Sept. 2009: J. W. Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre

  • Ich war heute in Europas angeblich größter Buchhandlung, Foyles in der Charing Cross Road, und siehe da, sie hatten ein Exemplar des Wilhelm Meister im Angebot (dtv, mit den Anmerkungen der Hamburger Ausgabe).


    So habe ich das erste Kapitel mit den Mariane und den Puppentheatererinnerungen begonnen und hoffe, bald aufgeholt zu haben, Foyles sei Dank!


    - Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Ich habe gestern das erste Kapitel beendet. Wilhelm erzählt Erlebnisse aus seiner Kindheit, Puppentheater und Theaterspielen. Charakteristisch für ihn sind seine Begeisterung, seine Begabung und der Mangel an Ausführung - viel wird begonnen und wenig vollendet. Seine Geliebte Mariane schläft bei seinen Erzählungen ein und Wilhelm merkt es nicht... er begibt sich auf eine Ebene, auf die sie ihm nicht folgen kann oder will, ohne dass er es wahrnimmt. So wird er dann auch am Ende des ersten Kapitels bitter enttäuscht werden.


    Wilhelms Freund Werner wird eingeführt. Sowohl Werners Argumente als auch die Geschichte von Melina und ihrem Freund können ihn nicht von seinen Ansichten über die hohe Bedeutung des Theaters abbringen. Er wird seine eigenen Erfahrungen machen müssen...


    Wilhelms Jugenderinnerungen scheinen stark autobiographisch gefärbt zu sein (wenn man Dichtung und Wahrheit glauben darf). Und sowohl Wilhelms Vater als auch sein Großvater haben Eigenschaften von Goethes Vater bekommen.


    Nun Kapitel 2...


    - Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo,


    schön, jetzt sind wieder alle eifrig dabei, und ich habe im Moment einen Durchhänger, weil bei dem beruflichen Stress momentan weder Hamlet noch WM geht. Hoffe aber , im Laufe des Wochenendes zumindest mit dem Hamlet weiterzukommen und nächste Woche dann wieder in den WM einzusteigen.


    Grüße
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo,


    ich bin mittlerweile bei III,7 angelangt. Wilhelm kann ich irgendwie ganz schlecht einschätzen. Mir ist nicht ganz klar, warum er ewig in diesem Ort "rumgehangen" ist. Wegen Philine? Gut, er hat vermutlich keine Lust, Geldeintreiber für seinen Vater zu spielen, aber die Leute, die dann so in seiner Gesellschaft sind, werden nicht unbedingt positiv beschrieben. Ich hatte immer das Gefühl, er würde dann bald mal aufbrechen und etwas neues sehen wollen. Z.B. nach Italien, wie Mignon ihm vorschlägt. Sehr treffend: "Gehst du nach Italien, so nimm mich mit, es friert mich hier." (Ich hätte jetzt übrigens auch Lust nach Italien zu fahren... :smile:)


    Aber jetzt ist er mit der ganzen Truppe auf das Schloß des Grafen gezogen; obwohl er es eigentlich gar nicht wirklich wollte. Zumindest darf er jetzt endlich mal ein Schauspiel aus seiner Feder auf der Bühne erleben. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt...


    Viele Grüße
    thopas

  • Ich habe Buch II beendet. Die Chronologie ist mir unklar. Vom Ende des ersten Buches werden ungefähr drei Jahre übersprungen, aber später, als er das Paar Melina trifft, wird es so beschrieben, als ob ihre Bekanntschaft nicht lange her sei.


    Wie auch immer, Wilhelm wendet sich ganz von seinen Theaterträumen ab, vernichtet sogar alle Manuskripte und alle Gegenstände, die ihn an Mariane erinnern. Er macht eine (Geschäfts-)Reise, um einige Schulden einzutreiben. In einem kleinen Städtchen erlebt er eine Truppe von Artisten und macht die Bekanntschaft einiger Schauspieler, in deren Kreis er sich hineinziehen lässt. Sehr rätselhaft ist Mignon. Weiß jemand, ob es dafür eine reale oder literarische Vorlage gibt? Wie ist Goethe auf diese Gestalt gekommen?


    Auch mir ist unklar, wieso Wilhelm sich nicht eher zur Weiterreise entschließt. (Wahrscheinlich, damit der Roman nicht vorzeitig zuende geht ;-) .) Er beginnt einen Brief nach Hause zu schreiben und merkt erst zum Schluss, dass das Briefpapier auf der Rückseite schon beschrieben war. Eine Freudsche Fehlleistung?


    Ein Unbekannter tritt auf, der eine Anspielung auf das Puppentheater macht, als ob er Wilhelms Vorgeschichte kennt, und verschwindet wieder.


    Das Ende von Buch II bildet mit dem "reinsten, unbeschreiblichsten Glück" den größten Kontrast mit dem Ende von Buch I.


    Ich mache zwei Tage Pause für einen Shakespeare, dann geht es mit Buch III weiter.


    - Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo zusammen,


    ich bin jetzt doch noch eingestiegen. Ich weiß aber nicht, wie schnell ich vorwärts komme und werde daher wohl eher als stiller Leser dabei sein.


    Viele Grüße,
    Zola


  • Hallo zusammen,


    ich bin jetzt doch noch eingestiegen. Ich weiß aber nicht, wie schnell ich vorwärts komme und werde daher wohl eher als stiller Leser dabei sein.


    Viele Grüße,
    Zola


    Prima, dass du nun auch dabei bist, Zola! Wir sind wohl alle nicht so schnell unterwegs. Nachdem ich am Anfang wider Erwarten gut vorankam, muss ich nun einiges an beruflicher Lektüre dazwischenschieben und werde wohl erst MItte nächster Woche wieder privat lesen können. Dann ist auch noch der Hamlet zu vollenden.
    Übernächste Woche bin ich dann internetlos unterwegs und werde kaum zum Lesen kommen.



    Harald
    Mit dem Sprung zwischen I und II hast du recht. MIr kommt es auch so vor, als könnten die Melinas noch nicht drei Jahre verheiratet sein, denn was an beruflichen Anstrengungen Melinas geschildert wird, reicht dafür kaum. Auch dass MMe Melina nun erst schwanger sein soll, ist merkwürdig.


    Grüße
    tukan

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Guten Morgen,


    schön, dass sich hier ein gemächliches Tempo eingependelt habe; berufsbedingt komme ich auch nicht so schnell vorwärts und habe gestern das zweite Buch beendet.


    Die zeitliche Schiene ist mir auch nicht ganz klar. Irgendwo wird erwähnt, dass bereits mehrere Jahre vergangen seien - aber das Kind von Melinas wartet immer noch auf seine Geburt.


    Ansonsten macht Wilhelm gerade einen recht unentschlossenen Eindruck auf mich. Für das Theater kann er sich nicht recht entscheiden (auch wenn der Harfner einen großen Eindruck auf ihn macht), mit Philine geht es weder vorwärts noch rückwärts und wie er zu Mignon steht, überlegt er sich lange nicht. Diese Figur gefällt mir sehr gut, auch weil ich sie nicht recht einordnen kann.


    Interessant übrigens, dass Wilhelm sich so selbstverständlich eine Auszeit vom Geldeintreiben nehmen kann. So groß scheint der Druck seitens seines Vaters nicht zu sein.


    Zola: herzlich willkommen!


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo,


    ich hatte am Wochenende etwas Zeit zum Lesen und habe mittlerweile Buch 4 beendet. Langsam wird etwas klarer, warum sich Wilhelm nicht nach Hause traut: er muß erst wieder das Geld zusammenbekommen, das er seinem Vater mitbringen muß. Und dummerweise verliert er Geld, sobald er wieder welches hat (bzw. es wird ihm geraubt etc.)


    Was ich etwas seltsam finde: ständig begegnen Wilhelm wunderschöne Frauen und er verliebt sich immer gleich unsterblich in sie. Das hat schon etwas von einer US-Teenie-Komödie :zwinker:; und dann sehen die Damen auch noch fast gleich aus (Gräfin/unbekannte Retterin). Das erinnert mich an romantische Verwechslungsgeschichten oder auch Komödien von Shakespeare.


    Ich habe inzwischen auch mit dem Hamlet begonnen - eine gute Gelegenheit, dieses Stück einmal wieder zu lesen.


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo zusammen,


    im Schneckentempo...ich bin inzwischen mit Wilhelm und seiner Truppe auf das Schloß des Grafen gelangt, und die Aufführung seines Stücks steht bevor. Die Geschichte mit dem Umzug ins Schloss und dem Durcheinander, wer wo schläft, ist ja soweit ganz kurzweilig; ob sie nur der Unterhaltung dienen soll oder noch einen tieferen Sinn hat?


    Weiterhin rätselhaft bleibt mir Mignon. Ihr Lied zu Beginn des 3. Buchs wirft noch mehr Fragen auf: Wie steht sie zu Wilhelm (sie spricht ihn nacheinander als Geliebter, Beschützer und Vater an)? Worauf bezieht sich die Zeile "Was hat man Dir, armes Kind, getan"? Was bedeutet "der Drachen alte Brut"? Wilhelms Frage, ob sie schon in Italien gewesen sei, bleibt auch unbeantwortet. Eine sehr spannende Figur.


    Euch ein schönes Wochenende!


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo Meister-Leser,


    nun bin ich endlich wieder im fünften Buch unterwegs, allerdings ab morgen für fünf Tage internetfern und sicher auch kaum in der Lage, mehr als ein paar Seiten zu lesen.Inzwischen habe ich den Hamlet durch - ein wirklich großartiges Drama, das jeder Epoche neue Interpretationsmöglichkeiten bietet. Heute würde man Hamlet sicher nicht so deuten wie das Wilhelm tut, der sich um ihn herum eine ganze Kindheitsbiografie ausdenkt und sein Zögerliches als von den Umständen und den Anlagen bedingtes und entwickeltes Charaktermerkmal darstellt. Nach dem Hamlet habe ich dann noch schnell "Rosencrantz und Güldenstern sind tot" von Tom Stoppard hinterhergeschoben, das schon seit Ewigkeiten in meinem Regal steht. Noch eine andere Brechung der Hamletinterpetation mit Focus auf die Nebenfiguren - diesmal vom absurden Theater und einem ästhetisch- kulturpessimistischen Ansatz geprägt: Sehr spannend!


    Aber dieses ist ein "Meister"-Thread und kein Hamlet-Thema, also zurück zu unserem Wilhelm! In Buch V steht der Hamlet ganz im Vordergrund, da Wilhelm ihn inszenieren und die Hauptrolle spielen darf. Nun also der Höhepunkt seiner Theaterphase und zugleich wohl ihr Ende. Denn gleich nach dem rauschenden Erfolg der UR- und Zweitaufführung beginnt die Schauspieltruppe auseinanderzubrechen, Niggeligkeiten und Eifersüchteleien gewinnen die Oberhand. Besonders unangenehm finde ich in diesem Buch Aurelie, die mir von Anfang an nicht sonderlich zusagte, aber nun alle Züge einer vom Leben und der Liebe enttäuschten und verbitterten Zicke "gewinnt". Und mit der will Serlo Wilhelm verheiraten! Na, dazu wird es nicht kommen!
    Ach, und langsam wird es ganz schön und auch inzwischen unübersichtlich geheimnisvoll. Wilhelm schläft mit unerkannten Frauen, Mignon? - die tut plötzlich so erwachsen; Philine? - deren liebreizenden Pantöffelchen stehen vorher vor Wilhelms Bett, aber dann brennt sie vermeintlich mit Wilhelms verflossener Mariane durch - oder gar Frau Melina, die unserem Helden auch Avancen macht ... . Der Harfner verfällt dem Wahnsinn und brennt das Logis der Schauspieltruppe ab, vorher wird Hamlet- Seniors Geist von einem Unbekannten verkörpert: Ein Mystery-Roman unserer Tage kann diesen Geheimnisreichtum kaum überflügeln. Das Ganze dann aber immer wieder durchsetzt von spannenden Reflexionen und hochkarätigen Charakterzeichnungen: Es ist eben doch Goethe und nicht Dan Brown.


    Nun wünsche ich euch eine schöne Arbeitswoche und viel Spaß mit unserem Meister: Ich schnuppere Ostseeluft und melde mich dann nächstes Wochenende wieder.


    Grüße
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo,



    Nach dem Hamlet habe ich dann noch schnell "Rosencrantz und Güldenstern sind tot" von Tom Stoppard hinterhergeschoben, das schon seit Ewigkeiten in meinem Regal steht. Noch eine andere Brechung der Hamletinterpetation mit Focus auf die Nebenfiguren - diesmal vom absurden Theater und einem ästhetisch- kulturpessimistischen Ansatz geprägt: Sehr spannend!


    Ich habe auch Hamlet beendet und dann mit Rosencrantz und Güldenstern begonnen :breitgrins:.


    Ich finde es ganz spannend, wie im Wilhelm Meister die Hamlet-Aufführung geplant wird. Offensichtlich ist es dem Publikum nicht zuzumuten, das Stück in seiner Originalversion zu erleben; nein, es muß nicht nur gekürzt, sondern stark umgearbeitet werden, damit die Zuschauer sich auf das Wesentliche konzentrieren können. Zumindest konnte sich Wilhelm durchsetzen und Hamlet "darf" am Ende sterben (in der damaligen Aufführungspraxis - auch in England - war es üblich, daß die Shakespeare'schen Tragödien nicht so negativ endeten, wie von Shakespeare geplant).



    Ein Mystery-Roman unserer Tage kann diesen Geheimnisreichtum kaum überflügeln.


    Das kommt mir gelegentlich auch so vor. Wilhelms Vater ist gestorben und Wilhelm möchte sich nicht in die bürgerliche Idylle zurückbegeben, die Werner gestaltet hat. Er bleibt beim Theater, unterschreibt nun auch einen Vertrag. Doch der Geist, der bei der Hamlet-Aufführung auftaucht, erinnert ihn stark an seinen eigenen Vater; was das wohl bedeuten mag?


    finsbury: viel Spaß an der Ostsee!
    Ich bin übrigens ab nächsten Freitag nochmal ein paar Tage unterwegs, werde zum Lesen kommen, aber wohl kein Internet haben.


    Viele Grüße
    thopas

  • Guten Abend,


    durch eine Zugfahrt hatte ich Zeit zum Lesen und bin nun etwa in der Mitte des 4. Buchs angekommen. Wilhelm durchlebt hier ja einige Höhen und Tiefen: die Begeisterung über Shakespeare, die Enttäuschung durch Jarno, die Umarmung der Gräfin, die unverhoffte Geldzuwendung, der Überfall, die Begegnung mit der geheimnisvollen Amazone…langweilig wird es jedenfalls nicht.


    Wichtig scheint für Wilhelm die Begegnung mit Serno zu sein: er macht ihm klar, dass er mit seiner Schauspielertruppe seine Zeit und seine Begabung verschwendet. Mal sehen, ob Wilhelm das auch umsetzen kann; immerhin fühlt er sich ja noch wegen der Geldverluste der Truppe verpflichtet (undankbares Völkchen übrigens – die haben den Hohn von Philine, die demonstrativ mit ihrem Koffer spielt, wirklich verdient).


    Was Mignon betrifft (ich finde diesen Charakter einfach sehr spannend ;-) ), fand ich ihre Anmerkung, sie wolle kein Mädchen sein, sehr interessant. Wahrscheinlich deutet man aus heutiger Sicht hier zuviel in diese Äußerung, andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass sie keine tiefere Bedeutung haben soll.


    thopas und finsbury, Ihr seid schuld, wenn ich nach den Lehrjahren den Hamlet nachschiebe :zwinker: Eure Beiträge machen mich zu neugierig. Zu Wilhelms Interpretation des Hamlet sagt mein Anhang, dass dies die damals gängige Sichtweise in Deutschland war.


    finsbury, schöne Tage an der Ostsee!


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo zusammen,


    unter der Woche komme ich leider immer kaum zum Lesen; ich befinde mich mitten in Buch 6 und frage mich, was mit den "Bekenntnissen einer schönen Seele" beabsichtigt wird. Hat dieser Abschnitt Einfluß auf die Handlung; oder wird somit ein Zeitsprung in der Handlung "überbrückt"? Mal sehen...


    Ich melde mich dann Ende nächster Woche wieder :winken:.


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo,


    @ thopas, auch ich bin gerade mit den Bekenntnissen beschäftigt. Ich glaube, sie sind an diese Stelle gesetzt, um wie du schon schreibst, die Zäsur zwischen Wilhelm, dem Theatermenschen und Wilhelm im Angesicht der Turmgesellschaft zu überbrücken. In der Lektüre dieses Buches bin ich noch nicht weit vorgedrungen, denke aber, dass das arme Mädel durch die Erziehung des Vaters, dass der Kontakt zu Männern nicht nur die Tugend, sondern auch die Gesundheit gefährde, einen ganz schönen Knacks bekommen haben muss.
    Genaueres aber später: Heute werde ich kaum Zeit haben, voranzukommen, hoffe aber darauf, in der nächsten Woche ein bisschen zum Lesen zu kommen.


    Manjula und thopas,


    dass der Wilhelm einen zum Hamlet und dessen Derivaten bringt, finde ich gut: Die unterschiedliche Rezeption des Dänenprinzen durch die Jahrhunderte zeigt den hohen Rang des Stückes. Außerdem: So viel Sprichwörtliches ist mir bisher nur bei Schillers "Wilhelm Tell" aufgefallen.


    Einen schönen Sonntag noch


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen,


    ich bin nun im 5. Buch angekommen. Wilhelms Vater ist gestorben, was ihn aber nur kurz bekümmert, da er unterstellt, dass dieser sein Leben sowieso nicht genossen habe. Er geht dann auch schnell dazu über, sich über sein weiteres Fortkommen (nun, da er "frei" ist) Gedanken zu machen. Serlos Angebot scheint da ja wie gerufen zu kommen. Ob er sich jetzt wohl komplett aus dem Geschäftsleben zurückzieht? Auf den Auftritt mit seiner Chaotentruppe freue ich mich jedenfalls schon: Die finde ich sehr amüsant. Vor allem im Gegensatz zu der sauertöpfischen Aurelie, die mir noch dazu leicht hysterisch vorkommt; die Szene, in der sie Wilhelm verletzt, ist ja schon merkwürdig. Und es ist doch immer schön, wenn man seinen Gemütszustand auf die Umstände schieben kann:


    Zitat

    Ich muß es eben bezahlen, daß ich eine Deutsche bin; es ist der Charakter der Deutschen, daß sie über allem schwer werden, daß alles über ihnen schwer wird.


    Aha...


    Zitat von "finsbury"

    So viel Sprichwörtliches ist mir bisher nur bei Schillers "Wilhelm Tell" aufgefallen.


    Noch mehr Neugierde meinerseits :smile: Ein schönes Zitat findet sich aber auch in V,1:


    Zitat

    Man sollte«, sagte er, »alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.«


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo,


    ich habe nun die Bekenntnisse beendet und bin froh, daß nun die eigentliche Handlung wieder fortgesetzt wird. Diese Bekenntnisse fand ich etwas zäh zu lesen; v.a. wenn man nicht genau weiß, was das Ganze bedeuten soll. Am Ende erzählt die schöne Seele von ihren Nichten und Neffen, die nach dem Tode der Mutter nicht bei ihr leben dürfen. Ich denke, diese (vermutlich inzwischen erwachsenen) Kinder werden noch in der Handlung auftauchen, sonst hätte diese ausführliche Beschreibung der Eigenschaften der Kinder wenig Sinn. Es gibt ja auch nicht wenig mysteriöse Personen, die bisher aufgetaucht sind. Allen voran die wunderschöne Retterin von Wilhelm...


    Viele Grüße
    thopas

  • Ich denke, diese (vermutlich inzwischen erwachsenen) Kinder werden noch in der Handlung auftauchen, sonst hätte diese ausführliche Beschreibung der Eigenschaften der Kinder wenig Sinn.


    Sinn ... Was hat Sinn? Goethes Wilhelm Meister wurde von Schlegel & Co. als Muster des romantischen Romans gefeiert. Da ist m.M.n. die Sinnfrage anders zu stellen.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Sinn ... Was hat Sinn? Goethes Wilhelm Meister wurde von Schlegel & Co. als Muster des romantischen Romans gefeiert. Da ist m.M.n. die Sinnfrage anders zu stellen.


    Da tut sich jetzt eine nicht ganz kleine Wissenslücke auf; mit dem romantischen Roman habe ich mich bisher noch nicht beschäftigt... Vielleicht finde ich ja in den Weiten des Internets ein paar erhellende Informationen. Und vielleicht verstehe ich ja dann die "Bekenntnisse einer schönen Seele" besser... Danke für den Denkanstoß :winken:.


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo zusammen,


    darf ich kurz in eure Leserunde eintreten? Ich habe die "Lehrjahre" vor ein paar Monaten gelesen. "Die Bekenntnisse einer schönen Seele" haben mich auch sehr beschäftigt. Wikipedia gibt Auskunft über den Begriff >>Schöne Seele<< und so kommt man über Platon zu Schiller (Über Anmut und Würde) und Kant (Die Kritik der Urteilskraft). Ein weites Feld und es beschäftigt mich heute noch. So verfolge ich sehr interessiert eure Leserunde zu welchen Eindrücken ihr kommt.


    weites Feld - Fontane:
    ich finde wiederum interessant, dass in "Unwiederbringlich", das ich gerade lese, ebenfalls eine weibliche Figur vorkommt, die wie die "Schöne Seele" dem Herrnhuterntum zugeneigt ist und Hamlet in die Geschichte eingeflochten wird. Ich glaube nicht, dass das Zufall ist.


    ich wünsche euch allen noch viel Vergnügen mit den "Lehrjahren".


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()