"100 Bücher der Weltliteratur" (ZEIT-Liste)

  • Hallo Hubert,


    wenn ich Dich korrigieren darf: Nicht im Literaturstudium, sondern im Komparatistikstudium. In meinem Literaturstudium ist es jedenfalls bisher nicht vorgekommen, daß nur Auszüge gelesen wurden. Viel eher war es bisher der Fall, daß in Seminaren Autoren nahezu komplett gelesen werden mußten, in meinem Fall z.B. Eichendorff. Das würde man in der Komparatistik vermutlich seltener finden.
    Es mag im Komparatistikstudium vielleicht auch daran liegen, daß exakt der Auszug für diverse andere Vergleiche herangezogen wird, daß Gesamtwerk dabei allerdings weniger betrachtet wird. Sicher, schaden wird es auch niemandem, wenn er das gesamte Werk gelesen hat :zwinker:


    Gruß
    Berch

  • hubert, natürlich sollte man schon das ganze werk lesen, und nicht nur auszüge. wenn du dir aber diese leseliste ansiehst, verstehst du, warm man da so an seine grenzen stoße kann. nicht jeder liest mal eben durch "a la recherche du temps perdue" - das dauert, und es kann sich je nach geschmack des lesers ziehen... ewig... und da ist es doch sinnvoll, dem studenten einen hinweis an die hand zu geben , was sich eignet, das spezifische eines werkes zu ergründen bzw. welcher teil weltliterarisch von bedeutung ist. so ist das inferno sicherlich der am intensivsten rezipierte teil von dantes divina comedia, wobei natürlich auch der rest lesenswert ist.
    und im fall von proust bin ich doch dankbar, nicht die ganze recherche lesen zu müssen... das wäre ein grund fpr mich, das studium zu schmeißen... durch ein solches buch kann ich mich schon mal durchbeißen, den ulysses krieg ich schon hin, so schwierig er zu lesen sein mag. aber siebenmal swanns welt, da streike ich - so sehr ich literatur liebe... dann lieber zwölfmal schuld und sühne...


    was die indischen epen angeht - tja, blöd. da geb ich dir recht.


    zum fach komparatistik: man muß durchaus noch mehr lesen als in den speziellen philologien. ich hab ja zwangsweise den direkten vergleich mit englischer literatur im nebenfach - was übrigens pflicht ist, eine anderssprachige philologie im nebenfach zu belegen....
    dennoch gehts ja nicht bloß ums lesen der großen werke der weltliteratur... dazu müssten wir nicht studieren. viel mehr gehts um literaturtheorie, schonmal derrida probiert.... nicht gerade easy... der definiert dann pauschal mal alles als text... (hab grad ein text-theorie-seminar... nicht gerade leichte kost... da stößt mein hirn an seine grenzen...) das fällt unter "allgemeine literaturwissenschaft".
    in der vergleichenden hälfte lesen wir in einem seminar schon mal zehn bücher zu einem thema, z.b alles zum thema "der teufel in der literatur", also von lesage über gogol bis bulgakow und goethe...
    also keine sorge - wir lesen genug. und am ende haben wir schon ein wenig einblick in das, was sich literatur nennt. und schließlich wollen wir nach dem studium auch noch was zu lesen haben...


    :zwinker:

    Heb Deh Hag Heb Warhoaz Hirio Ne Dalv Ket C' Hoaz
    <br />- ohne ein gestern und ein morgen ist ein heute nichts wert -

  • Hallo Hubert,


    so ganz Unrecht hast Du damit garnicht. Die Komparatistik setzt sich, auch hier in Münster grob gesagt aus der allgemeinen und der vergleichenden Literaturwissenschaft zusammen.
    Dabei ist der Lehrstuhl Komparatistik in Münster sehr eng an den Lehrstuhl Germanistik angelehnt (stärker als an die anderssprachigen speziellen Lietraturwissenschaften).
    Es ist also vollkommen richtig, die Komparatistik zu den Literaturwisschenschaften zu zählen.
    Als Literaturstudium, so wie Du es in Deinem ersten Posting nanntest, hingegen werden in Münster aber die speziellen Literaturwissenschaften aufgefaßt. Dabei ist es aber speziell in der Germanistik in Münster so, daß die Komparatistik oft als kleines Anhängsel gesehen wird, was meiner Ansicht nach dem Fach nicht wirklich gerecht wird.
    Gut möglich also, daß diese Defintion von Literaturstudium an anderen Universitäten, an denen die Komparatistik einen höheren Stellenwert hat, anders aussieht.
    Um mal einen kleinen Überblick zu geben: Das Institut für Komparatistik umfaßt in Münster aktuell 4 Lehrende und einen Gastdozenten. Im Unterschied dazu hat die deutsche Philologie I (Sprachwissenschaft, Literatur des Mittelalters und niederdeutsche Sprache und Literatur) 32 Lehrende und die deutsche Philologie II (Neuere deutsche Literatur) 24 Lehrende.


    Samara: Derrida ist wirklich kein Zuckerschlecken!
    Darüber hinaus: Es mag sein, daß dies auch nur wieder eine Eigenheit der Uni Münster ist, aber die 'Menge' an zu lesender Literatur ist in unseren englischen Seminaren auch deutlich geringer, als in den germanistischen. Aber ansonsten hast Du sicherlich Recht. Ich habe bisher zwei Vorlesungen im Bereich Komaparatistik gehört und in beiden wurde in jeder Sitzung ein neues Werk mit in die Betrachtung aufgenommen. Diese Anzahl wird vermutlich auch nicht in jedem komparatistischen Seminar erforderlich sein, aber sie ist es auch längst nicht in jedem germanistischen, geschweige denn englischen...


    Gruß
    Berch

  • Hallo zusammen!
    Hallo Samara!


    Zitat von "Samara"

    nicht jeder liest mal eben durch "a la recherche du temps perdue" - das dauert, und es kann sich je nach geschmack des lesers ziehen... ewig... und da ist es doch sinnvoll, dem studenten einen hinweis an die hand zu geben , was sich eignet, das spezifische eines werkes zu ergründen bzw. welcher teil weltliterarisch von bedeutung ist.


    Imho: Die ganze Recherche ...

    Zitat von "Samara"

    aber siebenmal swanns welt, da streike ich - so sehr ich literatur liebe... dann lieber zwölfmal schuld und sühne...


    Das ist es ja eben: Die Recherche ist nicht 7x "Swanns Welt" ...

    Zitat von "Samara"

    schonmal derrida probiert.... nicht gerade easy...


    Ach, wird Derrida noch immer gelesen? Ich dachte, seine Zeit sei unterdessen vorbei.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Hubert, hallo alle anderen,


    ich wollte mit Johnson und Bibel sagen: wow, beide in einer Liste, also hat es Johnson doch endlich geschafft. Zwar nur Platz 100, wie ich zuerst dachte, aber vermutlich ist es wirklich nicht wertend.


    Zum Thema "europäisch" usw. Solche Kanones haben immer den Nachteil, dass sie europäisch dominiert sind. Ich habe mal ein Seminar zur Kanonbildung mitgemacht - und eigentlich sind wir immer auf solche Dinge gestoßen, selten aber auf vernünftige Ansätze für einen Weltkanon. Entweder wird das zu groß oder aber man muss irgendwen immer ausschließen. Zudem ist der Kanon zeitlich gegen Ende hin immer fragwürdig. In einem Kanon fand sich sogar Sten Nadolny, der nun wirklich noch lange nicht dazu gehört. Vielleicht in einen kleinen deutschen Kanon, aber nicht in die Weltliteratur. Leider hab ich die Unterlagen mittlerweile alle irgendwo mindestens einmal rückseitig beschrieben und somit sind sie nciht mehr so gut aufzufinden... Aber glaubt mir.

  • Hallo zusammen,


    so verwunderlich finde ich es garnicht, daß dieser Zeit-Kanon europäisch geprägt ist.
    Ich verstehe ihn als eine erste Zugangsmöglichkeit für eher 'ungeübte' und zumeist deutsche Leser. Leser, die sich ohnehin passioniert mit Literatur beschäftigen wird dieser Kanon vermutlich weniger ansprechen. Sie kennen vermutlich schon einen Großteil dieser Bücher und daher ist dieser Kanon für sie ohnehin keine wirkliche Hilfe mehr.
    Betrachtet man diese Zielgruppe, dann ist es meiner Ansicht nach auch richtig, einen großen Teil der Bücher aus dem eigenen Kulturraum zu wählen. Das erleichtert den Zugang doch erheblich und zudem denke ich, daß es zunächst einmal wichtiger ist, die Literatur der eigenen 'Region' zu kennen, bevor man sich in die weite Welt hinaus wagt. Dieser zweite Schritt wird dann vermutlich fast unweigerlich irgendwann kommen.
    Es ist wohl deutlich leichter, über den eigenen Tellerrand zu schauen, wenn man überhaupt erst einmal weiß, wie dieser Tellerrand aussieht.
    Daher halte ich diese Liste für die unterstellte Zielgruppe für durchaus gut brauchbar.
    Ein solch globales Projekt, wie einen Kanon der Weltliteratur (im Optimalfall dann auch noch auf hundert Werke beschränkt), halte ich für fast unmöglich. Es ist ja schon durchaus nicht einfach, einen deutschsprachigen Kanon auf die Beine zu stellen, der 100 Werke umfaßt. Bereits in diesem recht kleinen Sprachraum gibt und gäbe es um die Auswahl erbitterte Diskussionen. Für einen weltweiten Kanon würde vermutlich ein Großteil der deutschsprachigen Leserschaft zumindest immer noch ein mittelhochdeutsches Werk, Goethe, Schiller und Lessing für gesetzt halten und das wäre wohl schon das absolute Minimum. Wahrscheinlicher wäre, daß auch noch auf 5-10 weitere Autoren bestanden würde und ich vermute, den Amerikanern, Engländern, Russen, Franzosen, Indern, Chinesen, Brasilianern, etc. würde es nicht anders gehen.


    Gruß
    Berch

  • Hallo zusammen!


    Interessant wäre ja auch zu wissen, was z.B. ein peruanischer Kanon der Weltliteratur an deutschsprachigen Autoren so anführt. Ich vermute, dass, wenn überhaupt, es sich um Stefan Zweig und seine Sternstunden der Menschheit handeln würde. Nicht, weil ich Zweig einen derart hohen literarischen Rang zumesse, sondern weil Zweig ein Autor ist, der sich relativ gut ins Spanische übersetzen lässt.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Um die Verwirrung noch zu vergrößern: Auf der Seite der Eberhard-Karls-Universität Tübingen gefunden. Nähere Infos erhält man nur mit Anmeldung


    Die Edition »Die Bibliothek der Weltliteratur« umfasst auf rund 80.000 Bildschirmseiten jeweils ein bis zwei herausragende Werke von etwa 120 Autoren. Das Spektrum reicht dabei vom Buch »Genesis« bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts. Alle Texte liegen in deutschen Übersetzungen vor. Der Auswahl wurden unterschiedliche Quellen zugrunde gelegt, darunter verbreitete Kanonlisten und Lektüreempfehlungen. Die Ausgabe bietet damit einen umfassenden Querschnitt durch die als unverzichtbar geltenden Werke der Weltliteratur.
    Die Ausgabe enthält - neben anonymen Schriften - Werke von:
    Aischylos, (Griechenland Antike)
    Andersen, (Dänemark)
    Apulejus, (Rom Antike)
    Ariost, (Italien 15./16.Jhd.)
    Aristophanes, (Griechenland Antike)
    Augustinus, (Italien?? 4./5.Jhd.
    Balzac, (Frankreich)
    Baudelaire, (Frankreich)
    Beaumarchais, (Frankreich)
    Bjørnson, (Norwegen)
    Boccaccio, (Italien 14. Jhd.)
    Brant, (Deutschland 15. Jhd.)
    Brontë, (England)
    Büchner, (Deutschland)
    Byron, (England)
    Calderón, (Spanien 17. Jhd.)
    Carroll, (England)
    Cechov, (Rußland)
    Cervantes, (Spanien 17. Jhd.)
    Chateaubriand, (Frankreich)
    Chaucer, (England 14. Jhd.)
    Coleridge, (England)
    Corneille, (Frankreich 17. Jhd.)
    Dante, (Italien)
    Defoe, (England)
    Dickens, (England)
    Diderot, (Frankreich)
    Dostojewski, (Russland)
    Dschuang Dsï, (China 4./5. Jhd.)
    Eichendorff, (Deutschland)
    Euripides, (Griechenland Antike)
    Fielding, (England)
    Flaubert, (Frankreich)
    Fontane, (Deutschland)
    Goethe, (Deutschland)
    Gogol, (Rußland)
    Goldoni, (Italien )
    Goncarov, (Rußland)
    Gottfried von Strassburg, (Deutschland)
    Grimm, Grimmelshausen, (Deutschland)
    Gryphius, (Deutschland)
    Hafis, (Persien 14. Jhd.)
    Heine, (Deutschland)
    Hesiod, (Griechenland Antike)
    Hoffmann, (Deutschland)
    Hölderlin, (Deutschland)
    Homer, (Griechenland Antike)
    Hugo, (Frankreich)
    Huysmans, (Frankreich)
    Ibsen, (Norwegen)
    Jacobsen, (Deutschland ??)
    Jean Paul, (Deutschland)
    Kafka,
    Keats, (England)
    Keller, (Schweiz)
    Kleist, (Deutschland)
    Klopstock, (Deutschland)
    La Fontaine, (Frankreich)
    Laotse, (China)
    Leopardi, (Italien)
    Lermontov, (Russland)
    Lesage, (Frankreich)
    Leskov, (Rußland)
    Lessing, (Deutschland)
    Lukian, (Griechenland Antike)
    Manzoni, (Italien)
    Marlowe, (England)
    Mendoza, (Spanien ??)
    Mickiewicz, (Polen)
    Milton, (England)
    Molière, (Frankreich)
    Molina, (Spanien ??)
    Montaigne, (Frankreich)
    Multatuli, (Niederlande)
    Novalis, (Deutschland)
    Omar Chayyam, (Persien)
    Ovid, (Rom Antiek)
    Pascal, (Frankreich)
    Petöfi, (Ungarn)
    Petrarca, (Italien)
    Petronius, (Rom Antike)
    Platon, (Griechenland Antike)
    Plautus, (Rom Antike)
    Poe, (USA)
    Abbé Prévost, (Frankreich)
    Puskin, (Rußland)
    Rabelais, (Frankreich)
    Racine, (Frankreich)
    Rilke, (Deutschland)
    Rousseau, (Frankreich)
    Rumi, (Persien)
    Sa'di, (Persien)
    Schiller, (Deutschland)
    Schlegel, (Deutschland)
    Scott, (??)
    Shakespeare, (England)
    Shelley, (England)
    Sienkiewicz, (Polen)
    Sophokles, (Griechenland Antike)
    Stendhal, (Frankreich)
    Sterne, (England)
    Stifter, (Österreich)
    Strindberg, (Schweden)
    Swift, (England)
    Tasso, (Italien)
    Tennyson, (England)
    Thackeray, (England)
    Theokrit, (Griechenland Antike)
    Tolstoj, (Rußland)
    Turgenev, (Rußland)
    Twain, (USA)
    Vergil, (Rom Antike)
    Verlaine, (Frankreich)
    Voltaire, (Frankreich)
    Walpole, (England)
    Whitman, (USA)
    Wilde, (England)
    Wolfram von Eschenbach, (Deutschland)
    Zola (Frankreich)


    Wenn ich mich nicht verzählt habe


    22 Franzosen
    21 Deutsche
    19 Engländer
    10 antike Griechen
    9 Italiener
    9 Russen
    5 antike Römer
    5 Spanier
    4 Perser
    3 USA
    2 Chinesen
    2 Polen
    2 Norweger
    je 1 Däne, Niederländer, Österreicher, Schwede, Schweizer



    LG Dyke

  • Zitat von "sandhofer"

    Nicht, weil ich Zweig einen derart hohen literarischen Rang zumesse, sondern weil Zweig ein Autor ist, der sich relativ gut ins Spanische übersetzen lässt.


    Sandhofer, jetzt staune ich aber!
    Das klingt ja fast, als würdest du deine Lektüre unter anderem mit Hinblick darauf lesen, wie leicht oder schwer sie sich in welche Sprache übersetzen lässt! :entsetzt:


    Bitte lass mich nicht dumm sterben sondern verrate mir, wie du das ...

    Zitat

    sich relativ gut ins Spanische übersetzen lässt

    ... herausgefunden hast! :elch:


    Dyke: Schade, nur ein Österreicher in der Liste! :sauer:


    Herzliche Grüße allerseits,
    Bluebell

    &quot;Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve.&quot;

  • Hallo zusammen!
    Hallo Bluebell!


    Zitat von "Bluebell"

    Bitte lass mich nicht dumm sterben sondern verrate mir, wie du das ...

    ... herausgefunden hast! :elch:


    Empirisch. Gespräche vor Ort, Blick in Bibliotheken und Buchhandlungen ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Hallo Sandhofer: dann schon eher ein brasilianischer Kanon (mit Übersetzung ins Portugiesische, denn Zweig war ja dort recht hoch angesehen. Ob das dann bis Peru gestrahlt hat: hm. Zweifel.