November 2009: Eugène Sue - Die Geheimnisse von Paris

  • Dort um den Dreh bin ich auch gerade.



    Und ich stecke im Beginn des zweiten Teils fest, wo in unsäglichen Dialogen die Vorgeschichte geliefert wird. Murph und Baron Graun erzählen einander, was ohnehin beide wissen. Wählt Sue diese Technik, um Rückblenden zu vermeiden? In der Annahme, dass die Zeitungsfortsetzungsromanleser auf diese Weise den Faden weniger verlieren würden?


  • Und ich stecke im Beginn des zweiten Teils fest, wo in unsäglichen Dialogen die Vorgeschichte geliefert wird. Murph und Baron Graun erzählen einander, was ohnehin beide wissen. Wählt Sue diese Technik, um Rückblenden zu vermeiden? In der Annahme, dass die Zeitungsfortsetzungsromanleser auf diese Weise den Faden weniger verlieren würden?


    Denke schon. Es kommt ja regelmäßig vor, dass er seine Leser an irgendetwas erinnert. Das hat sicher mit der Publikation in Fortsetzungen zu tun.


    CK


  • In Kapitel 13 (Insel) ist Sue auf ein Niveau abgetaucht das kaum mehr zu ertragen ist.


    Oh mein Gott .... :rollen: Und ich bin erst ungefähr dort, wo auch Maja ist:


    Und ich stecke im Beginn des zweiten Teils fest, wo in unsäglichen Dialogen die Vorgeschichte geliefert wird.


    Karl May, der ja noch unsäglicher und unwahrscheinlicher konstruiert, und dessen Figuren psychologisch auch absolut unrealistisch und oft von bigotter Frömmigkeit sind, schafft es doch, mich zu fesseln und an die Geschichte zu binden. Sue hingegen liefert vielleicht sogar realistischere Figuren - und dennoch werde ich mit dem Ganzen nicht warm. :schnarch:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Oh mein Gott .... :rollen: Und ich bin erst ungefähr dort, wo auch Maja ist:



    Karl May, der ja noch unsäglicher und unwahrscheinlicher konstruiert, und dessen Figuren psychologisch auch absolut unrealistisch und oft von bigotter Frömmigkeit sind, schafft es doch, mich zu fesseln und an die Geschichte zu binden. Sue hingegen liefert vielleicht sogar realistischere Figuren - und dennoch werde ich mit dem Ganzen nicht warm. :schnarch:


    Halte Durch! Der Affe und die goldne Fliege im Teil 13 werden dir schon einheizen :breitgrins:


    Ich bekomme langsam eine Lesedepression, aber es sind nur noch ca. 15%, und dann gehe ich in eine Rehabibliothek :zwinker:


  • Karl May, der ja noch unsäglicher und unwahrscheinlicher konstruiert, und dessen Figuren psychologisch auch absolut unrealistisch und oft von bigotter Frömmigkeit sind, schafft es doch, mich zu fesseln und an die Geschichte zu binden. Sue hingegen liefert vielleicht sogar realistischere Figuren - und dennoch werde ich mit dem Ganzen nicht warm. :schnarch:


    Also ich finde schon, dass Sue Karl May in die Tasche steckt ...

  • Also ich finde schon, dass Sue Karl May in die Tasche steckt ...


    Muss man auch hier Medaillen vergeben?


    Ich finde nicht.


    Die Unterschiede zwischen den Geschichten, die beide konstruiert haben sind zu vielfältig, die Gemeinsamkeiten stecken im Formalen. May führt uns in Traumwelten, Sue zeigt uns sein Bild der Realität. May führt uns in eine Welt, in der Gewalt und Edelmut noch nicht geschieden sind, Sue zeigt uns, wie Recht und Gerechtigkeit unerschiedlich funktioniert, wenn überhaupt. May erlaubt uns allen den Traum vom menschlichen Heldentum, bei Sue muss man schon Aristokrat sein.
    Was höheres Gewicht hat, hängt von Ansprüchen und den Wünschen von uns Leser, von jedem slebst ab.


    Vor ein paar Jahren hatte ich mich nochmals an Winnetou II, in meiner Kindheit das Lieblingsbuch, versucht, ich habe nach ein paar Seiten abgebrochen; zuviel Wissen über die Fakten, das Leben und die Leseerfahrung machten mir es unmöglich den Zauber, der von May geschaffenen Welt, zu erleben. Bei Dickens, Balzac und Sue gibt es keine Traumwelt, keinen Zauber, sie lassen jedoch den Raum für Reflexionen zu unserer Geschichte. Sue ist der brutalste, der humorloseste und der platteste Schreiber in diesem Umfeld, aber es gibt ja noch Paris. :zwinker:

  • Ich habe heute Teil 5 beendet.


    Rudolf kommt mir zunehmend unrealistisch vor. Die Art und Weise, wie er quasi das Geld aus der Hosentasche zieht und an Bedürftige verteilt oder sich als Retter des unbescholtenen Rufes junger Damen hervortut, ist jenseits aller Wirklichkeit. Es kommt mir zu unwahrscheinlich vor, dass Menschen wie Rudolf, die so selbstlos agieren, auf der anderen Seite ohne mit der Wimper zu zucken zur Selbstjustiz greifen, auch wenn sie diesen Teil von anderen erledigen lassen.


    Ein weiterer kritischer Punkt ist die personelle Besetzung, die sich ständig im Kreis dreht. Immer wieder stößt man auf Figuren, mit denen Rudolf vor vielen Jahren zu tun hatte und die sich nun seltsamerweise wieder in seiner näheren Umgebung tummeln. Das sind einige Zufälle zu viel.


    Um auf den Vergleich mit den Geschmacksverstärkern zurückzukommen: Es ist zwar nicht so, dass ich mich nach dem Genuss der Lektüre schlecht fühle, aber gut fühle ich mich dabei definitiv auch nicht.


    Grüße
    Doris

  • Halbzeit! Gut 1000 Seiten gelesen. Auf den letzten zweihundert Seiten verlor ich ab und an die Lesegeduld. Die Einführung des Notars als Bösewicht und seine Gespräche gingen noch, aber die weiteren Dialogkapitel waren dann ebenso mühsam wie die immer längeren sozialpolitischen Exkurse. Muss jetzt zwischendurch etwas anderes lesen bevor ich die zweite Hälfte angehe.


    CK

  • Muss jetzt zwischendurch etwas anderes lesen bevor ich die zweite Hälfte angehe.


    Seit einigen Tagen lese ich zunächst ein Kapitel aus Kafka: Der Prozess, um mich dann aufgeheitert Sues Endzeitdrama zu widmen.
    Es sind nur noch ca. 200 Seiten :smile:


    Wie früh zu vermuten war, bindet Sue seine ganzen Handlungsfäden zu einem einzigen Knoten zusammen und hackt dann mit stumpfen Schwert und gewaltigen Hieben darauf herum. Dies Methode erregt ja schon lange Bewunderung. :breitgrins:

  • Du liest ein Kapitel aus dem Prozess oder den ganzen Roman? ;)


    Den ganzen Roman, Kapitel für Kapitel :smile:


    Leider besteht kein Interesse an einer Leserunde. Als einsamer Leser, der nicht den ausgelutschten Pfaden der Kafkaexperten folgen mag, fehlt die Diskussion besonders :sauer:

  • Hallo,


    befinde mich im achten Teil - im Frauengefängnis von Saint Lazaire.
    Die Wölfin erregt wieder ein wenig meine Leseaufmerksamkeit, dagegen wirkt die penetrane Gutfrau Marienblume (diesen schwerfällig-deutschen Namen finde ich inzwischen recht angemessen) so einschläfernd wie ein Absatz aus dem Kathechismus.


    Interessante Selbsteinschätzung Sues im Gefängniskapitel VIII, 12:


    "Wenn dieses Werk, das wir gern und ohne Bedenken in künstlerischer Hinsicht als ein schlechtes Buch gelten lassen können, das wir aber in moralischer Hinsicht durchaus für ein gutes Buch betrachten, wenn dieses Werk in seiner kurzlebigen Laufbahn den von uns beschriebenen und gewünschten Anklang findet, so würden wir uns geehrt fühlen."


    Sowohl von der künstlerischen Selbsteinschätzung als auch im Hinblick auf die Rezeptionsgeschichte eine erstaunlich zutreffende Aussage!
    Außerdem würde sich Sue wahrscheinlich wundern, welche lebhafte deutschsprachige Leserunde sich über 150 Jahre später seinem Wälzer widmet.
    An diesem Wochenende werde ich kaum zum Lesen kommen, hoffe aber dennoch, den ersten Band der Inselausgabe zu beenden.


    Grüße


    finsbury


  • Hallo,


    befinde mich im achten Teil - im Frauengefängnis von Saint Lazaire.
    Die Wölfin erregt wieder ein wenig meine Leseaufmerksamkeit, dagegen wirkt die penetrane Gutfrau Marienblume (diesen schwerfällig-deutschen Namen finde ich inzwischen recht angemessen) so einschläfernd wie ein Absatz aus dem Kathechismus.


    Mit der Wölfin gibt sich Sue noch eine Chance eine Figur differnziert zu schildern. Er macht es aber nur kurz und steckt sie schnell in die Schublade der edlen Armen :grmpf:


    Marienblume ist m.E. die zentrale Figur des Romans, die Madonna, die quasi die Leiden Christis nachlebt und nicht fällt, eine Inkarnation der Reinheit und leider auch literarischen Seichtheit.
    Überhaupt fällt mir auf, dass Sue und vielleicht auch die Epoche von den Teenagern viel abverlangt. Jugend schein es nicht zu geben.


    Gegen Schluss mit "Die Vorbereitung" schreibt Sue das beste Kapitel des Romans :smile:


    Den letzten Teil, den Epilog mit den Briefen habe ich nur diagonal gelesen. Er ist wie ein Filmabspann. Was noch offen ist wird zugedeckelt, das Pariser Publikum kann seufzend die Kerzen ausdrücken, in den Salons wird man noch die Implikationen auf die Politik diskutieren, die dabei initiierten zwei, drei Duelle gehen glimpflich aus, und unberührt davon köchelt mit Volkeswut die nächste und letzte Revolution auf dem Herd.


  • Interessante Selbsteinschätzung Sues im Gefängniskapitel VIII, 12:


    "Wenn dieses Werk, das wir gern und ohne Bedenken in künstlerischer Hinsicht als ein schlechtes Buch gelten lassen können, das wir aber in moralischer Hinsicht durchaus für ein gutes Buch betrachten, wenn dieses Werk in seiner kurzlebigen Laufbahn den von uns beschriebenen und gewünschten Anklang findet, so würden wir uns geehrt fühlen."


    Das wollte ich auch zitieren, aber Du warst schneller. Macht Sue gleich etwas sympathischer.


    CK

  • Jetzt weiss ich, warum. :breitgrins:


    So ein Kapitelchen pro Tag kann ich lesen. Wenn ich also im selben Rhythmus lese, in dem die Geschichte ursprünglich veröffentlich worden ist, akzeptiere ich Sues penetrante Wiederholungen und Klarstellungen so halbwegs. Ich werde dann zwar wohl erst 2011 hinter alle Geheimnisse von Paris gekommen sein ... :sauer:


    Auch so penetrant mit dem Holzhammer dem Leser eingebläut: Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Rodolphe, Sarah und Marie-Fleur. Wie wenn, am Ende des aktuellen Kapitels, sein Verleger ihn angerufen hätte: "Hör mal. Erstens fehlen uns da ein paar Zeilen, und zweitens sinkt die Leserzahl bereits wieder, weil die Leute viel lieber wissen möchten, wie es weiter geht und nicht, was vor 20 Jahren passiert ist. Reviens à tes moutons!" :angst:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

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