zeitgenössische deutschsprachige Literatur

  • Hallo zusammen,


    Atomium hat gepostet:
    Mir fallen noch ein paar lesenswerte Bücher ein:
    Christa Wolf: Kassandra, Störfall,
    Christoph Hein: Drachenblut
    Stefan Heym: Der König David Bericht
    Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W., Die Legende von Paul und Paula,
    Günther de Bruyn: Buridans Esel
    Reiner Kunze: Die wunderbaren Jahre
    Jurek Becker: Jakob der Lügner


    Hallo Atomium,


    wie kommt es, dass Du ausschließlich Schriftsteller der ehemaligen DDR nennst? Aber Du hast recht, sicher alles lesenswerte Bücher und es ist erstaunlich, dass diese Autoren immer wieder vergessen werden. Selbst MRR hat bei seinem Kanon deutschsprachiger Romane keinen Autor aus dem Osten genannt.


    Zwei weitere Autoren fallen mir noch ein:
    - Johannes Bobrowski (als Preisträger der Gruppe 47 auch im Westen bekannt) und
    - Hermann Kant (hat Katy ja nachnominiert), Für mich ist seine „Aula“ der wichtigste DDR-Roman, trotz Uwe Johnson und Jurek Becker. Ich bin über „Buridans Esel“ von de Bruyn zur „Aula“ gekommen. Der „Held“ wird dort ja mal von seiner jungen Geliebten gefragt: „Erzähl doch mal wie das damals war bei der Arbeiter- und Bauernfakultät“ und er antwortet: „Du kennst doch Kants Aula. Genau so war’s“ (freie Wiedergabe nach dem Gedächtnis) Und da ich Kants Aula nicht kannte, musste ich das Buch lesen und war begeistert.


    Warum hast Du Hermann Kant nicht genannt?


    Gruß von Hubert

  • Hallo Katy,


    willkommen hier bei uns im Klassikerforum. Christa Wolf halte ich auch für eine bedeutende Autorin. Neben den von Dir genannten Büchern fällt mir noch „Nachdenken über Christa T.“ von ihr ein.


    „Mephisto“ von Klaus Mann würde ich nicht zu den Romanen der letzten 50 Jahren zählen, da das Original schon 1936 in Amsterdam erschienen ist.



    Du hast gepostet:
    Vielleicht kann mir ja mal jemand einen Tipp für wirklich zeitgenössische deutsche Literatur, d.h. erschienen so in den letzten 5 Jahren, geben. Was kann/soll man da lesen?


    Es ist natürlich schwer, jemand Lesetipps zu geben, von dem man nur den Vornamen kennt. Ich versuchs trotzdem:


    Zum einen waren ja auch die „etablierten“ Autoren nicht untätig und haben gute Romane vorgelegt:
    Grass. „Im Krebsgang“, 2002
    Lenz: „Fundbüro“, 2003
    Walser: „Der Lebenslauf der Liebe“ und „Meßmers Reisen“
    Zum anderen gibt es auch gute Romane von relativ neueren Autoren:
    -Thomas Lehr: „Frühling“ erzählt in 39 Kapitel die letzten 39 Sekunden im Leben eines Menschen
    - Arnold Stadler, der Büchner-Preisträger hat folgende lesenswerte Romane geschrieben:
    „Ein hinreißender Schrotthändler“
    „Mein Hund, meine Sau, mein Leben“
    „Eines Tages, vielleicht auch nachts“.


    Gruß von Hubert


    PS: Die Vorschläge von Atomium: Kaminer und die Hermann, kann ich natürlich auch nur unterstützen (Ingo Schulze kenne ich nicht)

  • Hallo zusammen,
    hallo Hubert!


    Hubert hat geschrieben:

    Zitat

    wie kommt es, dass Du ausschließlich Schriftsteller der ehemaligen DDR nennst? Aber Du hast recht, sicher alles lesenswerte Bücher und es ist erstaunlich, dass diese Autoren immer wieder vergessen werden. Selbst MRR hat bei seinem Kanon deutschsprachiger Romane keinen Autor aus dem Osten genannt.


    Ich fand, dass diese Schriftsteller in den bisherigen Auflistungen in diesem Strang und auch generell hier im Forum noch nicht ausreichend gewürdigt wurden. Ich hatte mal eine Phase, da habe ich sehr viel DDR-Literatur gelesen. Allerdings nie Hermann Kant. Ich fand, dass die DDR-Autoren beim offiziellen Teil meiner literarischen Bildung zu kurz gekommen waren.


    Zitat

    Warum hast Du Hermann Kant nicht genannt?


    Nun, ich bin nicht in der DDR zur Schule gegangen, deshalb musste ich nicht. In der DDR stand "Die Aula" nämlich auf dem Lehrplan, gemeinsam mit Anna Seghers "Das siebte Kreuz" und Bruno Apitz "Nackt unter Wölfen". Seghers habe ich irgendwann entdeckt, habe auch "Transit" gelesen, beide Bücher sind empfehlenswert.


    Hermann Kant war mir persönlich sehr unsympathisch. Als Reiner Kunze die DDR verlies, hat er gesagt "Kommt Zeit, geht Unrat". Er war Vorsitzender des Schriftstellerverbandes der DDR und hat es den Kollegen, die nicht so "richtig sozialistisch werten" konnten (das ist ein Zitat aus dem Abiturzeugnis eines Freundes), nicht einfach gemacht. Manche der Bücher, die ich aufgelistet habe, waren in der DDR "Bückware", nur unter dem Tresen gestapelt, man musste Beziehungen haben, um sie zu bekommen - denn die Auflage war so klein.


    Ich habe lieber Uwe Johnsson gelesen - angefangen bei den "Mutmaßungen über Jakob" und "Ingrid Babendererde" und dann vieles andere, daher meine Liste, die übrigens nur die Bücher enthält, die ich wirklich empfehlen kann - dazu kommen sicher auch Johnsson und Seghers.


    Ich habe irgendwann angefangen, Bücher bewusst nicht zu lesen oder nicht zu Ende zu lesen. Ich denke, ich brauche "die Aula" nicht für mein Verständnis der DDR.


    Und Strittmaters "Der Laden" habe ich irgendwo in der Mitte zur Seite gelegt und werde es nie mehr zu Ende lesen.


    Gruß
    Atomium

  • hallo hubert,
    hallo zusammen,
    Jede definition bewahrheitet sich letztlich im gebrauch der sprache. Die genannten lexika-definitionen sind wohl nicht hinreichend, in allen fragen zu einem einstimmigen urteil zu kommen, wohl weil die frage nach dem klassiker mehr oder weniger mit anderen fragen verbunden werden kann, zB nach dem wesen der kunst...
    Deswegen hier noch einige weitere definitionen von klassischer literatur, die diese unterschiede aufzeigen:
    Brockhaus: kennt keine klassiker, sondern nur "klassich":
    1) antike künstler 2) normativ für erstklassige, aufgrund bestimmter normen den antiken künstlern gleichgestellte neuzeitliche künstler u. autoren 3) als stilbegriff von harmonisch, vollendet 4) im allgemeinen sinn für mustergültig, vorbildhaft, überragend


    Ency. britannica: "Literatur des alten griechenlands und roms. Der begriff wird auch gebraucht für die literatur jeder sprache und jeder periode für ihre exzellenz und fortdauernde qualität...zB die perioden...Die werke, die in diesen perioden geschaffen wurden, und die kritischen standards, die in diesen perioden vorherrschten, eiferten denen der klass. griech. und latein. periode nach, obwohl dieses kriterium kein essentielles kriterium für klassische literatur ist."


    ZEIT-bibl. der 100 bücher: "...die aus der geschichte unserer literarischen zivilisation schwer wegzudenken sind, wirkung hatten, traditionen des denkens und sehens bildeten"


    Hesse, kleine bibliothek der weltliteratur: "Echte bildung...hat...ihren sinn in sich selbst...Von den wegen, die zu solcher bildung führen, ist einer der wichtigsten das studium der weltliteratur, das allmähliche sichvertrautmachen mit dem ungeheuren schatz von gedanken..., den die vergangenheit uns in den werken...hinterlassen hat".


    Die bloom'schen kriterien hatte ich schon genannt.


    Alle definitionen weichen etwas voneinander ab, und bleiben dazu noch so unspezifisch, daß recht unterschiedliche folgerungen gezogen werden könnten. Manche definieren aus der rezeption des lesers, andere aus objektiven kriterien, und andere aus überlegungen zum nutzen der menschheit. Ich sehe 5 definitionsmodule, die jeweils ein unterschiedliches gewicht erhalten:
    - wird heute noch gelesen, weil er heute eine bestimmte wirkung beim leser hervorruft.
    Dies muß noch weiter spezifiziert werden (zB bloom, hesse,calvino), weil man ansonsten geschmacksurteile gelten lassen müßte.
    - hohe qualität (zB ency. brit)
    Das würde gebracus- u. trivialliteratur nicht ausschließen
    - hoher ästhetischer wert
    Dies erfordert eine definition von wert und die anwendung von normen (bloom, ency. brit, brockhaus). Sie sind also der meinung, daß es qualitätskriterien gibt.
    - relativ hoher ästhetischer oder dichterischer rang in seiner schaffensperiode oder danach
    Fällt nicht der größte teil der bestände an historischer literatur in diese oder die nächste kategorie?
    - bewahrenswertes kulturerbe (zB ZEIT, hesse)
    Dies überschneidet sich mit letzerem, betont aber das bewahren ohne gelesen zu werden.
    Durch unterschiedliche gewichtung der module kommt man zu unterschiedlichen beurteilungen das status.


    Bildet sich der klassikerstatus nur durch die lektüre der (vielen) leser oder ist er wie bei bloom ein elitärer prozeß?
    Hier schreibt die ency. brit.: "Der literaturkritiker ist jemand, dem die rolle eines gelehrten detektives gegeben wurde, der unbekannte manuskripte ausgräbt, identifiziert und herausgibt. So können selbst nur spärliche gelehrte fähigkeiten des kritiker's elementarsten nutzen dienen, die öffentlichkeit auf literarische werke aufmarksam zu machen." Das wäre wohl für bloom noch unzureichend, die kanonisierung zu erklären: "Aber kritiker machen keine kanons, ebensowenig wie...(soziale) netzwerke".
    Ency. brit. unter aesthetics: "Die kanonischen werke beinhalten den kontext relevanter vergleiche, ohne die kein grad der analyse die qualität des individuellen werkes aufdecken könnte:" Dies erinnert an den gedanken von bloom, daß klassiker sich aufeinander beziehen oder auseinander sich entwickeln: "Kanonisches schreiben entsteht aus der fusion von originalität und tradition".


    Zitat von "Hubert"

    Dies würde mir Probleme bereiten, zumal es objektive Qualitätskriterien nicht gibt. Gäbe es solche, und wären diese tatsächlich entscheidend um Klassiker zu werden, könnte man heute schon voraussagen, welche heute zeitgenössischen Werke in 500 Jahren Klassiker sind.


    Nein, nicht zwingend. Wenn man den klassiker übers gelesenwerden oder über eine wirkung (bloom) definitiert, müßte man vorhersagen, wie die zukünftigen menschen denken ud fühlen. Die altchinesischen literaturkritiker mögen perfekte kriterien zur beurteilung von qualität und wert gehabt haben, aber wie konnten sie voraussehen, daß im 20. jahrhundert europäer (zB hesse) sich für sie begeistern, d.H. wirkung zeigen? Bloom: "Da sind auch die riesigen komplexitäten und widersprüche, die die essenz des westl kanons ausmachen, der alles andere als eine einheit oder stabile struktur darstellt. Niemand hat die autorität, uns zu sagen, was der w. kanon ist, ganz gewiß nicht für die zeit von 1800 bis jetzt. Dieser ist nicht, kann nicht präzise die von mir (am buchende) gegebene bücherliste sein. Wenn er es wäre, würde das aus ihm so etwas wie einen fetisch machen, nur eine weitere ware." Und anfangs der liste der kanonischen bücher aus der gegenwart: "die vorhersage von kulturellen entwicklungen und dingen ist immer zum scheitern verurteilt."
    gruß hafis

  • Hallo hafis50


    Nur eine kleine Frage - wahrscheinlich habe ich's irgendwo übersehen: Wer oder was ist Bloom? Orlando? Leopold?


    Danke für die Aufklärung!


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo an alle,
    Hallo Hubert, Hallo Atomium,


    danke für die Literaturempfehlungen. Wie gesagt, ich finde es ein bisschen schwer, in den zig Neuerscheinungen überhaupt einen Überblick zu bekommen. Deswegen bin ich für neuere Leseempfehlungen dankbar. Leider steht wirklich die neueste Literatur auch nicht auf dem Lehrplan der Germanistik, zumindest bei mir an der Uni nicht.


    Zum Thema: DDR-Literatur
    Ich habe ja auch mehr DDR-Bücher genannt, zum einen weil ich mich da besser auskenne, zum anderen weil diese in der Tat hier etwas kurz zu kommen scheint. Für mich - ich komme aus der ehemaligen DDR - war die erste, zumindest bewusste Begegnung mit Literatur DDR-Literatur und das ist irgendwie auch so geblieben (vielleicht auch weil mein Bücherschrank überwiegend DDR-Titel enthält). Irgendwann hat mir mein Vater die "Aula" in die Hand gedrückt und gesagt "Versuch's mal damit". Mir hat die "Aula" gefallen. Allerdings, da gebe ich Atomium recht, ist Hermann Kant nicht ganz unumstritten. Als "Funktionär" hat er keine rühmliche Rolle gespielt. Daher ist er wohl auch aus den heutigen Unilehrplänen gestrichen worden. Allerdings sollte das seine schriftstellerischen Arbeiten nicht schmählern. Die "Aula" ist und bleibt ein bedeutendes Buch.
    Sein meiner Meinung nach bester Text ist für mich jedoch die Erzählung "Der dritte Nagel", der trägt entscheidend zum Verständnis der DDR-Wirklichkeit bei und ist obendrein wirklich amüsant zu lesen. Kant beschreibt darin die Verwicklungen bei der Beschaffung von Bück-Dich-Waren. Nun ja, manches ist vielleicht auch nur mit einem bestimmten Vorverständnis verstehbar, da gerade bei der DDR-Literatur stets auch ein politischer Kontext mitgedacht werden muss.


    Okay, ich glaube, ich schweife vom eigentlich Thema dieses Threads ab.
    Aber vielleicht kann man sich ja an anderer Stelle mehr mit dem Thema beschäftigen.


    Katy

  • Hallo zusammen,
    hallo Sandhofer,


    Du hast gepostet:
    Nur eine kleine Frage - wahrscheinlich habe ich's irgendwo übersehen: Wer oder was ist Bloom? Orlando? Leopold?


    Bei Bloom fällt mir eigentlich auch zuerst Leopold ein (aber der hat sich meines Wissens nie zur Klassikerfrage geäußert, oder ich habe Ulysses nicht aufmerksam genug gelesen?), und als zweites der irische Sänger Luka Bloom (der aber eigentlich Kevin Barry Moore heißt und der jüngere Bruder von Christy Moore ist), an den Schauspieler? Orlando Bloom hatte ich überhaupt nicht gedacht und so blieb also nur Harold Bloom, ein amerikanischer Literaturwissenschaftler, der u.a. mehrere Bücher über Shakespeare geschrieben hat (sehr gut), aber m.M. nach außerhalb der amerikanischen und englischen Literatur auch keine große Kapazität ist, zumindest Goethe scheint er nicht zu kennen.


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Hubert"

    [...] an den Schauspieler? Orlando Bloom hatte ich überhaupt nicht gedacht und so blieb also nur Harold Bloom, ein amerikanischer Literaturwissenschaftler, der u.a. mehrere Bücher über Shakespeare geschrieben hat (sehr gut), aber m.M. nach außerhalb der amerikanischen und englischen Literatur auch keine große Kapazität ist, zumindest Goethe scheint er nicht zu kennen.


    Hallo Hubert!


    Vielen Dank! Harold Bloom ist eine mir unbekannte Grösse. (Was nicht viel heissen will.) Aber dass Du den Orlando vergessen kannst, ts ts ts. :breitgrins: Wie er da mit seiner blonden Perücke, seinen Spitzöhrchen, dem kurzen Rock in Mittelerde 'rumturnt - wenn ich nicht zu alt für solche tiefgreifenden Veränderungen wäre: ein Grund zum schwul werden, oder? :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • hallo sandhofer,
    professor harold bloom ist ein wohl nicht unbekannter amerikanischer literaturwissenschaftler. Neben seinen sehr theoretischen büchern zu seiner theorie der einfußangst als erklärung für literatur (bzw. deren kanonisierung), die mir viel zu spekulativ und "hoch" waren, ist er hier zuletzt durch sein buch über shakespeare bekannt geworden. Die FAZ, Zeit etc. brachten rezensionen. In "the western canon" versuchte er, einen kanon der westlichen literatur seit den anfängen bis heute zu begründen, -an dessen spitze er als absolute ausnahmeerscheinung natürlich shakespeare stellt. Deutlich kritisiert er die "school of resentment", die "neuen historiker", die relativisten, feministische u.a. richtungen, die versuchten, literatur minderer qualität zu kanonisieren. -womit man wieder bei thema, was klassische literatur ist, wäre.
    Diverse ausgaben gibt es mittlerweilen in deutsch. In katalogen oder bei amazon müßte man also etwas finden.
    gruß hafis

  • Zitat von "hafis50"

    hallo sandhofer,


    Hallo hafis50


    Zitat

    professor harold bloom ist ein wohl nicht unbekannter amerikanischer literaturwissenschaftler.


    Mir trotzdem unbekannt. Um ehrlich zu sein, lese ich seit Jahren keine Literaturwissenschafter und -theoretiker mehr.


    Zitat

    Neben seinen sehr theoretischen büchern zu seiner theorie der einfußangst


    ???


    Zitat

    als erklärung für literatur (bzw. deren kanonisierung), die mir viel zu spekulativ und "hoch" waren, ist er hier zuletzt durch sein buch über shakespeare bekannt geworden.


    Shakespeare ist mir hingegen bekannt.


    Zitat

    Die FAZ, Zeit etc. brachten rezensionen. In "the western canon" versuchte er, einen kanon der westlichen literatur seit den anfängen bis heute zu begründen, -an dessen spitze er als absolute ausnahmeerscheinung natürlich shakespeare stellt.


    Eine Einschätzung, die auch Goethe oder Friedrich Schlegel - letzterer ein mittelmässiger Dichter, aber ein erstklassiger Kritiker - teilen würden.


    Zitat

    Deutlich kritisiert er die "school of resentment",


    ???


    Zitat

    die "neuen historiker",


    ???

    Zitat

    die relativisten,


    Sind das Anhänger von Einstein?


    Zitat

    feministische u.a. richtungen, die versuchten, literatur minderer qualität zu kanonisieren. -womit man wieder bei thema, was klassische literatur ist, wäre.
    Diverse ausgaben gibt es mittlerweilen in deutsch. In katalogen oder bei amazon müßte man also etwas finden.


    Sicherlich. Aber, wie schon gesagt: Um ehrlich zu sein, lese ich seit Jahren keine Literaturwissenschafter und -theoretiker mehr.


    Zitat

    gruß hafis


    Grüsse zurück


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • hallo sandhofer,
    ich hatte zuvor noch überhaupt keine literaturwissenschaftler gelesen. Das interesse bei mir weckte die rezension seines shakespeare-buches in einer literaturbeilage. Neulich sah ich bei der mayerschen einen stapel von bloom. Ein blick in die bib-kataloge zeigt, daß er außerordentlich viel veröffentlicht hat.
    Diese diversen soziologischen und literaturwissenschaftl. richtungen sind mir auch nicht geläufig, wohl weil ich nicht viel vertrauen in den erkenntnisgewinn solcher theorien habe...
    Allerdings hat bloom's thema sehr viel mit dieser diskussion über klassik zu tun.
    Eine yahoo.com-suche nach harold bloom ergab allein auf der ersten seite gute links:
    Bloom's stanford-seite (auch mit weiteren interview u.m.): "Bloom schlägt vor, daß die post-renaissance-poesie eine 'erworbene angst' ist, das produkt eines neuen autors, der gewaltsam die einflüße der vorgänger unterdrückt. Die aufgabe des kritikers in diesem modell ist es, diese unterdrückung aufzuspüren, da sie durch verschiedene techniken des 'fehlesens' operiert."
    Dekonstruktivisten betonen die instabilität linguistischer bedeutung. Bloom favorisiert die "literar. u. philosophische autonomie der imagination von sprache". Der Kanon stellt sich gegen das rankieren nach einer sozialen agenda (gender, multikultu.)


    Der kanon, also der appendix von "the western canon", ist hier. Hier auch ein link auf die rezensionen bei amazon:
    ...gegen die politisierung des lesens...gegen die kontinentaleuropäische post-strukturalistische theorie...er fragt, was soll man lesen....Skakespeare ist der kanon, indem er alle literaturstandards definiert...
    kirkus: "...die gegenwärtige krankheit der selbstgefälligkeit und spiießigkeit, die im namen sozio-ökonomischer gerechtigkeit das literaturstudium zerstört...Er verspottet den gedanken, daß literatur eine soziale mission besitzt oder daß sie nutzbar in ihrem eigenem sozialem kontext studiert werden kann. Für bloom ist literarirsches interesse immer eine frage der künstlerischen verdienstes, der auf dem grad der 'literarischen individualität und der poetischen autonomie' beruht, die ein werk erlangt."


    Und ein interview im the atlantic: "die schule des ressentiments - die sogenannten multikulturalisten und feministen, die uns sagen, daß wir ein literarisches werk nach dem ethnischen hintergrund oder dem geschlecht des autors bewerten sollen..."
    Also ein plädoyer gegen den modischen werterelelativismus und gegen das diktat politischer korrektheit.
    gruß hafis

  • hallo zusammen,
    hallo hubert,
    Ich habe gerade erst die vorletzten posts gelesen:

    Zitat von "Hubert"

    Harold Bloom, ein amerikanischer Literaturwissenschaftler, der u.a. mehrere Bücher über Shakespeare geschrieben hat (sehr gut), aber m.M. nach außerhalb der amerikanischen und englischen Literatur auch keine große Kapazität ist, zumindest Goethe scheint er nicht zu kennen.


    Ich habe über yahoo rezensionen seiner werke gelesen. Sie fallen durchaus sehr unterschiedlich aus. Er ist wohl sicher keine figur de mainstreams. Es gibt auch von ihm ein buch, das sich nicht ans fachpublikum wendet: "die kunst der lektüre", warum und wie man lesen soll. Auch hier waren die kritiken geteilt. Manche monierten, daß es für laien immer noch zu unverständlich sei, andere monierten seine "shakespeare-manie". Mir hat es dennoch etwas gebracht, indem es mich mittels zitaten bzw. kommentaren für insbesondere englischsprachige autoren interessieren konnte, die ich bislang noch nicht näher kannte.


    Zu goethe habe ich aber andere informationen.
    Im "western canon" zählt er goethe zu den "major western writers since dante" und goethe ist eine der 26 autoren, die in diesem buch portätriert werden:
    Kapitel 9: goethe's faust, part two: the countercanonical poem
    "Von allen der stärksten (zur 'stärke' siehe wiener zeitung oben) westlichen schreibern scheint goethe nun der für unsere sensibilität am wenigsten verfügbare zu sein. Ich vermute, daß diese distanz wenig damit zu tun hat, daß er sich so schlecht ins englische übersetzen läßt. Hölderlin übersetzt sich ebenfalls schlecht, aber er spricht uns viel stärker als goethe an. Ein poet und weiser autor, der in seiner sprache äquivalent zu dante ist, kann eine inadäquate übersetzung transzendieren, aber nicht änderungen im leben und der literatur, die seine zentralen einstellungen so weit entrücken, daß sie uns als archaisch erscheinen. Goethe ist nicht länger unserer vorfahre, so wie er es für emerson und carlyle war. Seine weisheit überdauert, aber sie scheint aus einem fremden sonnensystem zu kommen.
    Goethe hatte keine deutschen vorläuferdichter von vergleichbarer stärke...Aber obwohl er am beginn einer wahren imaginativen literatur in deutschland steht, ist goethe von einer westlichen perspektive eher ein abschluß als ein beginn...Nichtsdestweniger sollte argumentiert werden, daß goethe's entferntheit teil seines enormen wertes für uns jetzt ist, besonders zu einer zeit, in der französiche spekulanten den tod des autors und der/die? (proclaimed the death of the author and the hegemony of texts) hegemonie des textes proklamierten. Jeder goethe-text...trägt das mark seiner einzigartigen und überwältigen persönlichkeit, der man nicht ausweichen kann oder die nicht dekonstruiert werden kann..."


    Die entferntheit goethe's kann ich so nicht nachvollziehen. Ob das anders wird, wenn ich das ganze kapitel gelesen habe, bezweifele ich...


    Hubert, wenn jemand in der englischsprachigen welt eine kapazität ist, kann er dann außerhalb keine sein? Wieviele nobelpreisträger, wieviele zitierte forschungen kommen aus "old europe" im vergleich zur englischsprachigen welt? Und sollte der begriff der kapazität nicht nicht an ländergrenzen gebunden sein, sondern an qualität? Nach den obigen links zu urteilen, scheint er mehr ein nonkonformistischer außenseiter zu sein als ein sprachrohr der mehrheitsmeinung.
    gruß hafis

  • Uwe Johnson: Mutmassungen über Jakob, Jahrestage
    Anna Seghers: Das siebte Kreuz
    Bruno Apitz: Nackt unter Wölfen
    Patrik Süskind: Die Taube
    Siegfried Lenz: Deutschstunde
    Erich Kästner: Gedichte
    Erich Fried: Gedichte
    Berthold Brecht: Gedichte
    usw.

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Habe noch etwas vergessen:
    Günter Grass: Die Blechtrommel, Katz und Maus
    Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz
    Martin Walser: Halbzeit, Ein fliehendes Pferd
    Gottfried Benn: Gedichte
    usw.

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Frage von Steffi:
    Ich kenne sehr wenig zeitgen. deutsche Literatur. Spontan fällt mir die Blechtrommel von Grass ein. Was sollte ich noch lesen.


    Antwort Friedrich-Arthur:
    Ich empfehle die Blechtrommel von Grass!


    OHNE WORTE

  • Hallo allerseits
    Hallo Prinz Karneval


    Zitat

    Frage von Steffi:
    Ich kenne sehr wenig zeitgen. deutsche Literatur. Spontan fällt mir die Blechtrommel von Grass ein. Was sollte ich noch lesen.


    Antwort Friedrich-Arthur:
    Ich empfehle die Blechtrommel von Grass!


    OHNE WORTE


    Hallo Prinz Karneval


    Findest Du es sehr ungewöhnlich, dass jemand ein Buch empfiehlt, von dem jemand anders schon gehört hat?
    Was soll dieses "Ohne Worte"? Wenn Du keine Worte verschwenden möchtest, warum kopierst Du dann einen Text, den wir schon kennen?


    Nehmen wir's karnevalistisch :rollen:


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Friedrich-Arthur hat gepostet::
    Uwe Johnson: Mutmassungen über Jakob, Jahrestage
    Anna Seghers: Das siebte Kreuz
    Bruno Apitz: Nackt unter Wölfen
    Patrik Süskind: Die Taube
    Siegfried Lenz: Deutschstunde
    Erich Kästner: Gedichte
    Erich Fried: Gedichte
    Berthold Brecht: Gedichte
    Habe noch etwas vergessen:
    Günter Grass: Die Blechtrommel, Katz und Maus
    Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz
    Martin Walser: Halbzeit, Ein fliehendes Pferd
    Gottfried Benn: Gedichte
    usw
    .


    Hallo Friedrich Arthur,


    lange habe ich gerätselt, was Du mit dieser Nennung von Autoren und ihren Werken bezwecken willst. Das Posting des Prinzen hat mich jetzt drauf gebracht. Wahrscheinlich war es als Antwort auf Steffis Frage gemeint:


    Was sollte ich in nächster Zeit unbedingt mal lesen ? Zeitgenössisch vielleicht so im Sinne der letzten 50 Jahre ?


    Ich will jetzt auch überhaupt nicht, an Deiner Aufistung herummäkeln (und fragen warum Du Döblins in den 20er Jahren erschienen Roman nennst - das sind ja dann mehr als 70 Jahre - , den Zauberberg, den Steppenwolf - beide auch in den 20ern erschienen - und den "Mann ohne Eigenschaften, der erst in den 30ern erschien, nicht), sondern was mich wirklich interessiert, warum nennst Du Grass' "Blechtrommel" und "Katz und Maus" (also den 1. und 2. Band einer Trilogie), die "Hundejahre (den 3. Band) aber nicht? Grass selbst, bezeichnet die "Hundejahre, z.B. als sein bestes Buch überhaupt. Hat es Dir nicht gefallen oder kennst Du es nicht?


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert,


    die deutschsprachige Literatur des 20. Jahrhunderts ist sozusagen mein Lieblingsfeld der Literatur. Fragen, wie Schuld, Schuldverarbeitung, Neuausrichtung der Geisteswissenschaften nach 1945, die Zeit zwischen den beiden großen Weltkriegen, der Neubeginn in der Kunst und Literatur, die Literatur der beiden Deutschlands usw. interessieren mich besonders stark. Meine Auflistungen sind nicht vollständig, das ist mir bewusst und bilden so eine Art Kanon der von mir gelesenen Bücher. Also das da wichtige Werke fehlen, z.B. von Böll, Grass, den östereichischen und schweizer Auroren ist mir bewusst und vieles steht noch auf meiner Lesewunschliste. Von Hesse ist nichts vermerkt, weil ich mich da im Mann-Hesse-Thema äußerte. Auch von Thomas Mann, Heinrich Mann usw. auch nicht, obwohl ich einige derer Bücher sehr schätze. Auch fällt es mir schwer, eine zeitliche Einordnung vorzunehmen, ein Schwachpunkt meiner Liste. Aber mein Kanon ist nicht starr und es könnten sich jederzeit Änderungen ergeben. Aber zu den oben genannten Büchern stehe ich auf jeden Fall, die sind für mich sehr wertvoll... Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo Friedrich-Arthur,


    als Liste der empfehlenswerten deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts kannst Du durchaus zu Deiner Liste stehen. Grass, Walser und Lenz gehören auch für mich zu den wichtigsten Nachkriegsschriftstellern (obwohl ich die „Deutschstunde“ noch nicht zu Ende geschafft habe, aber das liegt nicht an Lenz). Die Lyriker, die Du genannt hast sind auch nach m.M. die wichtigsten (Brechts Gedichte finde ich z.B. besser als die meisten seiner Dramen). Ein Buch Deiner Liste kenne ich noch nicht: Bruno Apitz: „Nackt unter Wölfen“, diesen Roman über des Konzentrationslager Buchenwald, habe ich mir jetzt aber vorgemerkt.


    Gruß von Hubert