Oskar Maria Graf

  • Hallo zusammen!


    Ich lese gerade in den hinteren Bänden der Werkausgabe von Oskar Maria Graf. Im Band 13 (glaube ich), "Autobiographische Schriften", bin ich dabei auf sein Werk "Dorfbanditen" von 1932 gestossen, wo Graf Anekdoten aus seiner Kindheit und Jugend in einem Dorf am Starnberger See erzählt. Einiges davon mag erfunden sein, aber, wer je der Meinung war, Kinder seien von Natur aus Unschuldsengel, sollte sich dieses Werk mal durchlesen.


    Nicht nur, dass die Knirpse sich illegal Flobertgewehre besorgen und wildern gehen. Um beim Nachbarn ein paar Erdbeeren aus dem Garten klauen zu können, sind sie durchaus bereit, den Wache haltenden Spitz zu erschiessen. Beim Indianerspiel drehen sie ihren Opfern auch schon mal die Augen nach hinten und auch sonst sind blutige Raufereien - auch und gerade unter Brüdern - an der Tagesordnung.


    Kinderarbeit, saufende und raufende Erwachsene, Prügelstrafen und andere Erniedrigungen der Kinder von Seiten der Erwachsenen runden das Bild entsprechend ab ... :sauer:


    Lesenswert.


    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Moin, Moin!


    Ich lese derzeit einen 600-seitigen Sammelband des Aufbauverlages von 1974, den man "Raskolnikow auf dem Lande" betitelt hat und der aus verschiedenen Erzählzyklen zusammengestellt ist (Kalendergeschichten, Mitmenschen, der große Bauernspiegel u.a.). Graf vermochte mich bisher noch mit jedem Buch zu begeistern. Diese Erzählungen sind deftig, oft sehr komisch, aber auch traurig, wenn man sich die Lebensbedingungen und Schicksale vor Augen führt, die die tragischen Momente ausmachen. Was ich gerade nicht weiß: Was sind Häusler? Und was Kleinhäusler? Sind das die Siedler, z.B. Handwerker, die kein Land besitzen wie die Bauern?

  • Moin, Moin!


    Ursprünglich Kleinstbauern ohne Land, aber mit Haus. Mehr findest Du z.B. in der Wikipedia ;)


    Schaut man 1mal nicht selber nach, kriegt mans gleich um die Ohren gehauen. :breitgrins:


    Nach mehr als 400 Seiten OMG erwische ich mich, wie ich den einen oder anderen Fluch oder bayrischen Ausdruck gebrauche. Ich erfahre interessante Details über das bäuerliche Leben damals, über Sitten, Gebräuche und Gegebenheiten. Beispielsweise war es nicht üblich, Gesinde (Magd, Knecht) mitten im Jahr zu entlassen; gängigerweise entließ man sie zu Maria Lichtmess. Schon jetzt kann ich sagen, daß diese Geschichten zum Eindrücklichsten gehören, was ich 2007 lesen durfte.


  • Ich wüßte nicht, daß auch nur eine Zeile in den Büchern Oskar Maria Grafs langweilig wäre...


    Ich hab das "Gelächter von außen" nach 200 Seiten genau deshalb abgebrochen. Anekdotisches Material, in Häppchen zu genießen, mitunter informativ, als Quelle fragwürdig, atmosphärisch wichtig und schon wegen seines "Nachad machma halt a Revolution, damit a Ruh is" wichtig zum Verständnis der Münchner Mentalität. Trotzdem - 500 Seiten? Dazu ist dann doch ein zu formloser Brei.

  • Ich hab das "Gelächter von außen" nach 200 Seiten genau deshalb abgebrochen. Anekdotisches Material, in Häppchen zu genießen, mitunter informativ, als Quelle fragwürdig, atmosphärisch wichtig und schon wegen seines "Nachad machma halt a Revolution, damit a Ruh is" wichtig zum Verständnis der Münchner Mentalität. Trotzdem - 500 Seiten? Dazu ist dann doch ein zu formloser Brei.


    Interessant. Seine längeren Romane habe ich nicht gelesen. Kürzeres und Autobiografisches dagegen einiges (z.B. Dorfbanditen) - und dieses recht gut gefunden. Könnte es sein, dass Graf dort gut ist, wo er Selbsterlebtes schreibt (weil da die Form von aussen vorgegeben ist, bzw. Formlosigkeit entschuldigt ist durch die Formlosigkeit "des Lebens") oder kürzere Geschichten, die Langform aber eben nicht beherrscht?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Jetzt bin ich bezüglich Oskar Maria Graf etwas verwirrt. Ich hatte nämlich auch schon überlegt, einmal etwas von ihm zu lesen. Am besten versuche ich erst einmal etwas kürzeres, dann sehe ich schon, ob es mir gefällt.


    Viele Grüße
    thopas


  • Moin, Moin!



    Normalerweise rate ich, um jemanden kennenzulernen, meist ebenfalls dazu, es mit kleineren Texten zu probieren. In diesem Falle würde ich dir Mut machen und zu <a href="http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/64098">Das Leben meiner Mutter</a> drängen. Thomas Mann nannte es eines seiner allerwichtigsten Bücher.


    Danke für den Buchtip! Der Inhalt klingt sehr interessant, und da es biographisch ist könnte dann sandhofers These hier auch zum Tragen kommen.
    Leider schrecken mich lange Bücher (über 300/400 Seiten) meistens eher ab, denn ich lese relativ langsam; hat also mit OMG nichts zu tun. Trotzdem werde ich das Buch im Auge behalten, vielleicht traue ich mich da doch irgendwann heran.


    Viele Grüße
    thopas


  • Ich sage nur: Dorfbanditen :zwinker:


    Gut. Bei meinem nächsten Besuch in einer Buchhandlung werde ich mir beide nochmal anschauen (falls sie da sein sollten, Dorfbanditen kann ich bei Amazon nicht finden, ist das evtl. vergriffen?). Wenn die Dorfbanditen kürzer (und erhältlich) sind, kann ich ja das als Einstieg benutzen und mich später an Das Leben meiner Mutter wagen :smile:.

  • Dorfbanditen erschien später in einer noch von Graf selber ein bisschen abgeschwächten Form. Da ich aber das Buch im Moment nicht zur Hand habe, kann ich Dir den Titel der Zweitversion nicht sagen. M.W. sind aber beide Versionen vergriffen.


    Die Büchergilde allerdings führt den Text noch - zusammen mit anderm Autobiografischen in: Autobiographische Schriften. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Dorfbanditen erschien später in einer noch von Graf selber ein bisschen abgeschwächten Form. Da ich aber das Buch im Moment nicht zur Hand habe, kann ich Dir den Titel der Zweitversion nicht sagen. M.W. sind aber beide Versionen vergriffen.


    Die Büchergilde allerdings führt den Text noch - zusammen mit anderm Autobiografischen in: Autobiographische Schriften. :winken:


    Schade, ich bin kein Mitglied bei der Büchergilde. Aber vielleicht finde ich es ja mal antiquarisch :smile:.


  • Dorfbanditen erschien später in einer noch von Graf selber ein bisschen abgeschwächten Form. Da ich aber das Buch im Moment nicht zur Hand habe, kann ich Dir den Titel der Zweitversion nicht sagen. M.W. sind aber beide Versionen vergriffen.


    Das wollte ich erst gar nicht glauben, wo es doch diese schöne 13bändige Werkausgabe bei Paul List gibt. Aber das muss wohl "gab" heißen, selbst die Bände, die ich erst vor zwei, drei Jahren gekauft habe, gibt es inzwischen nicht mehr. Sowas.


  • Das wollte ich erst gar nicht glauben, wo es doch diese schöne 13bändige Werkausgabe bei Paul List gibt. Aber das muss wohl "gab" heißen, selbst die Bände, die ich erst vor zwei, drei Jahren gekauft habe, gibt es inzwischen nicht mehr. Sowas.


    Das ist dann wohl dieselbe, die auch von der Büchergilde vertrieben wird, oder? (Eigentlich muss es auch dort heissen "wurde", dann ausser zwei oder drei Bänden in den hohen Nummern gibt's die dort auch nicht mehr ...)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Das ist dann wohl dieselbe, die auch von der Büchergilde vertrieben wird, oder? (Eigentlich muss es auch dort heissen "wurde", dann ausser zwei oder drei Bänden in den hohen Nummern gibt's die dort auch nicht mehr ...)


    Die hängen jedenfalls zusammen. Band I ("Wir sind Gefangene") vermerkt im Impressum: (c) 1994 Paul List Verlag [...] (c) 1982 für das Nachwort Büchergilde Gutenberg.


    (Die hatten da übrigens auch mal eine ziemlich aufwendige Traven-Ausgabe.)