Joseph Conrad

  • Hallo,


    ich mache mal einen allgemeinen Conrad-Ordner auf, damit man nicht für jede Erzählung einen Extra-Thread hat.


    Hier meine Besprechung zu "Das Ende vom Lied":


    Joseph Conrad: Das Ende vom Lied


    Zum Inhalt:


    Die Novelle erschien 1902 und spielt im malaischen Inselarchipel mit nicht genau verifizierbaren Ortsangaben irgendwo an der Malakkastraße. Der alt gewordene und durch einen Bankenzusammenbruch - wie aktuell ;-) – verarmte Kapitän Whalley muss noch einmal ein Kommando auf einem alten Küstendampfer annehmen, um sein ebenfalls verarmte Tochter in Australien unterstützen zu können. Die „Sofala“ gehört dem verbitterten Maschinisten Massy, der sie sich von einem Losgewinn kaufen konnte, aber durch seine weiter anhaltende Spielsucht auf keinen grünen Zweig kommt und deshalb gezwungen ist, Whalley durch eine kleine Teilhaberschaft an Bord zu dulden. Der misanthrophe Massy beschuldigt alle Menschen außer sich selbst, an seiner finanziellen Misere schuld zu sein, besonders natürlich sein Schiffspersonal, das ihm nichts recht machen kann.
    Whalley erleidet im Laufe seines dreijährigen Kommandos eine schleichende Erblindung, die es ihm schließlich nur mithilfe seines malaiischen Assistenten möglich macht, das Schiff sicher zu führen. Er verschweigt dies und muss nur noch diese letzte Reise der ‚Sofala‘ durchstehen, dann hat er seinen Vertrag erfüllt und kann mit seinen eingesetzten 500 Pfund und der ausgehandelten Provision zu seiner Tochter nach Australien reisen. Massy hat aber sein Gebrechen erkannt und nutzt dies für einen Versicherungsbetrug, indem er den Kompass manipuliert und dadurch einen Schiffsbruch herbeiführt, dessen Verschuldung er Whalley zuschieben will, um ihm nicht das Geld auszahlen zu müssen. Whalley jedoch möchte seine Ehre retten und geht mit dem Schiff unter.


    Meine Meinung:


    Eine typisches Conrad-Werk! Wunderbare, geradezu magische Natur- und Stimmungsbeschreibungen, Menschen im Konfliktfeld unterschiedlicher Ehr- und Egoismusforderungen, eine Portion überhöhter Heroismus: So sehr ich das Erstere genieße, so fragwürdig kommt mir das Letztere manchmal vor, wobei ich Kapitän Whalley und die offensichtliche Liebe des Autors zu dieser Figur sehr viel besser akzeptieren kann als die problematische Schilderung des Kurtz in „Herz der Finsternis“. Die Atmosphäre der tropischen Küsten- und Flusslandschaft ist aber so unnachahmlich eingefangen, das ich auch weiterhin Conrads Prosa lesen werde, auch wenn mir die Figurenzeichnung nicht immer gefällt.



    HG
    finsbury

  • Einige Bände der "Edition Maritim" gibt es derzeit als Restexemplare günstiger, also zumindest bei Amazon und damit vermutlich auch bei anderen. Ich kenne die Bände nicht, konnte aber nicht widerstehen und habe meine Conrad-Sammlung (die bislang aus den Bänden der Haffmans-Ausgabe besteht) ein wenig erweitert:


    Erzählungen I. Der Nigger von der "Narcissus" - Jugend - Herz der Finsternis
    Joseph Conrad; Gebundene Ausgabe; EUR 5,97


    Erzählungen II. Das Ende vom Lied - Der geheime Teilhaber - Die Schattenlinie
    Joseph Conrad; Gebundene Ausgabe; EUR 12,99


    Erzählungen III: Taifun / Almayers Wahn
    Joseph Conrad; Gebundene Ausgabe; EUR 5,97


    Und weil ich schon mal dabei war auch zum vollen Preis, der ja immer noch günstig ist:


    Sieg: Die Geschichte einer Insel
    Joseph Conrad; Gebundene Ausgabe; EUR 16,90

  • Ich habe eine ganze Reihe von Joseph Conrad Büchern, aber außer dem Lord Jim kaum etwas gelesen. Was sollte man denn lesen?


    Ich habe


    Lord Jim
    Herz der Finsternis
    Geschichten vom Hörensagen
    Nostromo
    Sieg
    Die Rettung
    Mit den Augen des Westens
    Der Geheimagent
    Die Schattenlinie


    Daß ich soviel Josoph Conrad habe liegt an einem Antiquar, der mir gleich 7 Conrad Bücher schenkte, weil die wirklich sehr schlecht erhalten waren. Aber es kommt ja auf den Inhalt an.


    Lord Jim habe ich wiegesagt gelesen und den ersten Teil finde ich ausgezeichnet, das Drama von schuldhafter Verstrickung und Verlust der eigenen Würde und Ehre läuft unerbittlich ab. Dafür hat mir der zweite Teil des Lord Jim dann wenig zugesagt. Vor einer exotischen Kulisse, deren Exotik ein wenig aufgesetzt wirkt, da nicht wirklich mit ethnologischem Gehalt gefüllt, läuft eine Räuberpistole Lord Jimscher Heldentaten ab, die mich wenig überzeugt und abenteuerromanmäßig ist. Das Ende des Romans fand ich dann wieder ästhetisch akzeptabel.


    Ein paar Geschichten vom Hörensagen habe ich dann noch gelesen und fand sie teilweise gut.


    Also was lohnt von Joseph Conrad? Was ist gut und was ist Räuberpistole?


    Gruß
    Martin


  • Von Titeln kenne ich jetzt nur "Herz der Finsternis" und "Der Geheimagent". Beide sind ganz hervorragend. Und "Herz der Finsternis" ist so berühmt, dass man es einfach kennen muss bzw. einmal einen Blick hineingeworfen haben sollte.


    Uneingeschränkte Zustimmung! :klatschen:


    @ Martin: Zum "Herz der Finsternis" findest Du etwas im Leserundenarchiv (Sommer 2008).


    Viele Grüße


    Tom

  • Lord Jim. Diogenes-Taschenbuch, detebe 66/I.


    Keine Inhaltsangabe, wer die will, findet sie auch anderswo. Aber das nimmt der Lektüre doch die ganze Spannung :zwinker:


    Wie der Autor im Vorwort zu einer späteren Ausgabe, 1917, schreibt, entstand der Roman aus einer geplanten Kurzgeschichte. (Falls das nicht eine Fiktion ist.) Er ist, grob formal, zweigeteilt; der erste Teil behandelt enthält die Episode des "Pilgerschiffs", der zweite die Fortsetzung im - fiktiven - Land Patusan.


    Tatsächlich ist es wesentlich komplexer.
    Nach einem quasi einleitenden Text des Autors, der uns Jim vorstellt, setzt mitten in der Pilgerschiff-Episode die umfangreiche Erzählung Marlows (the one from "Heart of Darkness") ein, die bis weit in den Patusan-Teil reicht.
    Eingeführt wird er mit einem schönen Kunstgriff; er ist einer der Zuhörer in dem Gerichtssaal, wo gegen die Besatzung der "Patna" verhandelt wird.


    Den Abschluss bildet eine "Rekonstruktion" aus Dokumenten, die Marlow einem Mitglied seiner Zuhörer-Runde schickt. Und auch Marlows lange Erzählung ist vielfach aufgelockert und unterbrochen durch wieder andere Erzählungen beteiligter Personen. Durch dieses nicht-linerare Erzählen bleibt's immer spannend.


    Stilistisch gehört das fraglos zu den besten Romanen, die ich gelesen habe.


    Es ist die Geschichte eines einfachen Mannes ohne übermäßige Gaben, der einen Fehler macht, und vor diesem und seinem durch diesen Fehler entstandenen Ruf davonläuft. Bis er, unterstützt durch Marlow, der versucht, Jims Lebensweg eine Wende zum Besseren zu geben, die Chance zu einem Neuanfang bekommt, in einem Land, in dem ihn niemand (er)kennen kann.
    Eine Möglichkeit, Utopia zu verwirklichen? Auch dort lauern Gefahren ...


    Eines der Themen benennt Conrad im Vorwort: "Jedenfalls würde kein romantisches Temperament etwas Morbides in dem durchdringenden Bewußtsein verlorener Ehre entdecken". Jim, der ehrlos geworden ist, jagt dieser Ehre hinterher.
    Ein Heimatloser, Getriebener.


    Und er ist, wie uns Conrad - Marlow - Stein mehrfach mitteilen, romantisch.
    Was Mr. Conrads Vorstellung von Romantik war, weiß ich (bisher) nicht, aber man mag es sehen in der Suche nach etwas, das sich erzeugt aus grundlegenden, in seinem Werk immer wieder thematisierten Werten: Ehre, Männlichkeit, Mut, zu-sich-stehen. Und, zweimal im Roman so aufgeschrieben: "Das war der Weg. Dem Traum folgen, und abermals dem Traum folgen - und so - in alle Ewigkeit - usque ad finem ..." Stein in den Mund gelegt, einer der zentralen Personen in Marlows Erzählung.


    Jim war "einer von uns", auch diese Charakterisierung mehrfach wiederholt. Was es bedeutet, bleibt mir fraglich. Es muss nicht so offensichtlich sein, wie im Patusan-Teil, wo festgestellt wird: Dain Waris, Jims Freund, ist einer von ihnen (den Malaien) und Jim einer von uns - den Weißen also. Jim kann auch einer von uns Sinnsuchern sein, von uns, die wir einmal feige gehandelt haben, von uns Träumern, von uns - Menschen.


    Ein Unterschied zu Almayer (ich las den Roman vorher) liegt darin, dass Jim immerhin seinen Träumen nachjagt, anstatt in der Passivität zu verharren.


    Conrad bringt es fertig, einen Abenteuerroman zu schreiben, in dem die Personen zugleich Ideenträger sind. Und in dem weitaus mehr steckt, als das bisschen, was ich jetzt aufgeschrieben habe.


    Highly recommended!

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich lese jetzt: Freya von den Sieben Inseln.


    Und habe mir, so bin ich nun mal, den dicksten Ziegelstein von Conrad-Biographie genehmigt. Wurde für die deutsche Ausgabe vom Autor gekürzt :breitgrins:


    Gruß, Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)


  • Ich lese jetzt: Freya von den Sieben Inseln.


    Zwei lieben sich und der Eifersüchtige Dritte mag es nicht.
    Tun wir noch den Papa der schönen Freya hinzu, ein schönes Schiff, als Schauplatz die Südsee - schließlich schreibt's ja der Conrad - und wenn das alles wär, wär es eine "normale“ Geschichte.
    Mit einer Reihe von gelungenen Szenen - Freya und Heemskirk bspw. am Klavier, das ist brillant.


    Aber wie in "Herz der Finsternis“ und "Lord Jim" führt Conrad einen Erzähler ein, und fast wäre ich ihnen beiden auf den Leim gegangen.


    À la Marlow in diesen beiden Romanen gibt auch der in "Freya“ das Geschehen fast schon betulich zum besten. Aber was eigentlich bezweckt er, und ist er vielleicht mehr in das Geschehen involviert, als er glauben machen will?


    Und liebt nicht der Mann eher die Brigg und die Frau ihre Unabhängigkeit?


    "A Story of Shallow Waters“.
    Versucht man, die Untiefen auszuloten, entwickelt sich zwischen Freya - Vater - Jasper - Heemskirk - Erzähler ein Wechselspiel, das zu Nachdenken veranlasst.


    Ein kleines Werk, lange Erzählung oder kurzer Roman, dessen Umfang durch das Lesen zwischen den Zeilen erheblich wächst.


    Ich lese jetzt:
    Nostromo.


    Gruß, Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)


  • Ich lese jetzt:
    Nostromo.


    Der Mr. Conrad hat so ein Talent, mich in seine Geschichten einzusaugen, bevor ich es überhaupt merke, und dann bin ich auch so lange drin, bis er mich zum Ende, also hier nach über 600 Seiten, wieder entlässt.
    Mal wieder unter einem schönen understatement von Untertitel: A Tale from the Seaboard.


    Diese Meeresküste ist eine Provinz (Sulaco) eines fiktiven lateinamerikanischen Staates (Costaguana), und was hier vorgeht an schmutzigem Kleinkrieg, Bühnengenerälen, Geldgier, Gewalt, Ausbeutung, Folter und Mord, das wird nie linear durcherzählt, sondern in ständigen Digressionen.


    Die Hauptperson, Nostromo (= unser Mann, also auch: der Mann unserer Interessen, der Mann, der nach unseren Interessen handelt - so hab ich es nachgelesen), ist vordergründig nur die geringste Zeit präsent, und trotzdem im Zentrum des Ganzen, alles spielt sich um ihn herum ab.
    Der "Capataz de Cargadores" (ich lass mir diesen Phantasietitel immer noch auf der Zunge zergehen), ein Abenteurer, Spieler, Frauenheld, ist bedacht auf seine Unabhängigkeit, und doch macht sich der Mann aus dem Volk und Mann des Volkes abhängig von seinen Herren - und als er sich gegen sie stellt, vom Gott Mammon. Denn um den geht es in der Hauptsache.


    Die Personen sind so glaubwürdig dargestellt, durchleuchtet, motiviert, dass sie zu leben anfangen.


    Das ist nicht nur ein Abenteuer- und Politischer Roman (den Begriff Polit-Thriller gab's da noch nicht), sondern auch der Roman Lateinamerikas - und letztendlich Weltliteratur, nicht nur, weil es großartig geschrieben ist, sondern auch in dem Sinne, dass beschrieben wird, wie es in der Welt vorgeht. Denn Sulaco ist ein kleiner Teil davon, und steht doch für das Ganze.


    Ich habe mich immer wieder an Eric Ambler erinnert gefühlt, von dem ich früher viel gelesen habe, mit seinen Geschichten aus manchmal realen, manchmal fiktiven Staaten. Es geht um Menschen, die im Großen, ein paar hundert Meilen weiter schon, keine Rolle spielen, obwohl es für sie doch um Leben und Tod geht. Und das sind letztendlich wir alle. Spielbälle von Mächten, auf die wir keinen oder fast keinen Einfluss haben.


    Mag sein, dass der auf die Insel verbrachte Schatz, der das Leben so Vieler beeinflusst, und Einige ihres kostet, nichts weiter ist, als mal wieder eine Deutung des Tanzes ums Goldene Kalb.


    (Haben Ambler (und Hammett – siehe den Malteser Falken) Conrad gelesen?)


    Very Highly Recommended!


    Ich habe gerade ausgelesen:
    Sieg.


    Und lese jetzt:
    Der Geheimagent.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo Leibgeber,


    ich verfolge dein Leseprojekt mit großem Interesse. Bisher kenne ich nur "Herz der Finsternis" und das hatte tatsächlich auch eine Sogwirkung auf mich. Du machst mich auf die weiteren Werke neugierig. Danke schön.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Hallo Leibgeber,


    ich verfolge dein Leseprojekt mit großem Interesse. Bisher kenne ich nur "Herz der Finsternis" und das hatte tatsächlich auch eine Sogwirkung auf mich. Du machst mich auf die weiteren Werke neugierig. Danke schön.


    Gruß,
    Maria


    Hi und danke,


    ich hätt es ja bis vor 2 Monaten auch nicht gedacht.
    Aber scheint, ich stecke mal wieder in einem Leseprojekt, wie es die letzten Jahre öfters vorkommt.
    2009/10 war es bspw. - ähnlich unerwartet - Thomas Bernhardt.


    Es wird zunehmend spannender.
    Ich werde also versuchen, auch zu "Sieg" was zu schreiben.


    Stelle nur mal wieder fast, dass mir zwar, wie üblich, eine Menge einfällt.
    Es "zu Papier" zu bringen, das krieg ich aber nur schwer hin.
    Vielleicht der Grund, warum ich kein Kritiker geworden bin.
    Oder gar Autor :zwinker:


    Außerdem ist doch wohl sowieso schon alles gesagt und aufgeschrieben ...


    Ich hab mich gerade ein wenig durch online verfügbare Sekundärtexte gewühlt.
    Und jetzt ist für heute Schluss mit dem PC.
    Lesekiller Internett ...
    Und her mit der Papierliteratur pchallo


    Gruß, Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)


  • Ich habe gerade ausgelesen:
    Sieg.


    Nach einer guten Woche sacken lassen, ein wenig überdenken, und ein wenig stöbern in online zugänglicher Sekundärliteratur, ist mir der Roman immer vielschichtiger geworden.


    Mann (Axel Heyst, schwedischer Herkunft) hat sich, von Leben und Menschheit enttäuscht, auf eine einsame Insel zurückgezogen.
    Auf einer seiner Reisen rettet er eine junge Frau (Lena, eigentlich Magdalen oder Alma) aus einer Notlage und nimmt sie mit sich.
    In das Inselparadies nistet sich, durch eine Intrige dorthin gelockt, eine Gruppe von drei Schurken ein.


    Wäre das alles, hätten wir ja einfach eine romantische Liebesgeschichte.
    Aber dahinter verbirgt sich viel mehr.


    Der Paradiestopos ist offensichtlich.
    Und wird betont durch Alliteration, Axel-Adam, Lena-Eva.
    Der Rückzug auf die Insel kann auch als Robinsonade gesehen werden. Es gibt auch einen Freitag, den chinesischen Diener Wang.
    Der sich aber, sobald er es für notwendig befindet, absetzt.
    Zu den Ureinwohnern das Paradieses, die sich hinter eine Barriere zurückgezogen haben, als die Weißen, zum Kohleabbau, einfielen.
    Das Paradies, der Rückzugsort, den Heyst sich erschaffen will, ist von Anfang an bedroht.


    Schauplatz ist, wie häufig, Südostasien.
    Die handelnden Personen jene dort ansässige Enklave von Weißen.
    Versus die eigentlichen Einwohner.
    In Teil 1, Kap. 2 wird von Heysts verstorbenen Kompagnon Morrison gesagt:
    Morrison was „one of us“.
    Dieses „einer von uns“, einer der privilegierten weißen Kaste, findet sich auch in „Lord Jim“.


    Und es augenscheinlich, dass Heyst, der Sonderling, sogar von dieser Kaste abgesetzt wird. Er gehört nicht einmal dazu.


    (Fortsetzung folgt.)

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Heyst, geprägt durch einen übermächtigen Vater, versucht, dem Leben soweit möglich aus dem Weg zu gehen. Durch Abgrenzung, durch Vermeidung, durch eine Haltung, die Conrad selbst in der „Authors Note“ als „stoicism“ bezeichntet.
    Ich hab Schopenhauer gelesen, und Conrad hatte das auch, also nenne ich es eher Weltverneinung.


    Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
    Wer englischsprachige Literatur im Original liest, noch mehr.
    Ich fand den Hinweis auf etwas, das mir natürlich entgangen war.
    Der Roman beginnt mit: „There is, ...“ und endet mit „Nothing!“


    ( Noch härter: Beginn: „There is, as every schoolboy knows ...“ Ende: „Nothing!“ )


    Und so endet ja „Die Welt als Wille und Vorstellung“. Mit dem alles umfassenden Wörtlein: „Nichts.“


    Thematisiert wird, was aus dieser Haltung werden könnte, wenn sie ernsthaft auf die Probe gestellt wird. Wie lebe ich, wenn ich mit meinen Mitmenschen konfrontiert werde, und meine „Werkzeuge“ ihren Wert erweisen müssen? Wenn kein Rückzug mehr möglich ist.


    Es handelt sich insofern um einen „philosophischen Roman“, als Grundprobleme des Denkens und Handelns, der ganz eigenen, privaten Ethik auch, behandelt werden.


    Und Heysts Pessimismus, verbunden mit der Thematik des bedrohten Paradieses, kann auch als Abgesang auf den Kolonialismus gelesen werden.
    Heyst und Lena versus Ureinwohner der Insel und den Chinesen Wang.
    Die weißen Eindringlinge, die schlussendlich weichen müssen.
    Was im Erscheinungsjahr 1915 absehbar war, soweit nicht schon erfolgt.
    (Ich hab es bisher nicht nachgelesen.)


    Und wieder mal habe ich mich gefragt:
    ist der unterschwellige Rassismus Sehweise des gerade präsenten Erzählers -
    oder die des Verfassers? Bzw. beider.


    Mag sein ich weiß mehr, wenn ich mich durch diese dickleibige Biographie gelesen habe.


    (Fortsetzung folgt.)

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo Leibgeber,


    neben "Herz der Finsternis" (gelesen) habe ich ungelesen nur noch "Der Geheimagent" und einen Erzählband mit 3 Erzählungen (Amy Foster // Der geheime Teilhaber // Gaspar Ruiz), aber durch deine Berichte angeregt, habe ich mir jetzt ein paar ebooks heruntergeladen u.a. Lord Jim, das mich im Moment am meisten interessiert.



    Zitat von "Leibgeber"

    (Fortsetzung folgt.)



    freu mich drauf.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • u.a. Lord Jim, das mich im Moment am meisten interessiert.


    Solltest du kurzfristig diesen lesen wollen, er liegt auch auf meinem SUB und ich könnte mit meinem Laxness-Projekt noch ein bisschen zuwarten, falls du Lust hättest, gemeinsam zu lesen. Muss nur in den nächsten Tagen noch die Bulgakow-Erzählungen zu Ende lesen.


    Leibgeber hat ja schon sehr informativ vorgelegt ... . Danke!


    finsbury

  • Hallo finsbury,


    [Lord Jim]
    wann hast du dir die Leserunde vorgestellt?
    Tacitus "Die Germania" kann ich jederzeit unterbrechen.


    auch würde ich gerne vor der offiziellen Laxness-Leserunde "Atomstation" lesen.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,
    im Moment habe ich wieder weniger Zeit, so dass ich wohl noch bis zum Ende der Woche an den Teufeliaden sitzen werde. Dann hat mich zwar der Job wieder voll in den Klauen, aber deswegen kann ich trotzdem "Lord Jim" lesen: geht dann nur langsamer, aber geht. Wenn du also damit einverstanden bist, ab Montag. Vielleicht kannst du -im Falle du dann kannst - gleich für uns einen Leserundenvorschlag einrichten, oder wir fragen darin nach, ob noch jemand zun einem anderen zeitnahen Datum mitliest. Die Germania müsstest du ja in ein paar Lesestunden schaffen. Ich erinnere mich, das Heftchen, allerdings auf Deutsch, recht schnell gelesen zu haben. Wenn du natürlich Altphilologin bist und im Original liest ..., aber dann freust du dich sicher über eine Unterbrechung.


    Zu Laxness: Nach dem Lord Jim fang ich dann mit der von dir empfohlenen ziegelsteingroßen Laxness-Biografie an und wollte chronologisch dazu die Werke lesen, die in der Werkausgabe enthalten sind, bis die Weltlicht-Leserunde beginnt. Viele spätere Sachen habe ich, wie a.a.O. erwähnt, schon mal gelesen, deshalb nun passend zur Biografie die frühen, beginnend mit "Der große Weber von Kaschmir".


    finsbury


  • Hallo Maria,
    im Moment habe ich wieder weniger Zeit, so dass ich wohl noch bis zum Ende der Woche an den Teufeliaden sitzen werde. Dann hat mich zwar der Job wieder voll in den Klauen, aber deswegen kann ich trotzdem "Lord Jim" lesen: geht dann nur langsamer, aber geht. Wenn du also damit einverstanden bist, ab Montag. Vielleicht kannst du -im Falle du dann kannst - gleich für uns einen Leserundenvorschlag einrichten, oder wir fragen darin nach, ob noch jemand zun einem anderen zeitnahen Datum mitliest. Die Germania müsstest du ja in ein paar Lesestunden schaffen. Ich erinnere mich, das Heftchen, allerdings auf Deutsch, recht schnell gelesen zu haben. Wenn du natürlich Altphilologin bist und im Original liest ..., aber dann freust du dich sicher über eine Unterbrechung.



    ich kann kein Latein und lese die deutsche Fassung und bin auch schon fast durch. Also kein Problem am Montag nicht mit "Lord Jim" zu beginnen. Ich richte die Leserunde ein. Freu mich :-)


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)