Hallo,
ich mache mal einen allgemeinen Conrad-Ordner auf, damit man nicht für jede Erzählung einen Extra-Thread hat.
Hier meine Besprechung zu "Das Ende vom Lied":
Joseph Conrad: Das Ende vom Lied
Zum Inhalt:
Die Novelle erschien 1902 und spielt im malaischen Inselarchipel mit nicht genau verifizierbaren Ortsangaben irgendwo an der Malakkastraße. Der alt gewordene und durch einen Bankenzusammenbruch - wie aktuell – verarmte Kapitän Whalley muss noch einmal ein Kommando auf einem alten Küstendampfer annehmen, um sein ebenfalls verarmte Tochter in Australien unterstützen zu können. Die „Sofala“ gehört dem verbitterten Maschinisten Massy, der sie sich von einem Losgewinn kaufen konnte, aber durch seine weiter anhaltende Spielsucht auf keinen grünen Zweig kommt und deshalb gezwungen ist, Whalley durch eine kleine Teilhaberschaft an Bord zu dulden. Der misanthrophe Massy beschuldigt alle Menschen außer sich selbst, an seiner finanziellen Misere schuld zu sein, besonders natürlich sein Schiffspersonal, das ihm nichts recht machen kann.
Whalley erleidet im Laufe seines dreijährigen Kommandos eine schleichende Erblindung, die es ihm schließlich nur mithilfe seines malaiischen Assistenten möglich macht, das Schiff sicher zu führen. Er verschweigt dies und muss nur noch diese letzte Reise der ‚Sofala‘ durchstehen, dann hat er seinen Vertrag erfüllt und kann mit seinen eingesetzten 500 Pfund und der ausgehandelten Provision zu seiner Tochter nach Australien reisen. Massy hat aber sein Gebrechen erkannt und nutzt dies für einen Versicherungsbetrug, indem er den Kompass manipuliert und dadurch einen Schiffsbruch herbeiführt, dessen Verschuldung er Whalley zuschieben will, um ihm nicht das Geld auszahlen zu müssen. Whalley jedoch möchte seine Ehre retten und geht mit dem Schiff unter.
Meine Meinung:
Eine typisches Conrad-Werk! Wunderbare, geradezu magische Natur- und Stimmungsbeschreibungen, Menschen im Konfliktfeld unterschiedlicher Ehr- und Egoismusforderungen, eine Portion überhöhter Heroismus: So sehr ich das Erstere genieße, so fragwürdig kommt mir das Letztere manchmal vor, wobei ich Kapitän Whalley und die offensichtliche Liebe des Autors zu dieser Figur sehr viel besser akzeptieren kann als die problematische Schilderung des Kurtz in „Herz der Finsternis“. Die Atmosphäre der tropischen Küsten- und Flusslandschaft ist aber so unnachahmlich eingefangen, das ich auch weiterhin Conrads Prosa lesen werde, auch wenn mir die Figurenzeichnung nicht immer gefällt.
HG
finsbury