Michael Kohlhaas von H.v. Kleist

  • Hallo liebe Leserfreunde,


    ich lese eben Michael Kohlhaas von Heinrich v. Kleist. Und ich muss schon sagen es ist ein tolles Werk. Ich hab schon viel über Kleist und sein Leben gelesen und hab mir zu diesem Werk gedacht, was ihn dazu bewegt hat den "Kohlhaas" zu schreiben.
    Kleist hatte 3 Lebenskriesen insbesondere die Kantkriese, meint ihr es könnte einen Zusammenhang zu Kohlhaas haben. Oder wisst ihr vielleicht mehr zu diesem Thema. Auch die politische Situation zu Kleist Zeit wäre doch relevant? Was meint ihr dazu?


    Freue mich über jeden Eintrag!


    lg

  • Hallo andrey,


    herzlich willkommen im Forum :winken:


    Vor ein paar Tagen stand ich in der Buchhandlung und hatte Michael Kohlhaas in der Hand, konnte mich aber nicht zum Kauf entschließen. Ich denke, daß ich es mir aber doch zulegen sollte, da ich von Kleist noch nicht so viel kenne (Schullektüre war bei uns Das Erdbeben in Chili und Die Marquise von O.).
    Ich kann dir also leider deine Frage nicht beantworten. Aber sie hat mich jetzt dazu bewogen, mich auch einmal mit dieser Erzählung zu beschäftigen :smile: .


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo thopas,


    es freut mich das ich dazu bewegen konnte dieses Werk zu lesen! Es wird dir bestimmt gefallen, ist nämlich ganz interessant, denn es handelt sich um einen Rosshändler, der sich gegen die Obrigkeit stellt und damit eine ganze Menge anrichtet.


    also freut mich aber trotzdem das du dich gemeldet hast und dich ebenso interessierst wie ich das tue!


    lg andrey

  • Hallo thopas, :winken:


    ja, lass dir ruhig Zeit, es eilt ja nicht. Ich werde auf jeden Fall immer mal wieder rein schauen, ob du schon was berichten kannst und natürlich wie es dir gefällt!


    lg


    andrey

  • Hallo,


    ich habe "Michael Kohlhaas" auch gelesen. Es liegt zwar schon eine Weile zurück, aber ich weiß, dass es mir sehr gut gefallen hat. Ich hatte damals auch eine interessante Diskussion mit einer Bekannten, die diese Novelle kurz vor mir gelesen hatten, in der wir uns mit ganz ähnlichen Fragen beschäftigt haben. Wir haben uns viel per Brief ausgetauscht. Ich muss mal schauen, ob ich die Briefe noch finde. Ansonsten kann ich jetzt nur aus der Erinnerung sprechen.


    Die politischen Hintergründe sind bestimmt interessant. Die Niederlage Preußens gegen Napolen und die Uneinigkeit der deutschen Fürsten in ihrer Haltung gegenüber Napoleon, dürften damals relevant gewesen sein. Kleists Einstellung war wohl reformorientiert. Von der französischen Behörden wurde Kleist sogar einmal als Spion verhaftet. Er plante auch die Herausgabe eines Blattes mit Titel "Germania", in dem es um die deutsche Freiheit gehen sollte (was aber, glaube ich, nie geklappt hat). Ich nehme also an, dass die politische Hintergründe bestimmt eine Rolle spielten.


    Den Protagonisten gab es ja wirklich. Er hieß eigentlich Hans Kohlhase und lebte im 16. Jahrhundert. Während einer Reise wurden Ihm von einem Junker zwei seiner Pferde weggenommen. Nachdem Kohlhase juristisch nichts bewirken konnte, reagierte er...hm, relativ heftig, würde ich sagen... und brannte ein paar Häuser in Wittenberg ab. Später hat man Herrn Kohlhase dafür aufs Rad gefochten, wenn ich mich recht erinnere.


    Die Ohnmacht des Bürgers gegenüber der Korruption und und Willkür der Obrigkeit, der Machtmissbrauch, spielt da bestimmt eine Rolle (und die hier daraus folgende Selbstjustiz). Viele Dinge werden in "Michael Kohlhaas" einander gegenüber gestellt. Z.B. der Rechtsstaat gegenüber der Allmacht der Fürsthäuser.


    Ich habe noch nicht alles von Kleist gelsen, aber "Michael Kohlhaas" gefiel mir bis jetzt am besten (was nicht heißt, dass die anderen Sachen nicht auch toll sind). Eine schöne Novelle :smile:. Kleist scheint sowieso sehr sympatisch gewesen zu sein. Da erschreckt sein frühes Ende um so mehr. Er und seine Freundin haben sich erschossen, da war er noch nicht weit über dreißig.


    Liebe Grüße
    Tia

  • :smile: hallo tia,


    es freut mich, das du mir ein wenig darüber geschrieben hast, ich werde trotzdem mal noch ein wenig im net nach den politischen Hintergründe suchen. Kleist hatte doch eine besondere Einstellung zu Kant auch Locke hatte großen Einfluss auf Kleist in seinem Rechtsdenken, vielleicht ist das auch ein Grund weshalb Kohlhaas so über Leichen geht und nur noch um sein eigenes Recht kämpft?!


    vielen dank für deine Antwort


    lg andrey

  • Hallo andrey,


    ja, das kann ich mir gut vorstellen. Auch zu dem Einfluss von Kant und Locke läßt sich sicherlich einige herausfinden. Das kann ich mir sehr gut vorstellen. So aus dem Stehgreif kann ich nichts dazu sagen, aber ich bin schon gespannt darauf, zu welchen Ergebnissen Du gelangen wirst und hoffe, dass Du uns daran teilhaben läßt :smile:.


    Liebe Grüße
    Tia

  • Auch zu dem Einfluss von Kant und Locke läßt sich sicherlich einige herausfinden.


    Locke weiss ich jetzt nicht. Zu Kleists Kant-Rezeption gibt's den berühmten Brief vom 22. März 1801 an seine Verlobte, Wilhelmine von Zenge:


    Vor kurzem ward ich mit der neueren sogenannten Kantischen Philosophie bekannt – und Dir muß ich jetzt daraus einen Gedanken mitteilen, indem ich nicht fürchten darf, daß er Dich so tief, so schmerzlich erschüttern wird als mich. Auch kennst Du das Ganze nicht hinlänglich, um sein Interesse vollständig zu begreifen. Ich will indessen so deutlich sprechen als möglich.


    Wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten, so würden sie urteilen müssen, die Gegenstände, welche sie dadurch erblicken, sind grün – und nie würden sie entscheiden können, ob ihr Auge ihnen die Dinge zeigt, wie sie sind, oder ob es nicht etwas zu ihnen hinzutut, was nicht ihnen, sondern dem Auge gehört. So ist es mit dem Verstande. Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist, oder ob es uns nur so scheint. Ist das letzte, so ist die Wahrheit, die wir hier sammeln, nach dem Tode nicht mehr – und alles Bestreben, ein Eigentum sich zu erwerben, das uns auch in das Grab folgt, ist vergeblich –


    Ach, Wilhelmine, wenn die Spitze dieses Gedankens Dein Herz nicht trifft, so lächle nicht über einen andern, der sich tief in seinem heiligsten Innern davon verwundet fühlt. Mein einziges, mein höchstes Ziel ist gesunken, und ich habe nun keines mehr –


    Seit diese Überzeugung, nämlich, daß hienieden keine Wahrheit zu finden ist, vor meine Seele trat, habe ich nicht wieder ein Buch angerührt. Ich bin untätig in meinem Zimmer umhergegangen, ich habe mich an das offne Fenster gesetzt, ich bin hinausgelaufen ins Freie, eine innerliche Unruhe trieb mich zuletzt in Tabagien und Kaffeehäuser, ich habe Schauspiele und Konzerte besucht, um mich zu zerstreuen, ich habe sogar, um mich zu betäuben, eine Torheit begangen, die Dir Carl lieber erzählen mag, als ich; und dennoch war der einzige Gedanke, den meine Seele in diesem äußeren Tumulte mit glühender Angst bearbeitete, immer nur dieser: dein einziges, dein höchstes Ziel ist gesunken –

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Was für ein Brief! Sehr interessant. Schön, dass Du ihn eingestellt hast, sandhofer.


    Ich denke, allein hier ließen sich tatsächlich schon Parallelen zu "Michael Kohlhass" finden. Denn geht es in dem Werk nicht auch darum, wie verschieden Wirklichkeit wahrgenommen werden könnte (im Bezug auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen z.B.)? Das mag jetzt vielleicht etwas weit hergeholt sein, aber das kam mir beim Lesen eben gleich in den Sinn.


    Und vielleicht doch auch noch etwas zu Locke. Es könnte schon dem Sinne der aufklärenden Philosophie bzw. dem "Naturzustand" entsprechen, dass Kohlhaas sich von dem künstlich geschaffenen Recht ungerecht behandelt sieht und abwendet, und sich eher auf sein (vermeintliches) natürliches Recht, in seinem eigenen Rechtempfinden, beruft und danach handelt. Nun weiß ich auch nichts über Lockes Einfluss auf Kleist, aber ein Zusammenhang erscheint mir zumindest durchaus denkbar.

  • Das mag jetzt vielleicht etwas weit hergeholt sein, aber das kam mir beim Lesen eben gleich in den Sinn.


    Hm ... ich halte es in der Tat für allzu weit hergeholt. Kleists Kant-Krise war eine erkenntnistheoretische, metaphysische - keine naturrechtliche ...


    Und vielleicht doch auch noch etwas zu Locke. Es könnte schon dem Sinne der aufklärenden Philosophie bzw. dem "Naturzustand" entsprechen, dass Kohlhaas sich von dem künstlich geschaffenen Recht ungerecht behandelt sieht und abwendet, und sich eher auf sein (vermeintliches) natürliches Recht, in seinem eigenen Rechtempfinden, beruft und danach handelt. Nun weiß ich auch nichts über Lockes Einfluss auf Kleist, aber ein Zusammenhang erscheint mir zumindest durchaus denkbar.


    Da hingegen kann ich Dir zustimmen. Nach Locke sind Freiheit, Gleichheit und Unverletzlichkeit von Person und Eigentum die höchsten Rechtsgüter. Und da wird an Kohlhaas natürlich schwer gesündigt, und dies wiederum rechtfertigt und erlaubt in Lockes System, dass Kohlhaas das Recht in die eigene Hand nimmt. Allerdings stehen Kohlhaas' Taten nun wiederum in keinem Verhältnis zu dem ihm zugefügten Unrecht - er wird deswegen nach Lockes System wieder schuldig.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallöchen,
    ist zwar schon langer her, dass ich die Erzählung gelesen habe...


    In diesem Werk spielt sicherlich das RECHT und die politischen Umstände eine große Rolle. So stand wohl Kleist dem sächsischen König Friedrich August I. negativ gegenüber, während er den Großen Kurfürsten offensichtlich positiv gegenüber stand. So entwarf er in Prinz Friedrich von Homburg die Gestalt des Großen Kurfürsten als Ideal eines Landherrn.


    Für mich sehr interessant sind auch die ganzen Zufälle, die im Kohlhaas eine entscheidende Rolle spielen. Und noch gar nicht erwähnt wurde der Zettel der Zigeunerin. Sehr spannend. Die Geschichte mit der Zigeunerin wird als Rückblende erzählt, während ansonsten der Verlauf chronologisch erzählt wird. Mit dem Zettel bekommt Kohlhaas nochmal ein Machtmittel in die Hand und kann persönlich Rache nehmen. Sehr nett.


    LG
    Jacky

  • Hallo,


    so, ich habe den Michael Kohlhaas nun auch gelesen. Zur Kant-Krise kann ich leider nicht viel sagen, denn was man so über Kleists Leben in diversen Lexika und Literaturgeschichten findet ist nicht besonders ausführlich. Es wird zwar die Kant-Krise erwähnt, aber mehr auch schon wieder nicht. Manchmal wird noch auf den Brief verwiesen, den sandhofer zitiert hat.


    Das Thema der Erzählung (Novelle?) fand ich sehr interessant, da ja fast jeder mal irgendwann in eine ähnliche Situation kommt. Ich habe mich da auch schon öfter gefragt, wie extrem man gegen offensichtliches Unrecht vorgehen soll. Daß es bei Kohlhaas dermaßen umschlägt, liegt wohl auch am Tod seiner Frau; aber irgendwie kann ich ihn verstehen, daß ihn diese aufgeblasenen Adligen, die sich ständig von ihren Verwandten (welche in allen wichtigen Ämtern sitzen) decken lassen und das Unrecht vertuschen, ziemlich reizen. Das da mal einer "ausflippt" und dann über Leichen geht ist zu erwarten. Ich finde die psychologische Komponente an dieser Geschichte fast am spannendsten.


    Interessant ist auch, daß es dann wieder Passagen gibt, wo die Beamten verstehen, daß Kohlhaas Unrecht getan wurde, und ihm auch helfen wollen; dann aber trotzdem wieder bürokratisch was schiefgeht, oder zu viel Zeit vergeht und dann wieder einer querschlägt bzw. der Junker wieder zu jammern anfängt, und schon vergessen sie wieder, was eigentlich zu tun wäre. Auch daß niemand die Anzeige an den Kaiser zurücknehmen will, um Kohlhaas zu retten...



    Für mich sehr interessant sind auch die ganzen Zufälle, die im Kohlhaas eine entscheidende Rolle spielen. Und noch gar nicht erwähnt wurde der Zettel der Zigeunerin.


    Diese Zigeunerin hat mich eher irritiert. Ich wußte nicht genau, warum sie hier auftaucht. Nur um Kohlhaas eine Möglichkeit zu geben, sich am Kurfürsten zu rächen? War der Kurfürst derjenige, der sich an den Kaiser gewandt hat bzw. ihn dann nicht gerettet hat? Manchmal bin ich mit den Personen etwas durcheinander gekommen :redface:, es sieht so aus, als müßte ich die Geschichte gelegentlich nochmal lesen, um die Zusammenhänge genau mitzubekommen.


    Auf jeden Fall war es eine sehr interessante Lektüre, die viel zum Nachdenken anregt.


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo zusammen


    Beim Kohlhaas gefällt mir vor allem der novellistisch perfekte Aufbau. Nicht zu Unrecht wird der Kohlhaas immer wieder als exemplarisches Beispiel einer perfekt gelungenen Novelle genannt. Die Dramenform ist perfekt durchkonjugiert, seitengenau. Aber auch inhaltlich und dingsymboltechnisch erfüllt der Kohlhaas alle Novellenfunktionen.

  • Vielen Dank für den Tipp! Wirklich ein tolles Buch. Wundervoll geschrieben und außerordentlich spannend.


    Im Nachwort meiner Reclam-Ausgabe wird hervorgehoben, dass Koohlhassens Verfahren mit dem von der Zigeunerin überreichten Medallion seinen ungebrochenen Willen zum Recht darstellt - trotz der vorhergehenden Demutsbezeugung. Ohne die Zigeunerin wäre derartiges darzustellen schwerlich möglich gewesen.


    Weiterhin wird im Nachwort vermutet, dass der Name des kaiserlichen Anklägers Franz Müller auf den mit Kleist befreundeten Rechtsphilosophen Adam Müller anspielt und eben auf den Streit von dessen Theorien mit denen von Rousseau und Hobbes.

  • Hallo meine Leserfreunde, :smile:


    da bin ich mal wieder und hab gedacht ich schreib nun euch, zu was für einem Resüme ich gekommen bin. Was haltet ihr davon?


    Michael Kohlhaas lebte laut Erzählung im 16. Jahrhundert in der Renaissance, lange Zeit vor der Aufklärung . Es liegt hier nahe, dass Kleist die Vorstellung seiner Zeit in seine historisch literarische Figur „Michael Kohlhaas“ hineinprojizierte. Im Werk „Michael Kohlhaas“ besteht ein ständiger Konflikt zwischen verschiedenen Rechtsauffassungen, insbesondere zwischen der mittelalterlichen und der Aufklärung. Kohlhaas scheint sich in seinen Gedankengängen bzw. Handlungsweisen an dem aufgeklärten Philosophen „John Locke“ anzulehnen. John Locke war ein Vertreter der Vernunft und kämpfte für die Freiheit und Gerechtigkeit. Kohlhaas Selbstjustiz kann gleichsam als Flucht in den Naturzustand oder als Austritt aus dem Gesellschaftsvertrag gewertet werden. Nachdem bei Kohlhaas der Staat in seiner Pflicht Gerechtigkeit zu schaffen versagt hatte, und Michael vergeblich alle juristischen Wege ausgeschöpft hatte, musste er feststellen, dass das Recht durch Tyrannei und Pflichtvergessenheit der Obrigkeit nicht mehr Allgemeingültigkeit besaß. Erschüttert über diese Missstände, sucht er seinerseits durch offene Rebellion gegen die Gesetzeskraft zu seinen Rechten zu kommen und bewegt sich damit jenseits der Ordnung.


    Kleists Rechtsübertretungen, die sich in der Vorgehensweise seiner Gerechtigkeitsherstellung widerspiegeln, lassen sich durch den Philosoph Locke erklären, der für Kleist einen großen Einfluss hatte. Jedoch stehen Kohlhaas grausame Verbrechen in keiner Beziehung zu dem an ihm angerichtetem Unrecht, da durch seinen Rachefeldzug auch viele Unbeteiligte und unschuldige Menschen zu Tode gekommen sind.


    2. Kleist und das Militär
    In Kleists Kohlhaas muss der Brandenburgische Herr gut, gewissenhaft und unparteiisch sein. Kleist unterstand dem Obwalten der preußischen Krone, welche wiederum aus der brandenburgischen hervor geht. Er selbst war Leutnant und aus einer ausnahmslosen Militärsfamilie. In seiner Novelle „Michael Kohlhaas“ kommt es zu einer Fehde bzw. Revolution, was den Zusammenhang mit Kleist, zu dessen Zeit auch Kriege herrschten, wieder bestätigt. Kleist ist vom Militärssinn geprägt, weshalb in Kohlhaas Knechte und Soldaten, wegen seines markanten Rechtsempfindens, sterben müssen. Sie sind in der Novelle zweitrangig, da es für Kleist gleichgültig ist, wenn wegen des Pflichtbewusstseins für ihre Herren die Untertanen leiden oder sogar sterben mussten. Bei Kleist wird für Vorbilder gestorben, das Menschliche verschwindet voll und ganz.


    3. Die politischen Hintergründe
    Kleist lebte in der Zeit des 18. Jahrhunderts. Die innen – und außenpolitischen Verhältnisse waren schlecht. Die innenpolitische Situation war geprägt durch die Unzufriedenheit und durch die Uneinigkeit der deutschen Fürsten in ihrer Haltung gegenüber Napoleon. Die außenpolitische Situation war geprägt durch die Niederlage Preußens im Krieg gegen Napoleon. Kleist stellte sich gegen Frankreich und wurde somit als Spion festgenommen. Dabei änderte er seine Haltung indem er seine rechtlichen und politischen Forderungen durch die Person Kohlhaas äußerte. Kleist war erschüttert über die Hilflosigkeit der Bürger gegenüber der Korruption der Obrigkeit. Er verarbeitete diesen Machtmissbrauch und die Ungerechtigkeit mit Kohlhaas durch Erzählungen und machte sich somit nicht wegen politischer Manipulation verdächtig. Sowohl in Kleists Leben als auch in seiner Figur „Michael Kohlhaas“ besteht Deutschland aus Einzelstaaten; dabei gab es kein allgemeingültiges Gesetz, was dazu führte das jedes Fürstentum seine eigenen Gesetze hatte. In Kleists Novelle fühlt sich Michael Kohlhaas von der Obrigkeit übergangen, so wie es Kleist in der Realität auch für sich selbst empfunden hat. Michael Kohlhaas erklärt eine Fehde und übt somit gegen das Gesetz Selbstjustiz aus, wobei viele Menschen durch seine Verbrechen sinnlos in den Tod gerissen wurden. Kleist verdeutlicht mit seinem Werk, seine eigene Situation, nur hat er selbst nichts gegen die Zustände unternehmen können. Kleist wollte aber mit „Michael Kohlhaas“ die Menschen zu seiner Zeit aufrütteln und damit darstellen, wie der Staat die Bürger unterdrückt und wie sehr er rechtswidrig handelt. Kleist leistete somit Kritik an den fürstlichen Herrschaftsverhältnissen und somit war „Michael Kohlhaas“ eines der ersten Zeugnisse des aufsteigenden, kritischen bürgerlichen Geistes.


    4. Die Kantkrise
    Kant, der wohl wichtigste Denker der deutschen Aufklärung, hatte Kleist durch seine Denkweise sehr beschäftigt. Durch die Gedanken, dass das Ideal nicht größer als der Mensch ist und dass es keine vorurteillose Erkenntnis gibt, wurde Kleist in eine neue Lebenskrise mit großen Irritationen versetzt. Kleist verarbeitete diese Feststellung in „Michael Kohlhaas“ und macht verständlich, dass es ein Ideal allerdings schafft, den Menschen in die Resignation zu treiben.

  • Es war im Grunde gestern eine Spontanaktion da mal reinzulesen, denn ich warte auf die morgige Leserunde zu Fontane und wollte nichts schweres und langes mehr beginnen. Und kaum begonnen, war es rund zweieinhalb Stunden später auch schon wieder vorbei.


    In einem Rutsch durchgelesen und für gut befunden. Da ich weder vorher eine Rezi noch Inhaltsangabe zu dem Buch gelesen habe, wusste ich nicht wohin die Reise geht. Als Kohlhaas dann aber seine Pferde stehen lassen musste, ahnte ich schon übles. Dass dann leider auch kaum und zwar faustdick.


    Anfangs konnte ich den Rachefeldzug verstehen, je länger er dauerte desto mehr musste ich den Kopf schütteln. Zumal ich auch nicht verstanden habe warum Kohlhaas auf keinen Vorschlag der Obrigkeit eingegangen ist. Ja, man soll nicht alles auf sich sitzen und sich gefallen lassen, keine Frage. Aber bevor ich die armen Tiere da weiter quälen lasse? Zeitweise habe ich mich schon gefragt ob der Mann denn kein Herz hat.


    Im Buch sieht man aber auch gut wie die Vetternwirtschaft damals ausgesehen hat. Die decken sich alle gegenseitig und die armen Leute bleiben über. Leider ist das Thema aktueller denn je, siehe die ganzen Korruptionsskandale.


    Ich muss aber sagen, dass ich mit dem Stil von Kleist so meine Probleme habe. Man darf da ja wirklich keinen Satz überlesen, denn in jedem stecken so viele Infos, dass die Geschichte plötzlich eine andere Wendung nimmt. Und diese ewigen Schachtelsätze sind sowieso nicht so meins.


    Dennoch fand ich das kleine Büchlein sehr spannend und da ich auf meinem Reader das Gesamtwerk von Kleist drauf habe, wird das sicher nicht mein letztes Buch von ihm gewesen sein. Als nächstes will ich das Erdbeben von Chili lesen.


    Katrin