Hallo Rainer
Das mit der Angst Don Abbondios habe ich schon auch so verstanden. Ich fand es nur etwas drastisch dem Kardinal zu unterstellen, daß er lieber Don Abbondios Tod in Kauf genommen hätte, als den kirchlichen Dienst zu verweigern. Daß die Hochzeit gleich am nächsten Tag stattgefunden hätte und der Kardinal nichts mehr hätte ausrichten können, daran habe ich in der Tat nicht mehr gedacht. Aber Du hast schon Recht. So ein Kardinal hat leicht reden. Don Abbondio sagt ja auch nach dem Vorfall mit den Bravi zu Perpetua: "Wenn ich eine Kugel in den Rücken bekäme - Gott behüte! - meinst Du, der Erzbischoff würde sie mir herausziehen?". Ein Argument, dem man sich in der Tat nur schwer verschließen kann.
Was ich denke, was der Kardinal gemeint hat, wird in den nachfolgenden Kapiteln über die Flucht auf die Burg des Unbekannten deutlich. Da wird der arme Don Abbondio zur regelrechten Witzfigur. Ein ängstlicher Schwächling, unfähig Entscheidungen zu treffen, voller Zweifel und Bedenken. Ohne Vertrauen in sich und auf Gott, was man ja von einem Pfarrer erwarten sollte. Von ihm kommt nie ein Satz wie z. B. "Es wird schon gut gehen, der Herr wird uns beschützen". Eigentlich wäre es die Aufgabe eines Pfarrers, seinen Mitflüchtenden Mut zu machen und zu trösten. Aber das genaue Gegenteil tritt ein. Ihm muß von zwei Frauen Mut gemacht werden. Sein beherrschender Gedanke ist: "Worauf habe ich mich da nur eingelassen?". Der Mann ist als Pfarrer eine glatte Fehlbesetzung. Und Kardinal Federigo meint zu ihm: "Wovor hast Du eigentlich Angst? Vertraue doch auf Gott, Deine Kirche und Dich selbst. So schlimm kommt es schon nicht." Zitat: "Wußtet Ihr nicht, daß der Mensch, so wie er zu oft mehr verspricht, als er halten kann, nicht selten auch mehr androht, als er wirklich zu tun wagt? Wußtet ihr nicht, daß Gottlosigkeit nicht allein auf ihrer Stärke beruht, sondern immer auch auf der Leichtgläubigkeit und dem Erschrecken der anderen?". Erst durch seine Schwäche verhilft er anderen zu ihrer (vermeintlichen) Stärke. Und genau das hat ihm seine Haushälterin Perpetua ganz zu Anfang (S. 35) auch schon sinngemäß gesagt: "Hunde die Bellen beißen nicht", wie er sich ja auch erinnert.
Trotz, oder wegen, seiner menschlichen Schwächen ist mir Don Abbondio doch sehr sympathisch und wie ich finde eine der farbigsten Figuren der Geschichte.
ZitatAm besten, finde ich, kann Manzoni Gegenden, Situationen beschreiben. Viel besser als Menschen.
Davon bin ich auch sehr beeindruckt. Zu dem Pest-Kapitel komme ich zwar erst noch, aber wie er die Hungersnot in Mailand oder die Situation der Flüchtlinge beschreibt ist schon überwältigend. So farbig, plastisch und anschaulich. So wie es mal in einem Werbespruch hieß: Mittendrin statt nur dabei
Viele Grüße
ikarus