März 2006: Montaigne - Essais

  • Hallo zusammen!


    Immer noch keine sokratische Ironie, sondern gut-aufklärerischen gesunden Menschenverstand, der das Lügen nicht gutheissen will.


    Das Ganze beginnt - leicht irritierend - mit einem Exkurs über schlechtes Gedächtnis, dessen sich Montaigne selber anklagt. Er leitet daraus eine Entschuldigung oder Erklärung ab, warum er gewisse Versprechen nicht eingehalten habe, was ihm natürlich von der Umwelt als böser Wille ausgelegt wurde.


    Von da geht es zur Lüge und direkt (hier kann ich so etwas wie Ironie oder gar Zynismus feststellen) zur aktuellen Politik. Im Gegensatz zu Macchiavelli scheint mir aber Montaigne die geschilderten Praktiken keineswegs gutzuheissen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Beredsamkeit ist für den Advokaten - der Prediger soll über seine Worte nachdenken. Zorn oder andere starke Emotionen können einen Menschen beredsam machen. Montaigne bringt zwar wieder sich selber ins Spiel - dennoch scheint er sich mir in diesem Kapitel wieder zu entziehen, nachdem er in den beiden vorangehendem sich dem Leser zu nähern schien. Merkwürdig ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "xenophanes"


    Nach dem ich inzwischen die ersten 25 Versuche las, kann ich nur zustimmen. Montaigne scheint Platon sehr aufmerksam gelesen zu haben, das kommt an vielen Stellen zum Ausdruck. Mein Verdacht ist, dass diese augenzwinkernde falsche Bescheidenheit von Sokrates inspiriert ist.
    Sokrates betont ja auch immer wieder, er wisse nichts, was eine ähnliche Untertreibung ist. Das Augenzwinkern der beiden ist sehr vergleichbar: subtil aber vorhanden.
    CK


    *lach* Ja, ich bin in der Antike nicht sehr belesen.
    Claro, Sokrates!


    Ansonsten - ich kenn natürlich auch den Machiavell nicht. Aber weiß genug drüber, dass auch ich das nicht zwangsläufig negativ belege.


    Was den Zynismus betrifft, sollten wir vielleicht berücksichtigen, dass der ja auf die Kyniker zurückgeht. Ich verwende auch diesen Begriff nicht im modernen Sinne.


    Ich glaub nicht, dass Montaigne ein Machtpolitiker war. Eher einer, der zwischen den Fronten agierte, durchaus mit seinen Überzeugungen -
    er favorisierte bspw. Heinrich von Navarra -
    aber er war doch viel zu gebildet, um nicht das machtpolitische Spiel zu durchschauen.


    Also, seinen Überzeugungen, bspw. dem Katholizismus, auf dessen Seite er ja stand, dienen - auf pragmatische Weise.


    Das mit dem Rückzug auf sein Gut, in seinen Turm, um sich aus den Streitigkeiten, es war ja wohl ein Bürgerkrieg, zeitweise zu verkrümeln, halte ich für ganz schlüssig.
    Er hat es ja auf die Art, obwohl in exponierter Position, geschafft, am Leben zu bleiben - und im Bett zu sterben.
    Das haben viele andere nicht hingekriegt.


    Andererseits -
    hau ich noch eine hemdsärmelige Theorie rein - :wink:
    mag er doch auf die Art, zeitweise, der Ur- und wichtigste Kyniker, nämlich Diogenes gewesen sein. Der Turm als Tonne.
    Und nahm sich also auf die Art von beidem das, was ihm zusagte, und wann es ihm zusagte.
    Weil die Tonne allein ihm langweilig gewesen wäre.
    Wenn da denn was dran ist, jedenfalls eine recht konsequente und erfolgreiche Art der Lebensgestaltung.
    Nimm dir aus deiner durch deine Lektüre untermauerten Lebenserfahrung das, was passt.
    Ich erwarte Widerspruch !!! :breitgrins:


    Bleibt die Frage, warum er überhaupt mitmachte.
    Meiner Ansicht nach erstmal, weil er es wollte, vielleicht haben ihm diplomatische Winkelzüge ja Spaß gemacht.


    Und er war sicherlich Anhänger einer (zeitweisen) Vita Activa. Aus dieser zog er doch auch seine Schlüsse, die er dann in den Essais verarbeitete.
    Für einen gelehrten Egghead wäre das doch wohl nicht zu machen gewesen. :wink:


    Aber ich hab auch gelesen, dass ihm das Amt als Bürgermeister von Bordeaux aufgedrängt wurde.
    Der König wollte nämlich, dass er es machte.


    LG
    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Tach.


    Denke mit der sokratischen Ironie meint man die Art, mit der sich Sokrates in Platons Dialogen ahnungslos stellt und seinen Gegenüber dann solange befragt, bis diesem selbst klar wird, dass sein Wissen begrenzt ist.
    Könnte beispielsweise so aussehen, jemand redet über Tugend, Sokrates fragt ihn "was ist das, die Tugend?", dann versucht sich der Gegenüber an einer Definition, dann fragt Sokrates weiter, fragt nach Feinheiten, "ist dieses nicht auch Tugend?", "und jenes?".


    Zitat


    "...da gewann ich den Eindruck, daß dieser Mann wohl weise zu sein schien - nach dem Urteil vieler anderer Leute und vor allem nach seinem eigenen -, ohne es indessen wirklich zu sein, und ich versuchte ihm klarzumachen, daß er sich zwar einbilde, weise zu sein, daß er es jedoch nicht war. So kam es, daß ich mich bei ihm und bei vielen der Anwesenden verhaßt machte;" (Platon: Apologie, Übers. Fuhrmann, Reclam, S.9)

  • Hallo zusammen!


    Ich habe nun die gebundene Ausgabe zu Hause. Langsam komme ich, glaube ich, auch in den Text hinein. Mir scheint, Montaignes Bemerkungen werden nun auch persönlicher, d.h. mehr aus dem persönlichen Erfahrungsschatz gezogen.


    xenophanes: Ich habe einen Anhang gefunden und einbinden lassen, der die fremdsprachigen Zitate übersetzt und ausweist.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!


    Zitat von "sandhofer"


    Ich habe nun die gebundene Ausgabe zu Hause. Langsam komme ich, glaube ich, auch in den Text hinein. Mir scheint, Montaignes Bemerkungen werden nun auch persönlicher, d.h. mehr aus dem persönlichen Erfahrungsschatz gezogen.


    Schön. Wie machen wir jetzt weiter? Ich denke mal, wir schaffen es nicht, jeden einzelnen Essay hier zu erwähnen. Suchen wir uns die Interessantesten aus?


    Ad Zitate: Kann man das irgendwo kaufen :smile:


    CK

  • Hi!


    Zitat von "xenophanes"

    Schön. Wie machen wir jetzt weiter? Ich denke mal, wir schaffen es nicht, jeden einzelnen Essay hier zu erwähnen. Suchen wir uns die Interessantesten aus?


    Macht wohl am meisten Sinn. Wobei, da wohl jeder was anderes interessant findet, halt dann verschiedene Essais diskutiert werden können.


    Zitat von "xenophanes"

    Ad Zitate: Kann man das irgendwo kaufen :smile:


    Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt, tut mir leid. Was ich meinte, war, dass ich in der Kartonschachtel, in der die Bögen meiner Ausgabe geliefert wurden, beim Buchbinder diese Anhänge gefunden habe und sie mit den andern Blättern zusammenbinden liess. Sie gehören also zu meiner Ausgabe und sind wohl nicht separat zu haben.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Und wieder bin ich ein Stück weiter. Vor allem die Kapitel 20 und 25 haben es mir angetan.


    20 (Philosophieren heisst sterben lernen) kam mir dabei ungeheuer bekannt vor, ich weiss nun nicht, ob das ist, weil ich in meinen Auswahleditionen, die ich mal gelesen habe, diesen Essai auch schon gefunden habe oder ob ich Ähnliches bei andern Denkern schon fand.


    25 (Über die Pedanterie) ist nur schon deshalb interessant, weil er sich auch über sich selber belustigt. (Und: die hochtrabend klingend, aber nur eitel Wortgeklingel darstellende Fachsprache diverser Wissenschaften scheint es schon zu Montaignes Zeiten gegeben haben ... )


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Unterdessen habe ich wohl mehr oder weniger die Kurve gekriegt und komme mit den Essais munter vorwärts.


    Beeindruckt hat mich der über Pädagogik. Wie sich alle, inkl. Diener, die Mühe gaben, mit Klein-Montaigne nur Latein zu reden, damit er diese Sprache quasi als Muttersprache lernt, war amüsant. Es wäre interessant, zu verfolgen, welche Auswirkungen auf die spätere Pädagogik solche kleinen Passagen gehabt haben. Rousseau, Pestalozzi & Co.: Kannten sie sie? Goethe, der immer propagierte, man solle die Kinder aufwachsen lassen wie die Jungs der Piraten, gleich auf dem Schiff, gleich mit dem echten Leben konfrontiert - wieviel hat er aus Montaigne genommen? (Wobei bei Goethe der praktische Erfolg - zumindest beim eigenen Sohn - ja eher zweifelhaft war ...)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!


    Zitat von "sandhofer"


    Und wieder bin ich ein Stück weiter. Vor allem die Kapitel 20 und 25 haben es mir angetan.
    20 (Philosophieren heisst sterben lernen)
    25 (Über die Pedanterie)


    Ich kann nur zustimmmen. Nr. 20 enthält eine Reihe von bedenkenswerten Ausführungen. In vielen Varianten führt Montaigne aus, dass man den Tod nicht verdrängen soll, sondern sich intensiv mit ihm auseinandersetzen:


    Zitat

    Nach nichts erkundige ich mich eingehender als darnach, wie ein Mensch gestorben sei: mit welchen Worten, welchem Gesicht und welcher Haltung; und in den Geschichtsbüchern gibt es keine andere Stelle, der ich einesolche Aufmerksamkeit widmete.


    Nr. 25 fand ich ebenfalls sehr hübsch. Anachronistisch erinnerte mich seine Ausführungen über die Spätscholastiker an unsere postmodernen Zeitgenossen, die ja ebenfalls gerne mit semantisch leeren Worthülsen um sich werfen. Er spricht sich auch gegen reine Stubengelehrsamkeit aus:


    Zitat

    Wie die Pflanzen and zuviel Nässe eingehen und die Lampen an zuviel Öl ersticken, kommt auch die Tätigkeit des Geistes durch zuviel Studium und Stoffhuberei zum Erliegen, weil er, von der ungeheuren Vielfalt der Dinge bis zur Verwirrung in Anspruch genommen wird, die Fähigkeit verliert, sich hiervon wieder freizumachen, so daß er unter der Last schließlich krumm und schief wird.


    Zitat von "sandhofer"


    Beeindruckt hat mich der über Pädagogik. Wie sich alle, inkl. Diener, die Mühe gaben, mit Klein-Montaigne nur Latein zu reden, damit er diese Sprache quasi als Muttersprache lernt, war amüsant.


    An späterer Stelle schreibt er einmal, dass er deshalb mit der theoretischen Grammatik auf Kriegsfuß stehe, weil er sie nie explizit gelernt habe.


    Ich bin inzwischen mit dem ersten Buch fertig sowie mit der Hälfte des "Cambridge Companion".


    CK

  • Mich hat bei der ersten Lektüre am meisten die Nr. 21 "Über die Macht der Phantasie" beeindruckt, mit Monsieur Montaignes detaillierten und sehr witzigen Auslassungen über den Ungehorsam eines gewissen Körperteils.
    Es fällt mir schwer, daraus was bestimmtes anzuführen, das muss man sich am Stück auf der Zunge zergehen lassen.


    Das bei Stilett, Taschenbuch-Ausgabe, Seite 153/154 beschriebene "Affentheater" scheint mir dir Beschreibung eines Placebo-Rezeptes zu sein.


    Etwas tiefer betrachtet offenbart es tiefe Einsichten in psychische Probleme.


    Ich habe versucht rauszukriegen, ob die Essais wirklich planlos thematisch gestreut sind, oder ob es ein scheinbares Sammelsurium ist, in dem eine Ordnung steckt.


    Gruß
    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Leibgeber"

    Mich hat bei der ersten Lektüre am meisten die Nr. 21 "Über die Macht der Phantasie" beeindruckt, mit Monsieur Montaignes detaillierten und sehr witzigen Auslassungen über den Ungehorsam eines gewissen Körperteils.


    Auch sehr amüsant, richtig. Mich irritiert immer wieder die Freigiebigkeit, mit der Montaigne seinen Essais Titel austeilt. Es ist immer wieder faszinierend, was er unter einem beliebigen Titel tatsächlich schreiben wird. Für mich hat es oft mit dem Titel herzlich wenig zu tun. Absicht?


    Ich komme nicht regelmässig dazu, 3 Essais am Tag zu lesen. Dazu habe ich noch zuviel anderes um die Ohren. Allenfalls, wenn ich über die Ostertage ein bisschen mehr lesen kann, habe ich einen monatlichen Schnitt von 3 täglichen Essais vorzuweisen.


    Aber ich gehe jetzt dann gleich weiterlesen. :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Auch sehr amüsant, richtig. Mich irritiert immer wieder die Freigiebigkeit, mit der Montaigne seinen Essais Titel austeilt. Es ist immer wieder faszinierend, was er unter einem beliebigen Titel tatsächlich schreiben wird. Für mich hat es oft mit dem Titel herzlich wenig zu tun. Absicht?


    Meiner Ansicht nach betreibt er das so konsequent, dass es Absicht sein muss. Übrigens ist ja auch stets irgendein Aufhänger für den Titel im jeweiligen Essai vorhanden.
    Eine Kunst konsequenter Abschweifung, bei der mir die oben gestellte Frage kommt:
    Inwieweit lässt sich da ein System rauslesen?

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Zitat von "xenophanes"

    An späterer Stelle schreibt er einmal, dass er deshalb mit der theoretischen Grammatik auf Kriegsfuß stehe, weil er sie nie explizit gelernt habe.


    Hallo zusammen!


    Ist das zu Beginn eines Essais über Pferde und Sättel? Ich bin immer wieder von neuem bass erstaunt über den tatsächlichen Inhalt seiner Essais.


    Im übrigen geht es im Moment gut vorwärts. Ich habe mich wohl an Montaignes Verwirrspiele gewöhnt.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!


    Im Rahmen meiner Vorbereitung für die Leserunde über Heinrich Manns "Henri Quatre" fand ich einen Querverweis auf Montaigne:



    Zitat

    Von 1582 bis 1585 amtierte M. sodann als Bürgermeister von Bordeaux. In dieser Position vermittelte er auch zwischen den Parteien der in Frankreich wütenden Glaubens- und Bürgerkriege (Hugenottenkriege, 1562-98), wobei er mithalf, die Einnahme Bordeaux' durch die katholische Liga (gegr. 1576) zu verhindern. Bestimmt war seine Mittlertätigkeit, die er bereits in früheren Jahren verschiedentlich durchgeführt hatte, u.a. als Berater der rivalisierenden Könige Heinrich III. (1574-89) und Heinrich IV. (Heinrich von Navarra; 1589-1610), von einer irenischen Haltung. Dem Bekenntnis der Väter folgend, blieb er der katholischen Kirche zugeneigt. - In seinen letzten Lebensjahren widmete sich M. der Überarbeitung seiner »Essais«, die, erweitert um ein drittes Buch, 1588 in Paris neu aufgelegt wurden.


    Hier ist der Link zum ganzen Artikel, der im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon erschienen ist:


    http://www.bautz.de/bbkl/m/Montaigne.shtml


    Gruß
    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Hallo zusammen!


    Ich bin nun mit Buch 2 zu ca. 3/4 durch. Wie in einem Tryptichon ein ungeheuer grosser Essai in der Mitte des Werks - alles dem Thema Glauben gewidmet. Wohl das grosse Thema zu Montaignes Zeit, neben dem Tod. Der Essai über Bücher natürlich für jeden Bibliophilen ein Muss.


    Und die Art, wie Montaigne damit kokettiert, dass er immer wieder alles vergisst ... köstlich.


    Hier auch die Rechtfertigung dafür, dass er keine Quellenangaben gibt. Fehler sollen ihm und nicht dem Zitierten angelastet werden. Wenn das heutzutage Schule machen würde :entsetzt: !


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!


    Zitat von "sandhofer"

    Ich bin nun mit Buch 2 zu ca. 3/4 durch. Wie in einem Tryptichon ein ungeheuer grosser Essai in der Mitte des Werks - alles dem Thema Glauben gewidmet.


    Damit hast du mich überholt. Ich fing heute gerade mit "Raymond Sebond" an. Ich frage mich die ganze Zeit, was Montaigne von einem Aufklärer aus dem 18. Jahrhundert unterscheidet, und kann kaum etwas finden. Er scheint mir, irgendwie aus der Zeit herausgefallen zu sein. Etwa wenn er die Ähnlichkeit von Tieren und Menschen betont (ist eigentlich schon "postdarwinistisch") oder seine Ausführungen zu Grausamkeit und Folter.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "xenophanes"

    Damit hast du mich überholt.


    Ich habe ein völlig verregnetes Strohwitwer-Wochenende hinter mir und habe davon profitiert!


    Zitat von "xenophanes"

    Ich frage mich die ganze Zeit, was Montaigne von einem Aufklärer aus dem 18. Jahrhundert unterscheidet, und kann kaum etwas finden. Er scheint mir, irgendwie aus der Zeit herausgefallen zu sein.


    Ganz so empfinde ich es nicht. Immerhin hatten wir vor Montaigne schon z.B. Erasmus (den ich bisher noch nicht erwähnt gefunden habe bei Montaigne) oder Machiavelli (den er, glaube ich, erwähnt hat). Beide empfinde ich als ähnlich "aufgeklärte" Autoren.


    Und letztlich, auch wenn Montaigne sehr vorsichtig formuliert, bleibt er ja überzeugter Katholik. Während die späteren französischen Aufklärer ja doch stark zum Atheismus tendierten.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!


    Zitat von "sandhofer"


    Ganz so empfinde ich es nicht. Immerhin hatten wir vor Montaigne schon z.B. Erasmus (den ich bisher noch nicht erwähnt gefunden habe bei Montaigne) oder Machiavelli (den er, glaube ich, erwähnt hat). Beide empfinde ich als ähnlich "aufgeklärte" Autoren.


    Erasmus' "Das Lob der Torheit" beispielsweise wirkt auf mich aber deutlich "älter" als die Essais. Wollte hier Montaigne aber auch kein Alleinstellungsmerkmal zuerkennen. Was den Katholizismus angeht, gebe ich dir recht, obwohl viele Aufklärer auch religiös waren.


    Vielleicht liegt es auch an der (modernen) Übersetzung, dass sich dieser Eindruck bei mir einstellt.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Lektüren beeinflussen sich ja gegenseitig. Vielleicht liegt es bei mir auch daran, dass ich gerade vor Montaigne Burton gelesen habe, der ähnlich scheinbar "chaotisch" (oder eben: essaistisch) in seinem Thema herumfuhrwerkt wie der Franzose. Der vielleicht noch extremer hier positiv und zwei Seiten später negativ über ein und dasselbe urteilen kann. Und ja auch praktisch gleich alt ist.


    Eher würde ich die beiden sogar als "post-modern" bezeichnen - in dem Sinne, wie wohl ein Wikipedia-Autor Umberto Ecos Der Name der Rose als ersten post-modernen Roman charakterisiert hat: eine ungeheure, auf den ersten Blick disparate Anhäufung von Wissen, ohne dabei immer gleich eine Zensur austeilen zu müssen. (Wobei ich die Bezeichnung "erster" bei Eco für falsch halte ... Aber das ist ein anderes Thema.)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus