Einige Fragen zum Naturalismus

  • Ich möchte einige Thesen zum Drama d. Naturslismus in d. Raum stellen, zu denen ich gerne verschiedene/eure Meinungen lesen möchte.

    1. Warum ist gerade das naturalistische Drama die bedeutendste Gattung
    des dt. Naturalismus?
    2. "Vor Sonnenaufgang" markiert d. entscheidenden Durchbruch d. dt.
    Naturalismus im Theater!
    3. Die ästhetische Theorie d. Naturalismus zieht (aus der Forderung nach
    Wirklichkeitsnachahmung) eine Reihe von Konsequenzen nach sich!
    4. Die Grenzen von Epik und Dramatik sind im Naturalismus fließend!
    5. Die naturalistischen Dramen von Hauptmann / Ibsen könnte man als
    eine Entwicklungsphase d. bürgerlichen Trauerspiels bezeichnen!


    Ich würde mich über Äußerungen dazu sehr freuen, danke!!!!

  • Hallo Katja !


    Warum möchtest du das wissen ? Klingt nach einer Hausarbeit o.ä. ? Vielleicht kann dir jemand ein paar erhellende Bücher empfehlen.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Steffi"

    Klingt nach einer Hausarbeit o.ä. ?


    War auch mein erster Gedanke :breitgrins:


    Da aber die Fragen durchaus eine allgemeine Diskussion lostreten könnten, habe ich sie mal hier stehen lassen. Persönlich bin ich allerdings kein Spezialist für Naturalismus; ich mag ihn nicht einmal besonders ... Kann also wohl leider nicht mitdiskutieren.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo ich hab zwar auch nicht soviel Ahnung, aber vielleicht hilft dir das ja trotzdem ein bisschen :smile:


    zu 1)
    Das Drama war wohl die bedeutenste Gattung im dt. N. weil sie die erfolgreichste war.
    Ich glaube, dass die Dramatik dass beste Mittel ist um die Theorie des dt.
    Naturalismus umzusetzten. Man spielte einfach so wirklichkeitsgetreu wie möglich (kein Monolog, "echte" Requisiten, Dialekt). Die Drastellung des Proletariats/ der unteren Schichten war im Drama wohl wirkender und schockierender ( der Skandal mit der Geburtszange!..)
    Und die Lyrik hatte nicht die nötigen Mittel, um dass was den Naturalismus ausmacht darzustellen, würde ich sagen, so dass es nach den Holz'schen Gedichten nicht wirklich weiterging. Und Epik.. hmm, ich glaube wenn man
    "Papa Hamlet" (Holz/Schlaf) gelesen hat, versteht man warums nicht so ankam :smile:
    Wortfetzen, ständig diese nervenden Punkte, nur Dialoge, so dass es schwer wird durchzusteigen. Außerdem macht der Sekundenstil das Lesen
    etwas langweilig, durch die genaue Beschreibung von sek. zu sek.



    zu 4)
    Sowie in der Epik als auch in der Dramatik verzichtete man oft auf
    Monolog, Gedanken. Also kein Erzähler, nur Dialog.

    Eine Frau hört selten zu. Honoré de Balzac

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo Katja,


    meinem Nick nach sollte ich was zum Thema sagen können :-)
    ich kenne mich aber mit naturalistischen Dramen überhaupt nicht aus.


    Daher nur was zu Frage 3)


    Im Naturalismus wird versucht die Wirklichkeit so exakt wie möglich, häufig mit Hilfe von naturwissenschaftlichen Methoden zu beschreiben. Das schließt natürlich vieles, was im Realismus und der Romantik erlaubt war völlig aus. Die Beschreibung von Gefühlen muß außen vor bleiben, die Meinung des Autors kann nur indirekt kundgetan werden, bspw. durch die detaillierte Beschreibung gesellschaftlicher Mißstände, Übernatürliches (wie z.B. in Balzacs "Das Chagrinleder") und phantastisches ist natürlich auch nicht erlaubt.
    Der Mensch an sich kann nicht Mittelpunkt eines naturalistischen Dramas sein sondern nur der Mensch mit seiner Umgebung, seinem Umfeld (der Mensch im Bergarbeitermilieu, im Bauernmilieu, der Mensch als Resultat, der sich entwicklet hat durch äußere Einflüße wie Bildung, Erziehung und das Milieu in dem er lebt oder aufgewachsen ist).
    Der Autor muß die Realität neutral "wie sie ist"(oder zumindest wie er denkt wie sie ist, also wie sie ihm erscheint) beschreiben. Oft wurde hierfür der sogenannte "Sekundenstil" verwendet. Hier wird der Ablauf von allem was durch Sinneseindrücke wahrgenommen werden kann, also Geräusche, optische Eindrücke, Gerüche, Vibrationen, Bewegungen etc. in ihrem exakten Ablauf beschrieben - genauso wie wenn man einen Film ablaufen läßt.
    Vielleicht läßt sich daraus eine Antwort für die Frage schustern ? Im Grunde würde ich hier versuchen den Unterschied zwischen Realismus (und vielleicht noch Romantik) und Naturalismus darzustellen, damit sollte die Frage beantwortet sein.
    Ich hoffe, dass ich etwas helfen konnte. Ich bin kein Literaturwissenschaftler oder so, für Richtigkeit überhnehme ich keine Gewähr :-)

  • Mich würde mal interessieren, was so toll am Naturalismus ist. Es sind doch nur Zustandsbeschreibungen. Was hat denn der Naturalismus geleistet? In Frankreich war Zola der wichtigste für den Naturalismus, in Russland Tolstoi, in Skandinavien Ibsen u. in Deutschland? Hat der deutsche Naturalismus überhaupt etwas Neues hervorgebracht?

  • Hallo Katja,


    nur kurz eine Überlegung, warum die Gattung des Dramas im Nturalismus als wichtigste galt:
    a) Man wollte so wirklichkeitsgetreu wie möglich sein: Das konnte man mit den Hilfsmitteln der Bühne viel eher als mit dem reinen sprachlichen Produkt.
    b) Der Naturalismus hatte auch eine starke politische Intention. Die unmittelbare Öffentlichkeitswirkung der Bühne ist und besonders war wiederum größer als die von reinem Schrifttum.


    @ Stina


    Ich denke, dass das deutsche naturalistische Drama in der Hauptmannschen Ausprägung sowohl literarisch als auch politisch bedeutend war: Die Weber, Der Biberpelz, Die Ratten usw. haben soziale Gruppen und Themen auf die Bühne gebracht, die dort früher nicht zu finden waren und auch - z.B. durch den Dialekt - neue sprachlcihe Möglichkeiten eröffnet.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • hallo zusammen,
    also zunächst mal bin ich auch, wie eingie vor mir, kein naturalismus experte.
    aber hier wurde gesagt, dass der naturalismus versucht die welt so zu zeigen, wie sie ist.
    ich befasse mich im moment intensiv mit dem amerikanischen realismus und dort speziell mit henry james.
    der realismus versucht genau dies, nämlich aufzuzeigen wie die welt beschaffen ist.


    james konzentriert sich dabei weniger auf die naturphilosophie und den vernunftgedanken, als vielmehr auf die sozialen probleme, die sich im zuge der industrialisierung und der wachsenden akkumulation des geldes innerhalb der amerikansichen gesellschaft ergeben.
    in der amerikanischen literatur findet sich der begriff des naturalismus kaum.
    das mag damit zusammenhängen, dass sich die amerikanische literatur generell eher bezüge zu soziokulturellen phänomenen hertellen will.


    der begriff naturalismus impliziert einen kontrapart zur klassik und romantik, die es in dieser form in den usa auch nicht gab.


    zur eigentlichen thematik stifte ích damit wohl mehr verwirrung als klarheit.
    nur soviel zumindest komparativistisch: der realismus ist vermehrt in den stark soziologisch geprägten ländern wie den USA oder auch england zu finden, während der begriff naturalismus wohl eine wortschöpfung der deutschen ist. das hängt wie gesagt auch mit den geistesgeschichtlichen idealen zusammen. der naturalismus versucht sich dabei halt bewusst von der romantik und der klassik abzuwenden.

    "i was the fool because i thought...i thought the world...turns out the world thought me...it's all the other way 'round...we're upside down..."

  • Hallo Eddie (ist diese Anrede genehm? :smile: )


    da auf deinen ersten Beitrag niemand geantwortet hat (lag wohl daran, das du einen alten Thread entstaubt hast, der momentan eher weniger im Zentrum des Interesses steht), möchte ich auf deinen zweiten umso schneller reagieren. Herzlich Willkommen bei uns im Klassikerforum!!! :klatschen:


    Gruß
    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • hallo erika. :winken:
    bin erst kurze zeit hier, fühl mich aber schon fast wie zu hause. na ja etwas übertrieben, aber mir gefällts bis jetzt sehr gut.

    die diskussionen sind wirklich interessant und spannend. hoffentlich bleibt das forum noch lange erhalten.


    gruß eddie :smile:

    &quot;i was the fool because i thought...i thought the world...turns out the world thought me...it's all the other way 'round...we're upside down...&quot;

  • hallo eddy, der realismus verwirrt mich tatsächlich etwas. zum einen wird er als vorläufer des naturalismus bezeichnet, zum anderen ist der poetische realismus durch seine verklärende darstellung (in deutschland) gekennzeichnet und ich kann daher nich ganz nachvollziehen, dass sich daraus der naturalismus entwickelz haben soll. oder bezieht sich dass nur auf den krassen realismus z.b. von frankreich?
    hebbel und büchner scheinen bzgl. d. deutschen realimsus aber eine ausnahme zu sein, bezieht sich die behauptung dann nur auf diese zwei?
    du sagst, der realismus versucht die welt so zu zeigen, wie sie beschaffen ist. das versucht der naturalismus auch. wo ist dann der unterschied, die steigerung zu sehen? die theamtischen u. formalen aspekte scheinen mir mehr eine gegendarstellung, als eine steigerung zu sein(bezogen auf den dt. realismus). wie ist dann aber die behauptung zu begründen, dass sich der naturalismus aus dem realimus entwickelte. der naturalismus wollte doch einen bruch der bisher gekannten literatur

  • Hallo zusammen!
    Hallo eddieletbetter!


    Zitat von "eddieledbetter"

    nur soviel zumindest komparativistisch: der realismus ist vermehrt in den stark soziologisch geprägten ländern wie den USA oder auch england zu finden, während der begriff naturalismus wohl eine wortschöpfung der deutschen ist. das hängt wie gesagt auch mit den geistesgeschichtlichen idealen zusammen. der naturalismus versucht sich dabei halt bewusst von der romantik und der klassik abzuwenden.


    Um ehrlich zu sein, verstehe ich nicht, was Du mit "soziologisch geprägten Ländern" meinst.


    Die Begriffe "Naturalismus", "naturalistisch" sind aber auch im Französischen gang und gäbe. Ich erinnere an Zolas Schrift Les Romanciers naturalistes von 1881. Vielleicht - ich bin wie gesagt kein Kenner des Naturalismus - eine Schrift, die man zur Diskussion beiziehen sollte.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • da muss ich dir zustimmen, der naturalismus war eine europäische bewegung.zolas, Ibsens, Strindbergs, Tolstois, Dostojewskis Werke wirkten vorbildlich, die deutsche literatur hinkte zu dem zeitpunkt eher hinterher und ein nachahmen war eine chance den internationalen standard zu erreichen. und zu dem zeitpunkt der genannten schrift (1881) steckte der dt. naturalismus noch in den kinderschuhen, würde ich sagen, wenn überhaupt.

  • hallo nochmal,
    also ich hatte ja anfangs erwähnt, dass ich kein naturalismus kenner bin.
    ich würd zwar nicht sagen, dass ich mir die gedanken aus den fingern gezogen habe, aber wirklich wissenschaftlich solide und fundiert ist das auch nicht. das waren eher vermutungen und denkanregungen.


    mit soziologisch geprägte länder meine ich solche, die vermehrt mit sozialen umwälzungen, z.b. im zuge der industrialisierung zu kämpfen hatten. zwar war die soziale frage in deutschland ja auch gegenstand der politischen auseinandersetzung, aber doch nicht so intensiv wie etwa in england (oder in den USA?). die klassengesellschaft findet man doch heute noch in england und was das auseinanderdriften zwischen arm und reich angeht, sind doch die USA spitzenreiter.


    detuschland dagegen war doch eher durch idealistisches denken geprägt, siehe auch hegel, kant usw. wohingegen z.b. die engländer, zumindest in der philosophie immer sehr stark an der realität orientiert waren, siehe empiristen wie hume usw.


    also wenn etwas nicht korrekt ist oder in einen falschen zusammenhang gebracht, dann korrigert mich bitte. ich denke ich kann hier noch von einigen etwas lernen. :smile: :zwinker:

    &quot;i was the fool because i thought...i thought the world...turns out the world thought me...it's all the other way 'round...we're upside down...&quot;

  • Hallo zusammen!


    Mein persönlicher und literaturwissenschaftlich wohl nicht haltbarer Zugriff auf den Naturalismus: Der Realismus war (jedenfalls im deutschen Sprachraum) eher am Bürgertum orientiert; mit dem Naturalismus kam auch die Unterschicht "zu Wort".


    Zitat von "Katja A."

    1. Warum ist gerade das naturalistische Drama die bedeutendste Gattung des dt. Naturalismus?


    Vielleicht, weil die Wendung hin zur Unterschicht und ihrer Sprache, dem Dialekt, im Drama besser darzustellen ist. (Für mich Alemannen ist es z.B. immer eine Herausforderung, Hauptmann zu lesen. Ihn auf der Bühne zu sehen und hören hingegen bereitet mir weniger Mühe ...)


    Zitat von "eddieledbetter"

    detuschland dagegen war doch eher durch idealistisches denken geprägt, siehe auch hegel, kant usw. wohingegen z.b. die engländer, zumindest in der philosophie immer sehr stark an der realität orientiert waren, siehe empiristen wie hume usw.


    "Immer" ist ein Wort, das ich in Zusammenhang mit menschlichem Denken und Handeln nur noch zurückhaltend verwende ... :zwinker: Die englische Philosophie der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war praktisch in den Händen von Hegelianern. Erst Russell, Whitehead & Co. haben das logisch-analytische Denken wieder en vogue gebracht ...


    Zitat von "eddieledbetter"

    also wenn etwas nicht korrekt ist oder in einen falschen zusammenhang gebracht, dann korrigert mich bitte. ich denke ich kann hier noch von einigen etwas lernen. :smile: :zwinker:


    Wir lernen ja hier alle voneinander ... :zwinker:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus