Sigmund Freud

  • Hallo alle,


    eigentlich könnten wir für Sigmund Freud doch einen eigenen Thread eröffnen, oder? :zwinker:


    Harald: Wenn du Irving Stones Romanbiographie "Der Seele dunkle Pfade" liest, sag doch bitte vorher kurz Bescheid. Vielleicht passt es zeitlich gerade schön zusammen, dann könnten wir das Buch gemeinsam lesen und uns hier darüber austauschen, was meinst du?


    Und wie das eben so ist mit den Zufällen, ist mir heute in der Buchhandlung ein (laaanger *g*) Schuber mit den gesammelten Werken Freuds als TB aufgefallen. Das komplette Werk werden wahrscheinlich die wenigsten Leute tatsächlich lesen, aber ich bin trotzdem ziemlich drum rumgeschlichen ... :rollen:


    Liebe Grüße,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo Bluebell,


    Zitat von "Bluebell"

    Wenn du Irving Stones Romanbiographie liest...


    Das mache ich gern. Obwohl ich nicht sagen kann, wann es sein wird, weil ich noch mehr als 250 Titel auf meinem SUB liegen haben (womit ich im Prinzip für die nächsten fünf Jahre ausgesorgt habe...). Melde Dich doch gleichfalls, wenn Du loslegen möchtest.


    Ich kann mir übrigens lebhaft vorstellen, wie Du um den Schuber "herumgeschlichen" bist und so getan hast, als ob Du ihn nicht meinst, und wie der Schuber so getan hat, als ob er es nicht merkt... erinnert mich irgendwie an früher... Kontaktaufnahmen anderer Art...


    :breitgrins:


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hi Harald!


    Zitat von "Harald"

    Ich kann mir übrigens lebhaft vorstellen, wie Du um den Schuber "herumgeschlichen" bist und so getan hast, als ob Du ihn nicht meinst, und wie der Schuber so getan hat, als ob er es nicht merkt... erinnert mich irgendwie an früher... Kontaktaufnahmen anderer Art...


    :lol: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.


    Mein SUB macht zwar nicht einmal ein Fünftel des deinigen aus, aber so bald werde ich mit den dunklen Pfaden wohl auch nicht anfangen. Wenn es soweit ist, melde ich mich natürlich hier.


    Und was die Primärliteratur (vulgo "den Schuber" :breitgrins: ) betrifft:


    Zitat von "Sandhofer"

    Habe ich Freud gelesen? Sicher. Praktisch alles ausser seinen wirklich psychoanalytisch ausgerichteten Beiträgen, wo er seine Fallbeispiele aufrollt. Und auch die würden wohl eine Lektüre lohnen. Weil: Lohnt sich Freud? Natürlich. Sekundärliteratur kenne ich keine, die ich jetzt empfehlen könnte. Aber Freud ist m.M. auch ohne solche zugänglich.


    Zitat von "Roquairol"

    Sigmund Freud, "Die Traumdeutung"
    Freud kann ich sehr empfehlen - erstens hat mich das Buch inhaltlich überrascht (man glaubt ja, schon mehr oder weniger zu wissen, was es enthält, aber das ist ein Irrtum ...), zweitens ist es sehr gut geschrieben.


    Das ist nicht unbedingt das, was mein Studentenkonto hören wollte ... :rollen:
    Noch dazu ist der Schuber z.B. bei Amazon anscheinend gar nicht mehr erhältlich, und nun steht er in diesem Geschäft so herrlich dekorativ in der Gegend herum ... es ist zum Mäuse melken! :grmpf:


    Gruß,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo Bluebell,


    Zitat von "Bluebell"

    Noch dazu ist der Schuber z.B. bei Amazon anscheinend gar nicht mehr erhältlich


    Anscheinend doch, siehe hier:


    http://www.amazon.de/exec/obid…1_3_1/028-4130746-7978104


    für sensationell günstige 75,- Euro. Dass Du den Schuber nicht gefunden hast, war sicher eine Freudsche Fehlleistung :breitgrins: Für Versandadressen außerhalb Deutschlands gibt es noch einmal einen Rabatt von 5%. Das ist so gut wie geschenkt, da muss man doch zugreifen, oder?


    Übrigens habe ich vor vielen Jahren schon einmal das eine oder andere von Freud gelesen, kann mich aber nicht mehr genau daran erinnern, was es war. Ich weiß aber noch, dass die Texte sehr gut geschrieben waren. Außerdem waren die Fallbeispiels aus Freuds Praxis zum Teil sehr interessant.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"

    Das komplette Werk werden wahrscheinlich die wenigsten Leute tatsächlich lesen


    Hm. Mehr oder weniger alles gelesen haben könnten wohl alle (ergänze jeweils "Amateur-" und "Profi-") Psychoanalytiker, Soziologen, viele Literatur- und Sprachwissenschafter, Philosophen, Psychologen, Anthropologen ...


    Was ich sagen will: Freud gehört m.M. auch im 21. Jahrhundert zur Grundausstattung jedes belesenen Menschen. Oder sollte gehören ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "Bluebell"

    eigentlich könnten wir für Sigmund Freud doch einen eigenen Thread eröffnen, oder?


    Ich komme nicht umhin, anzumerken, dass ich Freud für einen der meistüberschätzten Bücherproduzenten des letzten Jahrhunderts halte, der mehr als eine Generation von Geisteswissenschaftlern verdorben hat.


    Wenn man sich die klassische Psychonanalyse ansieht, stellt man fest, dass diese nicht wie eine Wissenschaft, sondern wie eine Religion funktioniert. Das auf den verschiedensten Ebenen: Erkenntnistheoretisch (empirisch nicht zu falsifizierende Kernthesen; kontrakdiktorische Erklärungsmöglichkeiten, Kaugummisemantik was die Begrifflichkeit angeht). Soziologisch durch schnelle Bildung von Sekten und Ausgrenzung von Ketzern. Moralisch durch eine Art alleinseligmachende Erlösungsanspruch ...


    Erfreulicherweise gibt es längerer Zeit eine Fülle von guter kritischer Literatur zur Psychoanalyse. Wer sich dafür interessiert, sollte die Bücher von Frederick Crews lesen.


    Wissenschaftsgeschichtlich wird die Psychoanalyse einmal ähnlich gesehen werden wie heute die Astrologie im 16. Jahrhundert, und man wird sich erstaunt die Augen reiben, was ein (eigentlich so offenkundiger Unsinn) an den Universitäten verloren hatte.


    Dass Freud einen guten Stil hat habe ich damit nicht bestritten :smile:


    CK

  • Hallo xenophanes,


    Es scheint mir nach Deinem Einwand (ob berechtigt oder nicht) angebracht, zwischen der "Kirche" Psychoanalyse und ihrem Propheten Freud zu unterscheiden. Insofern kann ich nicht nachvollziehen, aus einer kritischen Distanz zu dieser Kirche darauf zu schließen, dass Freud überschätzt wird. Was kann der gute Mann für das, was andere aus seinem Werk gemacht haben?


    Soll ich die Propheten des Alten Testaments, oder Jesus von Nazareth, oder die Bibel als "Klassiker" für überschätzt halten, weil die Menschen eine Religion mit allen negativen Begleiterscheinungen daraus gemacht haben?


    Anders gefragt: Sind Deine Kritikpunkte (mangelnde Falsifizierbarkeit, inkonsistente Theorien, vage Semantik) schon auf Freuds Schriften anwendbar? Und ist diese Kritik wissenschaftlich bewiesen, oder... nur eine andere Meinung?


    Dass Du aber nun selber unter die Propheten gehst ("wird einmal ähnlich gesehen werden...") ts ts, ist das wissenschaftlich?


    :smile:


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "xenophanes"

    Wenn man sich die klassische Psychonanalyse ansieht, stellt man fest, dass diese nicht wie eine Wissenschaft, sondern wie eine Religion funktioniert.


    Wenn man, wie Du m.M.n. es implizit tust, "Wissenschaft" am Ideal der heutigen Naturwissenschaft misst, hast Du Recht. Wenn man die Psychoanalyse zu den (wie ich sie mal nenne) Humanwissenschaften rechnet, sieht das schon wieder anders aus. Weil dort z.B. die Falsifizierbarkeit einer These nicht unbedingt gegeben ist. Man kann natürlich, wie es (wenn ich mich recht erinnere) z.B. die Wiener Schule tat, alles, das nicht den Kriterien einer Naturwissenschaft entspricht, als unwissenschaftlich abtun. Was mir persönlich eine ebenso unwissenschaftliche, übrigens imho selbst ihren eigenen Kriterien nicht genügende (weil ebenfalls nicht falsifizierbare) Voraussetzung scheint.


    Das von Dir angesprochene soziologische Phänomen ergibt sich übrigens sehr rasch in jeder Art von Bewegung, die einerseits etwas Neues gebracht hat und sich nun gerade mal so etabliert hat und andererseits gleichzeitig immer noch ums Überleben kämpft - auch im nichtreligiösen Bereich: Deutsche Klassik vs. Romantik, Gruppe 47, jede zweite Start-up-Firma im IT-Bereich ...


    Dass mit der Psychoanalyse auch sehr viel Schindluder getrieben wurde, will ich damit nicht abstreiten. Freud ist das wenigste davon zuzuschreiben.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "Harald"


    Es scheint mir nach Deinem Einwand (ob berechtigt oder nicht) angebracht, zwischen der "Kirche" Psychoanalyse und ihrem Propheten Freud zu unterscheiden.


    Das rettet Freud meiner Meinung nach gar nicht. Viele Kernthesen gehen ja direkt auf Freuds Schriften zurück.


    Es sind hier alle klug genug, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ich denke nur, man soll dazu eben auch psychoanalysekritische Literatur heranziehen, damit man auch alle Argumente kennt, um sich ein Bild zu machen. Für mich steht sie jedenfalls nicht weit über sonstigem esoterischen Blödsinn ...


    CK

  • Hallo xenophanes,


    Zitat von "xenophanes"

    Das rettet Freud meiner Meinung nach gar nicht. Viele Kernthesen gehen ja direkt auf Freuds Schriften zurück.


    Deine Meinung zur Psychoanalyse gründet sich aber auf zwei Arten von Argumenten. Das erste ist die Soziologie - dafür kann Freud überhaupt nichts, mir ist zumindest nicht bekannt, dass Freud jemals tatsächlich "religionsstiftend" aufgetreten ist - und das zweite ist Unwissenschaftlichkeit nach Maßstäben, die dem Modell der Naturwissenschaften entlehnt sind.


    Ich kann diese zweite Argumentationslinie nachvollziehen, wobei ich mal offen lasse, ob es stimmt oder nicht, denn das können wir hier sowieso nicht entscheiden. (Übrigens: Wenige sind kritischer gegenüber Theorien aller Art als ich; als Mathematiker gibt es für mich sowieso nur eine sichere wissenschaftliche Wahrheit, und das ist die Mathematik; alles andere sind mehr oder weniger plausible Vermutungen... es besteht also keine Gefahr, dass ich in den Sog irgendeines Kultes gerate oder, wie Du es so schön sagst, in mein "theoretisches Verderben" renne :smile:)


    Nur, dass die Kernthesen der Psychoanalyse auf Freud zurückgehen, beweist ja nichts für und nichts gegen diese Thesen. Selbst wenn es stimmt, dass diese Thesen von Freud kommen, dass sie in einen unwissenschaftlichen Begriffs- und Theorienkorpus namens "Psychoanalyse" integriert wurden und dass eine religionsähnliche soziale Struktur darum entstand, was besagt das schon? Was besagt die Tatsache, dass viele Leute negative Zahlen für Teufelswerk hielten, dass Vielen die Gauss'sche imaginäre Einheit (Wurzel aus -1) unheimlich war und ist, dass man sich die "vierte Dimension" (sprich: N-dimensionale Räume) nicht vorstellen kann, dass man nicht verstehen kann, wie Licht sowohl Welle als auch Teilchen sein kann, usw. usf.??


    Mein (momentan unbeweisbares) Gefühl sagt mir, dass Freud für die Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts unerläßlich ist, insofern würde ich Sandhofer zustimmen. Was den Gehalt betrifft, so bin ich jetzt mehr als vorher motiviert, mir den einen oder anderen Text vorzunehmen, um fundiert urteilen zu können.


    Nun, ich habe genug geschwafelt... Frederick Crews habe ich notiert, danke für den Hinweis.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Harald!


    Zitat von "Harald"


    Deine Meinung zur Psychoanalyse gründet sich aber auf zwei Arten von Argumenten. Das erste ist die Soziologie - dafür kann Freud überhaupt nichts, mir ist zumindest nicht bekannt, dass Freud jemals


    Ich denke schon, dass es einen Zusammenhang gibt, zwischen der Formulierung einer Theorie (inhaltlich und formal) und solchen Gruppenbildungen. Dogmatische Theorien (im Gegensatz zu offenen, falsifizierbaren) bilden erstaunlich regelmäßig Schulen, Abspaltungen usw. aus. Neben den Religionen selbst, wäre auch der Marxismus ein weiteres Beispiel. Auch hier halte ich die Sektenbildung für keinen Zufall. Je mehr es in Richtung Weltanschauung anstatt Empirie geht, desto öfters kommt das vor.


    Zitat von "Harald"


    und das zweite ist Unwissenschaftlichkeit nach Maßstäben, die dem Modell der Naturwissenschaften entlehnt sind. Ich kann diese zweite Argumentationslinie nachvollziehen, wobei ich mal offen lasse, ob es stimmt oder nicht, denn das können wir hier sowieso nicht entscheiden.


    Ich nehme es (in aller Bescheidenheit :breitgrins: ) in Anspruch, das entscheiden zu können, da ich das Glück hatte, eine wissenschaftstheoretische Ausbildung zu genießen :zwinker:


    Generell sehe ich auf einer abstrakten, erkenntnistheoretischen Ebene keinen Unterschied zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Beide müssen hier dieselben Kriterien erfüllen.


    Zitat von "Harald"


    (Übrigens: Wenige sind kritischer gegenüber Theorien aller Art als ich; als Mathematiker gibt es für mich sowieso nur eine sichere wissenschaftliche Wahrheit, und das ist die Mathematik; alles andere sind mehr oder


    Kein Widerspruch hier.


    Zitat von "Harald"


    Mein (momentan unbeweisbares) Gefühl sagt mir, dass Freud für die Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts unerläßlich ist, insofern würde


    Leider, leider ist das so :breitgrins:


    Man muss Freuds abstruses Gedankengebäude :zwinker: tatsächlich gut kennen, da es enorm einflussreich war. Das gilt für das 20. Jahrhundert auch für Spengler und anderen seltsamen "Theoretikern". So lange man dieses Zeug kritisch-historisch liest, kann das durchaus spannend sein.


    Leider gibt es aber nach wie vor genügend Geisteswissenschaftler, welche die Psychoanalyse affirmativ verwenden. Ist ja auch praktisch, da man mit etwas Jargon den Eindruck der "Wissenschaftlichkeit" vortäuschen kann.


    CK

  • Hallo xenophanes,


    Danke für Deine Anmerkungen. Ich denke, die teils übereinstimmenden, teils abweichenden Meinungen sind hinreichend klar, so dass nur wenig hinzuzufügen ist. Übrigens magst Du gerne fordern, dass Geistes- und Naturwissenschaften die gleichen Kriterien zu erfüllen haben; ich befürchte nur, dass dies in der Praxis etwas anders aussieht. Natürlich sind auch die Naturwissenschaften vor Scharlatanerie nicht gefeit.


    Wird die Psychologie übrigens als Natur- oder als Geisteswissenschaft betrachtet?


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Zitat von "Harald"


    Naturwissenschaften die gleichen Kriterien zu erfüllen haben; ich befürchte nur, dass dies in der Praxis etwas anders aussieht. Natürlich


    In der Praxis sieht es leider (von Ausnahmen) abgesehen komplett anders aus. Das ist aber kein Grund, sich nicht philosophisch anzusehen, wie es sein sollte.


    Vor einiger Zeit habe ich mal einen Versuch gemacht:


    http://www.koellerer.de/diplausz.html


    Zitat von "Harald"


    Wird die Psychologie übrigens als Natur- oder als Geisteswissenschaft betrachtet?


    So weit ich das überblicke, verstehen sich fast alle Uniinstitute als zu den Naturwissenschaften zugehörig und arbeiten entsprechend.


    CK

  • Hallo Xenophanes,


    kannst Du Deine These, jede These müsse empirisch verifiziert werden, empirisch verifizieren?


    Gruß,
    R.

  • Zitat von "xenophanes"

    Ich komme nicht umhin, anzumerken, dass ich Freud für einen der meistüberschätzten Bücherproduzenten des letzten Jahrhunderts halte, der mehr als eine Generation von Geisteswissenschaftlern verdorben hat.


    Hallo zusammen,


    Freud ein überschätzter Bücherproduzent? M.M.n. ja, da würde ich xenophanes zustimmen, ob er der meistüberschätzte ist, (was ja auch niemand gesagt hat) wage ich allerdings in Anbetracht der vielen (heute noch) überschätzten Autoren des 20. Jahrh. zu bezweifeln. Trotzdem, obwohl ich Freud für überschätzt halte, stimme ich Sandhofer zu: ein gebildeter Leser sollte Freud gelesen haben. Es muß ja nicht alles sein. Tipp: ich empfehle als Mindestlektüre "Die Traumdeutung"


    Gruß von Hubert


    PS: Leider habe ich nicht die Zeit, die ganze, sicher interessante Diskussion i.M. durchzulesen. Vielleicht hole ich das gelegentlich nach.

  • Hallihallo,


    danke, dass ihr diese (für mich) sehr spannende Diskussion in Gang gebracht habt! :smile:


    Ich weiß über Sigmund Freud und seine Theorien eigentlich nur das, was man im Gymnasium im Psychologieunterricht plus vertiefendem Wahlfach Psychologie lernt, und was man eben allgemein so über den Herrn aufschnappt. Mit Primärliteratur-Leseerfahrung kann ich also nicht dienen, trotzdem möchte kurz meine Meinung zu der Frage "überschätzt oder nicht" anbringen:


    Dass die von Freud begründetete Psychoanalyse so umstritten ist, halte ich durchaus für berechtigt - auch wenn ich sie nie im Leben als kompletten Humbug abtun würde. Man muss sie eben kritisch hinterfragen, relativieren und den modernen Erkenntnissen anpassen. (Um eventuellen Einwürfen gleich vorzubeugen: dass dann überhaupt nichts mehr davon übrig bleibt (bzw. nicht mehr als von der Astrologie des 16. Jahrhunderts), kann mir keiner weismachen.)
    Aber das eigentlich Entscheidende an Freuds Theorien und seiner Arbeitsweise ist in meinen Augen das Revolutionäre! Die Wiener der Jahrhundertwende hatten so einen Tabubrecher doch absolut notwendig. Aus heutiger Sicht räumt er dem Sexualtrieb und den frühesten Kindheitserfahrungen einen allzu hohen Stellenwert ein, wenn er praktisch sämtliche Verhaltensweisen und Probleme eines Erwachsenen darauf zurückführt - aber gegen die damalige Ignoranz von Sexualität und dem Unterschied Kind/Erwachsener hat er meiner Meinung nach völlig zu Recht rebelliert.


    Überschätzt? Ja, in der Hinsicht, dass sein Werk vielen noch immer als Bibel gilt und er als der Jesus der Psychologie (danke für den Vergleich). Aber nichtsdestotrotz schätze ich einiges von seinen Theorien (bzw. von dem, was ich eben kennengelernt habe) als durchaus gültig ein - und seine Rolle als Pionier und Wegbereiter wird meiner Meinung nach keineswegs überschätzt.


    Soweit mein Wort zum Sonntag. :breitgrins:


    Zitat von "xenophanes"

    Erfreulicherweise gibt es längerer Zeit eine Fülle von guter kritischer Literatur zur Psychoanalyse. Wer sich dafür interessiert, sollte die Bücher von Frederick Crews lesen.


    Danke für den Tipp, das interessiert mich wirklich. Allerdings ist es sicher sinnvoller, wenn ich vorher das eine oder andere Werk von Freud gelesen habe ...


    Zitat von "sandhofer"

    Hm. Mehr oder weniger alles gelesen haben könnten wohl [...]
    Was ich sagen will: Freud gehört m.M. auch im 21. Jahrhundert zur Grundausstattung jedes belesenen Menschen. Oder sollte gehören ...


    Uh, jetzt bist du aber seeehr streng (wenn ich dich richtig verstanden habe und du das Gesamtwerk meinst) ...
    Da bin ich doch eher Huberts Ansicht: :zwinker:

    Zitat von "Hubert"

    ein gebildeter Leser sollte Freud gelesen haben. Es muß ja nicht alles sein.


    Wobei es mir persönlich praktischerweise nicht darum geht, als "belesen" oder "gebildet" gelten zu wollen - ich kann also völlig ohne Druck einfach soviel oder sowenig lesen, wie mir Spaß macht. :sonne:


    Liebe Grüße,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Guten Abend,


    neulich bin ich auf die interessante Website einer philosophischen TV-Show in den USA gestoßen, die eine Liste mit den (nach Ansicht der Redakteure) zwanzig wichtigsten Büchern des 20. Jahrhunderts enthält. Ich war etwas irritiert, weil etwa ein Drittel der aufgelisteten Autoren mir völlig unbekannt war ... :rollen:
    Von Freud steht kein Werk auf der Liste, aber er wird dort vertreten durch das Buch eines anderen Psychologen:


    Norman O. Brown, "Love's Body"


    Ich hatte noch nie davon gehört, aber inzwischen etwas recherchiert: Brown war vor allem in den 70er-Jahren populär, damals waren auch Bücher von ihm in deutschen Übersetzungen zu haben. Inzwischen ist er aber vollständig vom deutschen Buchmarkt verschwunden.


    Meine Frage: Kennt irgendjemand Norman O. Brown?


    Viele Grüße,
    R.