bekommt man einen ganz anderen Eindruck.


    Ich denke, das kommt sehr auf den eigenen Blickwinkel an. Und ich denke, ich als Landei, hätte einen ähnlichen Blick auf Paris, auf eine Großstadt, mich würde der Trubel überrollen, mir wäre es zu laut, zu bunt, ... Großstädte vermitteln mir nie etwas lebensfrohes, im Gegenteil meist finde ich sie etwas bedrohlich, zumal wenn man sich nicht auskennt.


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Hallo alle zusammen,


    weit bin ich noch nicht gekommen, aber ein paar Seiten habe ich in der Zwischenzeit schon gelesen.


    Ich denke, wenn man getrennt ist, die einen leben weiterhin auf dem Dorf und Malte in der Stadt wird man sich sehr unterschiedlich entwickeln, dann ist das einfach so Lost und hat nichts mit Depressionen zu tun :zwinker:


    Das stimmt schon, aber man kann trotzdem befreundet bleiben und seinen Bekannten weiterhin schreiben. Als Depression würde ich es nicht bezeichnen, aber als die Ansichten eines sehr einsamen Menschen.


    Katrin


  • Das stimmt schon, aber man kann trotzdem befreundet bleiben und seinen Bekannten weiterhin schreiben. Als Depression würde ich es nicht bezeichnen, aber als die Ansichten eines sehr einsamen Menschen.


    Natürlich Jaqui, und sicher rührt das evtl. der Einsamkeit her und ist (war auch von mir) auf den Protagonisten gemünzt, aber ganz ehrlich, wenn sich Freunde (und hier sind es ja gar nur Bekannte) sich zu sehr entfremdet haben, was nützt mir das Gespräch mit ihnen? Wenn die Unterschiede zu groß werden, wird das Gespräch/Brief nur noch sehr oberflächlich bleiben, was schreibt man denn da? Über das Wetter? Wenn man sich auseinander gedacht hat, bleibt am Ende tatsächlich nur die Einsamkeit ODER man sucht sich neue Bekannte :zwinker:

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • EIn paar Seiten habe ich der S-Bahn gelesen. Solche poetischen Texte sind dafür, wenigstens für mich, nicht geeignet. Besser sollte ich in einer ruhigen Umgebung und mit Hingabe weiter lesen.


    Die Tullerien haben Brigge dann doch wohl auf andere Gedanken gebracht. Seine Eingangs geschilderten Beobachtungen wiederholen sich in einem ganz anderen Licht. Wie weit sich Malte mit Rilke gleich setzten lässt, kann ich nicht beurteilen, aber die Bemerkungen über Verseschmieden dürfte einem Credo des Dichters sehr nahe kommen.


    Die Eingangssätze im Kapitel "Bibliotheque Nationale" finde ich zauberhaft.


    Was und wie Malte alles sieht, erinnert mich an Prousts Art und Weise zu sehen und zu schildern. Ich kenn allerdings nur den ersten Band der "...verlorenen Zeit".

  • Hallo,


    habe nun auch begonnen. Die ersten Seiten befremdeten mich zunächst, zogen mich dann aber doch in ihren Bann.
    Ungewohnte Umgebungen empfindet man wohl immer als bedrohlich, besonders wenn man allein dort ist. Doch wie das Motiv des Todes ausgeführt ist, der nicht individuell ist, das fand ich zunächst schwierig zu verstehen: Es erklärt sich allerdings, nachdem man die großartige Passage über den Tod des Kammerherrn Brigge gelesen hat. Zugleich erkennt man hier auch ein ziemlich ländlich-aristokratisches Lebensgefühl, aus dem heraus den vermassten Großtstädtern der Anspruch auf einen individuellen Tod aberkannt wird.


    Auch im Kleinen zeigt dieser Roman immer den Lyriker Rilke: Oft ist das Verb in den Nebensätzen nach vorne gezogen, wodurch eine andere Sprachmelodie erreicht wird, schon ein wenig biblisch:

    Zitat von "Rilke"

    Und die Kühe, welche kalbten in dieser Zeit ...


    Z.T. erkennt man auch schon fast expressionistische Sprachbilder, hier bei dem Tuilerienspaziergang:

    Zitat von "Rilke"

    Einzelne Blumen in den langen Beeten standen auf und sagten: Rot, mit einer erschrockenen Stimme


    Weiter bin ich noch nicht. Es zeichnet sich keine leichte, aber sehr intensive Lektüre ab.


    Schönen Samstag


    finsbury

  • Hallo,


    nun habe ich ca. 60 Seiten meiner ca. 240 Seiten umfassenden Ausgabe gelesen: Malte ist gerade aus der Klinik "geflohen", in die er, wenn ich es richtig verstanden habe, zur Elektroschockbehandlung bestellt worden war.


    Wie Lost finde ich auch einige Ähnlichkeiten mit Proust, in den Erinnerungsabschnitten. Aber sie stehen bisher immer in scharfem Kontrast zu der Hauptzeitebene und akzentuieren die hoffnungsarme Lage Maltes darin. So zählt er, bevor er zu der Erzählung über seine Kindheitserlebnisse beim Großvater väterlicherseits, in Urnekloster, überwechselt, die vielen Möglichkeiten auf, nichts zu wissen und alles misszuverstehen. Man könnte also diesen Ausflug in die Vergangenheit als Versuch, sich seiner selbst und seiner Erfahrung zu vergewissern, betrachten.


    Auch mir haben die Eingangszeilen zur "Bibliothèque nationale" gut gefallen, allerdings werden sie dann gleich wieder von dieser Angst Maltes, unsichtbar zu werden, weggeworfen zu sein, abgelöst. Aber für Bücherfreunde wie uns ist es tröstlich, dass Malte das Haus der Bücher, die Bücher selbst als Zufluchtsstätte ansieht.


    Die anschließenden Szenen, insbesondere dann sein Ausflug in die Klinik, eventuell sogar psychatrische Klinik, sind dann nicht mehr proustsch, sondern mehr und mehr kafkaesk. Wie Malte da im Saal wartet, immer länger warten muss inmitten dieser sich fast auflösenden Gestalten der anderen Patienten, wie er schließlich zur Konsultation hereingerufen wird und vor dieser Menge von (Asssitenz)Ärzten Rechenschaft ablegen soll, dann wieder zurückgeschickt wird, dann von der Concièrge oder Wärterin gemaßregelt wird und schließlich flieht, das hätte auch K. passieren können.


    Ab morgen und unter der Woche werde ich wohl selten zur Lektüre kommen.


    finsbury

  • Ähnlich wie finsbury es eben so gut beschrieben hat, empfand ich den Abschnitt im Hospital auch. Ich habe mir sogar einige Zeilen angestrichen, die mich an Kafka erinnerten und später kommt sogar das berühmte, mit Kafka verbundene, Bild des Käfers vor.


    Als unpoetischer Mensch habe ich so meine Schwierigkeiten mit der Prosa Rilkes. Alles hat eine tiefere Bedeutung und ist voll Metaphern, was mir nicht liegt. So bin ich froh, mit der Suhrkamp Ausgabe aus der Basisbibliothek eine "Gehhilfe" zu haben. Die Version im eReader, der reine Text also, wäre mir meistens zu rätselhaft.


    Malte kommt mir nun wie ein Grenzgänger zwischen Tod und Leben ("Tod" bewusst zu erst genannt) und Vergangenheit und Gegenwart vor, der nicht immer weiß, wohin er sich wenden soll. Einmal sieht er sich, in seinem Veränderungsprozess, seinen ehemaligen Vertrauten entfremdet, schon entwirft er einen Brief und fleht einen herbei. Paris bekommt phasenweise wieder die vertrauten kolportierte Version der anregenden Metropole. Aber:


    Zitat

    Nur eine geringe Wendung, und schon steht der Blick über Bekanntes und Freundliches hinaus, und der eben noch so tröstlichen Kontur wird deutlicher als ein Rand von Grauen. Hüte dich vor dem Licht, das den Raum hohler macht, [...]


    Ein Zitat übrigens, was mich an Druckfehler denken lässt.


    Nüchtern gesehen, ist ja auch der Hinweis auf eine Elektroschock(?)-Behandlung ein Zeichen für psychische Störungen.


  • Auch mir haben die Eingangszeilen zur "Bibliothèque nationale" gut gefallen, allerdings werden sie dann gleich wieder von dieser Angst Maltes, unsichtbar zu werden, weggeworfen zu sein, abgelöst. Aber für Bücherfreunde wie uns ist es tröstlich, dass Malte das Haus der Bücher, die Bücher selbst als Zufluchtsstätte ansieht.


    Ich hatte bei dieser Gegenüberstellung doch schon ein wenig aufatmen müssen, wenn ich das mit den Bekannten und der Einsamkeit koppel, inwieweit wir Leser evtl. durch eine gewisse Einsamkeit in die Bücherwelt fliehen ... Na ja ich hoffe, dass das Buch arg übertreibt :zwinker:


    Ich muss zugeben, dass ich bei der Lektüre starke Konzentrationsschwierigkeiten habe, zuschnell bin ich mit meinen eigenen Gedanken weit entflohen, lese zwar mit den Augen weiter, aber nehme kein Wort wahr :rollen: Immer wieder lese ich ganze Seiten mehrfach :breitgrins: Diese losen Gedankenfetzen machen es einem auch nicht einfach, das ist wieder so ein Bewusstseinstrom, der mich in meine eigenen Ausflüge treibt :grmpf: :smile: Persönlich entdeckte ich schon einige Parallelen, überhaupt finde ich das Buch sehr persönlich, im Grunde möchte ich darüber im Netz gar nix zu schreiben. Habt ihr das auch?


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Ach ich muss dazu noch etwas zitieren:


    Zitat von "Rilke"

    Eine vollkommen andere Auffassung aller Dinge hat sich unter diesen Einflüssen in mir herausgebildet, es sind gewisse Unterschiede da, die mich von den Menschen mehr als alles Bisherige abtrennen. Eine veränderte Welt. Ein neues Leben voll neuer Bedeutungen. Ich habe es augenblicklich etwas schwer, weil alles neu ist. Ich bin Anfänger in meinen eigenen Verhältnissen. ...


    Mein Gott, wenn etwas davon sich teilen ließe. Aber wäre es dann, wäre es dann? Nein, es ist nur um den Preis des Alleinseins.

    Seite 57 bei mir

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Und hier bin ich schon wieder :winken: Ich bin nun bis Seite 85.


    Unbedingt muss ich mir mal Rilkes Kurzbiographie bei wiki durchlesen, denn es drängt sich mir die Frage auf, ob a. Rilke krank war und b. warum er ständig vom Tod schreibt.


    Und dann komme ich auch direkt zu euren Verweis von Kafkas "Verwandlung" und kafkaesk, denn da kommt ja wieder eine Verwandlung vor dem Spiegel und feinen Vermummungs Klamotten :zwinker: Allerdings hat Kafka "Die Verwandlung" 1915 herausgebracht, Rilkes Malte stammt von 1910.


    Auch mein literarischer Vergleich, denn mich erinnern diese Fieber-Szenen ungemein an Hans Castorp "Zauberberg", auch diese Todessehnsucht, Atmosphäre wie im Schneesturm, und das Werk wurde 1924 veröffentlicht.


    Also kann man doch sagen, dass Rilke unwahrscheinlich auf seine literarische Nachwelt gewirkt hat. Bestimmt kann man den Malte noch auf zahlreiche andere Werke beziehen.

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Ich stelle hier mal das Gedicht von Baudelaire ein, auf das sich Malte im Kapitel Bibliothèque Nationale bezieht:



    Ein Aas



    Denkst du daran, mein Lieb, was jenen Sommermorgen
    Wir sahn im Sonnenschein?
    Es war ein schändlich Aas, am Wegrand kaum geborgen
    Auf Sand und Kieselstein.


    Die Beine hochgestreckt nach Art lüsterner Frauen,
    Von heissen Giften voll
    Liess es ganz ohne Scham und frech den Leib uns schauen,
    Dem ekler Dunst entquoll.


    Die Sonne brannte so auf dies verfaulte Leben,
    Als koche sie es gar
    Und wolle der Natur in hundert Teilen geben,
    Was sie als eins gebar.


    Der Himmel blickte still auf dies Gefaule nieder,
    Wie er auf Blumen schaut.
    So furchtbar war der Dunst, dir schauderten die Glieder
    Von Ekel wild durchgraut.


    Die Fliegen hörten wir summend das Aas umstreichen
    Und sahn das schwarze Heer
    Der Larven dichtgedrängt den faulen Leib beschleichen,
    Wie ein dickflüssig Meer.


    Und alles stieg und fiel aufsprudelnd, vorwärtsquellend
    Nach Meereswogen Art,
    Fast schien's, als ob dem Leib, von fremdem Leben schwellend,
    Tausendfach Leben ward.


    Und seltsame Musik drang uns von da entgegen,
    Wie Wind und Wasser singt,
    Wie Korn, das in dem Sieb mit rhythmischem Bewegen
    Die Hand des Landmanns schwingt.


    Die Formen ausgelöscht wie Träume und Legenden,
    Entwürfe stümperhaft,
    Die halbverwischt die Hand des Künstlers muss vollenden
    Aus der Erinnrung Kraft.


    Und eine Hündin lief unruhig dort hinterm Steine,
    Uns traf ihr böser Blick,
    Erspähend den Moment, zu reissen vom Gebeine
    Das aufgegebne Stück. –


    Und doch wirst einstmals du dem grausen Schmutz hier gleichen,
    Dem Kehricht ekelhaft,
    Du meiner Augen Licht, du Sonne ohnegleichen,
    Stern meiner Leidenschaft.


    Ja, so wirst du dereinst, o Königin der Güte,
    Nach letzter Ölung sein,
    Wenn du verwesend liegst tief unter Gras und Blüte
    Bei schimmelndem Gebein.


    Dann, Schönheit, sag' dem Wurm, der dich zerfleischt mit Küssen,
    Wie treu ich sie gewahrt
    Die Göttlichkeit des Wesens, das zersetzt, zerrissen
    Von meiner Liebe ward.




    Une Charogne



    Rappelez-vous l'objet que nous vîmes, mon âme,
    Ce beau matin d'été si doux:
    Au détour d'un sentier une charogne infâme
    Sur un lit semé de cailloux,


    Les jambes en l'air, comme une femme lubrique,
    Brûlante et suant les poisons,
    Ouvrait d'une façon nonchalante et cynique
    Son ventre plein d'exhalaisons.


    Le soleil rayonnait sur cette pourriture,
    Comme afin de la cuire à point,
    Et de rendre au centuple à la grande Nature
    Tout ce qu'ensemble elle avait joint;


    Et le ciel regardait la carcasse superbe
    Comme une fleur s'épanouir.
    La puanteur était si forte, que sur l'herbe
    Vous crûtes vous évanouir.


    Les mouches bourdonnaient sur ce ventre putride,
    D'où sortaient de noirs bataillons
    De larves, qui coulaient comme un épais liquide
    Le long de ces vivants haillons.


    Tout cela descendait, montait comme une vague
    Ou s'élançait en pétillant;
    On eût dit que le corps, enflé d'un souffle vague,
    Vivait en se multipliant.


    Et ce monde rendait une étrange musique,
    Comme l'eau courante et le vent,
    Ou le grain qu'un vanneur d'un mouvement rythmique
    Agite et tourne dans son van.


    Les formes s'effaçaient et n'étaient plus qu'un rêve,
    Une ébauche lente à venir
    Sur la toile oubliée, et que l'artiste achève
    Seulement par le souvenir.


    Derrière les rochers une chienne inquiète
    Nous regardait d'un oeil fâché,
    Epiant le moment de reprendre au squelette
    Le morceau qu'elle avait lâché.


    — Et pourtant vous serez semblable à cette ordure,
    À cette horrible infection,
    Etoile de mes yeux, soleil de ma nature,
    Vous, mon ange et ma passion!


    Oui! telle vous serez, ô la reine des grâces,
    Apres les derniers sacrements,
    Quand vous irez, sous l'herbe et les floraisons grasses,
    Moisir parmi les ossements.


    Alors, ô ma beauté! dites à la vermine
    Qui vous mangera de baisers,
    Que j'ai gardé la forme et l'essence divine
    De mes amours décomposés!

  • Gegen Mitte des Buches wird es mehr und mehr (auto)biografisch,. Wie sehr sich doch die Schwerpunkte der Erinnerung eines poetischen Menschen von meinen unterscheiden. Ereignisse sind nur dazu da mystische Erfahrungen darin zu erkennen. Proust kommt mir immer stärker in den Sinn, die Mutter spielt eine sehr ähnliche Rolle.



    Also kann man doch sagen, dass Rilke unwahrscheinlich auf seine literarische Nachwelt gewirkt hat. Bestimmt kann man den Malte noch auf zahlreiche andere Werke beziehen.


    Das ist bestimmt richtig, aber es gibt auch Themen, auf die kommt man selbst und ich glaube nicht, dass Proust oder Kafka Rilke gebraucht haben. Im Verzeichnis der rekonstruierten Bibliothek Kafkas findet sich Rilke übrigens nicht.

  • Zu der Einflussnahme Rilkes,


    da stimme ich Eva zu, diese Themen und Darstellungsweisen sind eher ein kulturelles Zeitzeichen als dass da genauere Einflüsse bestehen. Man muss sich ja immer vergegenwärtigen, dass um die großen, auch heute noch herausragenden literarischen Werte eine reiche Zeitungs- und Kaffeehauskultur bestand, es literarische Clubs gab, in denen Motive, Themen und Stilmittel diskutiert wurden. Da zeichnete sich dann eine Art von modernen Themen und Stilen ab, die dann in den großen Werken vollgültig und jenseits jeder Mode funktionalisiert wurden. So ähnlich war es schon immer und ist es auch heute noch,wenn auch die Formen und Foren des Austausches sich ändern.


    Bin kaum weitergekommen, habe aber die kunstvoll ausgestaltete Veitstänzer-Passage sehr genossen. Auch hier wieder die nach außen projizierte Angst, sich selbst zu verlieren.


    Zu der Mutter (bin noch nicht bei dem Abschnitt, aber habe in der Rilke-Monografie von Holthausen gestöbert): Rilkes Mutter wurde von ihm sehr distanziert, ja ablehnend gesehen: sie muss ein sehr konventioneller, gleichzeitig den Adel anbetender und bigotter Mensch gewesen sein: Jedenfalls stellt Rilke sie in Briefen, aber auch Gedichten so dar.
    Holthausen führt aus, dass Rilke im Malte fehlende positive Erfahrungen sublimierte und sich eine Traummutter als Gegenmodell zu seiner erschrieb. Auch sonst solle man sich hüten, den Malte als autobiografischen Schlüsselroman zu sehen.


    finsbury

  • Danke finsbury für die erhellenden Erläuterungen.


    Der Sommer war zwar nicht sehr groß, so aber dieser Herbsttag. Doch schwang ich mich nur kurz in den Sattel, und weil noch keine Blätter durch die Alleen treiben, beließ ich es dabei auf den Balkon zu wandeln und das mit Buch. So bin ich jetzt schon bei etwa 3/4 des Textes angelangt.


    In seiner Geschichte vom kleinen Beamten Nikolaj Kusmitsch und seinem Umgang mit der Zeit wird Rilke richtig satirisch, wo er sonst doch so schwerblütig schreibt und ohne Ironie.


    Einige Abschnitte sind rhythmisch verwandt mit den Geschichten in der Bibel, sprechen auch über Erhöhtes und Rilke lässt auch Malte toter Materie Leben einhauchen und einen Blechdeckel tanzen. Proust nähert sich später dem Wesen der Dinge aus anderer Richtung:


    Zitat

    Vielleicht wird die Unbeweglichkeit der Dinge um uns diesen durch die Unbeweglichkeit unseres Denkens ihnen gegenüber aufgezwungen, durch unsere Gewißheit, daß sie es sind und keine anderen


    schreibt er gleich am Anfang von "Unterwegs zu Swann".


    Noch ein Zitat aus dem Malte für uns:

    Zitat

    "Die Bücher sind leer", schrie der Graf mit einer wütenden Gebärde nach den Wänden hin, "das Blut, darauf kommt es an, da muß man drin lesen können["]

    :breitgrins:


    Wie sinnig, wo ich doch gerade parallel die Kriegstagebücher von Ernst Jünger lese, um mich von der Poesie zu erholen.