Dramen - Tragödien - Komödien

  • Es würde mich interessieren wie Kenner der klassischen Literatur mit dem umgehen, was nicht unter Prosa fällt.


    Lest Ihr Schiller & Co. gerne und wie geht es Euch dabei?


    Ich frage das deshalb, weil ich mir immer einbilde, die Bühnenwerke der bekanntesten Autoren sollte man doch gelesen haben. Mir macht das aber absolut keine Freude, weil ich die Sprache so unnatürlich finde (wer würde sich denn jemals so ausdrücken).


    Deswegen bleibt es bei Versuchen, und wenn ich mich einmal durch ein Stück gequält habe, hinterläßt es keinen bleibenden Eindruck.


    Ob man dazu eine eigene Begabung braucht oder es doch einen Weg gibt, den Zugang zu dieser für mich sehr sperrigen Literaturgattung zu finden?


    Wie das die Klassikfreunde sehen, würde mich doch interessieren.


    Liebe Grüße, Madeleine

  • Hallo Madeleine


    zur Zeit lese ich weniger Dramen, ausser dem Faust, obwohl ich dieses Genre eigentlich liebe. Sperrig finde ich die Literaturgattung aber gar nicht, auch wenn die Art und Weise, wie eine Geschichte erzählt wird, etwas gewöhnungsbedürftig ist. Zuckmayers Des Teufels General oder sein Hauptmann von Köpenick sind aber in dieser Hinsicht ziemlich bekömmlich, ebenso die Dramen von Dürrenmatt. Weniger Spass hat mir Frisch gemacht. Oder versuch's mal mit dem Sommernachtstraum oder sonst einer Komödie von Shakespeare oder der Minna von Barnhelm (finde ich immer noch ein geniales Stück).


    Dein Beitrag hat mich gerade dazu angeregt, wieder einmal ein Drama aus dem Büchergestell zu nehmen. Danke!


    Uhu


    Ps: weitere Hinweise hat es auch in den Threads gute,eher leichtzulesende dramen und Schillers Dramen: welche sind lesenswert?

    Das Universum, das andere die Bibliothek nennen [...] (J.L. Borges, Die Bibliothek von Babel)

    Einmal editiert, zuletzt von uhu ()

  • Ich frage das deshalb, weil ich mir immer einbilde, die Bühnenwerke der bekanntesten Autoren sollte man doch gelesen haben. Mir macht das aber absolut keine Freude, weil ich die Sprache so unnatürlich finde (wer würde sich denn jemals so ausdrücken).


    Die grossen Alten des Dramas (Shakespeare, Schiller, z.B.) sollte man eigentlich nicht lesen, sondern auf der Bühne sehen. Glaube mir, Schillers Sprache ist alles andere als "unnatürlich", wenn Du (z.B.) Die Räuber in einer (guten!) Aufführung mit (guten!) Schauspielern verfolgst. Als Alternative würde ich lautes Lesen empfehlen. :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Madeleine,


    Zitat von "Madeleine"


    Ich frage das deshalb, weil ich mir immer einbilde, die Bühnenwerke der bekanntesten Autoren sollte man doch gelesen haben.


    stimmt, denn wie es in Goethes <i>Torquato Tasso</i> so schön heißt:


    »Und wer der Dichtkunst Stimme nicht vernimmt,
    Ist ein Barbar, er sei auch wer er sei.«


    :breitgrins:


    Statt die Dramen zu lesen könnte man freilich auch eine DVD mit einer Aufführung anschauen oder eine Hörfassung anhören. Allerdings scheinen ja Hörbücher nicht so Dein Fall zu sein, wie Du hier schon geschrieben hast.


    Zitat von "Madeleine"


    Mir macht das aber absolut keine Freude, weil ich die Sprache so unnatürlich finde (wer würde sich denn jemals so ausdrücken).


    Na, die Sprache ist ja gerade der Hauptspaß daran. Kannst Du denn mit Lyrik etwas anfangen? Kunst ist nun einmal künstlich und nicht natürlich. ;-) Nachdem man sich in die Sprache der Dramen eingelesen und eingehört hat, erscheint sie einem sehr stimmig und vertraut. Es gibt auch Stücke, die den hohen Bühnenton ein wenig auf die Schippe nehmen, beispielsweise Ludwig Tiecks "Däumchen", wo der hochgestimmte Semmelziege immer in wohlgeformten Versen spricht, die von seinen prosaischen Gesprächspartnern nicht immer gleich verstanden werden.


    Die ersten Dramen in Deutschland hat übrigens eine Frau geschrieben: Hrotsvitha (Roswitha) von Gandersheim, die im 10. Jh. lebte und auf Latein geschrieben hat. Ich habe eine Übersetzung von Helene Homeyer. Kurioserweise finden sich Auszüge von Hrotsvithas Dramen auch in der Anthologie "Purpurmund und Honiglippen - Erotika von Frauen" (hrsg. Claudia Gehrke), denn stellenweise sind sie etwas sadomasochistisch angehaucht. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Die Krux ist wohl, dass innerhalb von 90 Minuten eine ganze Geschichte erzählt werden muss. Allein, dass die Dialoge in diesen 90 Minuten derart darauf ausgerichtet sind, eine bestimmte Handlung voran zu bringen, ist schon sehr künstlich. Gibt es Stücke oder Filme, deren Dialoge du als realistisch empfindest?

  • Hi,
    die Sprache wirkt ja nur im Kontext, d.h. ein Bühnenbild, gute Schauspieler, die Bühnenpräsenz zeigen gehört dazu.
    Und dann wirkt (meistens) die Sprache auch nicht mehr unnatürlich.
    Also besser ein gute Aufführung bzw Inszenierung sehen, als lesen. Und dann können Dramen ein Hochgenuß sein.


    Lauterbach

  • Zum Vorwurf der Unnatürlichkeit der Sprache: Gerade diese Sprache ist es, die ich so schön finde und die mich immer wieder anzieht! Und wie ich es immer nach einer guten Lektüre bedaure, dass im Alltag nicht so geredet wird, wie in Büchern.


    Nun es ist schade, dass dir bisher der Zugang fehlte. Ich kann dir Dramen empfehlen, von denen ich denke, dass sie sehr leicht zugänglich und lebendig gewesen sind. Das sind zum Beispiel die von Arthur Schnitzler (besonders "Anatol", auch "Reigen"), wie auch die "Möwe" von Tschechow und Dramen von Frank Wedekind. Ebenso das amerikanische Drama "The Glass Menagerie" von Williams.


    Diese genannten Dramen sind alle etwas melancholisch, die einen bei richtiger Stimmung zum Weinen bringen könnten.


    Sehr überrascht haben mich, da sie so leicht zu lesen schienen: Werke aus dem 18. Jahrhundert, Dramen vom Sturm und Drang, wie:
    Jakob Michael Reinhold Lenz - Die Soldaten und der Hofmeister, und auch:
    Leisewitz - Julius von Tarent


    So überrascht war ich, weil ich mit Gerstenberg, F. M. Klinger und dem jungen Goethe (Stella, die Laune des Verliebten u. Ä.) eher das Gefühl der Unzugänglichkeit hatte. Lenz und Leisewitz aber habe ich als besonders einfach und überhaupt nicht trocken in Erinnerung.



    Danach kannst du einen Schritt weitergehen und dir Th Bernhard im Theater anschauen, oder die Komödien von Gryphius lesen...


    Lieben Gruß

  • Danke allseits für die Antworten und vielen Tipps!


    Eure Begeisterung ist ansteckend, und vielleicht habe ich ja auch schon den leisen Ruf der Dichtkunst vernommen, wie Wolf so schön zitiert. Wer will schließlich schon als Barbar enden? Und mit Lyrik kann ich tatsächlich etwas anfangen. In der richtigen Stimmung kann ich mich sehr lange damit beschäftigen.
    Mit Hörbüchern hatte ich immer Schwierigkeiten, bis auf eines, das war "Die Verwandlung" von Kafka. Ich weiß nicht mehr, wer das gelesen hat, weil ich es aus der Leihbücherei hatte, aber die Stimme hat mich fasziniert und auch die Geschichte war so fesselnd, dass ich darüber fast auf mein Bügeleisen vergessen hätte.
    Roswitha von Gandersheim sagt mir aus dem Lateinunterricht noch etwas. War das nicht eine Nonne? Und dann hast du sadomasochistische Tendenzen festgestellt?? Das war dann wohl nicht die richtige Lebensform für die Dame.


    Die Antworten von sandhofer und lauterbach führen mich zur nächsten Frage. Waren dann Dramen, Tragödien... nicht schon von vornherein vom Autor ausschließlich für die Aufführung gedacht? Oder sollten die Stücke gelesen auch noch werden?
    Laut lesen geht nur, wenn mein Mann nicht im Haus ist (sonst fragt er sicher, ob er medikamentös etwas für mich tun kann). Besonders schöne Texte oder Passagen aus Sachbüchern, die ich nicht gleich verstehe, habe ich aber immer schon laut gelesen.


    Danke, uhu und Knabe, da waren ja jede Menge Anregungen dabei, die ich mir auch schon notiert habe.


    Und Stoerte muss ich auch recht geben. Die Dialoge im Fernsehen sind meist unter jeder Kritik. Wer würde sich im Alltag schon so ausdrücken?


    Parallel zum Lesen werde ich es aber auf jeden Fall mit DVD und (bei passender Gelegenheit) Aufführung versuchen.


    Nochmals herzlichen Dank für Eure Bemühungen, liebe Grüße, Madeleine.

  • Hallo Madeleine, hallo alle,


    man muss das wohl nicht so verbissen sehen, dass Dramen ausschließlich für die Bühne geschrieben werden. In dem Moment ihrer Veröffentlichung, d.h. wenn sie nicht mehr nur als Script für die Schauspieler existieren, rechnet der Autor sicher damit, dass er nicht nur von Theaterintendanten gelesen wird :zwinker:.
    Ich zum Beispiel gehe gerne ins Konzert, aber ungerne ins Theater, dagegen lese ich verhältnismäßig häufig Dramen. Mir ist es - genau wie bei anderen Literaturformen - lieber, wenn die Bilder in meinem Kopf entstehen und mir nicht auf der Bühne präsentiert werden. Allerdings will ich damit nicht sagen, dass es besser ist, Theaterstücke zu lesen als sie zu sehen und zu hören, nur mir persönlich sagt das letztere eben nicht so zu.
    Häufig haben Dramen auch sehr komplexe Passagen, die man beim einmaligen Hören auf der Bühne gar nicht richtig mitbekommen kann. Man denke dabei zum Beispiel an Schillers Don Carlos oder natürlich auch den Faust. Die wunderschönen alten Übersetzungen der Shakespeare- Dramen will ich langsam genießen und nicht nur an mir vorbeirauschen lassen.
    Seit einigen Jahren beschäftige ich mich auch mit den antiken Dramen und bin immer wieder überrascht über ihre Modernität. Als ausschließlicher Zuschauer würde ich das vielleicht teilweise der Kunst der Inszenierung zuschreiben und vieles an ihrer Zeitlosigkeit übersehen und -hören.
    In diesem Sinne - jedem das Seine und uns allen weiterhin viel Spaß am Lesen aller literarischer Textsorten.


    Schönen Maifeiertag!


    HG
    finsbury

  • Danke, finsbury, für deinen ausführlichen Beitrag!


    Mir geht es beim Lesen so wie dir, ich lasse die Bilder lieber im Kopf entstehen, und sehe mir auch niemals Verfilmungen von Büchern an, die ich schon gelesen habe. Ich will alle Figuren so in der Erinnerung behalten, wie sie der Schriftsteller in meiner Vorstellung entstehen hat lassen.
    Deswegen mag ich auch Hörbücher nicht so gerne, weil ich manche Textstellen gerne öfter lese und das Herumsuchen auf einer CD ist mir da zu mühsam.


    Um mich mit dieser für mich noch fremden Materie aber besser vertraut zu machen, werde ich mir den Einsteig doch mit einer DVD zu erleichtern versuchen.


    Ich habe von Euch allen so viele Anregungen bekommen, dass ich sicher das für mich Richtige herausfinden werde. Und ein bißchen experimentieren ist sogar interessant.


    Sicher wird noch manche Frage auftauchen, aber ich glaube, da kann ich mit Hilfe rechnen.


    Herzlichen Dank, Madeleine.

  • Hallo Madeleine, hallo zusammen,


    ich habe nichts dagegen, Dramen zu lesen, trotzdem mache ich das eher selten. Woran das liegt? Bei Romanen/Erzählungen fällt es mir leichter, im Text zu bleiben. Bei Theaterstücken stören mich etwas die Bühnenanweisungen, die holen mich immer wieder aus dem Text heraus. V.a. wenn es recht ausführliche sind, wie bei Shaw oder Ibsen. Da ist mir dann ein Stück von Shakespeare lieber, wo die Anweisungen sich meist auf "enter xy" und "exit xy" beschränken. Außerdem fällt es mir schwer, mir so eine genaue Ortsbeschreibung vorzustellen. Ich kann mir sowieso nicht merken, ob die Tür links oder rechts ist und wo der Tisch steht. Da ist es dann bestimmt sinnvoller, man sieht eine Aufführung.


    Die Sprache bei Dramen stört mich eher weniger. Ich habe allerdings in England mal eine Aufführung von Schillers Don Carlos auf englisch gesehen. Da war die Handlung für mich leichter verständlich, als es beim Lesen des Stückes war. Dazu muß ich aber sagen, daß ich noch keine deutschsprachige Aufführung des Stückes gesehen habe. Möglicherweise ist es ja auf der Bühne (in einer guten Inszenierung, mit guten Schauspielern) dann genauso gut verständlich.


    Lyrik lese ich nur sehr selten, Versepen und Verserzählungen mag ich aber ganz gerne. Doch die sind leider etwas anstrengender zu lesen als Prosaerzählungen. Deswegen kommen sie bei meiner Lektüreauswahl meist zu kurz.


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo thopas!


    Die Bühnenanweisungen reißen mich auch immer aus der Handlung, aber ich glaube, die werde ich in Zukunft größtenteils überlesen, um mich besser auf das Hauptgeschehen konzentrieren zu können.

    Voriges Jahr habe ich Dantes "Göttliche Komödie" gelesen. Ohne Kommentar wäre das überhaupt nicht möglich gewesen. Und irgendwann werde ich sie mir nochmals vornehmen.
    Aber jetzt kommen erstmals Dramatiker an die Reihe. Ich muss nur noch die Reihenfolge festlegen. Und vor allem darf ich mir nicht zu viel vornehmen.

  • also ich lese grene dramen, tragödien und ebenso komödien. ich finde in die sprache kann man sich ziemlich schnell reinlesen, spätestens nach dem 3. werk :zwinker:


    moderne romane lese ich nur ab und zu, weil ich die meistens ziemlich falch finde, wenn man das so sagen kann.

    Es geht uns mit Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekanntschaften, aber nur wenige erwählen wir zu unseren Freunden.<br />(Ludwig Feuerbach)