hallo zusammen,
hallo sandhofer!
Zitat von "sandhofer"
Punkt a) ist etwas, das auch für Nicht-Klassiker gelten sollte, ja selbst für einen Journalisten der Bild-Zeitung, selbst für Mit-Diskutanten dieses Forums ...
Punkt b) erste Hälfte: s. Punkt a); zweite Hälfte: "neu entwickelte Mittel" - damit raubst Du jedem, der bewusst sich einer prätentiösen, ungewöhnlichen oder was auch immer Sprache enthält, die Möglichkeit, ein Klassiker zu werden. Da 'Klassiker' aber auch immer Vorbilder der nächsten Generationen sind, führt dieses Argument sich auch ein bisschen ad absurdum. Demzufolge müsste Arno Schmidt der 'bessere' Klassiker sein als z.B. Musil. Eine Entwicklung der Literatur, so etwas wie eine Literatur- oder Geistesgeschichte würde unmöglich.
Punkt c) Das sind Werte, wie sie erst das 20. Jh., und da v.a. die zweite Hälfte, entwickelt hat. Du darfst aber - finde ich - nicht mit zeitlich bedingten Werten ein Werk beurteilen, das - als Klassiker - überzeitlich 'funktionieren' sollte.
zu punkt a)
"gelten sollte" - ein blick in verschiedene aktuelle journalistische und belletristische publikationen zeigt jedoch, dass dieses mindestmass an sprachbeherrschung schon lange nicht mehr vorausgesetzt werden kann. und ob man in einem diskussionsforum unbedingt "sprachliches virtuosentum" erwarten sollte, das sei dahingestellt...
zu punkt b)
der einsatz neuer stilistischer mittel muss nicht zwangsläufig einen prätentiösen schreibstil hervorbringen. oft werden neue erzählerische mittel (z.b. die perspektivische polyphonie bei dostojewski oder der wegfall auktorialer erzählperspektiven zugunsten einer eher szenischen darstellung in der modernen literatur) von der leserschaft gar nicht als störendes novum aufgefasst. im gegenteil: neue erzählerische techniken werden oft als das ergebnis einer natürlichen weiterentwicklung der epischen ausdrucksmöglichkeiten empfunden und deshalb begrüßt - erst duch die weiterentwicklung seiner erzählerischen mittel kann ein schriftsteller den veränderungen bzgl. der selbstwahrnehmung des individuums in einer sich wandelnden gesellschaft überhaupt gerecht werden.
ein werk, das keinerlei erzählerische inventionen aufweist, hat eigentlich nur dann die chance, eine "klassiker" zu werden, wenn in ihm die konventionelle erzählweise derart perfektioniert wird, dass eine "steigerung der konventionellen schreibweise" nicht mehr möglich ist und (durch die nachfolgende schriftstellergeneration) zwangsläufig überwunden werden muss. als beispiel in diesem zusammenhang möchte ich den (für seine entstehungszeit eher konventionell erzählten) "zauberberg" anführen.
zu punkt c)
die tradition der kritischen spiegelung und analyse ist definitiv keine erfindung des 20. jahrhunderts. kritik an der dekadenz des adels, an den auswüchsen bürgerlichen spießertums etc. findet sich in der großen literatur der gesamten neuzeit. dass offene gesellschaftskritik v.a. in den werken des 20, jahrhunderts hörbar wird, liegt wohl eher daran, dass eine solche kritik in den modernen demokratisch(er)en gesellschaften gefahrlos(er) verbalisiert werden kann.
gruß
Settembrini