in Kindlers Literaturlexikon (es folgen Zitate) habe ich gelesen, dass sich in der Odyssee verschiedene Stoffkreise, die auch unterschiedlich alt sind, herausschälen lassen:
1. sehr alter nostos (Heimkehrgeschichte in Form eines alten Schiffermärchens vom herumirrenden Seefahrer; die Geschichte vom totgeglaubten, heimkehrenden König.
2. das Märchen vom Sohn, der auszog, den verschollenen Vater zu suchen Telemachie
3. Legende vom Kriegshelden, der die toten Kameraden in der Unterwelt besucht Nekyia
=> irgendein Autor hat das Epos aus diesen Elementen, also aus mündlich überliefertem, längst vorhandenem Traditionsgut, zusammengestellt.
Zur "Ethik" der Odyssee:
Das Strafgericht der Götter trifft den, der Unrecht tut, er selbst trägt dafür die Verantwortung. Dies wird schon von Zeus zu Beginn des Werkes hervorgehoben: "Welche Klagen erheben die Sterblichen wider die Götter! Nur von uns, so schrei`n sie, käm alles Unglück; und dennoch schaffen die Toren sich selbst, dem Schicksal entgegen, ihr Elend."
Dem jedoch, der den Willen der Götter achtet, d.h. für den Autor vor allem: dem, der weder das Gastrecht noch fremdes Eigentum verletzt, der seinen Herrn ehrt und die Unglücklichen nicht von sich stößt, gehört ihre Huld. Wie ein roter Faden zieht sich dieses Motiv durch das Epos: Das Verhalten gegenüber dem unglücklichen, unerkannten Odysseus wird zum Prüfstein für den, dem er begegnet (vgl. Freier, Eumaios..) Wenn Odysseus die Freier tötet, ist er nur ausführendes Werkzeug der Götter, die die letzten Garanten des Rechts sind. Dies ist die Leitidee des Werkes.
Hm. Auch ein möglicher Zugang zur Odyssee.