Literatur der Sowietunion

  • Hallo alle zusammen!


    Ich wollte mal fragen, wer von euch Interesse an russischer Literatur der Sowjetära hat. Ich kam durch den Grossman-Thread auf die Idee, dieses Thema zu eröffnen, möchte dort aber nicht vom Thema abweichen.
    Nach der Lektüre der bekannten Klassiker von Puschkin bis Gorki begann ich mich vor vielleicht zwei Jahren, mit o.g. Thema zu beschäftigen, bin aber noch nicht sehr tief in die Materie eingedrungen.
    Was habt ihr gelesen, welche Tipps und Empfehlungen könnt ihr mir geben?
    Einige Autoren, die ich bereits gestreift habe: Scholochow, Solschenizyn, Pasternak, Rybakow, die Memoiren von Swetlana Allilujewa und Anna Larina Bucharina oder Wenedikt Jerofejew.
    Bin auf der Suche nach neuen Anregungen, vom sozialistischen Realismus bis zu Dissidentenliteratur. Mangels Russischkenntnissen natürlich nur in der deutschen Übersetzung. Lyrik ausgenommen, da fehlt mir irgendwie der Zugang.


    Freue mich Antworten.


    Last

  • Hallo Last,


    "Der Meister und Margarita" von Michail Bulgakow ist sicher erwähnens- und lesenswert. Ein Hammerwerk, wenn auch sehr umstritten (Plagiatsvorwürfe, wenn ich mich recht entsinne) und zudem propagandistisch angehaucht ist "Der stille Don" von Scholochow.


    Es grüßt


    Sir Thomas

  • Tschingis Aitmatow ist zwar kein Russe, aber "Der Tag zieht den Jahrhundertweg" gehört unbedingt zur sowjetischen Literatur.
    Dann könnte ich noch Jewgeni Jewtuschenko "Beerenreiche Gegenden" empfehlen.


    Und noch ein Tip. Im allgemeinen sind die DDR-Übersetzungen deutlich besser.


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    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Hallo zusammen und Last,


    auch ich habe einiges aus diesen Jahrzehnten gelesen und kann besonders empfehlen:
    Jevgenij Samjatin: "Wir" - ein utopischer Roman und das russische Gegenstück zu Orwells "1984" und Huxleys "Schöne neue Welt".
    Auch sehr lesenswert sind die Romane von Bulat Okudschawa: "Der arme Awrosimov", das während des Dekabristenaufstands spielt und der skurrile Roman "Die Erlebnisse des Polizeiagenten Schipow bei der Verfolgung des Schriftstellers Tolstoj". Samjatin und Okudschawa sind eher regimekritisch. Wenn du etwas aus der frühen, affirmativen Literatur lesen willst, sei dir Alexander Fadejevs "Die Neunzehn" empfohlen oder auch die Autobiografie Maxim Gorkijs in drei Bänden: "Meine Kindheit", Unter fremden Menschen" und "Meine Universitäten".


    HG finsbury

  • Hallo!


    Vielen Dank für eure Antworten und Empfehlungen. Da gibt es ja noch einiges zu tun und zu entdecken. Ich werde als nächstes erstmal Konstantin Simonow in Angriff nehmen. Babels Reiterarmee ist nun auch auf meiner Liste, Fadejevs "Die Neunzehn" ebenso.


    Dostoevskij


    Swetlana Allilujewas "20 Briefe an einen Freund" lege ich dir sehr ans Herz, eine beeindruckende Lektüre, sehr gut geschrieben.
    Danke für deine Liste, da werde ich gleich mal recherchieren :-)


    Last

  • Vor wenigen Jahren mal wieder gelesen und für prima befunden: Tschingis Aitmatow "Djamilla".
    Grüße vom
    :kaffee:
    troll


  • Danke, Thomas, das du dieses Buch erwähnst.


    Man möge mich für ein wenig "durcheinander" halten, aber ich sehe den guten Babel als eine "Art" von "russischen Kafka". Ich habe eine Werkausgabe hier stehen und bin von dieser tiefen Persönlichkeit immer wieder beeindruckt.
    Und wenn in an seine trauriges Ende denke, dann möchte man am liebsten alle Ismen dieser Welt in den tiefsten Orkus der...
    Danke auch für die vielen Literaturtips von Dostoevski, da habe ich dann wieder viel neues entdecken dürfen.


    Liebe Grüße


    Vult

  • Hallo Vult,


    schön, mal wieder was von Dir zu lesen. :smile:


    "Die Reiterarmee" war bislang mein einziger Babel, und das ist auch schon recht lang her, so dass ich über Deinen Gedanken, hier handele es sich um einen "russischen Kafka", staune. So habe ich ihn damals nicht empfunden - ein Grund, noch einmal nachzulesen und darüber nachzudenken ...


    Kannst Du mir weitere lesenswerte Werke dieses Autors empfehlen?


    Liebe Grüße


    Sir Thomas

  • Hallo Thomas,


    zuerst einmal zur Übersetzung seines Romans - Die Reiterarmee, da gibt es eine Neuübersetzung von Peter Urban, sehr genau übersetzt aber dadurch auch ein völlig anderes Buch als, zum Beispiel, die Übersetzung von Dimitri Umanski.
    Von den kleinen Erzählungen wäre zu Erwähnen: Die Geschichte meines Taubenschlages, Jesu Sünde und vielleicht noch - Im Keller.
    Ich hatte das Glück beim Kauf der kleinen Werkausgabe eines Sammlung von Zeitungsausschnitten mit zu Erstehen, dort hat der Verkäufer über viele Jahre lang alles gesammelt, was mit dem traurigen Schicksal Babels auch nur irgendwie zusammen hängt. Das mag für einen anderen Menschen nur Papier sein, für mich ist's ein Schatz den ich treu hüte. Was für ein teuflischer Wahnsinn muss das nur gewesen sein, dieser Stalinismus.


    Liebe Grüße


    Vult

  • Hallo Vult,


    zunächst einmal vielen Dank für Deine Tipps.


    Die Sache mit den unterschiedlichen Übersetzungen der "Reiterarmee" war mir nicht bekannt. Ist es nicht erstaunlich, dass zwei Übersetzer aus einem Werk (wie Du meinst) völlig andere Bücher entstehen lassen? Auch die neue Übersetzung von Dostojewskis "Dämonen" unter dem wohl korrekteren Titel "Böse Geister" soll sich ja nahezu revolutionär von älteren Übersetzungen abheben.



    Ich hatte das Glück beim Kauf der kleinen Werkausgabe eines Sammlung von Zeitungsausschnitten mit zu Erstehen, dort hat der Verkäufer über viele Jahre lang alles gesammelt, was mit dem traurigen Schicksal Babels auch nur irgendwie zusammen hängt.


    Das Glück hatte ich auch einmal. Aus dem antiquarisch erworbenen "Ulenspiegel" von Charles de Coster purzelte eine von Alfred Döblin verfasste Zeitungsrezension heraus - leider ohne Quelle und Datum. Ich habe mich trotzdem darüber gefreut.


    Liebe Grüße


    Sir Thomas

  • Einen schönen Montag alle zusammen!


    Nun, über die Neuübersetzung von Babels Reiterarmee habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich stöbere ja lieber in Antiquariaten, als mir neue Bücher zu kaufen. Also werde ich eben erst mal die alte Übersetzung in Angriff nehmen.


    Am Freitag brachte mir der Postbote einige Bände Simonow, tolle alte DDR-Ausgaben. Simonow war wie Grossman und Ehrenburg Kriegsberichterstatter und begleitete die Rote Armee. Im Gegensatz zu Grossman ein systemkonformer Hardliner, der recht aggressiv zur Rache an den Deutschen aufforderte (wie auch Ehrenburg, der allerdings einen ganz anderen Background hatte).


    Eine Frage am Rande: Kennt von euch jemand "Maxim und Fjodor" von Wladimir Schinkarjow? Habe das Buch zufällig für einige Cent erstanden und bin beim Lesen vor Lachen fast vom Stuhl gekippt. Zwei Alkoholiker, der eine ein wahrer Zen-Meister, der seine ebenfalls stets besoffenen Kumpel mit wahnwitzigen Weisheiten versorgt. Hat mich sehr an Wenedikt Jerofejews "Reise nach Petuschki" erinnert, ist aber noch viel absurder.


    Wünsch euch eine schöne Woche

  • "Literatur" ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, aber lesenwert sind sie dennoch: Solchenizyn, Ginsburg und etwas anders Sinowjev.


    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo,


    vielleicht unbedingt zu empfehlen, und das nicht nur für Liebhaber/Innen großer Gefühle: Wassil Bykau - Alpenballade. Diese Liebesgeschichte steht bei mir auf einer Stufe, wenn man das überhaupt so sagen darf, mit Aitmatows Dshamilja.
    (Aber nun schwören, das es die schönste Liebesgeschichte der Welt ist, das würde ich nun nicht unbedingt, aber die Zweitschönste ist es bestimmt!)


    Auch das übrige Werk dieses ukrainischen Schriftstellers hat sich in meiner Bibliothek so nach und nach "eingefunden". Hier empfehle ich dann sehr seine Novellen wie - Die Brücke von Kruhljani, Der Verrat und die Schlinge.
    Und ein systemkonformer Hardliner war er nie, der Bykau. Übrigens sah sich Bykau in der Tradition Dostojewskis, und so liest sich sein Werk dann auch. Menschliche Bewährung und menschliches Versagen in Extremsituationen, im Zusammenhang mit dem Geheimnis der menschlichen Seele und das alles niemals mit erhobenen Zeigefinger.


    Seine Romane und Erzählungen über den Krieg sind psychologisch und auch menschlich so ganz anders, als die vaterländischen Erblastschinken, die man sonst so gewohnt ist.
    (Und ehrlich gesagt, mit meinem Beitrag wollte ich dann diesen Thread auch wieder ein bisschen zum Leben erwecken!)


    Liebe Grüße,


    Peter