Herman Melville


  • Hatte jetzt Melville „Paradise Lost“ gelesen oder kannte er nur Shelleys Kommentar?


    Da ich heute mit dem „Moby-Dick“ begonnen habe, habe ich mir auch ausführlicher den Kommentarteil angesehen und folgendes entdeckt:


    „Die Benutzerspuren und z.T. ausgemerzten Randnotizen Melvilles in seiner Ausgabe von Miltons „Poetical Works“ belegen die Wichtigkeit von Miltons puritanischer Weltdichtung für sein eigenes Schaffen.“


    das bestätigt Toms Meinung, dass Melville von Milton beeindruckt und beeinflusst war und
    weiterhin Toms Hinweis, dass man den guten Geistern des Forums (wie z.B. Tom) vertrauen kann. :zwinker:

  • @ Hubert:


    Gar keine Frage. Kenntnis und Verarbeitung sind belegt.


    Daniel Göske schreibt in seiner voluminösen Melville-Biografie „Ein Leben“ auf S. 751, Melville habe Paradise Lost gekannt und bezieht sich auf eine genau bezeichnete Stelle (II:560), in der es wohl um die Idee des freien Willens geht. Und:


    Zitat

    „Melville kannte das berühmte Versepos, aber auch andere Werke John Miltons gut und übertrug die Sprache des großen puritanischen Dichters häufig auf die philosophischen Kernfragen seiner eigenen Zeit.“

  • Zwei weitere Quellen gehen auch wie selbstverständlich davon aus: Andrew Delbanco in seiner Melville-Biographie, und außerdem die "Reiseberichte", dort im Nachwort.


    Alles andere hätte mich übrigens schon sehr erstaunt.

  • Mittlerweile beendet: Herman Melville – Ein Leben (Briefe und Tagebücher), herausgegeben von Daniel Göske


    Diese Mischung aus Biografie und Dokumentensammlung lotet die Existenz eines Schriftstellers aus, der sich in der zweiten Hälfte seines Lebens dem Literaturbetrieb konsequent verweigerte, ohne jemals mit dem Schreiben aufgehört zu haben. Beeindruckend!


    Besonders interessant sind die Details aus der Welt der damaligen Literaturkritik. Während die US-Kritiker Melville seit „Moby Dick“ und „Pierre“ als seriösen Autor abgeschrieben hatten, genoss er in Großbritannien die Wertschätzung der Rezensenten. Der Herausgeber Göske leitet daraus ab, dass der britische Literaturbetrieb um 1850 sehr viel höher entwickelt war als sein mit bigotten Argumenten operierendes Pendant jenseits des Atlantiks. Auch das Verlagswesen war in England längst nicht so kommerzialisiert wie in den USA.


    Beklemmend fand ich die Passagen, die Melvilles zum Teil hilfloses Bemühen um Kontakte in die damalige New Yorker Literatenwelt belegen. Wie sehr suchte er den Austausch mit dem älteren und bewunderten Kollegen Nathaniel Hawthorne, der ihn jedoch kühl auf Distanz hielt! Auch der damalige New Yorker Literaturpapst Evert Duyckinck behandelte den Autodidakten Melville bestenfalls mit distanzierter Freundlichkeit. Nach „Moby Dick“ wandte Duyckinck sich von Melville ab, mit der heuchlerischen Begründung, der Autor habe das religiöse Gefühl seiner Landsleute verletzt. Das alles hat Melville sehr geschmerzt – und letztlich zu seinem Verstummen beigetragen.


    Sehr intensiv sind auch die Reisetagebücher. Vor allem die zweite große Reise Melvilles (Konstantinopel, Kairo, Jerusalem, Rom) steht unter der Überschrift „Desillusionierung“. Die dem Verfall und dem Massentourismus preisgegebenen Stätten der abend- und morgenländischen Kultur erzeugen bei ihm abwechselnd Grauen, Leere oder Melancholie. „Alles glänzt und nichts ist aus Gold. Ein ekelerregender Betrug“, schreibt er über Jerusalem. Auch Italien enttäuscht: „Es gibt keinen Ort, wo ein Einsamer sich einsamer fühlen wird als in Rom.“ Welch ein Kontrast zum Italienreisenden Goethe!


    Fazit: Wer sich für Melville und die US-Literatur interessiert, sollte sich diese Schwarte nicht entgehen lassen.


  • Danke Tom,


    deine Ausführungen motivieren, sich möglichst bald mit Melville zu beschäftigen, wenn er auch nicht für die nächsten Monate auf meinem Leseplan steht.


    finsbury


    ich schließe mich an. Sehr motivierend, Tom, danke :-)


    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hat einer von Euch das lyrische Werk Melvilles (z.B. Battle Pieces und/oder Clarel) gelesen? Interessieren würde es mich schon - und sei es nur, um zu sehen, welchen Standpunkt Melville zwischen den beiden US-Großlyrikern Poe und Whitman einnimmt.


    LG


    Tom

  • Die "Neue Rundschau" aus dem Fischer-Verlag widmet sich seit der Februar-Ausgabe ausführlich dem "Moby Dick". Das Projekt ist auf Jahre angelegt. Interessant!



    Tatsächlich, ja. Wobei ich schon das Schlussresultat in Händen zu halten wünschte ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Israel Potter empfand ich auch als sehr empfehlenswert. Wer Moby Dick mochte, wird dies ebenfalls tun :)

    Leben heißt: Nicht zu warten, wenn ein Sturm da ist, sondern lernen im Regen zu tanzen.

  • Im Rahmen meiner letzten Moby-Dick-Lektüre stolperte ich im Kommentarteil immer wieder über ein Buch, das Melville sehr inspiriert haben soll: Robert Burtons "Anatomie der Melancholie" aus dem Jahr 1621. wikipedia gibt ein wenig Aufschluss über den Autor und das seinerzeit wohl recht berühmte Werk. Hat jemand die "Anatomie ..." gelesen? Lohnt das?


  • Im Rahmen meiner letzten Moby-Dick-Lektüre stolperte ich im Kommentarteil immer wieder über ein Buch, das Melville sehr inspiriert haben soll: Robert Burtons "Anatomie der Melancholie" aus dem Jahr 1621. wikipedia gibt ein wenig Aufschluss über den Autor und das seinerzeit wohl recht berühmte Werk. Hat jemand die "Anatomie ..." gelesen? Lohnt das?


    Noch nicht - ich habe mir das Manesse-Bändchen "Schwermut der Liebe" erst vor kurzem gekauft und bisher nur 2, 3 Stellen angelesen. So z.B. "... wie denn gar manche Edelfrau, im schuldigen Bewußtsein ihrer Mängel und der Verwendung künstlicher Mittel, sie fortzutäuschen, nicht gern bei Tage sich sehen läßt, sondern lieber bei Nacht ..." (S. 164) :breitgrins:


    Laut Klappentext ist diese Auswahl aus "Anatomie ..." über die Liebe und Liebesmelancholie dem heutigen Leser der zugänglichste Teil, gleichzeitig soll er "in diesem dunklen Werk wohl der lichteste" sein. Mal sehen. Die deutschsprachigen Ausgaben sind, glaube ich, alles Auswahlbände.


    Gruß, Gina