März 2003: James Joyce - Ulysses

  • Inhalt:


    Der 16. Juni 1904 war ein ganz gewöhnlicher Tag, und dennoch ist er in die Geschichte der Weltliteratur eingegangen. An diesem Tag von acht Uhr früh bis drei Uhr morgens erlebt Leopold Bloom die Großstadt Dublin, und der Leser lernt mit ihm seine Handlungen, Begegnungen und Gedanken kennen.


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    Links


    Ulysses für Anfänger


    Ein gutes Internet-Nachschlagewerk scheint The James Joyce Portal zu sein. Dort finden sich die vielfältigsten Informationen rund um das Thema Joyce und Ulysses, z.B. Chapter summaries oder auch Joyces eigene Schemata, die auf die Verknüpfungen zur Odyssee Homers verweisen.
    Gruß, Fevvers


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    Things you should know about Ulysses:


    * It takes place in a single day, 16 June 1904 (Bloomsday).
    * The main characters-- Leopold and Molly Bloom, and Stephen Dedalus-- correspond to Homer's Odysseus (aka Ulysses), Penelope, and Telemachus.
    * Joyce first thought of the idea in 1906 as a story for Dubliners
    * He quickly realised it should be the sequel to his autobiographical novel, Stephen Hero (which he rewrote with this in mind, as A Portrait)
    * Each of the 18 chapters corresponds to one of Odysseus's (or Telemachus's) adventures.
    * Each chapter is written in a different style, with symbolism appropriate to the corresponding adventure. These patterns were hinted by Joyce in privately-circulated schemata.
    * Joyce included hundreds of puzzles that can only be understood by very careful reconstruction of exactly what each character is thinking and doing.
    * Because the book was so complex, no one has ever managed to create an authoritative 'corrected' edition.
    * The most useful companion-volume is Gifford's Ulysses Annotated
    * Harold Nicolson claimed that Joyce pronounced it 'oolissays' (but this may have been only when he was speaking Italian or French?)



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    Ergänzt von JMaria:


    weil es sich als praktisch erwiesen hat, hier einige Links aus dem gemeinsamen Lesen um die Suche zu erleichtern:


    James Joyce Portal
    Chapter Summaries
    James Joyce Schemata
    Analysis

    Literaturtipps:
    -Jack McCarthy, Joyce's Dublin. A Walking guide to Ulysses, NY 1991.
    -Don Gifford, "Ulysses" annotated. Notes für James Joyce's Ulysses, 2nd
    revised and enlarged edition, Berkeley/Los Angeles/London 1988.
    -Biografie von Ellmann "James Joyce
    -Anthony Burgess "Joyce für Jedermann"


    Sein Grab in Zürich


    Martello-Tower, Dublin (heute Joyce-Museum)


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    Hier noch einige Infos zum Übersetzer des "Ulysses" Hans Wollschläger:


    http://members.maxonline.at/436769360826/Wollschlaeger.htm


    weitere Links:


    http://www.ulysses-art.demon.co.uk/scheme.html


    http://www.2street.com/joyce/etext/schema.html


    eine Übersicht:
    die Lieder in den Werken von James Joyce:


    http://www.james-joyce-music.com/selectedsongs.html


    LG Maria


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    Ergänzt von nimue:


    In Berlin trifft man sich auch dieses Jahr wieder zum Bloomsday


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    Ergänzt von ikarus:


    Anläßlich des morgigen Bloomsday ein Artikel aus der "Literarischen Welt". Mal kein Porträt über Joyce, sondern eines über seine Frau Nora Barnacle:


    http://www.welt.de/data/2003/06/14/117327.html

  • Also ich bin auch dabei, bin zwar mit der blendung erst halb durch...
    Das JJ - Portal fand ich für einen kurzen Blick zu unübersichtlich.
    Die Schemata sind gottsedank in emienr ausgabe enthalten...
    adia :winken:

  • Mit Ulysses hatte ich vor Die Blendung angefangen.
    Wollte mich aber dann erstmal daran beteiligen.


    Also, solltet ihr noch genug Geduld haben,
    bin ich danach gerne bei JJ - Ulysses dabei.


    Bis dann,


    schöne Grüße von
    MuschelSeele

    Jede Kehrseite hat ihre Kehrseite.

  • Hallo,


    ich mache mal den Anfang, da ich die ersten drei Episoden gelesen habe, in denen Stephen Dedalus im Mittelpunkt steht und die Bezüge zur "Telemachie" haben sollen. (Es fühle sich jetzt bitte niemand beim Lesen gehetzt, aber in ein paar Tagen kriege ich meine Gedanken so nicht mehr zusammen.)


    Schon nach wenigen Seiten habe ich mich gefragt: Hat Alfred Döblin den "Ulysses" gekannt? Bei "Berlin Alexanderplatz" (ein Roman, den ich großartig finde) empfand ich das letzte Mal eine solche Verwirrung beim Lesen. Für den Einstieg brauchte ich die Zusammenfassungen als grobe Orientierungshilfe. Die vielen Anspielungen sind mir etwas zu viel, wenn ich alles nachschlagen würde, käme ich mit dem Lesen gar nicht mehr voran.


    Schon nach der ersten Episode ist mir klar, warum man dem Roman Blasphemie vorgeworfen hat. Buck Mulligan (ein Mensch, den ich nicht als Mitbewohner haben möchte, zu laut, zu derb, zu schwatzhaft und das alles schon am frühen Morgen) nimmt da kein Blatt vor den Mund. Er scheint im hier und jetzt verankert, dem Leben weitaus mehr zugetan als z.B. Stephen (=Telemachos).
    Letzterer heißt ausgerechnet Dedalus, der in der Antike als der Künstler schlechthin galt. Ansonsten kriege ich ihn aber noch nicht zu richtig zu fassen. Er hat scheinbar den Glauben an Gott verloren (wenn er ihn denn jemals gehabt hat), hat sein Studium in Paris geschmissen, seine auf dem Sterbebett liegende Mutter schwer enttäuscht, was sein Gewissen belastet, lässt sich offenbar finnanziell von seinen Freunden ausnutzen und sein Lehrer-Job scheint ihm nicht so zu liegen. Und er hat offenbar eine außergewöhnliche Shakespearetheorie, die Haines gern hören möchte. Haines, was ist eigentlich mit dem, was macht der Oxford Student im Dubliner Turm? Keine Ahnung.
    Ebenso unverständlich sind mir die plötzlichen antisemitischen Ausbrüche des Schuldirektors Mr. Deasy (=Nestor) sowie sein Interesse an Maul- und Klauenseuche.
    Die dritte Episode, Stephen allein am Strand, sein innerer Monolog, die hin- und herspringenden Assoziationen, wer ist Kevin Egan? - Ich fand's ziemlich anstrengend zu lesen, werde vielleicht einzelne Abschnitte nochmals lesen müssen.


    Welche Ausgaben habt Ihr eigentlich? Ich habe die Wollschläger-Übesetzung (gibt es eigentlich noch andere deutsche Übertragungen außer dieser?), Suhrkampf TB, 9. Auflage von 1989, insgesamt 1015 S. Ist das identisch mit neueren Auflagen, sodass wir auch mal Seitzenzahlen angeben können?


    @adia: Liest Du die deutsche oder engl. Fassung?


    Gruß, Fevvers


    Martello-Tower, Dublin (heute Joyce-Museum)


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  • Hallo fevvers !


    Ich habe die Biografie von Ellmann "James Joyce". Ist aber auch ein sehr dicker Wälzer ...


    Wenn du schon so schnell vorlegst, werde ich heute auch mal anfangen :smile: , aber es klingt doch ziemlich verwirrend - vielleicht sollte ich mir diese Zusammenfassung ausdrucken, damit ich nicht vor dem PC lesen muß. Ich befürchte nämlich, daß ich mir während dem Lesen Notizen machen muß und das hasse ich !!!


    Meine Übersetzung ist übrigens auch von Wollschläger.


    LG von Steffi

  • Hallo Steffi,
    ganz nützlich ist auch der "Ulysses"-Artikel im Kindler, der gibt ebenfalls eine Übersicht über die Kapitel.
    Vorgestern hab ich eine literarische Pilgerfahrt zu Joyces Grab unternommen. Scheint geholfen zu haben, die erste Leopold Blum-Episode las sich schon sehr viel gefälliger als die vorhergehenden. :zwinker:
    Gruß, Fevvers

  • Hallo zusammen


    Ich habe noch nicht angefangen, sondern auch erstmal nach Sekundärliteratur Ausschau gehalten. Die Ellman-Biographie hatten sie in unserer Bücherei leider nicht, dafür ein anderes Buch: "Joyce für Jedermann" von Anthony Burgess. Dort heißt es über die Schwierigkeiten von Joyces Werken:

    "Wir müssen die Schwierigkeiten also nicht nur akzeptieren, sondern sie sogar als unablösbare Bestandteile ganz in dem Sinne auffassen, wie die Sterne am Himmel sich unvermeidlich mit dem Leben des Mannes verbinden, dessen Blick beim Wasserlassen im Freien zu ihnen emporschweift."


    So einen Satz kann wohl nur ein Engländer schreiben :breitgrins:


    So, jetzt geht´s aber los! Ich bin mal gespannt, ob und wie ich mit diesem Monstrum von Buch zurechtkomme.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen


    ich habe gestern angefangen zu lesen (ausgerechnet in der Badewanne) und ich hatte keinen Stift parat um mir Notizen zu machen. Mir geht es wie Steffi: eigentlich hasse ich es, neben dem Lesen Notizen zu machen, aber ich befürchte bei Ulysses ist es für mich ein Muss.


    Wie Fevvers bin ich zuanfangs nicht so recht in die Geschichte reingekommen. Gedanklich habe ich mir dann notiert, daß die 3 Menschen (Stephen, Buck, Haines) in diesem Dubliner Turm wohnen. Stephen wird von Buck abwechselnd "Kinch, feiger Jesuit, Barde, Poet" betitelt, meist in abwertenden Sinne. Ein lauter Geselle dieser Malachi (Buck) Mulligan. Wie kommt er nur darauf, daß sein Name hellenistisch klingt? Malachi würde ich jüdisch einordnen.


    Zitat von "Fevvers"


    . Für den Einstieg brauchte ich die Zusammenfassungen als grobe Orientierungshilfe. Die vielen Anspielungen sind mir etwas zu viel, wenn ich alles nachschlagen würde, käme ich mit dem Lesen gar nicht mehr voran


    Danke für die Links, das "Chapter Summaries" habe ich mir ausgedruckt, denn in meiner Ausgabe stehen nicht mal die Unterteilungen in Telemachos usw. sondern nur numeriert. Eine Erleichterung wäre auch, wenn es ein Inhaltsverzeichnis geben würde, wo welches Kapitel beginnt, aber auch dies fehlt :(
    Meine Ausgabe ist von Suhrkamp 1996, ebenfalls eine Wollschläger-Übersetzung.


    Ich seh schon, ich bin auf eure Hilfe bereits sehr angewiesen.


    Fevvers: in dem anderen Link über Joyce Einteilung der Kapitel werden auch "Farben" angegeben. Weiß jemand was das bedeutet?

    Stecke noch im 1. Kapitel und kann noch nicht soviel dazu sagen. Herausgefunden habe ich, daß die Erscheinung der Milchfrau ebenfalls (wie vermutlich alles *seufz*) eine Wichtigkeit besitzt. Sie geht zurück zu eine Sagengestalt: Shan van Vocht, eine alte Frau als Symbol für Irland. Eine alte Frau die zu einer wunderschönen Königin wird, wenn Irland eine selbständige Nation ist (oder ähnlich).


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "JMaria"


    Ich seh schon, ich bin auf eure Hilfe bereits sehr angewiesen. [...]
    Fevvers: in dem anderen Link über Joyce Einteilung der Kapitel werden auch "Farben" angegeben. Weiß jemand was das bedeutet?


    Hallo Maria,
    ich glaube, das wird uns allen so gehen. :zwinker: Beim James-Joyce-Portal (optisch ein Desaster, aber inhaltlich eine Fundgrube) gibt es auch noch folgenden nützlichen Link: Analysis


    Was die Farben anbelangt: Joyce scheint den Roman völlig durchstrukturiert zu haben, so habe ich jedenfalls das Schema interpretiert. Jeder Episode wird etwas zugeordnet, das es einzigartig macht: ein Thema aus der Odyssee, eine neue Erzähltechnik, eine Wissenschaft oder Kunst, ein bestimmtes Symbol, ab IV ein Organ (Blum isst eine Niere zum Frühstück, da ist es sehr deutlich) und auch eine Farbe. Gold und weiß der ersten Episode habe ich mit dem anbrechenden Morgen auf dem Turm in Verbindung gebracht, mit der aufgehenden Sonne, hell und gleißend. Kastanienbraun in der zweiten ist mir nicht weiter aufgefallen, blau und grün der dritten verweisen auf das Meer (Stephen geht am Strand spazieren). Das ist jedenfalls meine Erklärung.


    Deine "Gedankennotizen" ähneln den meinen: Ich lese und zähle hinterher für mich spontan auf, was ich erfahren habe. Ein Bleistift ersetzt das Lesezeichen. Vielleicht kann man auf diese Weise "Ulysses"-Lesen "lernen"? Blums Gedankensprünge auf seinem Weg zum Metzger (Episode IV) konnte ich ganz gut nachvollziehen. Er sieht etwas, verbindet damit einen Gedanken, sieht etwas anderes, spricht ein paar Worte, geht weiter, sieht und denkt etwas anderes und immer so weiter. Die Strandepisode (III) habe ich ein zweites Mal gelesen, da war sie schon nicht mehr so abschreckend.


    Ich habe meine Suhrkamp-Ausgabe komplett durchgeblättert, der Anfang einer neuen Episode ist meist an einem größeren Absatz erkennbar:
    "Morgengrauen"/"Telemachie": I 7-34, II 35-52, III 53-73.
    "Morgen/"Odyssee": IV 77-98, V 99-122, VI 123-163, VII 164-209, VIII 210-258, IX 259-304, X 305-354, XI 355-403, XII 404-480, XIII 481-536, XIV 537-603, XV 604-755.
    "Mitternacht"/"Nostos": XVI 759-839, XVII 840-939, XVIII 940-1015.
    Sind unsere Ausgaben identisch?


    Gruß, Fevvers

  • Zitat von "Fevvers"


    "Morgengrauen"/"Telemachie": I 7-34, II 35-52, III 53-73.
    "Morgen/"Odyssee": IV 77-98, V 99-122, VI 123-163, VII 164-209, VIII 210-258, IX 259-304, X 305-354, XI 355-403, XII 404-480, XIII 481-536, XIV 537-603, XV 604-755.
    "Mitternacht"/"Nostos": XVI 759-839, XVII 840-939, XVIII 940-1015.
    Sind unsere Ausgaben identisch?


    Hallo Fevvers
    Betitelt wird kein Kapitel in meiner Ausgabe, neue Abschnitte innerhalb der Kapitel werden auch nicht numeriert, man erkennt sie nur, weil die ersten Worte in Großbuchstaben geschrieben sind.


    Von der Seitenanzahl schwankt meine Einteilung, deinem obigen Angaben immer um ca. 1-2 Seiten, so daß am Ende bei mir eine Seitengesamtzahl von 987 Seiten herauskommen.


    meine Suhrkamp Ausgabe ist ein Taschenbuch, Erstausgabe 1996


    Danke für deine Erklärung mit den Farben, ich werde vermehrt darauf achten. An das James Joyce Portal hab ich mich noch garnicht rangetraut. Du hast vollkommen recht. Sehr unübersichtlich *schauder*


    Der Link der Analyse hilft mir schon sehr.


    Warum die Männer wohl in diesem Turm leben? Für mich sieht es wie eine Art "abgeschottet", "verborgen" sein aus *grübel*


    Lies nicht zu schnell. ;-)


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "Fevvers"

    @adia: Liest Du die deutsche oder engl. Fassung


    hallo Fevvers, ich lese die englische Fassung, ulysses - the 1922 text (hab nochnicht raus ob das ein besonderer text ist)
    ein Paperback von oxford world:s classics, 1998
    hg von Jeri Johnson.
    ich fang aber heut abend erts an :zwinker:
    adia

  • ich glaube, Maria hatte gefragt, warum die jungs in einem Turm leben.


    das ist autobiographisch, Joyce und ein paar seiner freunde haben einen dieser alten überwachungstürme gemietet, um dort wilde, rauschende parties zu feiern. richtig gelebt haben sie da eigentlich nicht.
    die idee, den turm als phallussymbol zu deuten, hat joyce übrigens immer selbst als bullshit abgetan.
    ich weiss nicht, ob die frage noch akzuell war, abe rich dachte, ich meld mich mal zu wort.
    hab übrigens immer och nicht angefangen. aber informiert bin ich ja schon mal: ulysses annotated, ein dicker wälzer mit annotations, liegt neben meiner ausgabe.


    adia

  • Hallo,
    meine Erklärung zum Turm, abgesehen von der biographischen, ist eher profan: Die Jungs, jedenfalls Buck und Stephen sind doch beide ziemlich pleite, Stephen trägt sogar die Stiefel von Mulligan und zählt im Gespräch mit Mr. Deasy seine Schulden auf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein alter Geschützturm ein behagliches Nest ist. Der kostet nicht viel Miete, ist meine Vermutung.
    "Ulysses annotated" - das gibt es nicht auf deutsch, oder?
    Gruß, Fevvers

  • Hallo zusammen


    Ich habe gerade die ersten beiden Kapitel gelesen und finde es schon sehr anstrengend und schwierig. Von Lese-"Genuß" kann bis jetzt keine Rede sein. Eher von Arbeit. Ich bin ständig dabei irgendwas nachzuschlagen und das hemmt das Lesen doch sehr. Alles scheint bedeutungsvoll zu sein und deshalb bin ich auch gezwungen sehr langsam zu lesen. Ohne erklärende Literatur stünde ich auf völlig verlorenem Posten. Außer euch :smile: ist mir besonders das Buch von Burgess eine große Hilfe.
    Er schreibt: "Zu Beginn seiner literarischen Karriere sagte James Joyce, eine seiner künstlerischen Waffen werde die des Labyrinth-Erbauers sein." (Das ist ihm zweifellos gelungen :smile: ) Und weiter: "Kein Schriftsteller war autobiographischer als Joyce, doch keiner hat in der Darbietung seiner Geschichte so wenig von sich preisgegeben."


    JMaria: Danke für die Erklärung der Milchfrau. Sehr interessant. Symbol für Irland. Aber warum kann sie dann kein irisch? Sie schämt sich auch dafür, es nicht zu können. Und wegen Stephen hätte sie gar nicht zu kommen brauchen. Er hätte den Tee, im Gegensatz zu Haines und Mulligan, auch ohne Milch getrunken. Was das wohl zu bedeuten hat? :rollen:


    Zitat

    Ebenso unverständlich sind mir die plötzlichen antisemitischen Ausbrüche des Schuldirektors Mr. Deasy (=Nestor) sowie sein Interesse an Maul- und Klauenseuche.


    Diese Tirade gegen die Juden ist mir bisher auch unverständlich, aber Mr. Deasys Interesse an der Maul- und Klauenseuche erklärt Burgess so:
    "Nestors Schloß stand unweit der Mündung des Flusses Alpheus, jenes Flusses, den Herakles umlenkte, um die Ställe des Augias auszumisten. Um diesen Fluß gruppiert sich ein ganzes Heer von Rinderassoziationen (die semitischen Buchstaben alif, lam, pa bilden eine Wurzel mit der Bedeutung "Stier"; der Buchstabe Alpha ist von der simplen Abbildung eines Stierkopfes abgeleitet). Es ist daher recht passend, daß Mr. Deasy sich sehr stark um die Maul- und Klauenseuche in Irland und ein angedrohtes Handelsembargo gegen irisches Vieh sorgt."
    Der Stier könnte dabei als Fruchtbarkeitssymbol stehen. Stephen bezeichnet sich am Ende dieser zweiten Episode aber als "der ochsenfreundliche Barde". Und Ochsen sind ja kastrierte Stiere. Was das nun wieder zu bedeuten hat? :rollen:


    Ich werde mich dann mal an die dritte Episode wagen.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen


    ich habe nun die "Telemachie" (Telemachos, Nestor, Proteus) gelesen und bevor ich vergesse was mir durch den Kopf ging, schreibe ich es lieber nieder.


    Mit "Nestor" bin ich am besten zurecht gekommen, ganz einfach weil es Gespräche gab, in diesem Fall mit Mr. Deasy. In dem Kapitel konnte ich zum erstenmal schmunzeln, als Stephen sich den Vortrag über sparen anhört:


    Mr. Deasy: Ich habe alles bezahlt. Ich habe nie auch nur einen Schilling geborgt in meinem Leben. Können Sie das von sich sagen?...


    Stephen in Gedanken aufzählend: Mulligan, neun Pfund, drei Paar Socken, ein Paar Schuhe, Schlipse. Curran, zehn Guineen. McCann, eine Guinee. Fred Ryan, zwei Schilling. Temple, zweimal Lunch. Russell, eine Guinee, Cousins, zehn Schilling, .......


    Im Augenblick, nein, antwortete Stephen


    Ich hoffe solche humorvolle Szenen kommen noch öfters vor, sonst verzweifele ich ;-)


    Zitat von "Fevvers"


    Letzterer heißt ausgerechnet Dedalus, der in der Antike als der Künstler schlechthin galt. Ansonsten kriege ich ihn aber noch nicht zu richtig zu fassen. Er hat scheinbar den Glauben an Gott verloren (wenn er ihn denn jemals gehabt hat), hat sein Studium in Paris geschmissen, seine auf dem Sterbebett liegende Mutter schwer enttäuscht, was sein Gewissen belastet, lässt sich offenbar finnanziell von seinen Freunden ausnutzen und sein Lehrer-Job scheint ihm nicht so zu liegen.


    Künstlerisch konnte man das Kapitel "Proteus" nennen. Soviele Gedanken und kein Blatt Papier worauf er sie notieren konnte. Dazu benutzte er dann die Rückseite von den Notizen des Mr. Deary.


    Bringt er Paris mit Sünde in Verbindung? Es kam mir in diesem Kapitel so vor. Außerdem steh ich ziemlich ratlos vor Stephens Gedanken, daß er erschaffen und nicht gezeugt wurde! ?????????


    S. 52 unten
    Heva, nackte Eva. sie hatte keinen Nabel. Schau. Bauch ohne Fehl, schwanger schwellend... Schoß der Sünde.
    In Schoßes Sündendunkel lag auch ich, erschaffen, nicht gezeugt.


    anschließend kommt, glaube ich, eine Anspielung auf irgendeine hellenistische Sage. Aber das konnte ich noch nicht nachprüfen.


    Wie hat euch dieser Telegramm-Stil in "Proteus" (Stephens Strandspaziergang) gefallen?


    Zitat von "Fevvers"


    Ebenso unverständlich sind mir die plötzlichen antisemitischen Ausbrüche des Schuldirektors Mr. Deasy (=Nestor) sowie sein Interesse an Maul- und Klauenseuche.


    antisemitische Neigungen in Schriftstellerkreisen gab es ja durch die Jahrhunderte hinweg und wurde oft auch in deren Werken widergespiegelt. Ich denke an Fontane, oder auch an Thomas Mann, dessen Frau Katie zwar protestantisch getauft war, aber auch jüdischer Abstammung war und äußerte sich dazu: "Kein Gedanke an Judenthum kommt auf ... man spürt nichts als Kultur."


    War nicht im 19. Jahrhundert Disraeli in einer hohen politischen Stellung in Großbritanien? Ich glaube er war auch jüdischer Abstammung.
    Das war zwar einige Jahrzehnte vor Ulysses, aber der Gedanke huschte mir in den Sinn.


    Hier wäre eine Biografie von James Joyce von nutzen um mehr über seine politische Ansichten zu erfahren. Einige patriotische Verse finden sich im "Ulysses". u.a.:


    Mit Ulster ins Gefecht,
    mit Ulster für das Recht


    zu der Maul- und Klauenseuche hat ja Ikarus schon einiges herausgefunden. Ich möchte vielleicht auch noch die Ängste der Iren anführen, die sie nach all den Hungersnöten in den Jahrhunderten zuvor erlitten haben. Vielleicht wurzelte Mr. Deasys' Interesse an ein Heilmittel darin, daß er vorbeugend dem entgegentrat.


    Zitat von "Fevvers"


    Die dritte Episode, Stephen allein am Strand, sein innerer Monolog, die hin- und herspringenden Assoziationen, wer ist Kevin Egan? - Ich fand's ziemlich anstrengend zu lesen, werde vielleicht einzelne Abschnitte nochmals lesen müssen.


    dreht Dynamit-Zigaretten und hat druckerschwärze Finger??
    Ich weiß auch nicht was das bedeutet.


    Zitat von "Ikarus"


    Ohne erklärende Literatur stünde ich auf völlig verlorenem Posten. Außer euch ist mir besonders das Buch von Burgess eine große Hilfe.
    Er schreibt: "Zu Beginn seiner literarischen Karriere sagte James Joyce, eine seiner künstlerischen Waffen werde die des Labyrinth-Erbauers sein." (Das ist ihm zweifellos gelungen ) Und weiter: "Kein Schriftsteller war autobiographischer als Joyce, doch keiner hat in der Darbietung seiner Geschichte so wenig von sich preisgegeben."


    ich glaube, daß wird ein Buch, das wir nur mit vereinten Kräften schaffen, das gibt mir Mut :)


    nochmals zu dem schönen Satz oben über den Labyrinth-Erbauer. Wenn man im Mythenlexikon unter Dedalus schaut, dann heißt es von ihm auch, daß er für Minos das Labyrinth des Minotauros baute. Das paßt doch.


    Zitat von "Ikarus"

    JMaria: Danke für die Erklärung der Milchfrau. Sehr interessant. Symbol für Irland. Aber warum kann sie dann kein irisch? Sie schämt sich auch dafür, es nicht zu können. Und wegen Stephen hätte sie gar nicht zu kommen brauchen. Er hätte den Tee, im Gegensatz zu Haines und Mulligan, auch ohne Milch getrunken. Was das wohl zu bedeuten hat?


    das ist mir wiederum nicht aufgefallen. Aber du hast recht, das ist ein interessanter Gedanke. Stephen hält sich an keine Bräuche oder Traditionen, wie mir scheint.


    eine Frage jagt die Andere beim Lesen.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !


    Auch bei mir stellen sich Fragen über Fragen und als ich eure Beiträge gelesen habe, habe ich gemerkt, dass es noch viel mehr Fragen gibt !


    Mit meiner Biografie bin ich noch nicht sehr weit, es kommen im Ulysses jedoch sehr viele Anspielungen auf Joyces Leben vor, mir scheint, fast auf jeder Seite !!!


    James Vater, John, wurde bereits mit 42 Jahren arbeitslos, durch die vielen Kinder musste er nach und nach die ererbten Grundstücke verkaufen. Trotzdem war er und auch James nie materialistisch oder verbittert. James wurde schon früh in eine Jesuitenschule gesteckt (ich glaube er war 7 Jahre) und glänzte dort als guter Schüler. Später, als die Familie kein Geld mehr hatte, bekam er an einer anderen Jesuitenschule ein Stipendium. Er hatte eine sehr enge Beziehung zu seinem Vater, der ziemlich patriotisch war - James war wohl das Kind, dass der Vater am meisten liebte. Seine ganze Familie war sehr musikalisch, der Vater hatte eine sehr gute Tenorstimme. Der Vater machte wohl auch immer Wortspiele - davon gibt es ja im Ulysses mehr als genug.



    Die ersten 3 Kapitel sind mir sehr schwer gefallen - vor allem das dritte (Stephen am Strand) - ich habe nicht ganz begriffen, um was es eigentlich geht ? Welche Zusammenhänge es mit der Odysse gibt ? Ich habe das Gefühl, wichtiges mischt sich mit unwichtigem, biografisches mit konstruiertem ...


    Ein Hochgenuß dann das 4. Kapitel: Mr. Bloom analysiert die angekratzte Beziehung zu seiner Frau. Hat diese nun ein Verhältnis mit Boylan ? Sehr schön, wie er einkaufen geht (Niere, igitt!), den Mädchen nachschaut, wie seine Gedankenfetzen wieder durch banale Handlungen unterbrochen werden. Herrlich, wie er seiner Frau das Frühstück macht, sich erinnert, wie sie früher war und gleich wieder der Gedanke an "Geküßte Lippen, küssend geküßt. Volle klebrige Frauenlippen." Calypso ? Odysseus sehnt sich nach der Heimat, Bloom nach seiner heilen Familie, die er verloren hat ? Was bedeutet die Beerdigung ?


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"

    Auch bei mir stellen sich Fragen über Fragen und als ich eure Beiträge gelesen habe, habe ich gemerkt, dass es noch viel mehr Fragen gibt !


    Hallo Steffi,
    da sprichst Du mir aus der Seele! Ich glaube, die Entscheidung, dieses Oeuvre gemeinsam in Angriff zu nehmen, war goldrichtig. :smile: Alles in allem kann ich feststellen, dass der "Ulysses" seinen monströsen Charakter verloren hat. Ich habe das Gefühl, ich weiß jetzt in etwa, worauf ich mich eingelassen habe.


    Zitat von "Steffi"

    Die ersten 3 Kapitel sind mir sehr schwer gefallen - vor allem das dritte (Stephen am Strand) - ich habe nicht ganz begriffen, um was es eigentlich geht ? Welche Zusammenhänge es mit der Odysse gibt ? Ich habe das Gefühl, wichtiges mischt sich mit unwichtigem, biografisches mit konstruiertem ...


    Ich hingegen habe das Gefühl, alles müsse von irgendeiner tieferen Bedeutung sein, und das macht micht beim Lesen ganz kribbelig. Einzelne Abschnitte der Strand-Szene habe ich mehrfach gelesen. Vieles ist nach wie vor undurchschaubar, aber folgendes hat sich für mich heraus kristallisiert: Stephen macht sich Gedanken über sein Leben. Wie es bisher verlaufen ist (z.B. das Studium in Paris), über seinen Ursprung, seine familiären Wurzeln und Verbindungen. In Beziehung dazu setzt er die Beobachtung des Meeres, das Werden und Vergehen, die Gezeiten. Sehr schön fand ich (bei mir S.55u) die Formulierung vom "Webstuhl des Mondes". Zuvor klingt das Vater-Sohn-Motiv an, das auf die Odyssee verweist. Ferner überlegt er, dem Turm fernzubleiben, vermutlich weil er Haines (=unliebsamer Bewohner=Freier?) nicht mag. Und Telemachos ist über das Meer gefahren.
    Geschmunzelt habe ich bei Stephens Gedanken: Gehe ich jetzt Tante Sara besuchen? Dann die Erinnerungen an die bucklichte Verwandtschaft mit ihren gewohnheitsmäßig lästigen Fragen und letztlich sein Entschluss, besser nicht... (Wer kennt das nicht?)


    @ Maria: Arius war ein frühchristlicher Theologe aus Alexandria (ca. 250-336), der auf dem Konzil von Nicaea 325 zum Häretiker erklärt wurde, weil er bestritt, dass Christus dieselbe göttliche Natur haben könne wie Gottvater, weil er von diesem erschaffen wurde. Dieser sog. Arianismus muss zuvor in der Ostkirche sehr verbreitet gewesen sein. Joyce vertieft mit der Anspielung also das Vater-Sohn-Motiv und Stephens Überlegungen über den eigenen Vater, über das "Konsubstanzielle" zwischen ihnen beiden ("...Mann mit meiner Stimme und meinen Augen...").
    Erschaffen, aber nicht gezeugt? Ich verstehe das auch nicht so recht, weil es kurz danach doch heißt: Sie "taten des Kupplers Willen".


    @ Ikarus: Danke für die Erkärung zur Maul- und Klauenseuche. Eigentlich finde ich solche Verknüpfungen ganz reizvoll, aber mich würde interessieren, ob Joyce bei seinen Lesern eine solch umfassende Bildung vorausgesetzt hat, wie er sie offenbar besaß?


    @ aida: Steht in "Ulysses annotateted" etwas zu dem Namen "Kevin Egan", der mehrach in III erwähnt wird?


    Um meinen Eindruck von Mr. Deasy zu präzisieren: Mich hat nicht so sehr gewundert, dass er antisemitische Sprüche klopft, sondern wieviele Themen er in einem kurzen Gespräch unterbringt, darunter auch antisemitische und sexisitsche Bemerkungen. Und dass er auch noch hinter Stephen herläuft, um eine Pointe anbringen zu können. War Joyce selbst eigentlich jüdischen Glaubens oder Herkunft? Weiß das jemand von Euch?


    Ich lese heute das 5. Kapitel.
    Gruß, Fevvers

  • irisch ist eine aussterbende Sprache. Kaum ein Ire (ausser vielleicht in weit abgelegenen Dörfern) spricht sie noch. das ist also keine besonderheit dieser frau. und Buck ist halt so einarroganter engländer,
    der aran - pullover trägt, kanu auf dem shannon fährt und irish lernt, bevor die einheimischen es verlernen. wahrscheinlich hat er auch einen vhs - kurs in irischem tanz belegt :zwinker:


    buck war nicth pleite, er hat reiche eltern und lebt mit ihnen in einem sommerhaus. der turm war wirklich nur ein vergnügungs platz, zumindest für ihn.

  • kevin egan kennt stephen /joyce von seiner zeit in Paris, egan war engagiert in der fenier - partei (kann mir darüber jemand was sagen?9
    also, ist halt ein freund von ihm. mehr hab ich selbst auch noch nicht rausgefunden.


    ausserdem hab ich probleme beim einloggen.
    adia

  • schon wieder ich, sorry.
    ob es denn ulysses annotated auch auf deutsch gibt, weiss ich nicht, bezweilfe es aber.
    seid froh. 800 seiten quarto - format, und jede anmerkung interessant. ich verzweifle ob der aussicht, den ulysses mehr oder weniger 'doppelt' zu lesen. himmel hilf.


    :entsetzt:


    adia