Dezember 2004:Albert Camus - Der Fremde / Der Mythos ..

  • Hallo,


    ab sofort ist dieses Buch zur Leserunde freigegeben!


    Albert Camus - Der Fremde


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    Inhalt (Amazon):


    Die Sonne sei Schuld gewesen, er habe den Araber am Strand nicht erschießen wollen. Mit dieser Erklärung erntet der Büroangestellte Meursault vor Gericht nur Gelächter. Der Staatsanwalt fordert seinen Kopf und klagt ihn der Unmenschlichkeit an.
    Meursaults grundlegende Schuld besteht jedoch darin, ein Sonderling zu sein, gesellschaftliche Spielregeln zu mißachten, am Grab seiner Mutter nicht geweint und tags drauf eine Liebschaft begonnen zu haben. Man wird lange suchen müssen nach einem Roman, in dem eine Philosophie (aus Camus' zeitgleich entstandenem Essay über das Absurde Der Mythos von Sisyphos) ähnlich elegant und überzeugend in Literatur verwandelt wird. Und erstaunlich, wie betörend klar und frisch die Sprache in Camus' frühem Meisterwerk heute noch wirkt, wie kunstvoll Aufbau und Motivführung sind.


    Albert Camus - Der Mythos des Sisyphos


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    Inhalt (Amazon):


    Camus Essay erschien 1942. Der Existenzialismus, der in diesem Text seine vielleicht repräsentativste Ausformulierung erfährt, entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist. Es findet seinen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch ist. Sie entspringt dem Gegensatz zwischen dem selbstbewussten, von Hoffnungen erfüllten und in Handlungen sich entäußernden menschlichen Geist und der ihm gegenüberliegenden undurchdringlichen, immanenten Welt, an der sein Streben immer wieder scheitert. Diese Absurditätserfahrung wirft die Frage nach Sinn und Wert des menschlichen Lebens auf.


    Angemeldet für die Leserunde hatten sich:


    Michael
    Sovereign
    Maja
    kali
    riff-raff
    Stjarna


    Ich wünsche euch viel Spaß!


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo zusammen,


    schön das es losgeht. Ich werde am Wochenende mit der Lektüre beginnen.


    OT: Gibt es eigentlich Hinweise darauf, wie Camus auf den Namen "Meursault" für seinen Protagonisten gekommen ist?


    Es gibt ja einen feinen trockenen Chardonnay aus dem Burgund mit gleichen Namen....(womit ich nebenbei einen Querverweis zu meinem "Suff-Thread" hier im board setze) :breitgrins:


  • Hallo zusammen,


    habe nun also mit "Der Fremde" begonnen. Zugegeben, nicht das erste Mal, trotzdem freue ich mich auf die eine oder andere Überraschung.


    Zitat

    Heute ist Mama gestorben. Vielleicht auch gestern, ich weiß nicht. Ich habe ein Telegramm vom Heim bekommen: "Mutter gestorben. Beisetzung morgen. Hochachtungsvoll." Das will nichts heißen. Es war vielleicht gestern.


    Beginn, A. Camus "Der Fremde" (Übersetzung: Aumüller)


    Was haltet ihr von diesem Einstieg?
    Ich finde stilistisch und inhaltlich setzt Camus einen beachtlichen Ausgangspunkt. Inhaltlich, weil er den Roman mit dem Tod beginnen lässt (hier mit dem Tod eines "nahestehenden" Menschen, Meursaults Mutter) und stilistisch, weil sich in den kurzen, völlig knapp gehaltenen Sätzen bereits die Belanglosigkeit, die Entfremdung andeutet, die Camus aus der Sicht Meursaults heraus auf den nächsten Seiten entwickelt.
    "Mutter gestorben. Beisetzung morgen. Hochachtungsvoll." Dieser Telegrammstil scheint mir auch für Camus´ Erzählweise etwas Bezeichnendes zu haben.


    Bin gespannt auf unsere Diskussion. :smile:


    LG,
    Michael


    PS.: Ich weiß nicht, woher Camus den Namen nimmt, Sov.

  • Hallo zusammen,


    ich habe den ersten Teil im Fremden gelesen. Wie weit seit ihr denn bisher gekommen?


    :smile:

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Sovereign"

    Gibt es eigentlich Hinweise darauf, wie Camus auf den Namen "Meursault" für seinen Protagonisten gekommen ist?
    Es gibt ja einen feinen trockenen Chardonnay aus dem Burgund mit gleichen Namen....


    Das fängt ja gut an... :breitgrins: Aber es wird schliesslich auch genug Wein getrunken im Roman!
    Über den Namen habe ich sonst auch nichts gefunden, die einzige Assoziation, die mir in den Sinn kommt ist die zum Wortfeld mourir (=sterben): je meurs - ich sterbe, il meurt - er stirbt, meurtrier - Mörder, meurtre - Totschlag, Mord.
    Vielleicht fast zu plump, um mehr als Zufall zu sein??


    Zitat von "Michael"

    ...(hier mit dem Tod eines "nahestehenden" Menschen, Meursaults Mutter) und stilistisch, weil sich in den kurzen, völlig knapp gehaltenen Sätzen bereits die Belanglosigkeit, die Entfremdung andeutet


    Dass er ihr näherstand als er gegen aussen zugibt, zeigt wohl die Wortwahl: Mama. Er sagt nicht "meine Mutter".


    Zum Thema "Entfremdung": Arbeitstitel sei "Der Gleichgültige" gewesen. Das würde eigentlich auf den ersten Teil auch gut passen, finde ich.


    Zitat von "Michael"

    ...die Entfremdung andeutet, die Camus aus der Sicht Meursaults heraus auf den nächsten Seiten entwickelt.


    Über diese Formulierung muss ich noch nachdenken, wer aus wessen Sicht was entwickelt. Ich bin in Erzähltheorie noch nicht sattelfest, aber das geht nicht ganz auf.


    :lesen: Mit Lesen bin ich im 5. Teil, aber mit Nachdenken noch lange nicht...


    Liebe Grüsse,
    Maja

  • Hallo, alle zusammen,


    ich habe mich nicht für die Leserunde angemeldet, allerdings habe ich neulich den ersten Satz des Buches gelesen und es sofort gekauft. Ich habe keinerlei Erfahrungen mit Leserunden, auch keine (seit meiner Schulzeit) mit gemeinsamen Lesen und Analysieren, trotz alledem möchte ich es einmal wagen, meine Gedanken zu diesem Absatz aufzuschreiben.


    Zitat

    "Heute ist Mama ist gestorben. Vielleicht auch gestern, ich weiß nicht. Ich habe ein Telegramm vom Heim bekommen: "Mutter verstorben. Besetzung morgen. Hochachtungsvoll. " Das will nichts heißen. Es war vielleicht gestern. "


    Dieser erste Absatz fasziniert mich. Bei jedem Lesen lege ich den Absatz anders aus, besonders die Beziehung der ersten beiden Sätze. Der erste Satz ist für mich voller Trauer, er ist kurz und hart, eine Tatsache, die so akzeptiert werden muss, an der nichts zu rütteln ist. Aber die Wortwahl 'Mama'; das Wort klingt nach Zuneigung, es klingt nach Kind und nicht nach Erwachsenem. Dann der zweite Satz. Ist er voller Resignation? Will er sagen, dass sie tot ist, ist das Schlimmste, egal ob sie heute oder gestern gestorben ist? Oder ist der erste Satz nur eine Tatsache und er fixiert sich auf den Zeitpunkt? Oder stellt er den Zeitpunkt deshalb heraus, weil er die eigentliche Nachricht gar nicht fassen will? Auch der Satz 'Das will nichts heißen.' Meint er unterbewusst, dass es ihm nichts bedeutet, dass seine Mutter gestorben ist? Das war meine erste Deutung, ich habe den Satz gelesen und gestockt. Mein erster Eindruck nach diesem Absatz war der, dass Meursault ein Mensch sein muss, der nichts an sich heranlässt. Der sofort abblockt und sich auf Nebensächlichkeiten konzentriert, um sich nicht mit dem eigentlichen Thema auseinander setzen zu müssen.


    Liebe Grüsse,

  • bin gerade mit dem ersten kapitel fertig geworden


    mir ist vor allem aufgefallen, dass sich meursault häufig anderen gegenüber rechtfertigt, dass er nicht schuld am tod seiner mutter hat.


    mir kommt es so vor, als hätte er ein schlechtes gewissen, da er seine mutter in das heim abgeschoben hat und sich nicht um sie kümmern konnte.

    Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.
    <br />
    <br />~simone de beauvoir~

  • Mein Eindruck, den ich aus den ersten drei Kapiteln gewonnen habe, ist der, daß Meursault in höchsten Maße unentschlossen ja indiffernt ist. Er hält sich nicht an gesellschaftliche Konventionen:


    Während der Totenwache beschäftigt ihn die bohrende Frage, ob das Rauchen erlaubt sei.


    Auf die Frage seines Chefs wie alt seine Mutter gewesen sei, sagt er "ungefähr sechzig"..


    Am Tag nach der Beerdigung geht er an den Strand und lädt seine Strandbekanntschaft ins Kino ein. Dabei bemerkt diese, daß er eine schwarze Kravatte trägt und erkundigt sich nach dem Grund. Als er sagt, daß die Beerdigung am Vortag war, löst er stuumes Erstaunen bei ihr aus.


    Auf die Frage seines Nachbarn, bei dem er zu Abnd ist, ob er sein "Kumpel" sein wolle antwortet er mit einem "es ist mir egal".


    Summa summarum ein Mensch, der nicht in das allgegenwärtige gesellschaftliche "Raster" des Zusammenlebens passt. Er rebelliert aber nicht offen gegen die Gesellschaft (jedenfalls noch nicht), es ist ihm alles und jedes schlicht EGAL. Es interessiert ihn wenn überhaupt dann nur oberflächlich....Ein Umsatnd den man bei der Schilderung der grölenden Fussballfans, die zusammen mit ihren Verein ja alle "mitgesiegt" haben durchaus verstehen kann. :rollen:


    Maja schrieb:

    Zitat

    Dass er ihr näherstand als er gegen aussen zugibt, zeigt wohl die Wortwahl: Mama. Er sagt nicht "meine Mutter"


    Man müßte die französische Worte "mama-mère" mit seinem deutschen Pendant "Mama-Mutter" und ihre Stellung zueinander näher betrachten. Ich bin kein Romanist und lese das Buch als deutsche Übersetzung, aber ich meine das "mama" im Französischen weniger privat gefärbt ist als im Deutschen und auch in formeller Sprache angewandt wird. Das Wort "mére" dagegen findet eigentlich nur bei derBeschreibung der Mutter eines Anderen -nicht jedoch der Eigenen- Anwendung. Bei Proust, der ja ein Meister der höflich-formalen Sprache ist, ist mir dieser Umsatnd aufgefallen. Da der Autor aber unzweifelhaft einen "Mutterkomplex" hatte, bin ich mir nicht sicher ob man sein Werk als repräsentativ diese Frage betreffend ansehen kann.


    Gruß


    Sovereign

  • Hallo zusammen,




    Zitat von "Maja"


    Dass er ihr näherstand als er gegen aussen zugibt, zeigt wohl die Wortwahl: Mama. Er sagt nicht "meine Mutter".


    a)
    Mir ist diese Wortwahl auch aufgefallen, doch habe ich sie ein wenig anders gelesen, und zwar, dass sich darin irgendwas kindliches in Mersaults Person wiederspiegelt. Auch dieser (fast) durchweg parataktischer Sprachgebrauch erinnert doch eher an die einfache Satzbauweise von Kindern. Schätzungsweise die Hälfte der Sätze beginnt mit: Ich habe..., Ich bin..., Ich war... etc.
    Dem widersprechen einige Bilder und Metaphern, die zwischendurch fast unauffällig einfließen, wie:
    Die Sonne hatte den Teer aufplatzen lassen. Die Füße versanken darin und legten sein glänzendes Fleisch frei. oder:
    Sie [die Tränen] breiteten sich aus, flossen wieder zusammen und bildeten einen Wasserfirnis auf diesem zerstörten Gesicht. oder:
    die blutrote Erde, die auf Mamas Sarg polterte das weiße Fleisch der Wurzeln
    Bis jetzt weiß ich noch nicht so recht, was ich mit dieser Feststellung anfangen soll, aber wir können es ja über die nächsten Kapitel weiter betrachten.



    b)
    Ich weiß nicht ob er ihr nahestand:
    weshalb ich im letzten Jahr nicht mehr hingefahren bin. Und auch, weil es mich um meinen Sonntag brachte - ganz abgesehen von der Mühe, zum Bus zu gehen, Fahrkarten zu lösen und zwei Stunden zu fahren.
    ich fühlte, welchen Spaß es mir gemacht hätte, spazierenzugehen, wenn da nicht Mama gewesen wäre.
    Dann sind wir beiseite getreten, um die Leiche vorbeizulassen.


    Im "Mythos des Sisyphos" schreibt Camus:
    Auch die Menschen sondern Unmenschliches ab. In gewissen hellsichtigen Stunden läßt das mechanische Aussehen ihre Gesten, ihre sinnlose Pantomime alles um sie herum stumpfsinnig erscheinen. [...] Und auch der Fremde, der uns in gewissen Augenblicken in einem Spiegel begegnet, der vertraute und doch beunruhigende Bruder, den wir auf unseren eigenen Photographien wiederfinden, ist das Absurde.


    Ist es Zufall, dass Meursault extrem unter der Hell(sicht)igkeit in der Leichenhalle und auf dem Weg zur Kirche leidet? Wenn Meursault tatsächlich so sieht, wie er dem Leser beschreibt, hat er wohl das Unmenschliche fokusiert. Er wirkt stumpf, in seiner nüchternen Erzählweise. (kleiner Exkurs: Ich musste in der sechsten Klasse mal einen Aufsatz über mein Lineal und meinen Bleistift schreiben, der hatte wohl einen sehr ähnlichen sprachlichen Stil :zwinker: )
    Meursault ist 'der Fremde', der von einem anderen Fremden, dem Heimleiter, etwas aus dem Leben seiner Mutter erzählt bekommt, die ihm auch fremd ist?
    Ich sehe noch nicht ganz so klar... :rollen:
    Was denkt ihr, waru, Meursault seine Mutter nicht nochmal sehen wollte?


    Liebe Grüße, kali

    Der Zufall ist unser Schicksal und das ist ein gutes Zeichen für das Unberechenbare.

  • Hallo! Ich hatte mich zwar nicht für die Leserunde angemeldet, würde aber trotzdem gerne mitreden, wir haben den "Fremden" nämlich vor ein paar Wochen in der Schule behandelt.


    Zitat von "Kali"

    Was denkt ihr, waru, Meursault seine Mutter nicht nochmal sehen wollte?


    Vielleicht wollte er sie als Lebende in Erinnerung behalten, so, wie er sie gekannt hat - und nicht als hässliche Leiche?
    Viele Menschen haben Angst vor dem Tod und der Konfrontation damit. Vielleicht geht das Meursault ähnlich?


    Zitat von "Sovereign"

    Auf die Frage seines Nachbarn, bei dem er zu Abned ist, ob er sein "Kumpel" sein wolle antwortet er mit einem "es ist mir egal".


    Diese Reaktion fand ich wahnsinnig sympathisch. Er ist an dieser Stelle so ehrlich - und erinnert ihr euch, wie erleichtert der andere ist?


    LG
    Nightfever

  • Zitat

    Was denkt ihr, warum Meursault seine Mutter nicht nochmal sehen wollte?


    Ich finde das auch nicht weiter überraschend. Aus persönlicher Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich auch lieber die Toten als Lebende in Erinnerung behalten möchte, nicht als letztes Bild sie im Sarg zu sehen.


    Auch bei der Totenwache (rauchen, Milchkaffe) und die Vorbereitung darauf (z. B. dass er sich ein schwarze Binde leiht) beschäftigt er sich wieder nicht mit dem Eigentlichen, dem Tod seiner Mutter. Ich verstehe noch nicht warum? Kann jemanden wirklich alles so egal sein, dass er nur sich nur um das Äußere, den äußeren Schein kümmert?

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "kali"

    Die Sonne hatte den Teer aufplatzen lassen. Die Füße versanken darin und legten sein glänzendes Fleisch frei.


    Da ich den Fremden vor einiger Zeit schon einmal gelesen habe, fällt es mir schwer, die nachfolgenden Ereignisse außer Acht zu lassen. Ich glaube, dass das Licht im Fremden und auch in anderen Werken Camus´ eine wichtige Bedeutung hat.



    Das sind nur zwei Zitate, die mir spontan einfallen, weil ich sie sehr mag.


    Vielleicht ist das kein Wunder, wenn man in Algerien aufgewachsen ist, trotzdem glaube ich, es steckt mehr dahinter...
    Es ist schon auffallend, wie oft das Licht, die Sonne, die Hitze, all diese Begrifflichkeiten immer und immer wiederkehren bis hin zu einem ganz entscheidenden Augenblick des Romans...


    LG,
    Michael


    PS.: Ich habe den ersten Teil, also die erste Hälfte jetzt gelesen und warte vielleicht erst einmal. Es sind ja einige Diskussionsansätze vorhanden.

  • Hallo Maja,


    Zitat von "Maja"

    Über den Namen habe ich sonst auch nichts gefunden, die einzige Assoziation, die mir in den Sinn kommt ist die zum Wortfeld mourir (=sterben): je meurs - ich sterbe, il meurt - er stirbt, meurtrier - Mörder, meurtre - Totschlag, Mord.
    Vielleicht fast zu plump, um mehr als Zufall zu sein??


    Scheint mir trotz der Offensichtlichkeit doch ein interessanter Gedanke zu sein. Wenn ich nur in Französisch etwas sattelfester wäre. :redface:


    Zitat

    Dass er ihr näherstand als er gegen aussen zugibt, zeigt wohl die Wortwahl: Mama. Er sagt nicht "meine Mutter".


    Wie die Gebräuchlichkeit des Wortes "maman" im Französischen ist, weiß ich nicht. Dass sich diese beiden Menschen wirklich nahegestanden haben sollen, glaube ich jedoch nicht. Mir scheint der Fremde, steht seiner Mutter nicht näher und nicht entrückter, als viele andere Personen auch. Sie sind sich fremd. Die Ereignisse um die Beerdigung herum scheinen ihn auch eher zu stören, lästig zu sein. Letztlich ist es ihm aber irgendwie gleichgültig, auch wenn dieser Gedanke erst einmal befremdet. Oder was meinst du?
    Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch die Beziehung des Fremden zu Marie. Stehen sich diese beiden Menschen nahe?


    Zitat

    Zum Thema "Entfremdung": Arbeitstitel sei "Der Gleichgültige" gewesen. Das würde eigentlich auf den ersten Teil auch gut passen, finde ich.


    Michael hat folgendes geschrieben::
    ...die Entfremdung andeutet, die Camus aus der Sicht Meursaults heraus auf den nächsten Seiten entwickelt.


    Über diese Formulierung muss ich noch nachdenken, wer aus wessen Sicht was entwickelt. Ich bin in Erzähltheorie noch nicht sattelfest, aber das geht nicht ganz auf.


    Liegt wohl eher daran, dass meine Formulierung nicht ganz sauber ist, sorry!


    Liebe Grüße,
    Michael

  • Zitat

    Was denkt ihr, warum, Meursault seine Mutter nicht nochmal sehen wollte?


    Ich denke, es war ihm letztlich wirklich nicht wichtig, ohne besondere oder tiefergehende Hintergedanken. Man könnte vielleicht sagen, er sah darin einfach keine besondere Bedeutung. Und er sagt im Gespräch mit dem Pförtner, er wisse es selbst nicht. Es ist für ihn belanglos. Wie auch immer man das jetzt werten möchte. Mir kommt es jedenfalls so vor. Ich gebe zu, hört sich irgendwie etwas hart an.


    Grüße,
    Michael

  • Hallo zusammen!


    zuerst mal Willkommen carina :winken: Wie Du siehst, hat's hier noch mehr Anfänger!
    Du hast den Anfang gründlich auseinandergenommen, danke für die Denkanstösse!


    Zitat von "carina"

    dass Meursault ein Mensch sein muss, der nichts an sich heranlässt. Der sofort abblockt und sich auf Nebensächlichkeiten konzentriert, um sich nicht mit dem eigentlichen Thema auseinander setzen zu müssen.


    Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir diesen Gedanken im Auge behalten sollten. Was er abblockt (verdrängt), muss sich doch irgendwann wieder melden?


    Zitat von "Michael"

    Da ich den Fremden vor einiger Zeit schon einmal gelesen habe, fällt es mir schwer, die nachfolgenden Ereignisse außer Acht zu lassen.


    Das musst Du hier im Klassikerforum auch nicht! Im Gegenteil...


    Zitat von "kali"

    dass sich darin irgendwas kindliches in Mersaults Person wiederspiegelt.


    Dazu ist mir auch aufgefallen, dass ihm seine Wohnung jetzt plötzlich zu gross ist, obwohl er doch schon eine Weile allein darin wohnt. Er zieht sich in sein (Kinder-)Zimmer zurück. Ohne jetzt mit Mutterleib-Interpretationen aufzufahren, da drückt sich doch irgendeine Sehnsucht nach Geborgenheit aus.


    Zitat von "kali"

    Auch dieser (fast) durchweg parataktischer Sprachgebrauch erinnert doch eher an die einfache Satzbauweise von Kindern. Schätzungsweise die Hälfte der Sätze beginnt mit: Ich habe..., Ich bin..., Ich war... etc.


    Danke für den Hinweis, darauf will ich beim Wiederlesen achten!


    Zitat von "Michael"

    Die Ereignisse um die Beerdigung herum scheinen ihn auch eher zu stören, lästig zu sein. Letztlich ist es ihm aber irgendwie gleichgültig, auch wenn dieser Gedanke erst einmal befremdet.


    Mir kommt die Gleichgültigkeit irgendwie depressiv vor. Als Phase mag das ja gehen, aber als Dauerzstand??


    Herzliche Grüsse,
    Maja