Was gehört in die gutsortierte Klassikerbibliothek?

  • Zitat von "Steffi"


    "Zum Leuchtturm" ist genau das Buch, das ich als nächstes unbedingt lesen möchte. Da bietet sich ja evtl. eine gemeinsame Leserunde an


    gerne - vielleicht ergibt sich demnächst mal eine Spontanleserunde. Ich sag dir auf jeden Fall Bescheid, wenn es reinpaßt - umgekehrt natürlich auch, du sagst mir Bescheid :breitgrins:


    Ich wünsche dir viel Glück beim Erstehen der Woolf-Bände.


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Antonio,


    Du hast geschrieben:
    Vielleicht waere "Das steinerne Herz" ein Buch fuers naechste Jahr, nachdem doch einige Leser sich fuer die Zeit/Literatur der 50er interessierten. Ich habe es selbst noch nicht gelesen, aber es wird sicher mein naechster Schmidt...


    Ich hatte auch an dieses Buch oder an „Seelandschaft mit Pocahontas“ gedacht, aber wenn Du „Das steinerne Herz“ lesen willst, bin ich dabei: Am besten Du legst einen Thread im Forum „Lesevorschläge“ an mit dem Vermerk für 2004. Ich werde mich dann dazu eintragen.


    Da Schmidts Titel ja nicht wahllos gewählt sind, könnte ich mir vorstellen, dass es einen Bezug zu dem gleichnamigen Buch von Wilhelm Hauff gibt? Wenn Ja:. Vielleicht könnte man dann die beiden Bücher auch zusammen lesen?.


    Im Gegensatz zu Dir gefaellt mir auch Poe (den ich wegen A.Schmidt erst gelesen habe; ist er Dir zu negativ?)


    Ich nenne mal drei von Poes bekanntesten Erzählungen: „The Tell-tale Heart“, „The Cask of Amontillado“, „The black cat“. – Was bitte kann einem an diesen grausamen, schrecklichen Erzählungen gefallen? Ich bin lernbereit und lass’ mich gern’ bekehren.


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert !


    Du schreibst:

    Zitat

    Ich nenne mal drei von Poes bekanntesten Erzählungen: „The Tell-tale Heart“, „The Cask of Amontillado“, „The black cat“. – Was bitte kann einem an diesen grausamen, schrecklichen Erzählungen gefallen?


    Es ist zwar schon ein Weilchen her, dass ich die Erzählungen gelesen habe - und nagle mich bitte nicht wortwörtlich fest - aber z.B. in "the tell-tale heart" ist es doch faszinierend, wie das Herz als Symbol/Sitz des Gewissens dargestellt wird. Wenn dir schon mal das Herz bis zum Hals schlug kannst du das sicher nachempfinden, auch die gewisse Hilflosigkeit, mit der man seinem Herz gegenübersteht. Dazu noch die Musik von Alan Parsons - herrlich :smile:


    Meine Lieblingserzählung ist allerdings Berenice - so ein schöner Name, hätte mir für eine meiner Töchter gefallen, wenn ich nicht immer an die
    Kette hätte denken müssen :breitgrins:


    Schwer zu erklären, aber bei vielen Erzählungen von Poe habe ich immer ein wohliges Gruselgefühl ... Er spielt mit Symbolen und Gefühlen und mit der Sensation, aber alles kann man, glaube ich nicht so ganz ernst nehmen. Vielleicht auch ein Weg, die überladene abgergläubische (viktorianische?) Gesellschaft aus Korn zu nehmen.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen!


    "Was hat "Zettels Traum" mit Poe zu tun?", war irgendwann mal hier die Frage. Ich habe, bis hin zu seinem Spätwerk, so ziemlich alles von Arno Schmidt gelesen, "Zettels Traum" und die späteren Werke kenne ich aber nur aus der Sekundärliteratur.


    Zum einen hat Schmidt einiges von Poe übersetzt.


    Zum anderen besteht "Zettels Traum", soviel ich weiss, eigentlich aus 3 parallel gesetzten Texten, die aufeinander Beziehung nehmen: in der Mitte die eigentliche Erzählung, rechts die Reflexionen des Erzähl-Ichs, links Reflexionen und Analysen zu Poe. Schmidt hat sinngemäss mal gesagt, was Joyce in "Finnegan's Wake" in 1 Text gepackt habe, habe er wieder in 3 aufgedröselt. Da ich "Finnegan's Wake" nach 1/2 Seite weggelegt habe, habe ich dann "Zettels Traum" gar nicht erst probiert. Im übrigen wäre das Ding in der Anschaffung, glaube ich, ziemlich teuer. Einem Anfänger in Sachen ArSch würde ich jedenfalls eher "Seelandschaft mit Pocahontas" empfehlen. Wer wirlich mehrgleisig lesen will, versuche "Kaff auch Mare Crisium". Letzeres, zusammen mit "Die Gelehrtenrepublik" kann übrigens fast schon als SF gelten...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Steffi,


    es geht mir nicht um Wortglauberei, aber vielleicht ist es wirklich schon zu lange her, dass Du Poe gelesen hast. Ich selbst konnte mich bei „Berenice“ nicht mehr an eine Kette erinnern und habe die Erzählung gerade nochmals gelesen. Es kommt meiner Meinung nach keine Kette vor, vielmehr geht es um Leichenfledderei, :entsetzt: das ganze wirr erzählt und mit unsinnigen Zitaten gespickt. Mein Urteil: Leservera....ung! und es würde mich ernsthaft interessieren, ob Dir die Erzählung bei nochmaligem Lesen wirklich gefällt. :entsetzt:


    Das „Tell-tale heart” ist übrigens nicht das Herz des Mörders, sondern das Herz des Ermordeten, dass der wahnsinnige Mörder nicht mehr aus seinem Kopf bekommt, weil das Herz des Opfers noch ein paar Minuten schlug, bis der Tod eintrat, während der Mörder „vergnügt lächelt“ :entsetzt: :entsetzt: Der Zusammenhang Gewissen-Herz wird mir deshalb nicht klar. Auch dies eine Erzählung, wie sie sich meiner Meinung nach nur ein krankes Hirn ausdenken kann, zumindest aber anscheinend in nüchternem Zustand (Poe war ja, wenn ich richtig informiert bin, schwer Alkohol- und Drogenabhängig) aufgeschrieben und daher mit großer Wirkung auf die Literaturgeschichte.


    Die Version von APP ist natürlich schön, Gott sei Dank, ist die Musik aber nciht von Poe. :zwinker:


    Was bitte ist ein „wohliges Gruselgefühl“? :redface:


    Gruß von Hubert


    PS: Hoffentlich kann ich heut' Nacht ohne schlechte Träume schlafen :zwinker:

  • Hallo Hubert,


    ja, ich erinnere mich schon noch, das Herz des Ermordeten, war es nicht unter dem Dielenboden versteckt ? Oder ist das nur ein surrealistischer Traum ? Ich hatte es so gesehen, da der Mörder kein eigenes Gewissen in seinem Mörderherz trägt, muß das unschuldige Herz des Ermordeten diese Rolle übernehmen.


    Und bei Berenice, hat er da zum Schluß nicht eine Kette aus ihren Zähnen gemacht ?


    Aber du hast recht, manchmal liest man etwas Jahre später und findet es schrecklich. Auf deine Anregung werde ich bei Gelegenheit ein paar Erzählungen lesen und berichte dir, wie ich sie inzwischen finde.


    Ein wohlig-gruseliges Gefühl ? Kann ich schlecht beschreiben, vielleicht der Gedanke, dass diese Schrecknisse nicht aus dem Buch hüpfen können ? :zwinker:


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen!
    Hallo Hubert!


    Da sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten lässt, und Poe nun mal nicht Dein Geschmack ist, Hubert, will ich Dich auch nicht von Poe überzeugen. Aber erlaube mir zwei Bemerkungen:


    Ich persönlich würde, um Poes Qualitäten aufzuzeigen, andere Werke von ihm in den Vordergrund stellen. (Selbst Goethe hat sehr viel Quark geschrieben!)


    Als da wären:
    [list]The Raven
    The Man that was Used up
    The Fall of the House of Usher
    The Murders in the Rue Morgue
    The Gold-Bug
    The Purloined Letter [/list:u]
    Ich würde die Qualität des Werks nicht mit dem Gesundheitszustand des Autors in Verbindung bringen. Auch Drogenkonsum jeder Art ist bei Künstlern weit verbreitet. Schiller legte faulende Äpfel in seinen Schreibtisch; Goethe konsumierte bis ins hohe Alter mindestens 1 Flasche Wein zu jedem Essen; Arno Schmidt benutzte eine Mischung aus Kaffee, hochprozentigem Alkohol und Schmerztabletten; selbst Karl May brachte sich in den zum Schreiben notwendigen Zustand dadurch, dass er sich nächteweise den Schlaf entzog und Zigarren schon fast kettenrauchte. Ich weiss jetzt nicht mehr, war es Dickens, Wilkie Collins oder ein Dritter, der sich ins Delirium soff und jeden Abend beim Zubettgehen sich auch von seinen unsichtbaren Begleitern verabschiedete...


    Die Beispiele liessen sich beliebig erweitern, fürchte ich.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Steffi hat geschrieben:
    Ich hatte es so gesehen, da der Mörder kein eigenes Gewissen in seinem Mörderherz trägt, muß das unschuldige Herz des Ermordeten diese Rolle übernehmen.


    Hallo Steffi,


    ja, kann man so sehen, trotzdem bleibt die Erzählung schrecklich.


    Und bei Berenice, hat er da zum Schluß nicht eine Kette aus ihren Zähnen gemacht ?


    Bei mir endet "Berenice" so:


    Mit einem Schrei stürzte ich zum Tisch und ergriff die Ebenholzkiste. Ich hatte nicht die Kraft, sie zu öffnen, sie glitt aus meiner zitternden Hand, fiel schwer zu Boden und sprang entzwei; mit Gerassel rollten einige zahnärztliche Instrumente heraus und zweiunddreißig kleine, weiße, wie Elfenbein schimmernde Gegenstände, die sich auf dem Fußboden verstreuten ...


    Sandhofer hat geschrieben:
    Ich persönlich würde, um Poes Qualitäten aufzuzeigen, andere Werke von ihm in den Vordergrund stellen


    Einverstanden, ich bewerte einen Autor auch nie nach seinen schlechten, sondern nach seinen guten Sachen, nur die von mir genannten drei Stücke, sind die (ich habe das mal untersucht) die in Auswahlbänden zu Poes Werk (also quasi „The best of ...) immer dabei sind und für die er auch bekannt ist und Berenice, hat ja Steffi ins Spiel gebracht.


    Davon abgesehen, damit wir uns nicht falsch verstehen, ich halte Poe keineswegs für Schund oder so, er ist meiner Meinung nach ein sehr einflussreicher Autor und man sollte ihn kennen, nur mir gefällt er nicht und auch die von Dir genannten Werke reißen mich nicht vom Hocker, wobei „der Rabe“ und „die Glocken“ auch meiner Meinung nach sprachliche Meisterwerke sind, also gegen seine Lyrik habe ich nichts.


    Ich würde die Qualität des Werks nicht mit dem Gesundheitszustand des Autors in Verbindung bringen. Auch Drogenkonsum jeder Art ist bei Künstlern weit verbreitet. Schiller legte faulende Äpfel in seinen Schreibtisch; Goethe konsumierte bis ins hohe Alter mindestens 1 Flasche Wein zu jedem Essen


    Auch einverstanden. Ob ein Autor säuft oder Drogen nimmt, interessiert mich nicht, wenn es ihm bei der Arbeit hilft und wenn man davon im Werk nichts merkt, nur bei Poe könnte es sein, und mit der Meinung bin ich nicht allein, dass sich Alkohol und Drogen im Werk deutlich niedergeschlagen haben.


    Goethe konnte bei seiner Statur sicher eine Flasche Wein gut vertragen, es hat ihm und seinem Werk nicht geschadet, Schiller hat leider nicht nur mit faulen Äpfel experimentiert, sondern sich buchstäblich zu Tode gesoffen (Wein und Schnaps), nur davon merkt man im Werk nichts.


    Hallo Sandhofer,


    kennst Du Schmidts Roman „Das steinerne Herz“ und hat der etwas mit Hauffs gleichnamigem Werk zu tun?


    "Kaff auch Mare Crisium". Letzeres, zusammen mit "Die Gelehrtenrepublik" kann übrigens fast schon als SF gelten...


    „Kaff ...“ habe ich noch nicht gelesen, aber die „Gelehrtenrepublik“ (wieso fast?) ich würde den Roman als SF bezeichnen, was fehlt da Deiner Meinung nach noch?



    Grüße von Hubert

  • Hallo zusammen!
    Hallo Hubert!


    Du hast geschrieben:

    Zitat

    kennst Du Schmidts Roman ?Das steinerne Herz? und hat der etwas mit Hauffs gleichnamigem Werk zu tun?

    Erste Frage: ja. Zweite Frage: Ich nehme es an, aber ich weiss nichts Genaues und mir ist damals beim Lesen nichts Spezielles aufgefallen.

    Zitat

    "Kaff ..." habe ich noch nicht gelesen, aber die "Gelehrtenrepublik" (wieso fast?) ich würde den Roman als SF bezeichnen, was fehlt da Deiner Meinung nach noch?

    Es fehlt nichts, aber es geht in beiden Fällen, was Stil und Hintergrund betrifft, über reine SF hinaus. Jedenfalls so, wie ich SF verstehe, ich will hier keine Gattungsdiskussion vom Zaun reissen. Dafür ist meine eigene SF-Zeit auch zu lange her...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ach, Hubert,


    wieder eine Illusion zerstört. Gestern habe ich Berenice gelesen, du hast natürlich recht: nix mit Kette und so - peinlich, da bilde ich mir das seit Jahren ein - und während des Lesens musste ich mehr kichern als mich gruseln ... Aber es wäre doch ein schöner Schluß gewesen, das mit der Kette, oder ? :breitgrins:


    Ich weiß nicht, was mich damals an Poe fasziniert hat. Vielleicht seine Andeutungen, bei denen dann die eigene Phantasie einspringen muß ?
    Wenn ich mal mehr Zeit habe, werde ich von ihm wieder etwas lesen.


    sandhofer:
    Und Schiller hat wirklich faule Äpfel ... :entsetzt:


    Gruß von Steffi

  • Es fehlt nichts, aber es geht in beiden Fällen, was Stil und Hintergrund betrifft, über reine SF hinaus


    Hallo Sandhofer,


    das sehe ich genauso und habe genau aus diesem Grund in einem anderen Thread zu den von delta genannten SF-Romanen


    „1984“ von Orwell, „Fahrenheit 451“ von Bradbury, „ Das Glasperlenspiel von Hesse und „Schwarze Spiegel von Arno Schmidt


    geantwortet:


    Und ob diese von Dir genannten vier Romane, die ich alle vier gut finde, wirklich reine SF-Romane sind, wage ich noch zu bezweifeln


    Natürlich sind alle fünf Romane SF, aber doch auch mehr und der normale SF-Fan könnte sogar von diesen Büchern enttäuscht sein. Vielleicht kann man diese Bücher einfach als anspruchsvolle SF bezeichnen, aber auch das wäre ja zu wenig, z.B. ist „Fahrenheit ..“ ja auch ein toller Liebesroman und Josef Knecht im Glasperlenspiel ja auch eine Antwort auf Goethes Wilhem Meister. Genau deshalb mag ich ja diese ganzen Gattungsbezeichnungen nicht aber ich denke wir haben wieder mal Übereinstimmung erzielt.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen!


    Ich für mich ziehe eine Grenze zwischen Science Fiction und utopischen Romanen. In SF steht für mich die Technik und die Spannung im Vordergrund. In utopischen Romanen sind es mehr die gesellschaftlichen Entwicklungen / Möglichkeiten (in der Zukunft oder in einem fernen Land), die dargestellt werden. Bradbury ist für mich da ein Grenzgänger; Hesse hat in meiner Optik keine SF geschrieben; auch LeGuin (?) ist eher 'Utopie' als SF.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,


    sicher hast Du recht mit Deiner Unterscheidung zwischen SF und Utopie. Obwohl es auch Leute gibt, die behaupten, utopischer Roman wäre nur die deutsche Bezeichnung für SF. Andere meinen Utopie ist der Überbegriff, der sich mit technischen Utopien (SF) und mit gesellschaftlichen Utopien befasst. Wieder andere behaupten, dass man nur deshalb unter einem utopischen Roman eine gesellschaftliche Utopie versteht, weil bei Erscheinen des ersten utopischen Romans (Thomas Morus: „Utopia“ von 1516 mit dem die Gattung „Utopie“ begründet wurde) Technik noch kein großes Thema war, dass aber deshalb auch alle technischen Utopien utopische Romane wären.


    Mir persönlich sind diese ganzen Genrediskussionen zu doof und ich interessiere mich mehr für den Inhalt eines Buches als für seine Einteilung in Gattungen o.a.


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert du hast geschrieben:
    Ob ein Autor säuft oder Drogen nimmt, interessiert mich nicht, wenn es ihm bei der Arbeit hilft und wenn man davon im Werk nichts merkt, nur bei Poe könnte es sein, und mit der Meinung bin ich nicht allein, dass sich Alkohol und Drogen im Werk deutlich niedergeschlagen haben.
    Erstens:
    Wie sollen Alkohol und Drogen beim Arbeiten helfen, sich aber nicht in der Arbeit niederschlagen?
    Zweitens:
    Was gibt es dagegen einzuwenden, wenn sich die genannten Dinge niederschlagen? – Eigentlich nichts, so denke ich, denn auch stimulierte Kreativität bleibt Kreativität. Ich selbst bin manchmal etwas zweiflerisch, wenn ich dann solche Passagen lese (auch „Steppenwolf“ verdankt den Drogen viel, glaube ich) aber ich würde nicht sagen, dass es immer schlecht ist. Es ist einfach unbekannt für mich, da ich solche Zustände nicht kenne, aber nicht alles fremde soll man ablehnen!
    Drittens:
    Dieses Thema interessiert mich besonders, da ich bis heute nicht so recht weiss, was ich in dieser Beziehung von Kafka halten soll: Kafka, der Nichtraucher und Abstinent, arbeitet immer nur nachts und hatte am Ende der Nacht seine besten Stunden; bevor er richtig mit schreiben los legte, schrieb er sich in Trance, indem er den gleichen Abschnitt mehrmals abschrieb (so habe ich es wenigstens irgendwo gelesen) und dann, was dazu kommt, hatte er seltsame Zustände beim Schreiben, wie das Sehen von Dämonen und ähnlichem, was er in Briefen und Tagebüchern vermerkte. Dies alles hatte bestimmt Einfluss auf sein Werk, ein Werk, das ich sehr bewundere, und dieser zwilichtige Einfluss ist nicht leicht einzuordnen für mich, da ich mir nicht im klaren bin, was Kafka in solche, z. T. willentlich herbeigeführte, Zustände trieb. Dies gilt auch für die anderen, von euch angeführten Beispiele: Was treibt einen Schriftsteller, sich zu betrinken, Drogen zu nehmen oder was auch immer vor dem Schreiben? – Ich kann nicht glauben, was auch eine Variante wäre, dass das Schreiben nur ein Nebenprodukt des Trinkens ist und auch, dass allein Ruhmsucht das Motiv dafür ist, scheint mir höchst unwahrscheinlich.
    Gruss alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo zusammen!
    Hallo alpha!


    Du schreibst:

    Zitat

    Was treibt einen Schriftsteller, sich zu betrinken, Drogen zu nehmen oder was auch immer vor dem Schreiben?

    Es ist wohl diese Trance, die jede/r Autor/in in irgendeiner Art sucht. Die einen direkteren Zugang ermöglicht zu den kreativeren Teilen unseres Wesens. Man kann 'nüchtern' wahrscheinlich Abhandlungen und Kritiken schreiben, aber nicht Kunst.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen !


    Und es gibt eine Art Besessenheit, die auch rational nicht erklärbar ist.


    So habe ich ja erst kürzlich die Biografie über James Joyce gelesen, er war so sehr besessen vom schreiben und hat ja immer darauf bestanden, dass seine Werke nicht zensiert werden, dass er ja dadurch in fast völliger Armut lebte, unterstützt von einigen Gönnern, seinem Bruder und sein andauerndes Schnorren bei Freunden. Obwohl er einige Chancen auf ein geregeltes Einkommen gehabt hätte, hat er diese nur zum Teil oder gar nicht wahgenommen. Trotz seines Augenleidens musste/konnte er immer nur schreiben, schreiben, schreiben. Auch das wahrscheinlich eine Art, seine Kreativität festzuhalten.


    Ich glaube, wenn man die Biografien der "großen" Schriftsteller leist, hat fast jeder diese Art von Trance/Besessenheit.


    Gruß von Steffi

  • Hallo alpha


    auch „Steppenwolf“ verdankt den Drogen viel, glaube ich


    Das ist ein großes Missverständnis, in die Welt gesetzt von Dr. Timothy Leary der in „Hermann Hesse: Poet of the Interior Journey“ geschrieben hat: „.....ist Hesse der Meisterführer zum psychedelischen Erlebnis und seiner Anwendung. Vor deiner LSD-Sitzung solltest du „Siddhartha“ und „Steppenwolf“ lesen.“


    Leary beweist damit nur, dass er weder den „Steppenwolf“ noch „Siddhartha“ auch nur ansatzweise verstanden hat. Ich stimme mit Fred Haines überein, der in seinem Aufsatz „Hermann Hesse und die amerikanische Subkultur“ geschrieben hat: „Die Annahme, Hesses differenziertes Wahrnehmungsvermögen und seine Einblicke in die Zusammenhänge beruhten auf Drogenerfahrung, ist eine ernstliche Unterschätzung seiner Originalität und der Eigenarten und Wucht all jener Einflüsse, die sein Leben und seine Arbeit geformt haben, ....“


    Der Steppenwolf ist das wahrscheinlich am meisten falsch verstandene Buch. Schon Hesse selbst sagte 1927: „Über den Steppenwolf hör ich viel, ....., warum sollte gerade dies Buch verstanden werden.“ Und zu einem späteren Zeitpunkt wieder Hesse: „Der Steppenwolf ist ganz und vollkommen unverstanden geblieben, und dabei sogar, aber aus Missverständnis, ein Mode-Erfolg gewesen.“ Und jetzt Hesse über die Aufgabe des Steppenwolf: „Unter Wahrung einiger für mich „ewiger“ Glaubenssätze die Ungeistlichkeit unserer Zeittendenzen und ihre zerstörende Wirkung auch auf den höherstehenden Geist und Charakter zu zeigen.“


    Zu Hesses Zeit war Merkalin Modedroge in Deutschland (Aldous Huxley hat z.B. damit experimentiert), die Hesseforschung geht aber davon aus, dass Hesse nie Merkalin genommen hat. Es gibt natürlich auch einen Brief von Hesse aus Indien indem er schreibt (ist jetzt aber aus dem Gedächtnis wiedergegeben): „Ich lebe zur Zeit von Rotwein und Opium“ Wenn Hesse hier nicht nur schocken wollte, dann hat er das Opium sicher nur als Schmerzmittel genommen (Hesse litt ja sein ganzes Leben an starken Kopf- und Augenschmerzen), zur Inspiration hat Hesse sicher keine Drogen nötig gehabt.


    sandhofer
    Man kann 'nüchtern' wahrscheinlich Abhandlungen und Kritiken schreiben, aber nicht Kunst.


    Wenn Du unter ’nicht nüchtern’ einen Zustand meinst, den man auch ohne Alkohol und Drogen erreichen kann, hast Du wahrscheinlich recht, ansonsten wäre mir die These zu gewagt.


    Steffi
    Ich glaube, wenn man die Biografien der "großen" Schriftsteller leist, hat fast jeder diese Art von Trance/Besessenheit.


    Da bin ich mir nicht sicher, gerade bei den ganz Großen: Dante, Shakespeare, Moliere, Goethe kann man m.M. nach nicht von Trance/Besessenheit sprechen, natürlich waren das keine „normalen“ Menschen wie der Nachbar von nebenan, sonst wären sie ja keine Genies, aber auch keine Besessenen.


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert
    Vielen Dank für deine Berichtigung „Steppenwolf“ betreffend.
    @ sandhofer
    Ich weiss nicht, ob dir bekannt ist, wie Thomas Mann arbeitete: immer am Morgen so circa bis um 12 Uhr, nach einem „normalen“ Frühstück (The/Kaffee und Eier in etwa). Er war völlig nüchtern, schrieb allerdings auch nicht in grossen Schüben (Ausnahmen gibt es immer) sondern ungefähr ein Blatt pro Tag, manchmal nur wenige Zeilen. Verzückung kommt eher noch, wenn er etwas im engsten Kreise vorliest, aber nie beim Schreiben, jedenfalls wirken seine Aufzeichnungen so. Ab Mittag bis in die Nacht konsumierte auch er reglemässig Alkohol, jedoch nicht exzessiv, wie mir scheint. Eine weitere Komponente spielen die Schlafmittel, auf die er sehr lange angewiesen war und die ihm, wie er es zumindest zu beobachten glaubt, das Arbeiten wesentlich erleichtern, da er besser (d. h. tiefer) schläft.
    Grüsse alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo zusammen!
    Hallo alpha!


    Natürlich gibt es Ausnahmen. Um ehrlich zu sein, habe ich darauf gewartet, dass man mir Thomas Mann vorhält. :breitgrins:


    Auch Gerhard Hauptmann hat ähnlich diszipliniert geschrieben, wenn ich recht orientiert bin.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus